TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/19 99/05/0149

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Veröffentlicht am 19.12.2000
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Index

L70709 Theater Veranstaltung Wien;
L70719 Spielapparate Wien;
10/10 Grundrechte;
70/02 Schulorganisation;

Norm

SchOG 1962 §2;
StGG Art6 Abs1;
VeranstaltungsG Wr 1971 §15 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Ingeborg Gill in Wien, vertreten durch Dr. Heinz Wille, Rechtsanwalt in Wien IX., Ferstelgasse 1, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 26. März 1999, Zl. MD-VfR - G 15/98, betreffend Versagung einer Konzession für zwei Münzgewinnspielapparate gemäß § 15 Abs. 3 Wiener Veranstaltungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 16. Juni 1997 bei der Behörde eingelangten Ansuchen beantragte die Beschwerdeführerin die Erneuerung der Konzession zum Betrieb zweier Münzgewinnspielapparate am Standort Wien III, Fasangasse 55. In dem Gebäude Fasangasse 46, das drei Gebäude weiter auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegen ist, befindet sich ein Studentinnenheim und ein Turnsaal einer Handelsakademie bzw. Handelsschule. Von einer Vermessung der Gehwegstrecke vom Eingang des Studentenheimes bzw. des Turnsaales zum Lokaleingang durch einen Amtssachverständigen konnte Abstand genommen werden, weil aus dem Stadtkartenausschnitt im Maßstab 1 : 1000 ersichtlich war, dass diese weniger als 150 m beträgt. In ihrer Stellungnahme vom 7. November 1997 dazu brachte die Beschwerdeführerin vor, dass es die Münzgewinnspielapparate bereits seit 20 Jahren in dem Lokal gäbe. Eine Versetzung des Ein- bzw. Ausganges sei nicht möglich, da die Gehwegstrecke jedenfalls unter 150 m läge. Am Eingang des Gebäudes in der Fasangasse 46 sei auch kein Hinweis angebracht, dass dort eine Schuleinrichtung untergebracht sei.

Mit Bescheid vom 22. Juni 1998 hat der Magistrat der Stadt Wien das Ansuchen der Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 15 Abs. 3 Wiener Veranstaltungsgesetz mit der Begründung abgewiesen, es befinde sich in weniger als 150 m Gehwegentfernung ein Wohnheim für Studentinnen der Handelsakademie der Marienanstalt "Töchter der göttlichen Liebe" sowie der Turnsaal der Handelsakademie.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass innerhalb einer Gehwegdistanz von 150 m von der Veranstaltungsstätte das Studentinnenheim Marienanstalt liege, in dem sich der von Schülerinnen einer Handelsakademie und Handelsschule benützte Turnsaal befinde. Diese Schultypen würden unter § 15 Abs. 3 Wiener Veranstaltungsgesetz fallen, da es sich um eine höhere und eine mittlere Schule handeln würde. Es sei zunächst die Frage zu beurteilen, ob der von Schülerinnen der Handelsakademie und Handelsschule benutzte Turnsaal als Teil der Schule zu werten sei. Als Schule könne im gegenständlichen Zusammenhang nur der Ort gemeint sein, an dem Unterricht erteilt werde. Gemäß § 55a und § 68a Schulorganisationsgesetz stelle das Fach "Leibesübungen" einen Pflichtgegenstand in berufsbildenden mittleren und höheren Schulen dar. Daher gehöre der Turnsaal nach Auffassung der belangten Behörde zur Schule. Diese Auslegung werde auch durch eine teleologische Interpretation des § 15 Abs. 3 Wiener Veranstaltungsgesetz unterstützt: § 5 Abs. 3 Wiener Veranstaltungsgesetz diene offenbar dem Kinder- und Jugendschutz. Kinder und Jugendliche sollten von Münzgewinnspielapparaten ferngehalten werden. Gegenständlich sollten die Münzgewinnspielapparate im Umkreis von den im Gesetz genannten 150 m des Turnsaales, wo der Weg der Jugendlichen aber verstärkt vorbeiführe, aufgestellt werden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 15 Abs. 3 des Wiener Veranstaltungsgesetzes, LGBl. Nr. 12/1971 in der Fassung LGBl. Nr. 8/1983, dürfen außerhalb der in Abs. 2 genannten Volksbelustigungsorte Konzessionen für den Betrieb von Münzgewinnspielapparaten nur verliehen werden, wenn die Veranstaltungsstätte von öffentlichen und privaten Pflichtschulen, mittleren und höheren Schulen sowie vergleichbaren Privatschulen, von Schülerheimen, Horten und Jugendzentren weiter als 150 m Gehweg (gemessen von den Ein- und Ausgängen) entfernt ist.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass der Turnsaal nicht unter den Begriff "Schule" in § 15 Abs. 3 Wiener Veranstaltungsgesetz zu subsumieren sei. Das Bestehen eines Turnsaales sei ebenso wenig wie das Bestehen eines Sportplatzes unter freiem Himmel, der von Schulklassen benutzt werde, ein Versagungsgrund. Darüber hinaus werde der Turnsaal nicht laufend, sondern nur stundenweise, wie es eben der Stundenplan der Handelsakademie und der Handelsschule vorsehe, genutzt. Würde man eine so extensive Interpretation des Begriffes "Schule" vornehmen, so würde jeder Ort, an dem Unterricht erteilt werde, als Schule im Sinne des Wiener Veranstaltungsgesetzes anzusehen sein und es würden die dort vorgesehenen Untersagungsgründe für die Aufstellung von Münzgewinnspielapparaten gelten. Darüber hinaus sei es ein allgemeines Prinzip der Rechtsordnung, dass Einschränkungen von Rechten, wie hier zum Beispiel des Rechtes, Münzgewinnspielapparate in Wien aufzustellen, restriktiv und nicht extensiv ausgelegt werden müssten. Denn prinzipiell müsse davon ausgegangen werden, dass alles erlaubt sei, was nicht ausdrücklich verboten sei. Das gelte auch für das verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht der Erwerbsfreiheit. Diese Art der Gesetzesauslegung gelte umso mehr, je länger ein Konzessionswerber bereits in der selben Art und Weise, wie er es nun neuerlich beantrage, sein Erwerbsrecht ausgeübt habe.

Selbst dann, wenn man den Gedanken des Jugendschutzes bei der Beurteilung der Auslegung der gegenständlichen Gesetzesstelle heranziehe, könne man zu keinem anderen Ergebnis als zur Wiedererteilung der Konzession kommen.

Die Kinder hätten dann, wenn sie andere Unterrichtsstunden vor und nach dem Turnunterricht hätten, gar keine Gelegenheit, vom Turnsaal aus woanders hin zu gehen als wiederum in die Schule, da sie geschlossen von der Schule in den Turnsaal und zurück geführt würden. Lediglich dann, wenn solche Unterrichtsstunden außerhalb einer geschlossenen Unterrichtszeit stattfänden, wie z.B. am Nachmittag, könne es sein, dass die Kinder direkt zum Turnsaal kämen und direkt wieder von dort nach Hause gingen. Dies sei bei allen Kindern höchstens einmal in der Woche der Fall. Schon allein aus diesem Grund könne ein Turnsaal nicht mit einer Schule gleichgesetzt werden, wohin die Kinder an fünf bzw. sechs Tagen in der Woche "hin- und nach Hause wiederum zurückgehen", allenfalls sogar noch öfters z.B. in Fällen des Nachmittagsunterrichtes.

Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob der von einer Handelsakademie bzw. Handelsschule für das Unterrichtsfach "Leibesübungen" regelmäßig und für alle Schülerinnen genutzte Turnsaal, der sich außerhalb des eigentlichen Schulgebäudes befindet, als Teil der Schule zu qualifizieren ist.

Gemäß der hg. Judikatur (siehe das Erkenntnis vom 12. Juni 1985, Zl. 85/01/0093) sind unter den in § 15 Abs. 3 leg. cit. genannten Einrichtungen nicht nur die Gebäude, sondern auch jene diese Gebäude umgebenden Flächen zu verstehen, die zur Schule oder zum Heim im Sinne dieser Bestimmung gehören, soweit die Kinder und Jugendlichen in diesem Bereich der Aufsicht dieser Einrichtung unterliegen, wie sich dies aus dem Schutzzweck der Norm ergibt (vgl. Beilage Nr. 16/1982 zu den Stenographischen Protokollen des Wiener Landtages, zu Z. 2). In diesem Sinne müssen auch Teile von Gebäuden, die wie ein Schulgebäude als Ganzes ausschließlich oder überwiegend und regelmäßig der Erfüllung von Aufgaben der Schule (siehe § 2 Schulorganisationsgesetz) dienen, als Schule im Sinne dieser Bestimmung beurteilt werden, wenn es sich weiters um eine in § 15 Abs. 3 leg. cit. genannte Schule handelt. Auf Grund des Aktes ergibt sich, dass der verfahrensgegenständliche Turnsaal von den derzeit 250 Schülern der Handelsakademie bzw. der Handelsschule in Wien III, Fasangasse 4, zum stundenplanmäßigen Turnunterricht benützt wird. Gemäß § 55a und § 68a Schulorganisationsgesetz stellt das Fach Leibesübungen in berufsbildenden mittleren und höheren Schulen einen Pflichtgegenstand dar. Gemäß § 2 Abs. 1 der Schulordnung besteht u.a.  am Unterrichtsort Beaufsichtigungspflicht. Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 1 der Schulordnung hat der Schüler regelmäßig am Unterricht u.a. der für ihn vorgeschriebenen Pflichtgegenstände und verbindlichen Übungen teilzunehmen. Für die dargelegte Auslegung spricht auch der Schutzzweck des § 15 Abs. 3 Wiener Veranstaltungsgesetz, der vorsieht, dass Unterhaltungs- und Münzgewinnspielapparate aus der notwendigerweise oft von Kindern und Jugendlichen begangenen, unmittelbaren Umgebung von Schulen und Jugendeinrichtungen zurückgedrängt werden sollen (siehe dazu die bereits angeführten Erläuterungen).

Die sich aus § 15 Abs. 3 leg. cit. ergebende Einschränkung des Grundrechtes auf Erwerbsfreiheit gemäß Art. 6 Abs. 1 StGG erscheint im Lichte des von dieser Regelung verfolgten öffentlichen Interesses des Jugendschutzes im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu diesem Grundrecht (siehe dazu Öhlinger, Verfasssungsrecht4, 1999, 370ff) verfassungsrechtlich unbedenklich.

Die Beschwerdeführerin wendet weiters ein, es hätte keinerlei Ermittlungen dahingehend gegeben, durch die festgestellt hätte werden können, ob die Kinder überhaupt unbeaufsichtigt zum Turnsaal gehen bzw. auch ins Parkcafe zum Spielen mit Münzgewinnspielapparaten hätten kommen können oder bei geschlossener Hin- und Rückführung gar keine Gelegenheit zum Lokalbesuch hätten.

Diesbezüglich liegt schon deshalb kein Verfahrensfehler vor, weil es in Vollziehung des § 15 Abs. 3 leg. cit. allein auf die räumliche Nähe der projektierten Veranstaltungsstätte zu einer Einrichtung im Sinne des § 15 Abs. 3 leg. cit. ankommt.

Sofern die Beschwerdeführerin die Frage aufwirft, ob der von den Schülern benützte Turnsaal überhaupt als solcher zugelassen sei und somit überhaupt ein "Turnsaal im rechtlichen Sinn" sei, handelt es sich um ein erstmals vor dem Verwaltungsgerichtshof erstattetes Vorbringen, das im Hinblick auf das aus § 41 Abs. 1 VwGG im Falle eines mängelfreien Verwaltungsverfahrens vom Verwaltungsgerichtshof abgeleitete Neuerungsverbot keine Berücksichtigung mehr finden kann.

Gemäß § 15 Abs. 3 leg. cit. kommt es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht darauf an, dass die Schülerinnen der gegenständlichen Schulen gegenwärtig und auch in den letzten zwanzig Jahren kein Interesse am Besuch des Lokals in Wien III, Fasangasse 55, gezeigt hätten und nie in das Lokal gekommen seien bzw. kämen. Der Gesetzgeber will vielmehr in dem angegebenen Nahebereich der angeführten Einrichtungen von vorneherein die Aufstellung von Münzgewinnspielapparaten ausschließen.

Auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin seit zwanzig Jahren am vorliegenden Standort ununterbrochen und unbeanstandet eine Konzession für den Betrieb von zwei Münzgewinnspielapparaten am Standort Wien III, Fasangasse 55, ausgeübt und auch in dieser Zeit die Handelsschule der Töchter der göttlichen Liebe den verfahrensgegenständlichen Turnsaal benutzt habe, kann keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids begründen. Das rechtmäßige Verhalten der belangten Behörde im vorliegenden Fall wird nicht dadurch rechtswidrig, dass sie früher in einer gleichartigen Angelegenheit unter Umständen rechtswidriger Weise anders entschieden hat. Dass der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit eine Konzession erteilt worden war, ist somit nicht entscheidend und stellt die mangelnde Klärung dieser Frage auch keinen Verfahrensmangel dar (vgl. das Erkenntnis vom 9. Juni 1995, Zl. 95/02/0105).

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999050149.X00

Im RIS seit

26.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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