TE AsylGH Erkenntnis 2011/10/24 E3 308501-1/2008

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Veröffentlicht am 24.10.2011
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Spruch

E3 308.501-1/2008-11E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Vorsitzende und die Richterin Mag. GABRIEL als Beisitzerin über die Beschwerde des XXXX, StA. Staatenlos (Palästinensische Autonomiegebiete), gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.11.2006, Zl. 06 00.020-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.10.2011 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatenloser aus den Palästinensischen Autonomiegebieten, reiste am 30.12.2005 legal über den Flughafen Wien in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 02.01.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt mehrfach niederschriftlich einvernommen.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte er im wesentlichen vor, dass er von der Hamas zur Verübung von Selbstmordanschlägen gezwungen worden sei. Auch sei ihm aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in Israel die Kollaboration mit Israel vorgeworfen worden. Er sei einer Gefährdung seitens der Hamas ausgesetzt gewesen und habe sich daher zum Verlassen des Heimatlandes entschlossen.

 

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Absatz 1 AsylG abgewiesen und dem Antragsteller der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Absatz 1 AsylG wurde dem Antragsteller der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Absatz 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.11.2007 erteilt. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen hinsichtlich der Bedrohungen seitens der Hamas aus näheren Gründen als unglaubwürdig zu beurteilen sei. Die Gewährung von subsidiärem Schutz erfolgte aus Gründen der aktuellen Lage in Gaza, insbesondere der schlechten Sicherheitslage und des Umstandes der unzureichenden staatlichen Schutzgewährung.

 

3. Gegen Spruchpunkt I wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

4. Mit Schriftsatz vom 12. Jänner 2007 wurde eine Beschwerdeergänzung eingebracht. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerdeergänzung wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

5. Mit Einrichtung des Asylgerichtshofes wurde der gegenständliche Verfahrensakt der Gerichtsabteilung E3 zugeteilt.

 

6. Am 17.10.2011 wurde vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm. Das Bundesasylamt ist der Verhandlung entschuldigt ferngeblieben.

 

7. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, Erörterung der Länderberichte zur Situation in den palästinensischen Autonomiegebieten sowie ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers als Parteien.

 

8. Hinsichtlich des Verfahrensherganges und Parteienvorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 Absatz 7 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 38/2011 weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 AsylG 2005 idgF entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 23 Absatz 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idF BGBL. I Nr. 147/2008, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Anzuwenden war gemäß § 73 Abs. 7 und § 75 Abs. 1 und 8 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 38/2011 das AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 101/2005, das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung, und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2. Festgestellt wird nachstehender Sachverhalt:

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

 

Der Beschwerdeführer ist staatenlos, stammt aus den Palästinensischen Autonomiegebieten und ist ein Angehöriger des islamischen Glaubens. Er hat den Gazastreifen Ende Dezember 2005 verlassen.

 

Der Beschwerdeführer wurde aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in der Stadt XXXX seit Sommer 2003 bis zum Verlassen des Gazastreifens im Dezember 2005 mehr oder minder intensiv seitens der Hamas zur Zusammenarbeit mit dieser aufgefordert. Da sich der Beschwerdeführer stets weigerte mit der Hamas zusammenzuarbeiten, er aber weiterhin zu beruflichen Zwecken nach XXXX reiste, wurde er ferner seitens der Hamas der Kollaboration mit Israel verdächtigt.

 

Der Beschwerdeführer ist nicht in terroristische gewaltsame Aktivitäten verwickelt gewesen.

 

Im Falle einer Rückkehr kann zum Entscheidungszeitpunkt, nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer nicht Opfer von belastenden Übergriffen seitens der politischen Gruppierung Hamas wird.

 

2.2. Zu Situation in den palästinensischen Autonomiegebieten wird festgestellt:

 

AA - Auswärtiges Amt: Israel: Reise- und Sicherheitshinweise, Reisewarnung für den

 

Gazastreifen, Stand 20.07.2011

 

USDOS - U.S. Department of State: 2010 Human Rights Report: Israel and the occupied territories, 08.04.2011

 

Europäische Kommission: ENP Progress Report: The occupied Palestinian territory 2010,

 

25.05.2011

 

FH - Freedom House: Freedom in the World - Israeli (2011), Mai 2011

 

BMF, Focus Israel/Palästina, Aktuelle Lage - Erkenntnisse der Dienstreise vom 14. bis 23. März 2010

 

Ärzte ohne Grenzen: Anhaltende Not in Gaza, 24.12.2009, http://www.aerzte-ohnegrenzen.

at/hilfseinsaetze/artikel/details/anhaltende-not-in-gaza/, Zugriff 01.06.2010

 

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten, Reisehinweise für Besetztes Palästinensisches Gebiet (Gazastreifen und Westjordanland inkl. Ostjerusalem) http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/hidden/hidde2/palaes.encoded-Show%3D1%26print%3D1.html, abgefragt am 07.09.2011

 

Deutsch-Palästinensisches Ärzteforum - abgefragt am 07.09.2011 http://www.palmedeurope.de/index.php?option=com_content&view=article&id=64&Itemid=79

 

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - abgefragt am 07.09.2011

http://www.bmz.de/de/was_wir_machen/laender_regionen/naher_osten_nordafrika/palaestinensische_gebiete/zusammenarbeit.html#t2

 

Allgemeine und politische Lage

 

Die beiden mit Abstand wichtigsten und größten politischen Gruppierungen, Hamas und Fatah, erhielten bei den letzten Wahlen 2006 ca. 86 % der Stimmen (Hamas 44,5 % und Fatah 41,5 %).5 Die Rivalität der beiden Gruppen hat zu einer tiefen innerpalästinensischen Spaltung geführt: Während das Westjordanland mehrheitlich von der Fatah beherrscht wird, setzt die Hamas ihren Machtanspruch im Gazastreifen rigoros durch.

 

Innerhalb der palästinensischen Gesellschaft sind Kontakte zwischen Gazastreifen und Westjordanland fast nur noch via technische Kommunikationsmittel möglich.

 

Die palästinensische Gesellschaft hat einen großen Anteil an jungen Personen. Gerade für sie bestehen wenig Perspektiven. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Jobaussichten begrenzt. Die Hauptstadt Ramallah bietet vielfach die größten Entfaltungsmöglichkeiten. Die palästinensische Gesellschaft ist traditionell konservativ, aber nicht islamistisch. Die Christen bilden einen integralen Bestandteil der palästinensischen Gesellschaft, wenn auch aus einer Minderheitenposition heraus.

 

Internationale und europäische Unterstützung:

 

Die internationale Gemeinschaft unterstützt die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates. Nachdem im November 2007 auf einer Nahostkonferenz in Annapolis der Friedensprozess wiederbelebt worden war, wurden bei einer internationalen Geberkonferenz in Paris etwa fünf Milliarden Euro für den Staatsaufbau bis 2010 zugesagt. Ziel war es, Geberländer zu mobilisieren und der Palästinensischen Autonomiebehörde finanzielle und politische Unterstützung zu gewähren.

 

Die palästinensischen Autonomiegebiete werden finanziell seitens der Europäischen Union unterstützt. Die Hilfe zur Grundversorgung der palästinensischen Bevölkerung wird seitens der Europäischen Union fortgesetzt und noch ausgeweitet.

 

Asylrelevante Gefährdung

 

Eine asylrelevante Gefährdungssituation kann sich vor allem für folgende Gruppen ergeben: Sich exponierende Mitglieder der politischen Opposition, liberale und antireligiöse Gruppen (nur Gazastreifen), gewaltbereite radikal-islamistische Gruppen, Frauen (Ehrenmordproblematik), sexuelle Minderheiten und Kollaborateure mit Israel. Islamisten und Fundamentalisten sind in der Regel nicht gefährdet, solange sie keine Gewalt anwenden. Es kann auch zu außerlegalen Tötungen von Kollaborateuren kommen. Sie sind in Palästina sogar eher gefährdet als Mitglieder oder Sympathisanten von politisch oppositionellen Gruppen. Auch Personen, die ihr Land an Israeli verkaufen, können bereits als Kollaborateure angesehen werden. Eine Gefährdung besteht als Regelvermutung für die jeweilige Einzelperson und nicht für ihr (familiäres) Umfeld.

 

Aktuelle Sicherheitslage

 

Grundsätzlich besteht im Gazastreifen eine Gefährdung durch Kampfhandlungen und Entführungen. Neben der Hamas, die im Gaza-Streifen die Sicherheitskräfte kontrollierte, waren andere bewaffnete Faktionen und terroristische Organisationen im Gaza-Streifen aktiv.

 

Seit März 2010 sind die Spannungen im Grenzgebiet nach gut einem Jahr relativer Ruhe wieder aufgeflammt. Militante Palästinenser schossen wieder verstärkt Raketen auf das israelische Grenzgebiet ab.

 

In Zusammenhang mit internen palästinensischen Konflikten gab es - im Vergleich zu den vorigen Jahren - weniger Meldungen über politisch motivierte Entführungen und Verschwinden von Personen, was weitgehend auf die bessere Sicherheitslage im Westjordanland zurückzuführen ist.

 

Justiz

 

Das Funktionieren des Justizsystems in Gaza ist insbesondere aufgrund der Etablierung eines parallelen Strafverfolgungssystems durch die Hamas, einer separaten gerichtlichen Ausbildungseinrichtung und schließlich der Zerstörung des Gebäudes des Justizministeriums im Dezember 2008 zurückgegangen.

 

Im Gaza-Streifen dürfen Zivilklagen eingereicht werden, jedoch war die Justiz Berichten zufolge nicht objektiv und nicht unabhängig.

 

Nach palästinensischem Recht können Hinrichtungen nur mit Zustimmung von Präsident Mahmud Abbas vollstreckt werden. Die Hamas erkennt Abbas jedoch nicht an. Im Westjordanland hat der Palästinenser-Präsident keine Hinrichtungen genehmigt.

 

Sicherheitsbehörden

 

Es gab Berichte, dass die Sicherheitskräfte der Hamas weiterhin ungestraft Mitglieder der Fatah und andere palästinensische Opponenten töteten, folterten, entführten, willkürlich verhafteten und schikanierten. Ein Bericht von "Human Rights Watch" (vom 29.07.2009) dokumentierte Misshandlungen von Funktionären der Fatah durch die Sicherheitskräfte der Hamas im Gaza-Streifen.

 

Menschenrechtssituation

 

Was Gaza betrifft, so hat sich die Menschenrechtslage besonders was Folter und Meinungsfreiheit betrifft verschlechtert.

 

Das Grundgesetz der Palästinensischen Autonomiebehörde verbietet Folter oder die Anwendung von Gewalt gegenüber Häftlingen. Internationale Menschenrechtsgruppen berichteten jedoch, dass Folterungen ein Problem darstellten. Laut den NGOs folterten und misshandelten die Sicherheitskräfte Palästinenser von den besetzten Gebieten.

 

Meldungen zufolge hat die Hamas in Gaza während des Jahres 2009 eine große, aber nicht verifizierbare Anzahl von Personen - großteils ohne Rechtsbeistand und Rechtsstaatlichkeit - inhaftiert. Viele dieser Verhaftungen basierten augenscheinlich auf politischer Grundlage und waren abgezielt auf ehemalige Funktionäre der Palästinensischen Autonomiebehörde oder Mitglieder der Fatah-Partei.

 

Im Gazastreifen kann es weiterhin auch zu willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen und Verhören durch die ordentlichen Sicherheitsorgane kommen. Dies betrifft besonders Personen, die unter Verdacht stehen, gegen die Hamas oder ihre Mitglieder gerichtete politische Aktivitäten auszuführen. Politische Gegner riskieren Schikanen, Vorladungen und Festnahmen, teilweise auch Misshandlungen bis hin zu Folter. Die zielgerichtete Anwendung von Gewalt gegen Fatah-Mitglieder und -Sympathisanten ist im Gazastreifen stark zurückgegangen.

 

Die Hamas hat die Rede-, Religions- und Bewegungsfreiheit für die Bewohner des Gaza- Streifens strikt eingeschränkt. Ebenso förderte die Hamas die Geschlechterdiskriminierung gegenüber Frauen.

 

Der Bevölkerung des Gaza-Streifens wurden weiterhin das Recht der politischen Partizipation sowie das Recht, ihre Regierung zu wählen, verweigert.

 

Grenzübertritt Gazastreifen:

 

Seit dem 29. Mai 2011 ist der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen, der zuvor nur unregelmäßig benutzt werden konnte, wieder von ägyptischer Seite für den Personenverkehr geöffnet. Diese Öffnung gilt nach Angaben der ägyptischen Behörden - nur - für Palästinenser mit gültigen Ausweispapieren der Palästinensischen Behörde. Einige Personengruppen brauchen dafür ein ägyptisches Visum, andere nach ägyptischen Angaben nicht, z.B. Inhaber eines gültigen Drittstaatenvisums etwa für die Schengenstaaten. Für andere Staatsangehörige, auch für Deutsche, bleiben nach ägyptischen Angaben die bisher bestehenden restriktiven Regelungen für den Grenzübertritt in Rafah unverändert bestehen, nach denen nur bei Vorliegen einer vorher eingeholten ägyptischen Sondergenehmigung der Grenzübertritt erlaubt wird.

 

Grundversorgung

 

Die humanitäre Situation ist im Westjordanland wesentlich besser als im Gazastreifen, welcher von einer weitgehenden Blockadepolitik Israels betroffen ist. Die Grundversorgung ist in beiden Gebieten nach wie vor sichergestellt, nicht zuletzt durch das große Engagement der internationalen Gemeinschaft. Im Gazastreifen leiden mehr als 60 % der Haushalte an einem Mangel an Lebensmitteln.

 

Nach der Rückkehr hat eine Person grundsätzlich sowohl im Gazastreifen wie im Westjordanland keine spezifischen Schwierigkeiten zu gewärtigen.

 

Personen, die vor ihrer Ausreise von internationalen Hilfsorganisationen (insbesondere von der für palästinensische Flüchtlinge zuständige UNRWA) unterstützt worden sind, können nach ihrer Rückkehr grundsätzlich wieder deren Leistungen und Hilfe beanspruchen.

 

Problematisch für die Bewohner des Gazastreifens bleiben aber die de facto fehlenden Ausreise- und Ausweichmöglichkeiten.

 

Der Lebensstandard in den besetzten Gebieten ist im Vergleich zu anderen Ländern besonders niedrig mit einer Armutsrate von 55% und geschätzte 80% der Bevölkerung leben im Gazastreifen unter der Armutsgrenze.

 

Die Lebensgrundlage der Menschen in Gaza wurde in den vergangenen Jahren systematisch zerstört, besonders im Januar 2009. Viele kleine Unternehmen und private Häuser wurden dem Erdboden gleich gemacht oder schwer beschädigt. 75 Prozent der Bevölkerung, das sind etwa 1,1 Millionen Menschen, sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

 

Wichtige Strom- und Wasserinfrastruktur wurde während der Operation "Gegossenes Blei" teilweise zerstört. Es gibt in Gaza nur noch ein Kraftwerk. 90 Prozent des Wassers für die Bevölkerung in Gaza entspricht nicht den WHO Standards für Trinkwasser. Entsprechend nehmen Krankheiten, die durch verunreinigtes Wasser entstehen, zu.

 

Die Versorgungslage hat sich durch die Militäraktion "Gegossenes Blei" weiter verschärft.

 

Im Gazastreifen leiden mehr als 60 % der Haushalte an einem Mangel an Lebensmitteln.

 

Der Lebensstandard in den besetzten Gebieten ist im Vergleich zu anderen Ländern besonders niedrig mit einer Armutsrate von 55% und geschätzte 80% der Bevölkerung leben im Gazastreifen unter der Armutsgrenze.

 

Israel bezeichnete den Gaza-Streifen als "feindliches Gebiet" und schloss seine Grenzen zum Gaza-Streifen. Es ließ den Rest des Jahres nur Lebensmittellieferungen hinein. Weiters stellte Israel fast alle Treibstofflieferungen ein und ließ den meisten Bewohnern nur sporadische Elektrizität.

 

Seit der im Juni 2007 begonnenen Blockade ist die Wirtschaft im Gaza-Streifen zusammengebrochen. Mehr als 60 % der Haushalte leiden an einem Mangel an Lebensmitteln.

 

Es gibt im Gaza-Streifen eine unterschiedliche Auswahl an Lebensmitteln. Allerdings haben die Menschen nicht die (Geld-) Mittel, um die Lebensmitteln zu kaufen. Gründe hiefür sind die steigende Armut sowie Arbeitslosigkeit, die derzeit bei fast 39 % liegt.

 

Medizinische Versorgung

 

Die gesundheitliche Grundversorgung ist sowohl im Westjordanland wie auch im Gazastreifen gewährleistet, teilweise sogar kostenlos. Allgemein ist die medizinische Versorgung im Westjordanland besser als im Gazastreifen. Im Laufe des Jahres hinderten die israelischen Behörden medizinische Delegationen von PHR-Israel daran, den Gazastreifen zu betreten und Behandlung und medizinische Beratung anzubieten, Operationen durchzuführen, palästinensischen medizinisches Personal auszubilden, Medikamente zu verteilen und Patienten für Nachsorgebehandlungen in israelische Krankenhäuser zu überweisen. Der Hauptgrund für den schlimmer werdenden Mangel an notwendigen Medikamenten und medizinischen Gütern im Gazastreifen ist nach Angaben der World Health Organization (WHO), internationaler Hilfsorganisationen und Beamten des Gesundheitsministeriums von Gaza, dass das Gesundheitsministerium der Palästinenserbehörde in der Westbank nicht genügend Medikamente und medizinische Güter nach Gaza geliefert hat.

 

Das Gesundheitswesen in Palästina wird von vier Organisationen getragen:

 

Der Regierung, der UNRWA (United Nations Relief and Works Agency), den NGO's (Nichtregierungsorganisationen) und der Privat-Medizin

 

Die Palästinenser erhalten durch 609 Gesundheitszentren (83% im Westjordanland und 17% in Gaza) medizinischen Grundversorgung. Unter der Aufsicht des Gesundheits-ministeriums sind 61,2% der Einrichtungen, 8,4% unter der Aufsicht des UNRUWA. Die NGO's beaufsichtigen 30,4%. Die Zahl der Konsultationen wird durch die Anzahl der Kliniken und die Anzahl der Anwohner bestimmt.

 

Die Bürger im Westjordanland und in Gaza werden durch 72 Krankenhäuser (49.300 Bürger je Krankenhaus) betreut. Es sind 22 staatliche, ein UNRWA-, 29 NGO's und 20 private Kliniken.

 

Im Westjordanland gibt es 54 Krankenhäuser mit 2.957 Betten (1,3 je 1000 Bürger).

 

In Gaza stellen 18 Krankenhäuser 2.043 Betten zur Verfügung. Das sind 1,6 Betten auf 1000 Einwohner. Insgesamt gibt es ca. 2.810 Ärzte, dies entspricht 0,72 Ärzte pro 1000 Einwohner.

 

Das Ministerium betreibt 329 Gesundheitszentren für die Grundversorgung im Westjordanland, darunter 189 für Mutter und Kind, 44 Zentren als allgemeine Kliniken, 77 Zentren für Familienplanung sowie 15 Zentren für Zahnheilkunde, 64 Zentren als Fachkliniken und 44 Labore.

 

Im Gaza-Streifen betreibt das Gesundheitsministerium 44 Zentren, 32 mit Betreuung von Mutter und Kind, 16 mit Familienplanung, 22 mit Zahnheilkunde, 21 mit Laboren und 10 mit Röntgeneinheiten.

 

Der Zugang zu Gesundheitsleistungen und Medikamenten bleibt insbesondere für die Bevölkerung im Gaza-Streifen aufgrund der Bewegungsrestriktionen und der beschränkten Energieimporte schwierig.

 

Bei gewissen komplexen Krankheitsbildern, die einer in Palästina nicht vorhandenen Spezialbehandlung bedürfen, muss auf eine Behandlungsmöglichkeit in Ost-Jerusalem bzw. Israel, Ägypten oder Jordanien zurückgegriffen werden. Etwa ein Drittel des für die Gesundheit zur Verfügung stehenden Budgets der Palästinensischen Autonomiebehörde wird für Behandlungen im Ausland ausgegeben. Dabei wirken sich jedoch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch Israel und langwierige Bewilligungsprozeduren auf israelischer und palästinensischer Seite negativ aus. All dies führt in der Praxis zu Situationen, in denen die notwendige medizinische Behandlung für den Patienten nicht oder zumindest nicht rechtzeitig zugänglich ist

 

Der Zugang zu angemessener medizinischer Hilfe hat sich im vergangenen Jahr weiter verschlechtert. Im Laufe des Jahres hinderten die israelischen Behörden medizinische Delegationen von PHR-Israel daran, den Gazastreifen zu betreten und Behandlung und medizinische Beratung anzubieten, Operationen durchzuführen, palästinensischen medizinisches Personal auszubilden, Medikamente zu verteilen und Patienten für Nachsorgebehandlungen in israelische Krankenhäuser zu überweisen. Der Hauptgrund für den schlimmer werdenden Mangel an notwendigen Medikamenten und medizinischen Gütern im Gazastreifen ist nach Angaben der World Health Organization (WHO), internationaler Hilfsorganisationen und Beamten des Gesundheitsministeriums von Gaza, dass das Gesundheitsministerium der Palästinenserbehörde in der Westbank nicht genügend Medikamente und medizinische Güter nach Gaza geliefert hat.

 

Es wird geschätzt, dass 40 Prozent der Patienten mit chronischen Krankheiten während der Angriffe im Januar 2009 keinen Zugang zu medizinischer Hilfe hatten, da die Priorität auf lebensrettender Nothilfe lag. Dies führte zu langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen.

 

3. Beweiswürdigung

 

3.1.1. Der Beschwerdeführer erweckte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung einen persönlich glaubhaften Eindruck. Die zentralen asylrelevanten Gründe vermochte er in der Beschwerdeverhandlung detailreich, engagiert und anschaulich zu schildern. Der Beschwerdeführer antwortete auf die an ihn gestellten Fragen gewissenhaft und detailreich und überzeugend, sodass in einer Zusammenschau mit sämtlichen Erklärungen ein detailreiches, nachvollziehbares und geschlossenes Bild der asylrelevanten Vorfälle entstand (vgl S 3ff der Verhandlungsschrift). Implausibilitäten in den Angaben während der Verhandlung konnten nicht erkannt werden. Die Ausführungen erscheinen auch im Lichte der unter Punkt 2.2. getroffenen Feststellungen zur Lage in den palästinensischen Autonomiegebieten als plausibel.

 

3.1.2. Die vom Bundesasylamt angenommene Unglaubwürdigkeit erwies sich für sich genommen als nicht überzeugend, führt das österreichische Vertretungsbüro, dessen Ansicht die belangte Behörde zwar zitiert aber nicht vollständig gewürdigt hat, aus, dass gerade der Fall des Beschwerdeführers, der sich scheinbar legal in Israel aufhalte, im besonderen für eine Organisation wie die Hamas interessant sein könnte. Der erkennende Senat zweifelt nicht an der Auskunft des österreichischen Vertretungsbüros zur Rekrutierungspraxis der Hamas, jedoch übersieht die belangte Behörde - wie schon das österreichische Vertretungsbüro feststellte - dass der Beschwerdeführer wegen seiner beruflichen Tätigkeit in XXXX für die Hamas von besonderem Interesse sein könnte und tritt beim Beschwerdeführer erschwerend hinzu, dass er wegen der Verweigerung der Zusammenarbeit schließlich seitens der Hamas der Kollaboration mit Israel verdächtigt wurde, was letztlich eine besondere Gefährdungssituation für den Beschwerdeführer darstellt.

 

3.1.3. Der Beschwerdeführer hat letztlich somit einerseits einen persönlich glaubwürdigen Eindruck hinterlassen und ist sein Vorbringen andererseits durchaus mit dem vorhandenen objektiven Berichtsmaterial stimmig im Einklang zu bringen.

 

In einer Gesamtschau der äußerst detaillierten und umfassenden Angaben des Beschwerdeführers in den verschiedenen Einvernahmen, sieht der erkennende Senat daher keinen Anlass an der Richtigkeit der Aussage des Beschwerdeführers über die ihm in den palästinensischen Autonomiegebieten drohende Gefahr zu zweifeln.

 

Folglich hat der Beschwerdeführer glaubhaft darlegen können, dass er sowohl wegen seiner Weigerung zur Zusammenarbeit als auch wegen seiner beruflichen Tätigkeit in Israel, durch welche er der Kollaboration mit Israel verdächtigt wurde, seitens der Hamas einer Gefährdung ausgesetzt ist.

 

Im Falle einer Rückkehr kann zum Entscheidungszeitpunkt, somit nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer nicht Opfer von asylrelevanten Eingriffen seitens der Hamas wird.

 

3.2. (Situation im Herkunftsstaat)

 

Die Feststellungen zur Lage in den palästinensischen Autonomiegebieten beruhen auf den in der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2011 zitierten und diesem Erkenntnis zu Grund gelegtem Dokumentationsmaterial. Es ist allgemein zu den Feststellungen auszuführen, dass es sich bei den herangezogenen Quellen zum Teil um staatliche bzw. staatsnahe Institutionen handelt, die zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet sind. Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für den Asylgerichtshof kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Den Ausführungen zur Situation von Kollaborateuren mit Israel kommt hier ein besonderes Gewicht zu.

 

4. Rechtliche Würdigung

 

4.1. Gewährung von Asyl gemäß § 3 AsylG

 

4.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH E vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH E vom 26.2.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH E vom 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH E 18.4.1996, 95/20/0239; VwGH E vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH E vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH E vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

 

4.1.2. Im vorliegenden Fall ergibt sich bei Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers und obiger Sachverhaltsdarstellung, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in die palästinensischen Autonomiegebiete drohende Situation ist in ihrer Gesamtheit von asylrelevanter Intensität; dies unter Berücksichtigung aller zu Punkt 3 getroffenen Ausführungen.

 

Bei der vom Beschwerdeführer glaubwürdig vorgebrachten Verfolgungsgefahr durch radikale Gruppierungen - insbesondere solche der Hamas - handelt es sich jedenfalls um eine asylrelevante Verfolgung und kann staatlicher Schutz in diesem individuellen Fall nicht hinreichend gewährleistet werden.

 

Insgesamt betrachtet ist die Furcht des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Palästina misshandelt, bedroht oder gar ermordet zu werden, auf Grund der äußeren Umstände und der individuellen Situation des Beschwerdeführers objektiv betrachtet nachvollziehbar und somit wohlbegründet, sodass seine Flüchtlingseigenschaft gegeben ist. Dass es sich primär um keine staatliche Verfolgung handelt, ändert an diesem Ergebnis nichts, da präventiver Schutz mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in diesem konkreten Fall nicht hinreichend erlangt werden kann.

 

Zur sich stellenden Frage einer allenfalls offen stehenden internen Flucht- respektive Schutzalternative in einem anderen Teil seines Herkunftsgebietes ist auszuführen, dass sich die Gewalt radikaler Gruppierungen und insbesondere auch der Einfluss der stärksten Partei des Gazastreifens über das ganze Land erstreckt, weshalb die Annahme einer solchen jedenfalls ausscheidet.

 

Aus den genannten Gründen kann sohin nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer in Palästina keine asylrelevante Verfolgung aus politischen Gründen droht und war daher in einer Gesamtschau Asyl zu gewähren.

 

Somit befindet sich der Beschwerdeführer zusammengefasst aus wohlbegründeter Furcht, asylrelevant verfolgt zu werden, außerhalb Palästinas und ist im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt, in dieses Land zurückzukehren. Da auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, war Asyl zu gewähren.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlings-eigenschaft zukommt.

 

Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass sich auch keine Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit des § 6 AsylG 2005 ergeben haben.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Flüchtlingseigenschaft, gesamte Staatsgebiet, Kollaboration, politische Gesinnung, wohlbegründete Furcht
Zuletzt aktualisiert am
14.11.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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