D6 306712-1/2008/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Vorsitzenden und den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. Usbekistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.9.2006, Zl. 05 08.068-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 3.2.2011 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 7 Asylgesetz 1997 Asyl gewährt. Gemäß § 12 Asylgesetz 1997 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Entscheidungsgründe:
I. Der Beschwerdeführer, ein usbekischer Staatsangehöriger, stellte am 04.06.2005 nach illegaler Einreise den vorliegenden Antrag auf Gewährung von Asyl.
1. Im Zuge seiner Einvernahme am 7.6.2005 brachte der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Fluchtgründe u.a. vor, wegen des Verdachtes, ein Terrorist zu sein und den Wahabiten anzugehören, zweimal festgenommen worden zu sein. Erstmals sei er im Jahr XXXX 3 Tage lang angehalten und im Jahr XXXX eineinhalb Tage lang auf einer Polizeistation verhört und misshandelt worden zu sein. Er habe Faustschläge in den Bauch erhalten; 4 Zähne seien ihm ausgeschlagen und sein Unterkiefer gebrochen worden. Der Verdacht terroristischer Betätigung entbehre jeder Grundlage und sei auf eine Namensgleichheit zurückzuführen.
2. Im Rahmen seiner amtsärztlichen Untersuchung im Zulassungsverfahren am 13.6.2005 gab der Beschwerdeführer anamnestisch an, in den Jahren XXXX jeweils nach einer "Explosion" festgenommen und misshandelt worden zu sein. Nach seiner zweiten Festnahme habe seine Ehefrau Entgelt an die Polizisten gezahlt, um die Freilassung des Beschwerdeführers zu bewirken. Nach seiner neuerlichen Befragung im XXXX habe er beschlossen, seine Heimat zu verlassen.
Als subjektive Beschwerden werden bei der ärztlichen Untersuchung eine ausgeprägte Angstsymptomatik mit vegetativer Symptomatik, Herzrasen, Beklemmung, Durchfall und Durchschlafstörungen, Albträume sowie eine Phobie gegenüber uniformierten Menschen festgehalten. Als mögliche Folterspuren werden Narben des Beschwerdeführers an beiden Schultern vermerkt.
Die untersuchende Fachärztin für Psychiatrie stellte eine krankheitswerte psychische Störung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung, beim Beschwerdeführer fest. Aus fachärztlicher Sicht wertete die untersuchende Fachärztin die Gefahr eines Dauerschadens oder von Spätfolgen sowie einer Retraumatisierung im Falle einer Überstellung des Beschwerdeführers in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als wahrscheinlich.
3. In seinem Schriftsatz vom 19.8.2005 wies der Beschwerdeführer ergänzend darauf hin, dass es sich bei den Ereignissen vor seiner jeweiligen Festnahme im Jahr XXXX um Terroranschläge mit vielen Todesopfern gehandelt habe.
Im Zuge seiner Einvernahme vom 24.5.2006 legte der Beschwerdeführer zwei Ladungen der usbekischen Miliz aus dem Jahr XXXX vor. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer ergänzend an, am Tag nach den Terroranschlägen in XXXX von Angehörigen der usbekischen Miliz an seinem Arbeitsplatz festgenommen und drei Tage lang im Keller eines Gefängnisses unter Schlägen mit Schlagstöcken verhört worden zu sein. Als Hintergrund seiner Verdächtigung der Beteiligung an den Terrorakten nannte der Beschwerdeführer den Umstand, dass der Sohn seines Onkels, der XXXX geheißen habe, an jener Stelle, an der sich die Attentäter zwecks Vermeidung einer Gefangennahme durch die usbekische Polizei selbst in die Luft gesprengt hatten, ums Leben gekommen sei. Er, der Beschwerdeführer, der dieses Detail in seiner vorangegangenen Einvernahme aus Angst nicht preis geben habe wollen, wisse nicht, ob die Leiche des Sohnes seines Onkels zufällig an jener Stelle gefunden worden sei, oder ob er mit den Tätern in Kontakt gestanden habe. Sein Verwandter sei - wie er selbst auch - Mitglied der Volksdemokratischen Partei NDP gewesen. Der Beschwerdeführer habe im Verdacht gestanden, an den Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Er habe - nachdem seine Ehefrau einen Geldbetrag als "Kaution" gezahlt habe - schließlich eine Verpflichtungserklärung, die Stadt nicht zu verlassen, unterfertigen müssen. Danach habe er sich zwei oder drei Mal im Monat in der Hauptverwaltung des usbekischen Innenministeriums gemeldet. Nach einem Selbstmordattentat, das am XXXX stattgefunden habe, sei er neuerlich verhaftet und länger als einen Tag lang angehalten worden, wobei er über seinen Aufenthalt während der Tatzeit sowie über die Identität von Personen, die auf Fotos zu sehen waren, Auskunft habe geben müssen. Einige Tage später wäre er nachts von mehreren Polizisten aufgesucht worden, die "die Hand aufgehalten" hätten und nach Erhalt von US$ 50,-- wieder verschwunden seien. In der Folge sei er mehrmals von Polizisten angerufen und in das Gebäude der Hauptverwaltung des usbekischen Innenministeriums zitiert worden, wo ihm stets die gleichen Fragen gestellt worden seien. Man habe ihn mit Haft bedroht und letztlich auf diese Weise psychischen Druck auf ihn ausgeübt. Er habe immer wieder Bestechungsgeld leisten müssen und in all den Jahren schätzungsweise wohl rund US$ 10.000,-- gezahlt. Nach den Ereignissen in XXXX sei er erneut vorgeladen und verhört worden. Des Öfteren habe er nach den Vorladungen im Innenministerium seine Ladung vorgezeigt und dann mehrere Stunden warten müssen, bevor eine viertelstündige Befragung erfolgt sei. Nach fünf derartigen Befragungen habe er sich zur Ausreise entschlossen.
Im Falle seiner Rückkehr befürchtete der Beschwerdeführer, schon bloß wegen des Umstands, den letzten Ladungen nicht Folge geleistet zu haben, inhaftiert zu werden. Seiner Ehefrau sei gesagt worden, dass das Verschwinden des Beschwerdeführers auf seine Mittäterschaft hindeute. Auf die Frage nach seiner Rückkehrbefürchtung verwies der Beschwerdeführer darauf, sich nicht an die (von ihm unterfertigte) Verpflichtungserklärung gehalten und die Stadt ohne Erlaubnis verlassen zu haben. Er habe gegen § 159 des usbekischen Strafgesetzbuches verstoßen.
4. Im Rahmen des vom Bundesasylamt eingeholten psychiatrischen Sachverständigen-Gutachtens vertrat der Facharzt für Psychiatrie, XXXX, die Ansicht, dass es sich bei den in der ärztlichen Untersuchung vom 13.6.2005 festgehaltenen Sympomen um eine "undifferenzierte Somatisierungsstörung ICD 10 - F 45.1", bei den zahlreichen körperlichen Beschwerden um eine "neurotische Störung" sowie bei der vom Beschwerdeführer geäußerten (und ebenfalls als neurotische Störung zu qualifizierenden) Angst vor Uniformen um eine "isolierte Phobie F 40.2" handle. Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung würden fehlen. Die Ereignisse, die der Beschwerdeführer geschildert habe, seien "nicht von solch katastrophenartigem Ausmaß, dass sie bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würden". Beim Beschwerdeführer sei daher kein psychose-wertiges Krankheitsbild oder eine psychotische Erkrankung feststellbar. Aus medizinisch-psychiatrischer Sicht stehe einer Rückführung des Beschwerdeführers kein Hindernis entgegen.
In seiner Einvernahme vom 13.7.2006 wurde dem Beschwerdeführer, der bei dieser Gelegenheit auch einen Pressebericht über die allgemeine Situation in Usbekistan vorlegte, das Ergebnis des Sachverständigen-Gutachtens zur Kenntnis gebracht.
5. Mit Bescheid vom 27.9.2006 wies das Bundesasylamt den Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76, ab (Spruchpunkt I.), stellte die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Usbekistan gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76 idF BGBl. I 101/2003 (im Folgenden: AsylG 1997), fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Usbekistan aus (Spruchpunkt III.).
In seiner Begründung traf das Bundesasylamt Länderfeststellungen zur Situation in Usbekistan und stellte die Staatsangehörigkeit und Identität des Beschwerdeführers fest. Weiters stellte das Bundesasylamt u.a. eine jeweils 4 cm lange Narbe an beiden Schultern sowie eine Narbe am linken Zeigefinger fest, deren Ursache sowie Alter jedoch nicht feststellbar seien. Dass der Beschwerdeführer in Usbekistan einer Verfolgung ausgesetzt war bzw. im Falle einer Rückführung ausgesetzt wäre, konnte das Bundesasylamt ebenfalls nicht feststellen. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die Behörde unlogisch und unschlüssig, dass der Beschwerdeführer eigenen Angaben zufolge von XXXX an mehrmals von der usbekischen Polizei verhört, misshandelt worden und polizeilichen Vorladungen ausgesetzt gewesen sein soll, um erst im XXXX auszureisen. Die "einzige logische Konsequenz" wäre nach Ansicht des Bundesasylamtes angesichts der (vorgebrachten) langjährigen Verfolgung ein früheres Verlassen Usbekistans gewesen. Überdies sei nicht nachvollziehbar gewesen, dass der Beschwerdeführer trotz des Verdachts, ein Extremist oder Regimefeind zu sein, immer wieder freigelassen worden sei. Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen könne die geschilderte Freilassung nach Lösegeldzahlungen nur als "Schutzbehauptung" gewertet werden. Schließlich habe sich der Beschwerdeführer bei der Frage nach dem Grund für seine Verdächtigung in Widersprüche verwickelt, nachdem er seine Verfolgung zunächst mit einer Namensgleichheit und in der Folge mit dem Tod eines Verwandten bei den Anschlägen begründet habe. Gegen die Glaubwürdigkeit spreche auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer - ungeachtet strenger Ausreisekontrollen auf internationalen Flughäfen - legal ausgereist sei und trotz Grenzkontrolle "problemlos" ausreisen habe können.
Mangels glaubhaft gemachter Verfolgungsgefahr war nach Ansicht des Bundesasylamtes der Asylantrag abzuweisen gewesen. Im Hinblick auf Spruchpunkt II. konnte die Behörde keine stichhaltigen Gründe für die Annahme erkennen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr laufe, in Usbekistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen würde. Die Ausweisung stellte nach Auffassung des Bundesasylamtes keinen Eingriff in das Grundrecht auf Privat- und Familienleben dar.
6. Dagegen richtete sich die vorliegende, (als Berufung) fristgerecht erhobene und zulässige Beschwerde, in der die Detailliertheit und Widerspruchsfreiheit des Fluchtvorbringens betont und der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes entgegen getreten wurde. Zur Argumentation der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer nach seinen Festnahmen regelmäßig wieder freigelassen worden sei, wies die Beschwerde darauf hin, dass dies durchaus gängige Praxis usbekischer Behörden im Umgang mit Oppositionellen sei. Die kurzfristige Verhaftung, Folter und Freilassung gegen Lösegeld stehe in Usbekistan auf der Tagesordnung. Den Ausführungen der belangten Behörde über eine problemlose Ausreise des Beschwerdeführers wurde in der Beschwerde mit dem Vorwurf der Aktenwidrigkeit entgegen getreten, da der Beschwerdeführer bereits in seiner Einvernahme geschildert habe, gegen Zahlung von US$ 700,-- mit einem Post-Auto - unter Umgehung der Passkontrolle - direkt in das Flugzeug geschleust worden zu sein. Ergänzend wurde schließlich vorgebracht, dass der Beschwerdeführer bei seiner Festnahme im Jahr XXXX zu Langzeithäftlingen gesperrt, verprügelt und vergewaltigt worden sei.
7. Mit Schriftsatz vom 31.10.2006 legte der Beschwerdeführer einen psychologischen Befund der Gesundheitspsychologin XXXX vor, derzufolge beim Beschwerdeführer "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" eine posttraumatischen Belastungsstörung vorliege, welche auf die Inhaftierung, Folterung und Vergewaltigung in Usbekistan zurückzuführen sei. Eine Rückführung des Beschwerdeführers würde eine Retraumatisierung auslösen. Weiters wurde eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome diagnostiziert.
8. Am 3.2.2011 führte der Asylgerichtshof unter Beiziehung eines Dolmetschers für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und sein rechtsfreundlicher Vertreter teilnahmen. Das Bundesasylamt hatte auf die Teilnahme an einer Verhandlung verzichtet. Der Beschwerdeführer legte u.a. einen Internetauszug über "prophylaktische Maßnahmen" des usbekischen Innenministeriums gegenüber usbekischen Staatsangehörigen im Ausland vom 18.11.2004 sowie eine Bestätigung über den Besuch eines Deutsch-Kurses vor (Beil ./1 und 2). Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurden die Fluchtgründe eingehend erörtert. Für die Erstattung einer schriftlichen Äußerung zu den vom erkennenden Senat herangezogenen Länderberichten wurde dem Beschwerdeführer eine drei-wöchige Frist eingeräumt.
Mit seinem Schriftsatz vom 24.2.2011, in dem er zu den Länderberichten Stellung bezog und insbesondere nach Wiederholung seiner bereits in der Verhandlung geäußerten Rückkehrbefürchtungen (hinsichtlich einer strafbehördlichen Verfolgung wegen Asylantragstellung im Ausland sowie illegaler Ausreise) neuerlich auf seine Fluchtgründe einging, legte der Beschwerdeführer neben Presseberichten über die allgemeine (Menschenrechts-)Situation in Usbekistan mehrere Unterstützungsschreiben sowie ein ärztliches Attest mit der Diagnose einer Stressreaktion und einer neurovegetativen Dysregulation bei. Am 17.10.2011 übermittelte der Beschwerdeführer ein Protokoll seiner (in Gegenwart einer Rechtsberaterin gemachten) mündlichen Ausführungen, denen zufolge der Verdacht der Miliz auf seine Person im Jahr XXXX aufgrund einer Kuriertätigkeit für einen Oppositionspolitiker entstanden sei.
Beweis wurde erhoben, indem der Beschwerdeführer einvernommen und die von ihm vorgelegten Schriftstücke sowie folgende, auch in der Verhandlung erörterte Unterlagen eingesehen wurden:
Länderinformationen des deutschen Auswärtigen Amtes (Beil ./3);
Länderinformationen von Inwent, Internationale Weiterbildung Entwicklung gGmbH (Beil ./4);
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 6.9.2010 (Beil ./5);
Human Rights Report des U.S. Department of State (Beil ./6);
Bericht der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30.7.2004 (Online-Ausgabe), Zugriff 2.2.2011 (Beil ./7);
ACCORD-Anfragebeantwortung vom 7.10.2008 (Beil ./8);
Zusammenfassung verschiedener Länderberichte (Beil ./9).
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt:
1.1 Zur Situation in Usbekistan:
1.1.1 Allgemeines:
Usbekistan ist ein autoritärer Staat mit rund 27,6 Mio. Einwohnern. Der Islam ist zahlenmäßig stärkste Religion (90% Sunniten). Die usbekische Verfassung sieht ein Präsidialsystem mit Gewaltenteilung vor. In der Praxis dominieren der usbekische Präsident Islam Karimov und die zentralisierte Exekutive jedoch das politische Leben (U.S. Department of State vom 11.3.2010, Human Rights Report 2009).
Die Präsidentschaftswahlen im Dezember 2007 entsprachen nicht demokratischen Standards. Obwohl Islam Karimov die in der Verfassung festgelegte Höchstgrenze von zwei Amtszeiten erreicht hatte, trat er ungehindert erneut zur Wahl an und wurde mit offiziell 88 % wiedergewählt. (Deutsches Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung vom 11.3.2009, www.bmz.de, Zugriff am 17.1.2011).
Seit Dezember 2004 verfügt Usbekistan über ein parlamentarisches Zwei-Kammern-System (Unterhaus sowie Senat). Die im Unterhaus vertretenen vier Parteien sind allesamt regierungsnah und zumeist auf Initiative des Staatspräsidenten gegründet worden. Eine wirkliche parlamentarische Opposition existiert bislang nicht, obwohl Usbekistan 2006 mit einem neuen Parteigesetz den Oppositionsbegriff in die parlamentarische Arbeit eingeführt hat. Die drei außerparlamentarischen Oppositionsbewegungen "Erk", "Birlik" und "Ozod Dekhkanlar" (Freie Bauern) wurden zu den letzten Parlamentswahlen im Dezember 2009 nicht zugelassen. Nach Einschätzung der OSZE/ODIHR-Langzeitbeobachtermission verfehlten die Parlamentswahlen im Dezember 2009 deutlich OSZE-Verpflichtungen und andere internationale Standards für demokratische Wahlen (Deutsches Auswärtiges Amt, Länderinformationen, Zugriff am 17.1.2011).
Die Regierung versucht, unabhängige islamisch-religiöse Bewegungen im Land zu kontrollieren. Islamistischer Terror wird von der Regierung als Bedrohung für den Staat und als Begründung für Verfolgung und Inhaftierung einzelner Personen angeführt (Deutsches Auswärtiges Amt, Länderinformationen, Zugriff am 17.1.2011).
1.1.2 Sicherheitslage:
Am 30.7.2004 und am 26.5.2009 ereigneten sich in Taschkent bzw. in Chanabad (Ferghanatal an der Grenze zu Kirgistan) Selbstmordattentate. Dem letzten Vorfall ging ein bewaffneter Überfall auf eine Milizstation in Chanabad voraus. Bei den Selbstmordanschlägen im Juli 2004 waren neben der Generalstaatsanwaltschaft die Botschaften Israels und der USA - damit erstmals auch ausländische Einrichtungen - Ziel terroristischer Angriffe (Deutsches Auswärtiges Amt, Länderinformationen, Zugriff am 17.1.2011). Bereits im Jahr 1999/2000 sowie im Frühling 2004 hatte die radikale Islamische Bewegung Usbekistans (IMU) das Regime mit Überfällen aus dem benachbarten Tadschikistan und mit Bombenanschlägen in der Hauptstadt bedroht (Kurzanalyse der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 29.6.2006).
Nach Demonstrationen von rund 10.000 Menschen gegen die Regierung von Präsident Karimow kam es am 13.5.2005 in Andijan zu einem Blutbad: Sicherheitskräfte schlugen den Aufstand mit massivem Gewalteinsatz nieder. Nach offiziellen Angaben kamen bei den Auseinandersetzungen 187 Personen um. Unabhängige Quellen und Augenzeugen sprechen dagegen von "Hunderten" Toter, darunter auch Frauen und Kinder. Nach Ansicht Präsident Karimovs, der eine von der UNO, der EU und von den USA geforderte unabhängige Untersuchung ablehnte, handelte es sich bei den Vorfällen in Andijan um einen islamistischen Putschversuch; die Operation sei im Zusammenhang mit dem weltweiten "Kampf gegen den Terrorismus" zu würdigen. Unter wachsendem internationalem Druck versteifte sich Usbekistan auf immer mehr Repression gegenüber Personen und Organisationen, die der offiziellen Darstellung widersprachen (Kurzanalyse der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 29.6.2006). Nach den Tötungen verfügte die EU gegen zwölf Regierungsbeamte ein Einreiseverbot in die Länder der Europäischen Union und verhängte ein Waffenembargo gegen Usbekistan (Amnesty Report 2010, www.amnesty.de, Zugriff am 14.1.2011). Dieses Waffenembargo wurde von der EU erst im Oktober 2009 wieder aufgehoben, um - so die Begründung der EU-Außenminister - trotz weiterhin bestehender Sorge über die Lage der Menschenrechte in Usbekistan die Verantwortlichen des Landes zu ermutigen, weitere Schritte zur Verbesserung von Rechtstaatlichkeit und Menschenrechten zu unternehmen; mit der Freilassung einiger Menschenrechtler und der Möglichkeit von Gefängnisbesuchen durch Rotkreuz-Mitarbeiter seien auch Fortschritte zu verbuchen. Menschenrechtsorganisationen reagierten auf die Aufhebung des Waffenembargos entsetzt, da sich ihrer Einschätzung nach die Lage der Menschenrechte in Usbekistan eher verschlechtert habe (de-world.de vom 28.10.2009, Zugriff am 2.2.2011).
1.1.3 Menschenrechtliche Situation:
Usbekistan hat wichtige Menschenrechtskonventionen der Vereinten Nationen ratifiziert, darunter das Übereinkommen gegen Folter. Dem stehen aber in der Praxis weiter Menschenrechtsverletzungen gegenüber. Die Menschenrechtslage und die Situation zivilgesellschaftlicher Organisationen im Land sind prekär (Deutsches Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung vom 11.3.2009, www.bmz.de, Zugriff am 17.1.2011). Alle einschlägigen Menschenrechtsorganisationen beurteilen die Situation der Menschenrechte in Usbekistan als äußerst schlecht ("dramatisch, "drastisch", "desaströs", "very poor"; vgl. Länderkundliches Gutachten von Univ. Prof. Dr. Richard Potz vom 20.1.2006).
Es wird weiterhin von Verhaftungen unter dem Vorwurf des Terrorismus oder der Mitgliedschaft bzw. Unterstützung islamischer Fundamentalisten berichtet (Deutsches Auswärtiges Amt, Länderinformationen, Zugriff am 17.1.2011). Zahlreiche Mitglieder islamischer Minderheitsgruppen erhielten in unfairen Prozessen lange Haftstrafen. In mehreren Verhaftungswellen nahmen die Sicherheitskräfte willkürlich Personen - und deren Familienangehörige - fest, die im Verdacht standen, Verbindungen zu verbotenen islamistischen Parteien und bewaffneten Gruppen zu haben, denen die Schuld an landesweiten Anschlägen zugeschrieben wurde. Mehrere tausend Personen unterschiedlicher sozialer Schichten, die wegen Verbindungen zu verbotenen islamischen Bewegungen und islamistischen Parteien verurteilt worden waren, verbüßen Haftstrafen unter harten und lebensbedrohlichen Bedingungen. Es gab zuletzt nach wie vor Berichte über Folter und anderweitige Misshandlungen.
Nach den im Ferghana-Tal und der Hauptstadt Taschkent im Mai und August 2009 verübten Anschlägen und der Tötung eines regierungsnahen Imams sowie hochrangiger Polizeibeamter in Taschkent im Juli setzte eine neue Welle willkürlicher Festnahmen ein. Zu den zahlreichen festgenommenen Personen, die unter dem Verdacht, Mitglieder oder Sympathisanten der Islamischen Bewegung Usbekistans, der Islamic Jihad Union oder der Hizb-ut-Tahrir zu sein, standen, zählten Männer und Frauen, die behördlich nicht zugelassene Moscheen besucht hatten, von unabhängigen Imamen unterwiesen worden waren, Reisen ins Ausland unternommen oder dort studiert hatten. Als Grund für eine Festnahme reichte es auch aus, Verwandte zu haben, die im Ausland lebten oder verdächtigt wurden, verbotenen islamistischen Gruppen anzugehören. Viele Personen sollen ohne Anklage und Gerichtsverfahren für längere Zeit in Gewahrsam gehalten worden sein. Es gab Berichte über Folter und unfaire Prozesse: Amnesty International berichtet, dass Familienangehörige von Männern, die unter dem Verdacht, an den im Juli 2009 in Taschkent begangenen Tötungen beteiligt gewesen zu sein und der Hizb-ut-Tahrir anzugehören, festgenommen worden waren, den Vorwurf erhoben haben, einige der Beschuldigten, die ihre Beteiligung an den Tötungen dementierten, seien in Untersuchungshaft gefoltert worden, um ihr "Geständnis" zu erzwingen. Eine Mutter gab an, das Gesicht ihres Sohnes sei geschwollen und sein Körper voller Prellungen gewesen, in seine Fußsohlen seien Nadeln gestochen und am Anus Elektroschocks verabreicht worden. Er habe kaum essen, stehen oder gehen können (Amnesty Report 2010, www.amnesty.de, Zugriff am 14.1.2011).
Personen, die als Islamisten verdächtigt werden, sind seit Jahren einem besonders hohen Risiko staatlicher Verfolgung ausgesetzt. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie mit der Akramiya, der Islamischen Bewegung Usbekistans oder der Hizb ut-Tahrir al-Islami in Verbindung gebracht werden. Es muss davon ausgegangen werden, dass Personen, die als islamische Terroristen gesucht werden, in Usbekistan unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sind (Kurzanalyse der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 29.6.2006).
Neben (vermeintlichen) Islamisten gelten als besonders gefährdet:
Augenzeugen der Ereignisse von Andijan, unabhängige Journalisten, Personen aus dem Umfeld der nicht zugelassenen Oppositionsparteien und Menschenrechtsaktivisten (Kurzanalyse der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 29.6.2006).
Usbekistan hat mit Wirkung vom 1. Januar 2008 die Todesstrafe gesetzlich abgeschafft und die Kompetenz zum Ausstellen von Haftbefehlen von der Staatsanwaltschaft auf die Gerichte übertragen ("Habeas-Corpus-Prinzip"). Die Implementierung dieser Maßnahme ist aber nach wie vor nicht abgeschlossen. Eine Reform des Strafrechts im Jahre 2007 und des Strafprozessrechts in 2009 führte u.a. zu einer Reduzierung der zum Teil drastischen Gefängnisstrafen für eine Reihe von Straftaten. Trotz positiver Elemente ist die Bilanz bei den Menschenrechten nicht ermutigend (Deutsches Auswärtiges Amt, Länderinformationen, Zugriff am 17.1.2011).
1.1.4 Justiz und Verwaltung:
Die Justiz ist de jure von der Regierung unabhängig. Die Gewaltenteilung existiert jedoch nur formal (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Information vom Juli 2009).
Korruption ist allgegenwärtig (Deutsches Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung vom 11.3.2009, www.bmz.de, Zugriff am 17.1.2011). Wesentliche Lebensbereiche, die auch eine Nähe zu menschenrechtlichen Garantien aufweisen (wie Gerichtsbarkeit, Bildungswesen, Gesundheitswesen), werden als durch ein hohes Maß an Korruption gekennzeichnet dargestellt (Länderkundliches Gutachten von Univ. Prof. Dr. Richard Potz vom 20.1.2006). Am weitesten verbreitet ist die Korruption im Justizwesen, bei der Polizei, bei lokalen Behörden und bei den Grenzbehörden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Information vom Juli 2009). Der CPI Index hinsichtlich der Korruptionswahrnehmung für das Jahr 2010 weist Usbekistan auf der 175. Stelle auf, nur vier Länder (nämlich Irak, Afghanistan, Maynmar und Somalia) erhielten eine noch schlechtere Bewertung (CPI Index 2010).
Die Polizei hält regelmäßig und willkürlich Zivilpersonen fest, um Bestechungsgelder zu erhalten. Obwohl die usbekische Rechtslage Strafen gegen Korruption vorsieht, bestraft die Regierung Beamte kaum für ein solches Fehlverhalten. Nach wie vor finden willkürliche Festnahmen fest, indem den Personen extremistische Haltung oder Handlungen sowie Beziehungen zu gewissen religiösen Gruppen vorgeworfen werden. Es gab Berichte, dass die Polizei Personen unter falschen Anschuldigungen, wie Wucher und Steuerhinterziehung, festgehalten hat, um diese einzuschüchtern und sie selbst oder Familienmitglieder abzuhalten, Korruptionsfälle zu melden oder sich in örtliche kriminelle Handlungen einzumischen (U.S. Department of State vom 11.3.2010, Human Rights Report 2009).
1.1.5 Haftbedingungen:
Die Haftanstalten sind überfüllt, die Ernährung und die medizinische Versorgung sind mangelhaft. Die Korruption ist auch in den Haftanstalten weit verbreitet. Lebensmittelpakete von Angehörigen der Häftlinge werden nicht immer an diese weitergegeben. Infektiöse Krankheiten, wie HIV, Tuberkulose, Hepatitis usw., treten häufig auf. Zur Erlangung von Geständnissen wird nach wie vor gefoltert (Deutsches Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Information vom Juli 2009).
Dass in usbekischer Haft systematisch gefoltert wird, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in mehreren Urteilen angenommen (vgl. zuletzt EGMR 4.11.2010, 15303/09, Sultanov gegen Russische Föderation, mit Hinweisen auf Vorentscheidungen).
1.1.6 Soziale Situation:
Usbekistan befindet sich im Übergang von einer sowjetisch-zentralistischen Planwirtschaft zu einem marktwirtschaftlich orientierten System. Wirtschaftsliberalisierung, Privatisierung und Strukturreformen kommen mit mäßiger Geschwindigkeit voran. Dennoch wächst die Gesamtwirtschaft: Nach offiziellen Angaben stieg das Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen Jahren jeweils mindestens um 7 %. Ausländische Beobachter - aber auch usbekische Ökonomen - schätzen es mit international üblichen Bewertungsmethoden zwei bis drei Prozentpunkte niedriger ein. Das Wirtschaftswachstum ist vor allem auf die steigenden Preise für die Exportgüter Gold und Erdgas und den wachsenden Außenhandel mit Russland und Kasachstan zurückzuführen.
Arbeitslosigkeit und Armut nehmen vor allem in ländlichen Regionen zu und führen zu sozialen Spannungen - vor allem Frauen, Kranke und Berufsanfänger trifft die Arbeitslosigkeit. Die Jugendarbeitslosigkeit und die damit verbundene Perspektivlosigkeit bergen zusätzliche Risiken. Die sozialen Grunddienste, insbesondere im Gesundheitsbereich und bei der Alterssicherung, sind ungenügend (Deutsches Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung vom 11.3.2009, www.bmz.de, Zugriff am 17.1.2011).
1.1.7 Gesundheitswesen:
Nach der Unabhängigkeit von der UdSSR hat sich die Gesundheitsversorgung in Usbekistan stark verschlechtert. Besonders davon betroffen sind einkommensschwache Bevölkerungsgruppen, armutsbezogene Krankheiten haben deutlich zugenommen (Deutsches Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung vom 11.3.2009, www.bmz.de, Zugriff am 17.1.2011).
Das staatliche Gesundheitssystem in Usbekistan ist derzeit in einer Übergangsphase vom System des sowjetischen Typs von Massen- und Gratisdiensten zu einem System von kostenloser medizinischer Hilfe, die in Notsituationen geleistet wird und verletzlichen Bevölkerungsgruppe sowie Patienten mit chronischen und infektiösen Krankheiten gewährt. Die Dienste sollen teilweise oder zur Gänze kostenpflichtig, manchmal jedoch durch staatliche Subventionen gedeckt werden. Internationale Geldgeber und Spender leisten Unterstützung im Rahmen der von der Weltbank finanzierten Programme. Im Gesetz "Über den Gesundheitsschutz der Bevölkerung" wird festgehalten, dass der Staat kostenlose medizinische Hilfe in den medizinischen Grundsversorgungseinrichtungen garantiert, die sich im Gebiet des Wohnortes der Staatsbürger befinden.
Zu den kostenlosen medizinischen Leistungen gehören: Immunisierung und Impfung der Bevölkerung, ärztliche Beratung sowie Medikamente für solche Krankheiten wie TBC, onkologische Krankheiten, akute mentale Zustände, Drogenmissbrauch, hormonelle Krankheiten, HIV/AIDS und Syphilis, Untersuchung und Behandlung von Jugendlichen im Alter von 15-17 Jahren, Aufsicht über schwangere Frauen und Geburtswehenumgang, Behandlung von behinderten Patienten, Kriegsveteranen, Waisen, Leprapatienten, Patienten mit Strahlenkrankheiten, allein stehende ältere Bürger (den hier nicht aufgezählten Patienten muss kostenfreie medizinische Grundversorgung geboten werden, wenn sie ein Ambulatorium aufsuchen; wenn sie in ein Spital aufgenommen werden, müssen diese Personen ihre Medikamente selbst bezahlen). Neben den staatlichen Einrichtungen gibt es tausende private Gesundheitseinrichtungen auf dem Land, welche zahlbare medizinische Leistungen bieten, wobei der Staat diese unterstützt und deren Aktivitäten nicht behindert (Anfragebeantwortung von IOM vom 30.10.2008).
Patienten mit psychischen Störungen haben freien bzw. zu 80 % gedeckten Zugang zu Psychopharmaka sowie zur Behandlung in psychiatrischen Spitälern (ACCORD-Anfragebeantwortung vom 7.10.2008 gestützt auf Angaben des Assessment Instrument for Mental Health Systems der WHO). Es gibt staatliche psychiatrische und Drogen-Rehabilitierungseinrichtungen in jeder Oblast (Gebiet) und größeren Stadt; allerdings ist Hilfestellung nur für eine kleine Schicht von Patienten mit akuten psychischen Störungen und Zuständen, mit deutlich sichtbaren und andauernden psychischen Störungen vorgesehen, wie: akute Schizophrenie, Moronität, delirium tremens etc. (i.e. für jene, die eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen könnten). Die Qualität der Dienstleistungen in diesen Einrichtungen, wie auch die Behandlungsabwicklung dieser Patienten ist extrem schwach.
Zusätzlich zu staatlichen psychiatrischen Einrichtungen treten in größeren Städten Psychologen auf, wie auch Psychotherapeuten und Psychoanalytiker; allerdings sind deren Dienste Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Einkommen nicht zugänglich. Das System an psychotherapeutischen Diensten ist im Land nicht entwickelt. Mit der Einführung einer psychologischen Hilfestellung in das Ausbildungssystem und den öffentlichen Gesundheitssektor wurde erst in den letzten Jahren begonnen (Anfragebeantwortung von IOM vom 30.10.2008).
1.1.8 Rückkehrsituation:
Das usbekische Strafgesetzbuch enthält keinen Straftatbestand, der die Asylantragstellung im Ausland durch den Antragsteller ausdrücklich sanktioniert. Sollten jedoch gegenüber Dritten Angaben gemacht worden sein, die den Staat verunglimpfen oder verleumden oder Einzelheiten genannt worden sein, die möglicher Weise staatlich geheim gehalten werden, könnten die Art. 157 bis 163 des Strafgesetzbuches zur Anwendung kommen. Das Strafmaß beträgt in diesen Fällen drei bis 20 Jahre Freiheitsentzug (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 6.9.2010).
Soweit die usbekischen Behörden von einer Asylantragstellung im Ausland Kenntnis erlangen, ist mit Repressalien zu rechnen, wobei ein Strafverfahren nicht ausgeschlossen ist (Deutsches Auswärtiges Amt vom 25.6.2008).
1.1.9 Niederlassung innerhalb der Landesgrenzen:
Die Verfassung garantiert Bewegungsfreiheit, die jedoch in der Praxis stark eingeschränkt wird. Um in eine andere Stadt zu ziehen, ist eine behördliche Erlaubnis notwendig. Derartige Genehmigungen wurden selten für eine Übersiedlung nach Taschkent gewährt; lokale Beobachter berichteten, dass Bestechungsgelder in Höhe von bis zu Soum 100.000,-- gezahlt wurden, um Zuzugsbewilligungen zu erhalten.
Um ins Ausland zu reisen, müssen die Bürger Exit-Visa beantragen, die meist nach Bezahlung von Bestechungsgeld gewährt werden (U.S. Department of State vom 11.3.2010, Human Rights Report 2009).
1.1.10 Exkurs: Hizb-ut Tahrir und die Islamische Bewegung Usbekistans:
Die Hizb-ut Tahrir al Islami (Partei der islamischen Befreiung) ist eine globale Kalifatsbewegung, entstanden aus einer früheren Abspaltung der Muslimbruderschaft. Erklärte Ziele sind die Vereinigung der islamischen Gemeinde (Umma) in einem weltweiten Staat und die Einführung der Scharia als Rechtsgrundlage. Die Partei wurde 1953 von dem Religionsgelehrten und Richter des Jerusalemer Scharia-Gerichts, Taqi ad-Din an-Nabhani, in Palästina (Jordanien) gegründet. Seit 1995 ist die Hizb-ut Tahrir vor allem in Zentralasien aktiv und hat nach Schätzungen allein in Usbekistan 80.000 Mitglieder. Gegenwärtig ist die Hizb ut- Tahrir wohl noch die einflussreichste und erfolgreichste islamische Bewegung in Zentralasien. Die Hizb ut-Tahrir ist im Fergana-Tal, wo die wirtschaftlichen Bedingungen schwierig sind, am weitesten verbreitet. Auf der Liste der Terrororganisationen der Vereinigten Staaten von Amerika wird sie als extremistische Gruppierung erwähnt (Deutsches Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Information vom Juli 2009).
Gründer und Führer der Islamischen Bewegung Usbekistans (IBU) war der 1969 in Namangan/Fergana geborene Chodschiejew Namangani Dschuma, der in den 1980-iger Jahren als sowjetischer Elitekämpfer gegen afghanische Mudjahedin kämpfte. Die IBU verfügt über Mitglieder aus Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan. Die Gruppierung ist im Fergana-Tal und in Afghanistan aktiv. Sie bezweckt mit ihren Aktivitäten nicht die Eroberung von Territorien, sondern vielmehr die Sicherung ihrer Drogenrouten aus Afghanistan über Zentralasien nach Europa. Wegen Bombenanschlägen in Taschkent am 16.2.1999 mit mindestens 15 Toten wurden im November 1999 die Führer der IBU, Takhir Yuldasch und Chodschiejew Namangani Dschuma, für die Anschläge verantwortlich gemacht und in Abwesenheit zum Tode verurteilt (Deutsches Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Information vom Juli 2009).
Die IBU wurde durch militärische Operationen der Anti-Terror-Koalition in Afghanistan und im Frühjahr 2007 durch pakistanische Sicherheitskräfte im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet stark geschwächt (Deutsches Auswärtiges Amt, Länderinformationen, Zugriff am 17.1.2011). Die IBU ist auf der Liste der Terrororganisationen der USA 2009 erfasst worden (Deutsches Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Information vom Juli 2009).
1.2 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:
Der Beschwerdeführer ist usbekischer Staatsangehöriger der usbekischen Volksgruppe und trägt den im Spruch genannten Namen. Seine Ehefrau sowie seine drei Kinder leben in Usbekistan.
Am XXXX fanden in der XXXX Sprengstoffanschläge, die extremistischen Islamisten zugeschrieben wurden, statt. Am Tag nach den Anschlägen, denen zumindest 16 Menschen zum Opfer fielen, wurde der Beschwerdeführer von usbekischen Polizisten wegen des Verdachts der Beteiligung an den Sprengstoffanschlägen festgenommen. Während seiner dreitägigen Anhaltung wurde der Beschwerdeführer mehrfach misshandelt, wobei von den Verletzungen am Körper des Beschwerdeführers Narben zurückblieben. Nach Zahlung eines Geldbetrages durch seine Ehefrau kam der Beschwerdeführer frei, musste sich jedoch regelmäßig bei der usbekischen Polizei melden. Wiederholt war der Beschwerdeführer gezwungen, usbekischen Polizisten Geldbeträge zu überlassen, um einer länger dauernden Festnahme zu entgehen. Nachdem es im XXXX neuerlich zu einem Sprengstoffanschlag in XXXX gekommen war, wurde der Beschwerdeführer erneut von usbekischen Sicherheitskräften festgenommen und während der eintägigen Anhaltung misshandelt und vergewaltigt. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer immer wieder von usbekischen Polizisten zu Hause aufgesucht; gegen Zahlung von Geldbeträgen wurde von einer Festnahme des Beschwerdeführers jedoch Abstand genommen. Als der Beschwerdeführer im Gefolge der Ereignisse in XXXX neuerlich von usbekischen Polizisten gesucht wurde, verließ er XXXX seine Heimat.
Es kann jedoch nicht festgestellt werden, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer nach den Anschlägen im XXXX der Beteiligung an den terroristischen Aktionen verdächtigt wurde und in das Blickfeld der usbekischen Behörden geraten ist.
2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:
2.1 Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen die Verfahrensparteien inhaltlich nicht entgegen getreten sind, besteht für den erkennenden Senat kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Usbekistan zugrunde gelegt werden konnten.
2.2 Bei den Feststellungen zur Identität und Nationalität des Beschwerdeführers folgte der erkennende Senat den Feststellungen der belangten Behörde, an deren Richtigkeit auch in der Verhandlung keine Zweifel entstanden sind.
2.3 Hinsichtlich der vorgebrachten staatlichen Verfolgung des Beschwerdeführers konnte der erkennende Senat das Fluchtvorbringen aus folgenden Gründen den Feststellungen zugrunde legen:
2.3.1 Der Beschwerdeführer hat die Festnahmen und insbesondere die regelmäßigen Probleme mit den Behörden, die ihm eine ständige Meldeverpflichtung auferlegten, detailreich, lebensnah, konkret und in den wesentlichen Punkten widerspruchsfrei geschildert. Die erst im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Vergewaltigung vermag angesichts der im Zulassungsverfahren festgestellten psychischen Verfassung des Beschwerdeführers nicht als unzulässige Steigerung des Vorbringens qualifiziert werden. Zugunsten der Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe spricht darüber hinaus nicht nur der Umstand, dass die Angaben des Beschwerdeführers über die (seiner Festnahme vorangegangenen) Terroranschläge in den Jahren XXXX in diversen Presseberichten Übereinstimmung finden (vgl. z.B. Beil ./7 sowie Süddeutsche Zeitung [online-Ausgabe] vom XXXX, Zugriff am XXXX); es ist auch zu bedenken, dass die Schilderung der wiederholten Festnahme ungeachtet des Fehlens konkreter belastender Beweise - stets nach Terroranschlägen - mit der in den Länderfeststellungen enthaltenen Darstellung des Vorgehens usbekischer Sicherheitsbehörden in der Verfolgung extremistischer Oppositioneller durchaus nach Ansicht des erkennenden Senates ebenso in Einklang gebracht werden kann, wie die wiederkehrende Entgegennahme von Bestechungsgeldern durch usbekische Polizisten (vgl. oben 1.1.4 [insb die Beurteilung der Korruption in Usbekistan im CPI Index 2010, wo Usbekistan auf der viertletzten Stelle weltweit rangiert]).
Hinzu kommt, dass beim Beschwerdeführer nach seiner Einreise im Rahmen der ärztlichen Untersuchung im Zulassungsverfahren eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde (AS 47), was nach Auffassung des erkennenden Senates im gegenständlichen Fall auf das Vorliegen von Geschehnissen hindeutet, wie sie der Beschwerdeführer im Rahmen seines Fluchtvorbringens beschrieben hat (soweit die fachärztliche Diagnose im Zulassungsverfahren durch den Sachverständigen XXXX in dessen Gutachten nicht mehr bestätigt wurde [AS 153], ist zu berücksichtigen, dass der Sachverständige dessen ungeachtet durchaus auch psychische Probleme beim Beschwerdeführer erheben konnte, die - wie die mit Schriftsätzen vom 31.10.2006 und 24.2.2010 vorgelegten Befunde zeigen - beim Beschwerdeführer jedenfalls bis zuletzt bestanden haben). Die Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Fluchtgründe (insbesondere im Hinblick auf die geschilderte Misshandlung) wird darüber hinaus auch durch die (von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht in Abrede gestellte) Existenz von Narben am Körper des Beschwerdeführers erhärtet. Das Vorbringen des Beschwerdeführers findet überdies in den von ihm vorgelegten Kopien von zwei Ladungen der usbekischen Miliz (AS 115, 117) eine Stütze.
2.3.2 Dagegen vermochten die Ausführungen des Bundesasylamtes im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Annahme der gänzlichen Unglaubwürdigkeit der Fluchtgründe nicht zu tragen: Die Argumentation der belangten Behörde, wonach die vorgebrachte Verfolgung des Beschwerdeführers durch die usbekische Miliz logisch nicht nachvollziehbar sei, weil der Beschwerdeführer andernfalls schon viel früher (und nicht erst nach jahrelanger wiederholter Vorladung und Schikane) ausgereist wäre, erscheint völlig spekulativ und deshalb nicht überzeugend. Soweit die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung von einer legalen Ausreise mit Passkontrolle ausgegangen ist, erweist sich diese Annahme in Anbetracht der Aussage des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme am 24.5.2006 als aktenwidrig und daher nicht haltbar (AS 137).
Was die von der belangten Behörde hervorgehobenen Widersprüche im Vorbringen des Beschwerdeführer in Bezug auf die Gründe für seine Verdächtigung anbelangt, so übersieht der erkennende Senat keineswegs, dass das Fluchtvorbringen gerade in diesem Punkt nicht völlig frei von Widersprüchen ist (vgl. dazu auch den Schriftsatz vom 24.2.2011); dennoch war im Rahmen der Glaubwürdigkeitsbeurteilung auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer - geht man von der Richtigkeit seines Vorbringens hinsichtlich seiner Inhaftierung aus - schwer traumatisierende Ereignisse durchlebt hat (worauf auch die oben erwähnten psychiatrischen Befunde und Diagnosen hindeuten) und dieser Umstand auch zu Unschärfen in der Schilderung einzelner Details führen kann, die nicht überbewertet werden dürfen (vgl. auch die verwaltungsgerichtliche Judikatur, derzufolge psychische Erkrankungen im Hinblick auf konstatierte Unstimmigkeiten im Aussageverhalten zu berücksichtigen sind [z.B. VwGH 15.3.1020, 2006/01/0355]) und die im vorliegenden Fall nach Ansicht des erkennenden Senates jedenfalls nicht geeignet sind, das Fluchtvorbringen insgesamt als unglaubwürdig erscheinen zu lassen (vgl. dazu auch unten 2.3.3).
Auch aufgrund des persönlichen Eindrucks, den sich der erkennende Senat von der Person des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen Beschwerdeverhandlung machen konnte, zweifelt der Asylgerichtshof nicht an der wiederholten Verhaftung des Beschwerdeführers, seiner wiederkehrenden Befragung wegen einer Mitwirkung an Aktionen extremistisch-oppositioneller Kreise sowie seiner Misshandlung, weshalb das Fluchtvorbringen in diesem Umfang den Feststellungen zu Grunde gelegt werden konnte.
2.3.3 Was die Hintergründe dafür, dass der Beschwerdeführer im Jahr XXXX in den Verdacht einer Beteiligung an den Sprengstoffanschlägen geraten ist, anbelangt, so gründet die diesbezügliche (Negativ-)Feststellung auf folgenden Erwägungen: Trotz intensiver Erörterung dieser Frage in der Beschwerdeverhandlung konnte nach Ansicht des erkennenden Senates angesichts der Vermutungen und Mutmaßungen des Beschwerdeführers nicht verlässlich geklärt werden, aus welchen Gründen eine Verbindung des Beschwerdeführers zu extremistischen Kreisen angenommen wurde. Aus der Sicht des erkennenden Senates blieb zuletzt im Dunkeln, weshalb der Umstand, dass am Tatort der Sprengstoffanschläge im XXXX ein Verwandter des Beschwerdeführers aufgefunden wurde, eine Verbindung des Beschwerdeführers zu den Drahtziehern der Terrorakte hergestellt haben soll. Wie bereits oben erwähnt, verwickelte sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang insofern in widersprüchliche Angaben, als er vor dem Bundesasylamt zunächst eine bloße Namensgleichheit mit einem Terroristen als Grund nannte (vgl. AS 23), während er in weiterer Folge schließlich vom Auffinden eines Verwandten unter den Toten sprach (AS 133; im Schriftsatz vom 17.10.2011 brachte er eine - bislang unerwähnte - Kuriertätigkeit für einen Oppositionspolitiker vor). Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung "ein Papier erwähnte", das einen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers zum Inhalt gehabt haben soll, so blieb dies gänzlich vage. Es fällt auch auf, dass der Beschwerdeführer stets behauptete, nicht zu wissen, inwieweit sein Cousin in die Planung bzw. Durchführung der Sprengstoffanschläge verwickelt gewesen war (vgl. AS 133 und S. 5 der Verhandlungsniederschrift). Auf dieser Grundlage sah sich der erkennende Senat außerstande, auch dieses Vorbringen des Beschwerdeführers den Feststellungen zugrunde zu legen.
3. Rechtlich folgt daraus:
3.1 Gemäß § 23 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I 4/2008 idF BGBl. I 147/2008; im Folgenden: AsylGHG) sind - soweit sich aus dem Asylgesetz 2005, BGBl. I 100 (im Folgenden: AsylG 2005), nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 75 Abs. 1 erster Satz AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen; gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 ist bei Asylanträgen, die - wie im vorliegenden Fall - ab dem 1.5.2004 gestellt wurden, das AsylG 1997 (idF BGBl. I 101/2003) anzuwenden.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Behörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
3.2 Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention; im Folgenden: GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).
3.3 Es ist dem Beschwerdeführer gelungen, (drohende) Verfolgung glaubhaft zu machen: Wenn auch gemäß den Feststellungen im Unklaren geblieben ist, aus welchem Grund der Beschwerdeführer festgenommen und der Beteiligung an den Sprengstoffanschlägen verdächtigt worden ist, so ist dennoch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer festgestellter Maßen - ungeachtet seiner Freilassung - in das Blickfeld der Behörden geraten ist. Die festgestellten wiederholten Ladungen und kurzfristigen Festnahmen anlässlich diverser Sprengstoffanschläge veranschaulichen, dass der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise bei den Behörden nicht in Vergessenheit geraten ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer - insbesondere angesichts der rigiden usbekischen Reisevorschriften - erneut in den Fokus der usbekischen Sicherheitskräfte geraten wird und dass die jahrelange Abwesenheit des Beschwerdeführers - nachdem er sich bereits im Blickfeld der Behörden befunden hat, wie seine wiederholten Festnahmen illustrieren - erneut die Aufmerksamkeit der usbekischen Behörden auf sich ziehen wird. Wie den Länderfeststellungen (und auch den individuellen Feststellungen im Fall des Beschwerdeführers) zu entnehmen ist, gestaltet sich die Vorgangsweise usbekischer Sicherheitskräfte bei Personen, die in den Verdacht der Beteiligung an Terroranschlägen oder auch nur des Kontaktes mit extremistischen Kreisen geraten sind, hart und häufig mit Menschenrechtsverletzungen verbunden. Der erkennende Senat kann im vorliegenden Fall nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit annehmen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Usbekistan nicht neuerlich in der von ihm geschilderten und als glaubwürdig festgestellten Weise behandelt werden würde. Die (befürchtete) Verfolgung knüpft an die unterstellte politische Gesinnung des Verfolgten vor dem Hintergrund rigoroser staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung sowohl extremistischer als auch oppositioneller Organisationen an.
Bedenkt man, dass es sich gegenständlich um eine staatliche Verfolgung handelt und die Niederlassung innerhalb der Landesgrenzen einer behördlichen Genehmigung bedarf (vgl. oben 1.1.9), kommt die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative im vorliegenden Fall nach Ansicht des Asylgerichtshofes nicht in Betracht (bei diesem Ergebnis war insbesondere auf die im Schriftsatz vom 24.2.2011 geäußerten Rückkehrbefürchtungen hinsichtlich einer strafbehördlichen Verfolgung wegen Asylantragstellung im Ausland nicht mehr einzugehen [vgl. dazu im Übrigen AsylGH 21.7.2010, D5 311153-1/2008]).
Im gegenständlichen Fall ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht in der Lage oder in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaates zu bedienen. Da im Verfahren überdies weder Ausschluss- noch Endigungsgründe iSd Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK hervorgekommen sind, war spruchgemäß zu entscheiden.