TE AsylGH Erkenntnis 2011/10/24 C11 418889-1/2011

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Veröffentlicht am 24.10.2011
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Spruch

C11 418.889-1/2011/7E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. BÜCHELE als Vorsitzenden und den Richter Mag. DRAGONI als Beisitzer über die Beschwerde des Herrn XXXX, StA. INDIEN, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.03.2011, FZ. 11 02.854-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 und 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF. BGBl. I Nr. 38/2011, als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Das Verfahren vor dem Bundesasylamt:

 

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, ist vermutlich am 24.03.2011 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge: Asylantrag) gestellt. Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung brachte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen vor, es sei nach der Ermordung eines Sikh Gurus im Jahr 2009 in Wien zu Unruhen in Indien gekommen. Im Juli 2009 seien mit ihm insgesamt fünf Gläubige bei einer Auseinandersetzung in seinem Tempel von Mitgliedern der [Kaste der] Chamar verletzt worden. Zehn Tage später seien dann die Scheiben seines Autos mit Steinen beschädigt worden, er habe aber flüchten können. Bei einer Rückkehr in sein Heimatland fürchte er um sein Leben.

 

Bei einer weiteren Befragung am 29.03.2011 gab er im Wesentlichen an, dass die Attentäter vor dem Anschlag in Österreich (wo ein Guru der niederen Klasse umgebracht worden sei) öfters seinen Tempel besucht hätten. Deshalb sei ihr Tempel dann von Leuten der Kaste der Chamar angegriffen und fünf Gläubige verletzt worden. Einige Tage später hätten diese Leute dann auch sein Auto beschädigt und er habe flüchten müssen. Die Angehörigen der Chamars seien "gegen die Sikh-Religion" und im ganzen Punjab verbreitet. Nach der Ermordung des Gurus in Wien sei es zu einem Aufruhr im ganzen Punjab gekommen und es seien auch Züge in Brand gesetzt worden. In seinem Tempel seien plötzlich bewaffnete Männer aufgetaucht und hätten sie angegriffen. Dazu sei es vermutlich gekommen, weil es sich bei den Attentätern in Wien um Sikhs gehandelt habe. Er könne die genaue Anzahl der Angreifer nicht nennen.

 

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er an, er sei ein Sikh aus dem Bundesstaat Punjab und spreche Punjabi. Er habe die Schule (1988 - 2000) besucht. In Indien würden noch seine Eltern (40 und 50 Jahre) leben. Er gehe in Österreich keiner Beschäftigung nach und lebe von der Bundesbetreuung. Er gehöre keinem Verein, einer religiösen Verbindung oder einer sonstigen Gruppierung an und habe auch keine anderen Kontakte in Österreich. Er sei ledig und habe keine Verwandten im Bundesgebiet. Er habe im Tempel als XXXX gearbeitet und mit dem Geld seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Sein Vater sei ein pensionierter Armeeoffizier und besitze eine Landwirtschaft. Seine Familie sei wohlhabend gewesen und er habe auch immer wieder Geld von seinen Eltern bekommen.

 

2. Der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes:

 

Mit dem beim Asylgerichtshof bekämpften Bescheid des Bundesasylamtes wurde der Asylantrag gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF. BGBl. I Nr. 122/2009, (kurz: AsylG 2005) abgewiesen (Spruchpunkt I.) und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Indien nicht zukomme (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Im Falle seiner Rückkehr sei der Beschwerdeführer nicht im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (kurz: GFK) gefährdet. Aus den Länderfeststellungen gehe klar hervor, dass die allgemeine Situation in seinem Heimatland keine ernsthafte Bedrohung für sein Leben im Fall seiner Rückkehr darstelle. So würden bei der Darstellung seiner Fluchtgründe vor allem Details wie Zeit- und Ortsangaben sowie Wahrnehmungen und Emotionen fehlen, welche bei der Schilderung von wahren Erlebnissen regelmäßig vorkommen würden. Zudem seien seine Ausführungen von einer ausgesprochenen Vagheit gekennzeichnet gewesen und er habe mehrfach angeführt, keine Erinnerung mehr zu haben. Aber selbst wenn dem Beschwerdeführer in seinem Heimatdorf oder im Tempel gewisse Gefahren drohen sollten, könnte er in einen anderen Landesteil übersiedeln und ein zumutbares Leben führen. Es drohten dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat auch keine Gefahren, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Schließlich verfüge er weder über Verwandte oder sonstige Bindungen in Österreich, noch besuche er Bildungseinrichtungen. Es seien im Verfahren daher keine Ansatzpunkte hervorgetreten, welche die Vermutung einer besonderen Integration seiner Person in Österreich rechtfertigen würden.

 

3. Dagegen wurde innerhalb offener Frist eine Beschwerde eingebracht.

 

3.1. Darin beantragte der Beschwerdeführer die Bestellung eines Rechtsberaters und bringt in einem ergänzenden Schreiben vom 20.04.2011 vor, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft gewesen sei. Die belangte Behörde sei nicht ausreichend auf die Situation der indischen Polizei eingegangen und habe sich nicht mit den "Ravi Dasi" und der Ermordung des Gurus in Wien auseinandergesetzt. Ferner seien die Verletzungen am Bauch und Auge nicht untersucht worden, weshalb die Einholung eines medizinischen Gutachtens beantragt werde.

 

Weiters seien die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen unvollständig und teilweise unrichtig. Dies zeige, wie ungenau sich die Behörde mit den öffentlich zugänglichen und leicht zu recherchierenden Länderberichten auseinandergesetzt habe. In diesem Zusammenhang sei es auch zu einer Verletzung des Parteiengehörs gekommen, zumal der Beschwerdeführer weder ausreichend Zeit noch die Gelegenheit gehabt habe, den im Zuge des Verfahrens vorgehaltenen Länderberichten entsprechend entgegenzutreten. Andernfalls hätte er auf die "Ravi Dasi" sowie auf die Begebenheiten nach der Ermordung in Wien eingehen und vorbringen können, dass die indische Polizei weder in der Lage noch gewillt sei, ihn entsprechend zu schützen.

 

Weiters hätten sich die vermeintlichen Widersprüche bei einer genaueren Befragung leicht aufklären lassen. Zu den abweichenden zeitlichen Angaben, zum Mord in Wien, den Angriff auf den Tempel und zum Vorwurf der äußerst vagen Schilderung des Angriffs auf sein Fahrzeug, wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer während der Einvernahme sehr nervös gewesen sei und unter enormen Druck gestanden habe. Daher habe er die Angaben wahrscheinlich vertauscht; hinsichtlich der Ereignisse in Wien habe er sich versprochen. Zudem sei ihm die Erstbefragung nicht rückübersetzt worden. Ansonsten hätte er etwaige Widersprüche klären können. An das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative seien überdies auch die Bedingungen der Sicherheit sowie der Zumutbarkeit geknüpft und der gewährte Schutz müsse tatsächlich von Dauer sein. Ebenso dürfe der Flüchtling nicht in eine ausweglose Situation (Sicherung des wirtschaftlichen Überlebens) gebracht werden. Letztlich sei auch auf die persönlichen Umstände (familiäre Bindung, Sprache, Gesundheit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe) Bedacht zu nehmen. Dies sei bei ihm jedoch nicht der Fall. Zudem könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass er in einem anderen Teil seines Heimatlandes von seinen Verfolgern gefunden werde. Die Chamar bzw. Ravi Dasi seien überall in Indien anzutreffen.

 

Schließlich habe es das Bundesasylamt unterlassen das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich ausreichend zu prüfen. Er achte die österreichische Rechtsordnung, sei unbescholten und versuche, sich die deutsche Sprache durch den Alltagsgebrauch anzueignen. Er möchte sich hier auch integrieren.

 

Zur Situation in Indien wurden Auszüge aus internationalen Berichten (Human Rights Watch 2009, World Report 2011, 24.01.2011, Broken System; Dysfunction, Abuse, and Impunity in the Indian Police, 04.08.2009, und the "Anti-Nationals", 01.02.2011, Freedom House 2009, Freedom in the World 2010, 24.06.2010, US Department of State:

Country Report on Human Rights Practices 2010, 08.04.2011, Asian

Centre for Human Rights: Torture in India 2010, 13.04.2010, Human

Rights Law Network: Accountability for the Indian Police: Creating an external complaints agency, August 2009) sowie Ausschnitte aus verschiedenen Zeitungen (The Times, Februar 2010, Punjabi Newsline, Jänner 2010, Times of India, März 2010) und eine Sendung des Radiosenders Österreich 1 vom Juni 2009 zitiert. Diese berichten im Wesentlichen von der Neugründung der Religionsgemeinschaft der "Ravidassia" und deren Abspaltung von den Sikhs, weiters von Zusammenstößen ihrer Anhänger mit Mitgliedern anderer Religionsgemeinschaften sowie von Unruhen im Punjab. Außerdem werden der Anschlag im Mai 2009 in Wien und seine Hintergründe erörtert. Schließlich werden Missstände in der indischen Polizei thematisiert, wobei neben fehlenden Ressourcen bei Personal und Ausrüstung, vor allem politische Einflussnahmen und Korruption, sowie Übergriffe und Misshandlungen durch Polizeibeamte erwähnt werden.

 

Mit Schreiben vom 17.05.2011 wurde ein handschriftliches Schreiben in Punjabi vorgelegt. Im Begleitschreiben wird dazu ausgeführt, dass mit diesem Dokument die Fluchtgründe des Beschwerdeführers untermauert würden. Es handle sich dabei um ein Schreiben des Hauptmanns seines [ehemaligen] Wohngebietes, in welchem dieser für die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen bürge. Es werde beantragt, Recherchen zu seinen Fluchtgründen durchzuführen.

 

Aus der Übersetzung des Dokuments ergibt sich, dass diese Zeilen vom Vorsteher des Klosters XXXX stammt. Dieser bestätigt, dass eine Person mit dem Namen des Beschwerdeführers im besagten Kloster als Sewadar [freiwilliger Helfer] Arbeit geleistet und die Kraftwagen gefahren habe. Er habe von 2004 bis 2009 im Kloster gewohnt. Nach der Ermordung des Predigers Rama Nand in Österreich habe sich die Situation in Punjab sehr verschlechtert. Im gesamten Punjab seien an unterschiedlichen Orten Züge und Kraftfahrzeuge in Brand gesteckt sowie Geschäfte verwüstet und geplündert worden. Am 02.08. sei dann das Kloster plötzlich von bewaffneten Chamars, Anhängern der Ravidasis, attackiert worden. Fünf Mitglieder seien im Kloster anwesend gewesen, die viele Verletzungen erlitten hätten. Der Beschwerdeführer sei am Kopf und am Bauch verletzt worden. Nach diesem Anschlag sei er mit dem Wagen in Richtung XXXX unterwegs gewesen, um Sachen für das gemeinsame Essen im Kloster zu besorgen. Dabei sei er von einigen Personen angegriffen worden, die die Scheiben des Wagens eingeschlagen und versucht hätten, ihn zu töten. Es sei ihm jedoch die Flucht gelungen. Es seien keine polizeilichen Erhebungen veranlasst worden, "weil in der Polizei doch Beamte der Chamar Ravidasis" und Sewadare des Sant Rama Nand seien. Zudem seien die Sikhs im Punjab in der Minderheit; aber die "Chamar Ravidasis", die Sewadare des Sant Rama Nand, seien "in der Mehrzahl". Die Eltern des Beschwerdeführers hätten nach der Nachricht dieser Vorfälle beschlossen, ihr einziges Kind in das Ausland zu schicken.

 

3.2. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 31.05.2011 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 2 AsylG 2005 iVM. Art. 15 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01.12.2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ein Rechtsberater beigegeben. Als Frist für allfällige ergänzende Eingaben wurde der 01.07.2011 vorgegeben; auch bis dato langten solche beim Asylgerichtshof nicht ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

1.1. Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger und stellte am 24.03.2011 den gegenständlichen Asylantrag. Seine nähere Identität kann nicht festgestellt werden. Er leidet weder an einer lebensbedrohenden Krankheit noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig. Er ist erwerbsfähig.

 

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Angaben des Beschwerdeführers zu einer Bedrohungssituation in Indien den Tatsachen entsprechen, insbesondere, ob er von Angehörigen der Kaste der Chamars oder der Ravi Dasi verfolgt wurde, da selbst bei der Zugrundelegung seines Gesamtvorbringens zum Fluchtgrund als wahr, dies weder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch zur Feststellung der Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien, noch zur Unzulässigkeit der Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet nach Indien führt (vgl. die Ausführungen zu den Punkten II.3.1. bis II.3.3.).

 

1.2. Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu Indien und stützte sich dabei auf folgende Feststellungen zu Indien:

 

"[...]

 

Regionale Problemzonen

 

Punjab

 

Die politische Lage im Punjab ist gegenwärtig stabil. Die Sicherheitslage ist weitaus günstiger als noch Anfang der 90er Jahre. Dies bedeutet, dass terroristische Aktivitäten gegenwärtig nur mehr ganz vereinzelt vorkommen, nicht häufiger als in anderen Teilen Indiens. Im Alltag der Bevölkerung ist von den Bedrohungen, die während des Khalistan- Konflikts herrschten, nichts mehr zu spüren. Sikhs aus dem Punjab könnten sich gegebenenfalls problemlos in Bundesstaaten wie Rajasthan, Haryana oder Uttar Pradesh niederlassen, außerdem in den Metropolen Delhi oder Bombay. Zwar ist die Sicherheitslage auch in anderen Teilen Indiens normal, dort bestehen aber unter Umständen größere Schwierigkeiten bei der sprachlichen Eingewöhnung. So ist etwa in Kalkutta das Bengali, in Madras Tamil Verkehrssprache.

 

(Mag. Christian BRÜSER, landeskundlicher Sachverständiger: Gutachten Zl. 261.493 vom 21.03.2008)

 

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Im Jahr 2009 verzeichnet das South Asia Terrorism Portal keinen Anschlag im Punjab.

 

(ÖB New Delhi: Indien - Asylländerbericht, Stand März 2010)

 

Religion

 

Religionsfreiheit

 

Das CIA World Factbook schätzt die Einwohnerzahl Indiens auf 1,17 Milliarden. Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der letzten Volkszählung 2001, sind Hindus (80,5 Prozent), Muslime (13,4 Prozent), Christen (2,3 Prozent) und Sikhs (1,9 Prozent). Daneben gibt es mit den Buddhisten, Jaina und Parsen noch bedeutende religiöse Minderheiten.

 

(CIA - The World Factbook, India - People, 27.10.2010; https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html , Zugriff 29.10.2010)

 

Religionsfreiheit wird von der Verfassung garantiert und im Allgemeinen respektiert. Hindus verschiedener Richtungen und Ethnien machen die Mehrheit der Bevölkerung aus, doch der Staat ist säkular. Gewalt gegen religiöse Minderheiten bleibt ein Problem in bestimmten Staaten und die Strafverfolgung der Schuldigen ist inadäquat. Manche nationalistische Organisationen verbreiten Anti-Minderheiten-Ansichten.

 

(Freedom House: Freedom in the World - India Edition 2010, 29.4.2010;

http://www.freedomhouse.org/template.cfm?page=22&year=2010&country=7840;

Zugriff 22.10.2010)

 

Das lange bestehende demokratische System, die offene Gesellschaft, unabhängige rechtliche Institutionen, die lebendige Zivilgesellschaft und die Medien stellen Mechanismen dar Verletzungen der Religionsfreiheit zu behandeln, wenn diese geschehen. Das Gesetz sieht Begünstigungen für einige Gruppen vor, darunter auch für religiöse. Im Juni 2009 wurde das 15 Punkte Programm für die Wohlfahrt der Minderheiten im Parlament verlautbart, das auch Vergünstigungen für Muslime und Christen beinhaltet.

 

(U.S. Department of State: Country Reports on Human Rights Practices - 2009, Released by the Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor, March 11, 2010)

 

Indien verfolgt im Umgang mit den Religionen eine liberal-demokratische Verfassungstradition, indem es sich nicht um eine völlige Trennung der politischen und der religiösen Sphären bemüht, sondern um eine ausgewogene Nähe zu allen Religionsgemeinschaften. Eine weitere verfassungsmäßige Besonderheit Indiens, die es von allen Demokratien westlicher Prägung unterscheidet, ist, dass es für die Angehörigen der zwei größten Religionsgruppen - Hindus und Muslime - je ein eigenes Familienrecht hat.

 

(suedasien.info - Michael Dusche: Staatliche Einheit und religiöse Vielfalt in Indien, 11.11.2006;

http://www.suedasien.info/analysen/1457, Zugriff 22.10.2010)

 

Dem gegenüber steht das Bestreben einiger Bundesstaaten und lokaler Regierungen, das Recht der freien Religionsausübung dahingehend zu beschränken, dass sie Antikonversionsgesetze erlassen oder Gesetze verändern. Hinzu kommt, dass diejenigen, die religiöse Minderheiten angreifen, oft nicht effizient und wirksam verfolgt werden. So ist in einigen Bundesstaaten, wie Chhattisgarh, Gujarat, Madhya Pradesh, Orissa und Himachal Pradesh gesetzlich möglich, Personen zu bestrafen, die eine Konversion (insbesondere zum Christentum) fördern oder missionieren. Solche Gesetze gibt es auch in Arunachal Pradesh und Rajasthan, in denen sie aber noch nicht in Kraft sind.

 

(USDOS - Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor: International Religious Freedom Report 2009, 26.10.2009 / American Centre for Law and Justice (ACLJ): Religious Freedom Acts Anti-Conversion Laws in India, 26.6.2009;

http://www.aclj.org/media/pdf/Freedom_of_Religion_Acts.pdf, Zugriff 29.10.2010)

 

Die Religionsfreiheit ist in der Verfassung garantiert (Art. 25-28). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion. Allerdings gibt es wachsenden Widerstand gegen Missionierungsaktivitäten einiger Kirchen, denen auf bundesstaatlicher Ebene in bisher fünf Fällen mit Antikonversionsgesetzen begegnet worden ist. Muslime, Buddhisten, Sikhs, Christen, Juden und Parsen sind anerkannte religiöse Minderheiten. Im Familienrecht genießen religiöse Minderheiten besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer jeweiligen Traditionen ermöglichen.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien Stand September 2009, 4.10.2009)

 

Innerstaatliche Fluchtalternative (IFA)

 

Allgemeines

 

Volle Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes ist gewährleistet. Es gibt bisher kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken in anderen Landesteilen möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss. Die Regierung besitzt weitgehend staatliche Gebietsgewalt; das staatliche Gewaltmonopol wird allerdings gebietsweise insbesondere von den 'Naxaliten' zunehmend erfolgreich ausgehöhlt.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Stand: September 2009, 4.10.2009)

 

Es gibt in Indien grundsätzlich keine Überprüfung durch die Behörde bei Neuankömmlingen, auch wenn diejenige Person ein Punjabi Sikh ist. Lokale Polizeibehörden haben weder die personellen Ressourcen noch verfügen sie meistens über ausreichende sprachliche Fähigkeiten Hintergrundinformationen über neu zugezogene Personen einzuholen. Es gibt kein Meldesystem, viele Bürger besitzen nicht einmal einen Identitätsausweis. Auch für Personen, die im Punjab Probleme haben oder hatten, kann festgestellt werden, dass es keine Probleme gibt, sich irgendwo sonst in Indien anzusiedeln. Die Behörden in Delhi sind nicht darüber informiert, wen die Polizei im Punjab gerade auf ihren Fahndungslisten hat.

 

Allgemein wird aber festgestellt, dass die Polizei und andere Sicherheitskräfte grundsätzlich versuchen, Verdächtige zu ergreifen, egal wo sie sich in Indien gerade aufhalten. Dies gilt insbesondere für so genannte 'high-profile' Personen, die in militanten oder separatistischen Bewegungen eine führende Rolle spielen oder gespielt haben.

 

Sikhs aus dem Punjab könnten sich gegebenenfalls problemlos in Bundesstaaten wie Rajasthan, Haryana oder Uttar Pradesh niederlassen, außerdem in den Metropolen Delhi oder Bombay. Zwar ist die Sicherheitslage auch in anderen Teilen Indiens normal, dort bestehen aber unter Umständen größere Schwierigkeiten bei der sprachlichen Eingewöhnung. So ist etwa in Kalkutta das Bengali, in Madras Tamil Verkehrssprache.

 

Die Möglichkeiten, sich außerhalb der engeren Heimat in Indien eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängen sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und können durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden. Selbst für unqualifizierte aber gesunde Menschen wird es in der Regel möglich sein, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Falle als Tellerwäscher, Abfallsammler, Lagerarbeiter, Rikschafahrer etc.) ihren Lebensunterhalt zu sichern.

 

(U.K. Home Office: India, Operational Guidance Note, 04.2008 / Mag. Christian Brüser, landeskundlicher Sachverständiger: Gutachten Zl. 261.493 vom 21.03.2008)

 

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern. Volle Bewegungsfreiheit ist gewährleistet. Es gibt noch kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Bürger. Die Bürger besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Wer sich verfolgt fühlt, kann sich in einem anderen Landesteil niederlassen.

 

Auch bei strafrechtlicher Verfolgung ist in der Regel ein unbehelligtes Leben in ländlichen Gebieten in anderen Teilen Indiens möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss. In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. In New Delhi wurden Separatisten aus dem Punjab nach mehreren Jahren friedlichen Aufenthaltes aufgespürt und verhaftet. Bekannte Persönlichkeiten ('high profile' persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ('low profile' people).

 

(ÖB New Delhi: Indien - Asylländerbericht, Stand März 2010)

 

Die eindeutige Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist um allen indischen Einwohnern Identitätsnummern auszustellen. Damit sollen gefälschte und doppelte Identitäten ausgeschlossen werden. Das neue Identitätssystem wird mit demographischen und biometrischen Details verbunden und ermöglicht dem Träger sich selbst auszuweisen und überall in Indien Zugang zu Dienstleistungen und Beihilfen zu erhalten. Die ersten Nummern sollen zwischen August 2010 und Februar 2011 ausgestellt werden, die anderen die nächsten fünf Jahre.

 

(Planning Commission, Government of India: Unique Identification Authority of India, UIDAI in UK Border Agency - Home Office: Country of Origin Information Report; India, 21.9.2010)

 

Rückkehrfragen

 

Grundversorgung

 

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem von den Vereinten Nationen veranschlagten Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der schwächsten Schichten der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder Freunde angewiesen.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Stand September 2009, 4.10.2009)

 

Nach vier Jahren mit ca. 9% Wachstum kam es im Jahr 2008 auch aufgrund der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise zu einer merklichen Abschwächung (6,7%). Mit 7,2% Wachstum im lfd. Haushaltsjahr 2009/10 ist Indien die nach China weltweit am stärksten expandierende Volkswirtschaft. Bei derzeit 1,2 Mrd. Einwohnern wird es bis zur Mitte des Jahrhundert voraussichtlich nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Erde sein, sondern auch mit seinem Bruttoinlandsprodukt nach China und USA an dritter Stelle liegen.

 

Ungeachtet dieses beeindruckenden Wachstums bleibt Indien mit einem durchschnittlichen jährlichen Prokopfeinkommen von nur 911 USD und enormen Defiziten in der sozialen Infrastruktur weiterhin ein Entwicklungsland, 28% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf/Tag und mehr als 50% von weniger als 2 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP steht Indien auf Platz 132 unter 177 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt es bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Extreme Gegensätze prägen weiterhin das wirtschaftliche Erscheinungsbild des Landes.

 

(Auswärtiges Amt: Indien, Wirtschaft, Stand September 2010, http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Indien/Wirtschaft.html, Zugriff 2.11.2010)

 

Das primäre Ziel der indischen Verfassung ist soziale Gerechtigkeit. Sie schützt die Würde des Menschen und garantiert allen Bürgern das fundamentale Recht der Gleichheit vor dem Gesetz. Die Verfassung gewährleistet, dass niemand aufgrund seiner Religion, Rasse, Kaste, seines Geschlechts oder Geburtsorts diskriminiert wird. Sie garantiert die Gleichheit in Bezug auf Arbeitsmöglichkeiten und gewährleistet persönliche Freiheit beispielsweise durch das Recht auf Redefreiheit, Leben, freie Entfaltung und Religionsfreiheit.

 

Die Directive Principles führen diese Verpflichtungen noch einen Schritt weiter, indem sie den Staat verpflichten, eine umfangreiche Reihe von Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, einschließlich kostenloser Rechtshilfe sowie dem Recht der Bürger auf Arbeit, Bildung und öffentliche Unterstützung. Darüber hinaus verpflichten sie den Staat zur Sicherstellung eines Mindestlohns für die arbeitende Bevölkerung.

 

(Internationale Organisation für Migration - IOM: Länderinformationsblatt Indien, August 2010)

 

Behandlung nach Rückkehr

 

Die Erlangung der erforderlichen Dokumente ist für Heimkehrer dank des gut ausgebildeten Netzwerks auf Regierungs-, NGO-und Firmenebene sehr einfach. Es hängt von dem jeweils erforderlichen Kommunikationskanal ab.

 

(Internationale Organisation für Migration (IOM):

Länderinformationsblatt Indien, August 2010)

 

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen für abgeschobene indische Staatsangehörige. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme von Seiten des Staates zu befürchten. Polizeilich gesuchte Personen werden allerdings den Sicherheitsbehörden übergeben. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Stand September 2009, 4.10.2009)

 

Rechtsschutz

 

Die Justiz ist unabhängig. Die nicht selten extrem lange Verfahrensdauer sowie die auch im Justizsystem verbreitete Korruption führen immer wieder zu Situationen, die einer faktischen Rechtsverweigerung gleichkommen.

 

Die Gerichte führen Strafprozesse in richterlicher Unabhängigkeit. Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Sehr problematisch ist die häufig sehr lange Verfahrensdauer, da die Gerichte überlastet sind.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Stand September 2009, 4.10.2009)

 

Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor und die Regierung respektiert diese Bestimmung. In Jammu und Kaschmir versuchen Aufständische Mitglieder der Justiz einzuschüchtern und zu bedrohen.

 

Der Oberste Gerichtshof leitet das Justizsystem und hat die Gerichtsbarkeit über konstitutionelle Angelegenheiten und Entscheidungen der staatlichen Höchstgerichte, erstinstanzlichen Gerichte und speziellen Gerichtshöfe. Erstinstanzliche Gerichte hören Kriminal- und Zivilfälle an; Berufungen gehen and die staatlichen Höchstgerichte. Der Präsident ernennt die Richter, die bis zum Alter von 62 Jahren an staatlichen Höchstgerichte und bis 65 am Obersten Gerichtshof dienen dürfen. Das Rechtssystem ist weiterhin überlastet und so kommt es oft zu Verzögerungen.

 

Für Beschuldigte gilt die Unschuldsvermutung und sie können sich ihren Rechtsbeistand aussuchen. Die Gerichte müssen Urteile öffentlich verkünden und es gibt auf fast allen Ebenen der Justiz wirksame Möglichkeiten Berufung einzulegen

 

(U.S. Department of State: Country Reports on Human Rights Practices - 2009, Released by the Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor, March 11, 2010)

 

Das indische Justizwesen verfügt über eine lange Geschichte, ist im indischen Staat fest verankert und wird seiner Rolle als Säule der indischen Demokratie gerecht. Indien verfügt über eine unabhängige Justiz, die in der Praxis im Großen und Ganzen funktioniert, jedoch auch durch Probleme beeinträchtigt wird. Die Schwierigkeiten wurden erkannt und sind zum Teil der Größe Indiens geschuldet, sowie der enormen Vielfalt im Land. Sie werden mit unterschiedlichem Erfolg angegangen, wodurch die indische Justiz einem fortwährenden Wandel unterworfen ist.

 

(BAA Staatendokumentation: Analyse zu Indien - Justizwesen in Indien, 16.7.2010)

 

Sicherheitsbehörden

 

Die Polizei handelt auf Grund von Polizeigesetzen der einzelnen Bundesstaaten. Auch das Militär kann im Inland tätig werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist. Die zivile Kontrolle des Militärapparats wurde allerdings nie in Frage gestellt. Daneben bestehen zum Großteil dem Innenministerium unterstehende paramilitärische Einheiten, wie z.B. die Zentralen Reservepolizeikräfte ('Central Reserve Police Force') und die Grenzsicherheitskräfte ('Border Security Force'). Die Grenzspezialkräfte ('Special Frontier Force)' jedoch unterstehen dem Büro des Premierministers, die Eisenbahnschutzkräfte ('Railway Protection Force') dem Eisenbahnministerium. Die sog. Grenzsicherheitskräfte sichern u.a. die Indisch-pakistanische defacto-Grenzlinie ('Line of Actual Control') in Jammu und Kaschmir sowie die Grenzen zu Bangladesch und Myanmar. Sie werden darüber hinaus zur Gewährleistung der inneren Sicherheit und zur Bekämpfung Aufständischer sowie bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen religiösen Gruppen eingesetzt. Die sog. Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten der Grenze zu China eingesetzt werden. Auch für das Handeln der Geheimdienste, das sog. Aufklärungsbüro ('Intelligence Bureau') und den Forschungs- und Analyseflügel ('Research and Analysis Wing'), bestehen gesetzliche Grundlagen.

 

Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der 'Armed Forces Special Powers Act' (AFSPA) herangezogen. Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Die Unruhegebiete (Bundesstaaten oder nur Teile davon) werden von der Zentralregierung auf der Basis des 'Disturbed Areas Act' festgelegt. Als Unruhegebiete anerkannt sind zur Zeit der Bundesstaat Jammu und Kaschmir, Nagaland, Manipur sowie Teile von Assam und Tripura. Die Zunahme terroristischer Anschläge in indischen Städten im Jahr 2008 und insbesondere die verheerenden Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter massiven Druck gesetzt, bei der Terrorismusbekämpfung hart vorzugehen. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und es wurden selten ernsthafte Konsequenzen im Sinne einer Reform der indischen Sicherheitsarchitektur gezogen. Die Anschläge von Mumbai haben kurzfristig zu ersten Schritten geführt. Innerhalb weniger Wochen brachte die indische Regierung zwei Gesetzesentwürfe durch beide Kammern des Parlaments: Das so genannte NIA-Gesetz regelt die Einrichtung einer Nationalen Untersuchungsagentur ('National Investigation Agency', NIA) zur Terrorismusbekämpfung nach Vorbild des US-amerikanischen FBI. Weiter wurde der 'Unlawful Activities (Prevention) Act' (UAPA) verschärft. Die Änderungen beinhalten u.a. eine erweiterte Terrorismusdefinition, die Ausweitung der Untersuchungshaft ohne Anklage von 90 auf 180 Tage und erleichterte Regeln für den Beweis der Täterschaft eines Angeklagten.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Stand September 2009, 4.10.2009)

 

In Indien gibt es keine nationale Polizei als solche, denn mit dem Artikel 246 der Verfassung wird den 28 Bundesstaaten und den sieben Unionsterritorien die Hauptverantwortung für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und damit die Aufsicht über deren Polizei zugeteilt. Die Zentralregierung bietet Beratung und Unterstützung sowie Trainingsmöglichkeiten für leitende Angestellte der bundesstaatlichen Polizei an.

 

(U.S. Department of State: Country Reports on Human Rights Practices - 2009, Released by the Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor, March 11, 2010)

 

Die Schwierigkeiten der indischen Sicherheitskräfte sind augenscheinlich und zum großen Teil der historischen Entwicklung geschuldet. Diese strukturellen Probleme werden zwar nur schrittweise angegangen, aber sie werden kontinuierlich verbessert. Zum Teil auch deshalb, weil die Schwächen der indischen Sicherheitskräfte - wie beim Anschlag von Mumbai -offensichtlich werden. Es gibt erste Tendenzen die Sicherheitskräfte auf nationalstaatlicher Ebene zu konzentrieren und sie dadurch effektiver zu machen.

 

Problematisch, im Bezug auf die Menschenrechte, sind nach wie vor die paramilitärischen Einheiten, da deren rechtlicher Status oft nicht abschließend geklärt ist und die Verfolgung von Verletzungen der Menschenrechte durch diese Gruppen, durch Spezialgesetzte verhindert bzw. erschwert wird. Auch das schwerfällige indische Justizsystem verhindert eine rasche und effektive Klärung von solchen Vorwürfen.

 

Trotz all der genannten Probleme verfügen die indischen Sicherheitsbehörden über die Kontrolle über das indische Staatsgebiet und sind Teil eines demokratischen Systems, das es der Justiz, bis auf einige Ausnahmen, ermöglicht Straftaten der Sicherheitsbehörden zu ahnden. Probleme gibt es nach wie vor im Detail und die Umsetzung der Vorgaben ist stark von der jeweiligen Region abhängig.

 

(BAA Staatendokumentation: Analyse zu Indien - Sicherheitskräfte in Indien, 24.2.2010)

 

[...]"

 

Diese Quellen stimmen auch mit der beim Asylgerichtshof aufliegenden Berichtslage überein und sind nicht zu beanstanden. Der Asylgerichtshof schließt sich diesen Feststellungen an.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der Asylgerichtshof hat durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesasylamtes unter zentraler Berücksichtigung der darin enthaltenen niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes Beweis erhoben.

 

Der Beschwerdeführer stammt nach seiner eigenen Angabe aus Indien; dass diese stimmt, davon war auch aufgrund einer gewissen geographischen Orientiertheit des Beschwerdeführers und seiner Kenntnis der Landessprache Punjabi auszugehen. Nähere Feststellungen zu seiner Identität konnten dagegen in Ermangelung von geeigneten identitätsbezeugenden Dokumenten nicht erfolgen.

 

Die Unterlagen, auf welchen die Länderfeststellungen beruhen, stammen von angesehenen und glaubwürdigen Quellen. Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, sich darauf zu stützen. Soweit es sich um Quellen älteren Datums handelt, können diese, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse, nach wie vor als aktuell bezeichnet werden. Umstände, die an der Richtigkeit dieser Berichte zweifeln ließen, wurden im Verfahren nicht aufgezeigt. Da sich diese auch auf Berichte eines erfahrenen Sachverständigen stützen, der schon viele schlüssige und nachvollziehbare Gutachten für den unabhängigen Bundesasylsenat sowie den Asylgerichtshof verfasst hat und Indien regelmäßig bereist, war im konkreten Fall vor dem Fluchtvorbringen entgegen der Beschwerde die Einholung eines landeskundlichen Gutachtens nicht notwendig.

 

Es haben sich im gegenständlichen Fall keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bei einer allfälligen Bedrohung des Beschwerdeführers effektiver Schutz seitens der indischen Behörden nicht zur Verfügung stehen würde. Wie den Länderberichten zu Indien nämlich zu entnehmen ist, sind die indischen Behörden grundsätzlich schutzfähig und schutzwillig. Es ist mangels anderweitiger Hinweise daher davon auszugehen, dass die indischen Behörden auch dem Beschwerdeführer vor allfälligen Übergriffen durch nichtstaatliche Akteure (Angehörige einer religiösen Glaubensgemeinschaft) effektiven Schutz bieten würden, wenn er diese entsprechend zur Anzeige bringt.

 

Wie dem Schreiben des Vorstehers seines Kloster zu entnehmen ist, wurden die indischen Sicherheitsbehörden über die damaligen Gewalttätigkeiten offenbar nicht in Kenntnis gesetzt, zumal es unter den Polizeibeamten auch Angehörige der Chamar (bzw. Ravi Dasi) geben soll. Damit wurde den lokalen Polizeibehörden jedoch jede Möglichkeit genommen, dagegen entsprechend vorzugehen. Bei seinen in der Beschwerde geäußerten Befürchtungen, wonach er als Sikh bei der Polizei keine Aussicht auf Unterstützung gehabt hätte, zumal die Angehörigen der Chamars "bessergestellt" wären, handelt es sich lediglich um Mutmaßungen, welche weder entsprechend begründet noch durch konkrete Angaben oder Beweismittel untermauert wurden und auch nicht den Länderberichten entsprechen. Damit konnte der Beschwerdeführer jedenfalls eine mögliche Billigung der vorgebrachten privaten Verfolgung durch die staatlichen Stellen nicht glaubhaft machen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer und die anderen Anhänger bei einer Anzeige der vorgebrachten Vorfälle Unterstützung von den indischen Sicherheitsbehörden erhalten hätten.

 

Aber selbst wenn man vom Vorbringen des Beschwerdeführers ausginge, dass die örtlichen Polizeibehörden ihm im konkreten Fall in einem lokal begrenzten Bereich tatsächlich keinen ausreichenden Schutz bieten sollten, wäre es ihm immer noch möglich, in einem anderen Landesteil entsprechende Hilfe vor weiterer Verfolgung zu finden. Denn wenn man den Darstellungen des Beschwerdeführers zu seinen individuellen Fluchtgründen folgt, ergibt sich letztlich, dass er außerhalb seines behaupteten Herkunftsortes in Indien eine innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative hat. Vor dem Hintergrund der Länderberichte ist nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer in ganz Indien Verfolgung durch Angehörige der Kaste der Chamars oder der Ravi Dasi droht. Dass dies in Indien grundsätzlich möglich ist, ergibt sich aus den oben wiedergegebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid. In Indien besteht für den Beschwerdeführer somit die Möglichkeit, den von ihm behaupteten örtlichen Bedrohungen durch Umzug in andere Landesteile zu entgehen.

 

Aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen ergibt sich, dass in Indien volle Bewegungsfreiheit gewährleistet ist. Die Quellen zeichnen diesbezüglich ein eindeutiges Bild, wonach grundsätzlich örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungshandlungen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden kann. Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Bürger. Die Bürger besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Die indische Verfassung garantiert indischen Staatsangehörigen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Staatsgebiet, sowie das Recht auf Niederlassung und Aufenthalt in jedem Teil des Landes. Auch bei strafrechtlicher Verfolgung ist in der Regel ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken in anderen Teilen Indiens möglich, ohne dass diese Person ihre Identität verbergen muss. Hingegen ist die Polizei in städtischen Gebieten personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit der Entdeckung größer ist. So wurden z.B. in Neu Delhi Separatisten aus dem Punjab nach mehreren Jahren friedlichen Aufenthaltes aufgespürt und verhaftet. Wer sich verfolgt fühlt, kann sich demnach in einem anderen Landesteil niederlassen. Die Möglichkeit sich außerhalb der engeren Heimat in Indien eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängt sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und kann durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden. Für unqualifizierte, aber gesunde Menschen wird es in der Regel jedoch möglich sein, sich durch Gelegenheitsarbeiten ihren Lebensunterhalt zu sichern. Davon ist im Fall des Beschwerdeführers auszugehen.

 

Auch im gegenständlichen Fall besteht jedenfalls die Möglichkeit eines Umzugs in einen anderen Landesteil, da sich die vom Beschwerdeführer genannten Verfolgungshandlungen allenfalls auf einen regionalen Bereich beschränken.

 

Es ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine Verfolgung auf dem ganzen Staatsgebiet Indiens glaubhaft zu machen, ohne dass ihm staatlicher Schutz gewährt wird. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, kann sich der Beschwerdeführer in Indien außerhalb seiner engeren Heimat niederlassen und es steht ihm daher eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative offen. So gibt es kein Registrierungssystem, das Neuankömmlinge aus anderen Bundesstaaten erfasst; die Bürger haben häufig keine Ausweise und die lokalen Polizeibehörden verfügen nicht über die Ressourcen oder über die Sprachkenntnisse, um die Lebensläufe der Neuankömmlinge und damit ihre Ursprungsregion zu überprüfen. Personen, die aus anderen Teilen Indiens zuziehen, werden nicht überprüft.

 

Hieran vermag auch die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach die Kaste der Chamars im ganzen Punjab anzutreffen sei, nichts zu ändern, zumal damit keine substantiierten Gründe vorgebracht werden, die einem Umzug des Beschwerdeführers innerhalb Indiens in einen anderen Bundesstaat entgegenstehen würde. Ebenso wenig wurden in der Beschwerdeschrift substantiierte und nachvollziehbare Gründe vorgebracht, weshalb dem Beschwerdeführer ein Umzug in einen anderen Teil Indiens nicht möglich oder zumutbar wäre.

 

Sämtliche im Rahmen der Beschwerdeergänzung übermittelten Berichte zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, Zweifel an den oben getroffenen Feststellungen zu begründen. Diese berichten im Wesentlichen von einem schlechten Zustand der indischen Polizeistationen und der nicht ausreichenden Anzahl von Polizisten im Verhältnis zur Bevölkerung, von politischer Einflussnahme und Korruption, von der Anwendung von Folter in Gefängnissen sowie von verbreiteten Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei im Punjab. Der Beschwerdeführer konnte den vorliegenden Länderberichten damit jedoch nicht effektiv entgegentreten und eine über Einzelfälle hinausgehende Korruption im gesamten indischen Polizei- und Justizapparat glaubhaft machen. Insbesondere wurde die entscheidungsrelevante Möglichkeit des Beschwerdeführers, sich außerhalb des Punjabs in Indien niederzulassen, ohne dort (weitere) Verfolgung fürchten zu müssen, nicht in Frage gestellt.

 

Auch das Schreiben des Vorstehers seines Klosters war letztlich nicht geeignet, das Vorbringen des Beschwerdeführers zu stützen. Es steht im konkreten Fall nämlich weder fest, ob das Schriftstück tatsächlich vom genannten Aussteller stammt, noch ob es sich bei der darin erwähnten Person wirklich um den Beschwerdeführer handelt. Mangels eindeutig feststellbarer Identität des Beschwerdeführers konnte nicht festgestellt werden, ob er tatsächlich die behauptete Person ist. Vielmehr wird im genannten Schreiben die bisherige Vermutung, dass es im Zuge der vorgebrachten Vorfälle zu keiner Einschaltung der indischen Sicherheitsbehörden gekommen ist, ausdrücklich bestätigt. Insgesamt konnte auch damit eine mögliche Billigung der vorgebrachten privaten Verfolgung durch die staatlichen Stellen nicht glaubhaft gemacht werden bzw. auch die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative widerlegen.

 

Im Zusammenhang mit der in der Beschwerde vorgebrachten allgemeinen Kritik an den zitierten Länderberichten zu Indien, ist darauf hinzuweisen, dass die landeskundlichen Feststellungen der belangten Behörde von der Staatendokumentation des Bundesasylamtes stammen, die zur Objektivität verpflichtet ist und der Beobachtung eines Beirates unterliegt. Sie stützen sich auf verlässliche und unzweifelhafte Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen und wurden ausgewogen zusammengestellt.

 

In Hinblick auf die gleichfalls angedeutete mangelhafte Qualität des Dolmetschers, welcher den Dialekt des Beschwerdeführers möglicherweise nicht richtig verstanden haben soll, wodurch es unter Umständen zu Widersprüchen gekommen wäre, ist zum einen auf das Protokoll zur Erstbefragung zu verweisen, wo der Beschwerdeführer nach einer Rückübersetzung Verständigungsprobleme ausdrücklich verneint hat, zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass er auch bei seiner Einvernahme ausdrücklich bestätigt hat, dass ihm die Befragung rückübersetzt und diese korrekt protokolliert worden ist. Ferner wurde ihm durch die Vorhalte seiner abweichenden Angaben die Möglichkeit gegeben, allfällige Übersetzungsfehler durch plausible Erklärungen der Abweichungen aufzuklären. Schließlich hat der Beschwerdeführer durch seine Bestätigung der erfolgten Rückübersetzung des Protokolls der Erstbefragung die Behauptung des Gegenteils in der Beschwerdeschrift selbst widerlegt.

 

Ebenso war es letztlich nicht erforderlich, dem Antrag in der Beschwerde folgend, einen Mediziner mit der Objektivierung der Verletzungen des Beschwerdeführers zu befassen, zumal dadurch weder die Klärung der konkreten Hintergründe der Verletzungen, noch Aussagen zur Schutzfähigkeit und -willigkeit der indischen Sicherheitsbehörden zu erwarten waren oder zum Ergebnis führen würde, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren wäre.

 

Es ist insgesamt nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der realen Gefahr einer aktuellen Verfolgung ausgesetzt ist.

 

2.2. Das Bundesasylamt hat mit dem Beschwerdeführer eine eingehende Einvernahme durchgeführt; weiters wurde der Beschwerdeführer bei seiner Antragstellung durch einen Vertreter des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt. Das Bundesasylamt hat den Beschwerdeführer konkret und ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Der festgestellte Sachverhalt, dessen Beweiswürdigung und die rechtliche Subsumtion finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid und sind nicht zu beanstanden.

 

Es ist daher entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht davon auszugehen, dass es zu einem mangelhaften Ermittlungsverfahren durch das Bundesasylamt gekommen ist und weitere Erhebungen oder Einvernahmen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtvorbringen erforderlich sind. Auch nach der Bestellung eines Rechtsberaters wurde vom Beschwerdeführer nichts weiter Entscheidungsrelevantes vorgebracht. Es ist daher insgesamt vor dem Hintergrund des Fluchtvorbringens entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht erforderlich, den Beschwerdeführer bei einer mündlichen Verhandlung zu befragen (vgl. Punkt II.3.4.) oder weitere Erhebungen in seinem Herkunftsland durchzuführen.

 

3. Rechtliche Erwägungen zur - zulässigen - Beschwerde:

 

3.1. Zur Abweisung des Asylantrags (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

 

3.1.1. Zur Regelung des § 3 Abs. 1 AsylG 2005: Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955, GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie], verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011, 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771, 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031; 06.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

 

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 zB VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert, deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539, 17.03.2009, 2007/19/0459).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177, 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120, 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256, 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793).

 

3.1.2. Es besteht für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, in anderen Landesteilen gefahrlos zu leben, ohne dass seine Existenz gefährdet wäre. Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit im Fall des Beschwerdeführers, sich in anderen Landesteilen niederzulassen, sind

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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