TE AsylGH Erkenntnis 2011/10/25 D6 307503-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.10.2011
beobachten
merken
Spruch

D6 307503-1/2008/24E

 

Schriftliche Ausfertigung des am 28.6.2011 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Peter Chvosta als Vorsitzenden und den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Roswitha RETZL über die Beschwerde der XXXX, StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 6.11.2006, Zl. 05 17.635-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.8.2010, am 5.11.2010 und am 28.6.2011 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 iVm § 10 Abs. 5 Asylgesetz 2005 stattgegeben und Spruchpunkt III. wird mit der Maßgabe geändert, dass der Spruch zu lauten hat: "Die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien ist auf Dauer unzulässig."

Text

Entscheidungsgründe

 

der schriftlichen Ausfertigung:

 

I. Die Beschwerdeführerin, eine georgische Staatsangehörige, stellte am 20.10.2005 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet - ebenso wie ihre mitgereisten Kinder - den vorliegenden Antrag auf Gewährung von Asyl.

 

1. In ihren Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 25.10.2005 sowie am 13.6.2006 gab die Beschwerdeführerin insbesondere an, während der Amtszeit Aslan Abschidses als Präsident der Autonomen Republik Adscharien sei ihr Ehemann XXXX tätig gewesen und nach dem Machtwechsel entlassen worden. Am darauffolgenden Tag habe sie im XXXX vorgesprochen, wo ihr mitgeteilt worden sei, dass sich ihr Ehemann in Haft befinde. Wenige Tage nach der Festnahme ihres Ehemannes durch die Polizei am XXXX sei die Beschwerdeführerin von einem unbekannten Mann angerufen und zur Zahlung von Lösegeld in Höhe von 50.000,-- US-Dollar aufgefordert worden. Sie habe die Forderung jedoch nicht erfüllen können. Am XXXX sei ihre Wohnung von fünf maskierten Personen durchsucht worden; diese hätten den gesamten Schmuck und andere Wertgegenstände sowie Dokumente ohne nähere Begründung mitgenommen. Währenddessen seien die Beschwerdeführerin und ihre Kinder beschimpft worden. Danach sei sie für die Dauer eines Jahres mehrmals im Monat angerufen und mit dem Tod sowie der Entführung ihrer Tochter bedroht worden. Von diesen Anrufen habe sie auch dem XXXX berichtet. Ihr Ehemann sei seit der Festnahme am XXXX verschollen; sie kenne seinen Aufenthaltsort nicht und wisse auch nicht, ob er überhaupt noch am Leben sei. Ihr schwerkranker Sohn erhalte zudem seit Februar 2005 keine Behindertenpension mehr; ihr zweiter Sohn finde keine Arbeit, da man ihn aufgrund seines Familiennamens nicht einstellen wolle.

 

2. Mit Bescheid vom 6.11.2006 wies das Bundesasylamt den Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76, ab (Spruchpunkt I.), stellte die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Georgien gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76 idF BGBl. I 101/2003 (im Folgenden: AsylG 1997), fest (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien aus (Spruchpunkt III.).

 

In seiner Begründung traf das Bundesasylamt Länderfeststellungen zur Situation in Georgien und stellte die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin fest. Die Angaben der Beschwerdeführerin zur Bedrohungssituation erachtete das Bundesasylamt als unglaubwürdig. Hätten die von ihr ins Treffen geführten Vorfälle auch nur annähernd eine Furcht vor Verfolgung hervorgerufen, so wäre die Beschwerdeführerin bereits viel früher ausgereist. Es könne in keiner Weise nachvollzogen werden, dass sich jemand monatelang im Einflussbereich seiner angeblichen Verfolger aufhalte, wenn diese tatsächlich Furcht vor Übergriffen hervorgerufen hätten. Zudem sei es "völlig widersinnig", eine Person fast ein Jahr lang ständig "nur" zu bedrohen und "niemals Maßnahmen zu setzen, um die Drohung zu unterstreichen". Überdies sei nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin diese Drohungen über einen derart langen Zeitraum über sich ergehen habe lassen. Dass die Beschwerdeführerin noch fast ein Jahr in Georgien gelebt habe, lasse einzig den Schluss zu, dass es nicht zu den von ihr geschilderten Drohungen gekommen sei. Widersprüchlich seien zudem die Angaben der Beschwerdeführerin und ihrer Tochter hinsichtlich des Entführungsdatums des Ehemannes bzw. Vaters. Während die Tochter der Beschwerdeführerin bei ihrer Einvernahme angegeben habe, ihr Vater sei am XXXX entführt worden, habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass sich die Entführung ihres Ehemannes am XXXX zugetragen habe. Bereits aufgrund dieser Ungereimtheiten müsse davon ausgegangen werden, dass es nie zu einer Inhaftierung des Ehemannes der Beschwerdeführerin gekommen sei.

 

3. Dagegen richtet sich die vorliegende, (als Berufung) fristgerecht erhobene und zulässige Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Verfahrensmängeln. Die Beschwerdeführerin legte insbesondere den Ausweis ihres Ehemannes in Kopie sowie einen Befundbericht und einen Entlassungsbericht ihre minderjährige Tochter betreffend vor.

 

4. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 18.2.2008 führte die Beschwerdeführerin aus, in ihrem Herkunftsstaat würden Nachforschungen bezüglich des Aufenthaltsortes der Familie durchgeführt. Ihre ältere Tochter, die im Sommer 2007 aus der Russischen Föderation nach Georgien ausgewiesen worden sei, erhalte seit Herbst 2007 wiederholt Telefonanrufe, in denen nach der Familie gefragt und die ältere Tochter bedroht werde. Wie bereits angegeben, sei die Beschwerdeführerin Mitbegründerin und Vorsitzende der "XXXX" gewesen und sei auch in Fernsehnachrichten aufgetreten. Der Antritt der Partei bei den Wahlen sei jedoch behindert worden. Zudem übermittelte die Beschwerdeführerin die Registrierung des Vereins, den sie im Jahr XXXX mitbegründet habe, einen Antrag auf Teilnahme der Partei an der Wahl, die offizielle Anmeldung der Partei, ein handschriftliches Schreiben, mehrere Zeitungsartikel, in welchen über die Beschwerdeführerin und ihre Aktivitäten berichtet wurde, ärztliche Bestätigungen sowie die Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs.

 

5. In ihrer Beschwerdeergänzung vom 14.1.2009 wies die Beschwerdeführerin erneut auf ihre Tätigkeit als Vorsitzende ihrer Ortsgruppe der Partei "XXXX" seit dem Jahr 1995 bis zu ihrer Ausreise hin. Darüber hinaus sei sie bei den Wahlen im Jahr XXXX als Kandidatin im Wahlkreis des Bezirks XXXX vorgeschlagen worden, habe ihre Kandidatur jedoch aufgrund von Drohanrufen zurückgezogen. Im Jahr XXXX habe ihre Partei neuerlich an den Regionalwahlen teilnehmen wollen, was jedoch von der Wahlbehörde verhindert worden sei. Aufgrund dieser politischen Tätigkeit würde ihr bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat besondere Aufmerksamkeit der staatlichen Stellen zuteil, zumal auch ihr Ehemann als politisch oppositionell eingestuft werde.

 

Der von ihr gegründete karitative Verein "XXXX" habe die XXXX zum Ziel gehabt. Da auch Ärzte in diesem Verein tätig gewesen seien, sei eine umfassende (u.a. auch neurologische und kinderpsychiatrische) Beratung möglich gewesen. Im Rahmen eines (ebenfalls vom Verein angebotenen) mobilen Dienstes hätten (von ihr im Zuge ihres XXXX angeworbene) XXXX in der Arbeit mit XXXX Praxiserfahrung sammeln können. Im Jahr XXXX sei zudem eine von diesem Verein finanzierte Schule, deren Leitung die Beschwerdeführerin übernahm, eröffnet worden. Auch in diesem Bereich sei es zu andauernden Behinderungen durch die Behörden gekommen. So seien etwa beantragte Fördergelder nicht bewillligt sowie notwendige Genehmigungen willkürlich hinausgezögert oder nicht erteilt worden, weshalb die Schule schließlich im Jahr XXXX aus finanziellen Gründen geschlossen habe werden müssen. Ihr jüngerer Sohn leide zudem an einer schweren körperlichen Behinderung; bei ihrer Tochter sei eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden. Überdies legte die Beschwerdeführerin insbesondere einen Mitgliedsausweis von "XXXX" vor.

 

6. Mit Schreiben vom 11.5.2010 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass ihr jüngerer Sohn am XXXX an einem XXXX verstorben sei.

 

7. Mit Verfahrensanordnung vom 24.8.2010 ersuchte der Asylgerichtshof die Beschwerdeführerin, den nunmehrigen Familiennamen ihrer älteren Tochter und deren Geburtsdatum sowie die Geburtsdaten ihres Schwagers und einer weiteren Person bekannt zu geben. Mit Schriftsatz vom 30.8.2010 leistete die Beschwerdeführerin der Verfahrensanordnung Folge und wies zudem darauf hin, dass sie und ihre Kinder an Aktivitäten der Caritas teilnehmen würden.

 

8. Nach entsprechendem Ersuchen erstattete der österreichische Verbindungsbeamte in Tbilisi mit Geprächsnotiz vom 15.9.2010 das Ergebnis seiner Erhebungen, denen zufolge - mangels Archiv für diesen Zeitraum - nur ein Teil der an ihn übermittelten Zeitungsartikel über die Beschwerdeführerin auf ihre Authentizität überprüft werden konnte, im überprüfbaren Umfang aber die Identität mit den im Archiv der staatlichen Bibliothek auffindbaren Zeitungsexemplaren festgestellt werden konnte. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin am XXXX sowie als Vorsitzende der XXXX konnten durch entsprechende Recherchen verifiziert werden. Ferner ging aus der Gesprächsnotiz hervor, dass der österreichische Verbindungsbeamte im XXXX den Ehemann der Beschwerdeführerin sowie dessen (neue) Lebensgefährtin und das gemeinsame (damals) zwei Jahre alte Kind antraf. In seiner Befragung durch den österreichischen Verbindungsbeamten gab der Ehemann der Beschwerdeführerin an, erst sechs Monate zuvor nach Georgien zurückgekehrt zu sein. Er sei nach seiner Entlassung aus XXXX im Gefolge des Sturzes von Aslan Abaschidse 15 bis 20 Tage lang festgenommen worden, sei nach der Haft jedoch nicht mehr nach Hause gegangen, sondern nach Russland geflüchtet. Zurzeit werde er nicht verfolgt und wolle sich rehabilitieren lassen, weshalb er ein Gerichtsverfahren anhängig gemacht habe; es sei ihm jedoch nahe gelegt worden, "die Sache" ruhen zu lassen. Derzeit arbeite er als Rechtsanwalt. Seiner Ansicht nach werde seine Ehefrau im Falle ihrer Rückkehr wegen ihrer Familienangehörigkeit zu ihm und wegen der noch nicht entschiedenen Gerichtsverfahren wegen seiner Rehabilitierung Probleme bekommen, wobei er die Art der Probleme auch auf Nachfrage nicht näher präzisieren konnte. Was eine allfällige Verfolgung der georgischen "XXXX" anbelangt, ergaben die Recherchen, dass diese Partei im Jahr

XXXX letztmals an Parlamentswahlen teilnahm.

 

Mit Schriftsatz vom 22.11.2010 legte die Beschwerdeführerin zahlreiche Unterstützungsschreiben von Privatpersonen vor.

 

9. Aus dem im Verfahren der Tochter der Beschwerdeführerin eingeholten psychiatrisch-neurologischen Sachverständigengutachten vom 19.5.2011 geht hervor, dass die Tochter der Beschwerdeführerin an einer Anpassungsstörung im Sinne von Angst und Depression gemischt, überlagert von einer Konversionsstörung mit psychogenen Anfällen, leidet.

 

10. Am 19.8.2010, am 5.11.2010 sowie am 28.6.2011 führte der Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. An der Verhandlung, der jeweils auch eine Dolmetscherin für die georgische Sprache beigezogen wurde, nahmen die Beschwerdeführerin, ihre (nunmehr) volljährige Tochter, ihr volljähriger Sohn sowie eine Vertrauensperson teil.

 

In der Verhandlung am 28.6.2011 zog die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde gegen die Spruchteile I. und II. des angefochtenen Bescheides ausdrücklich zurück. Dagegen wurde die Beschwerde gegen Spruchteil III. aufrecht gehalten.

 

Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis gemäß § 41 Abs. 9 Z 1 Asylgesetz 2005 mündlich verkündet.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

Die Beschwerdeführerin ist georgische Staatsangehörige und trägt den im Spruch genannten Namen. Sie ist Mutter des volljährigen Beschwerdeführers zu D6 307513-1/2008 sowie der (im Antragszeitpunkt minderjährigen) Beschwerdeführerin zu D6 307502-1/2008. Die Beschwerdeführerin befindet sich seit Oktober 2005 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet. Ihr jüngerer Sohn, der Beschwerdeführer zu D6 307515-1/2008, verstarb am XXXX an einem XXXX und ist im österreichischen Bundesgebiet begraben (sein Beschwerdeverfahren wurde vom Asylgerichtshof mit Aktenvermerk vom 18.5.2010 eingestellt). Die Beschwerdeführerin lebt mit ihren beiden Kindern im gemeinsamen Haushalt.

 

Die Beschwerdeführerin war von XXXX an bis zu ihrer Ausreise als XXXX tätig, wo sie - ebenso wie am XXXX - Psychologie und Pädagogik unterrichtete. Im Jahr XXXX gründete die Beschwerdeführerin den Verein "XXXX", der die XXXX zum Ziel hatte. Dieser Verein finanzierte eine im Jahr XXXX eröffnete Ganztagesschule für XXXX, deren Leitung die Beschwerdeführerin übernahm und die eine von Ärzten und Psychologen sowie Pädagogen getragene Betreuung ermöglichen sollte. Bis zuletzt war die Beschwerdeführerin auch als XXXX in ihrer eigenen Privatpraxis tätig.

 

Von XXXX an war die Beschwerdeführerin Vorsitzende der Ortsgruppe der Partei "XXXX", wobei sie ihre Kandidatur bei den Wahlen im Jahr XXXX nach Drohanrufen zurückzog. Der Ehemann der Beschwerdeführerin war während der Amtszeit Aslan Abaschidses XXXX; nach dem Sturz Abaschidses wurde er entlassen und am XXXX festgenommen. Im Zuge einer Vorsprache beim damaligen XXXX wurde der Beschwerdeführerin eine Prüfung der Verhaftung ihres Ehemannes zugesichert. Schließlich wurde die Beschwerdeführerin telefonisch zur Zahlung von Lösegeld in der Höhe von 50.000,-- US-Dollar aufgefordert. Kurz darauf drangen fünf maskierte Personen in ihre Wohnung ein, durchsuchten sie und bedrohten die Beschwerdeführerin und ihre Kinder. Überdies nahmen sie Wertgegenstände an sich. In der Folge erhielt die Beschwerdeführerin immer wieder Telefonanrufe, in denen sie mit dem Tod bedroht und die Entführung und Vergewaltigung ihrer Tochter angedroht wurde. Ihrem nunmehr im Bundesgebiet verstorbenen Sohn wurde in Georgien ohne Angabe von Gründen die aufgrund seiner Behinderung gewährte Rente entzogen. Die von der Beschwerdeführerin betriebene XXXX musste geschlossen werden, nachdem behördliche Bewilligungen bzw. Förderungen entweder nicht erteilt oder hinausgezögert worden waren. Wenige Monate vor der Ausreise wurde die Tochter der Beschwerdeführerin von unbekannten Personen überfallen. Der ältere Sohn der Beschwerdeführerin erhielt wegen der früheren beruflichen Stellung seines Vaters keinen Arbeitsplatz.

 

Der Ehemann der Beschwerdeführerin war bereits wenige Wochen nach seiner Festnahme im XXXX wieder enthaftet worden. Nach seiner Freilassung war er nicht mehr nach Hause zurückgekehrt, sondern umgehend in die Russische Föderation geflüchtet, ohne seine Familie davon zu informieren, dass er noch am Leben war und sich nunmehr außerhalb Georgiens aufhielt. In Russland gründete der Ehemann der Beschwerdeführerin eine neue Familie, bevor er im XXXX mit seiner Lebensgefährtin und seinem mittlerweile 3 Jahre alten Kind nach Georgien zurückkehrte, wo er (in Adscharien) als Rechtsanwalt lebt und sich um seine Rehabilitierung bemüht.

 

Die Beschwerdeführerin ist unbescholten und beherrscht die deutsche Sprache. Sie arbeitet ehrenamtlich in einem Altersheim und verfügt über einen weitreichenden Freundes- und Bekanntenkreis. Die Tochter der Beschwerdeführerin beherrscht die deutsche Sprache in ausgezeichneter Weise und hat die Externistenprüfung über die vierte Klasse der Hauptschule erfolgreich bestanden. Sie leidet an einer Anpassungsstörung im Sinne von Angst und Depression gemischt, überlagert von einer Konversionsstörung mit psychogenen Anfällen. Auch der Sohn der Beschwerdeführerin, der ebenfalls die deutsche Sprache beherrscht, leidet u.a. an Morbider Adipositas. In Georgien lebt eine (weitere) schon seit Jahren verheiratete und vor langer Zeit nach Russland ausgewanderte (und wieder heimgekehrte) Tochter der Beschwerdeführerin.

 

2. Die Feststellungen zur georgischen Staatsangehörigkeit sowie zur Identität der Beschwerdeführerin gründen auf den insofern glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführerin sowie den vorgelegten Unterlagen. Die Feststellungen hinsichtlich des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich und ihrer Integration (sowie jene ihrer volljährigen Kinder) stützen sich auf zahlreiche, im Verfahren vorgelegte Unterlagen sowie auf ihre eigenen Aussagen und die Angaben ihrer Kinder, die unbedenklich erscheinen. Auch die Feststellungen über die erfolgten Repressionen aufgrund der beruflichen Stellung des Ehemannes der Beschwerdeführerin beruhen auf ihren insofern plausiblen und auch stets gleichbleibenden Ausführungen im Laufe des gegenständlichen Verfahrens sowie den Recherchen des österreichischen Verbindungsbeamten, der den Ehemann der Beschwerdeführerin in Adscharien ausfindig machen und (neben weiteren Personen) befragen konnte (der erkennende Senat vermag auch angesichts des überzeugenden persönlichen Eindrucks der Beschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann in Kontakt gestanden hat, weshalb die Übereinstimmung ihrer Aussagen die Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe - iZm den übrigen Beweismitteln - entsprechend erhöht; vgl. die Gesprächsnotiz des österreichischen Verbindungsbeamten vom 15.9.2010). Die frühere Tätigkeit des Ehemannes der Beschwerdeführerin als XXXX ergibt sich zudem aus einem Schreiben des XXXX. Die Feststellungen im Zusammenhang mit den beruflichen Aktivitäten der Beschwerdeführerin gründen neben ihren glaubwürdigen Aussagen auch auf einem vorgelegten Artikel der Zeitung "XXXX", dessen Authentizität durch Recherchen des österreichischen Verbindungsbeamten bestätigt wurde. Auch das politische Engagement der Beschwerdeführerin wurde durch diese Recherchen im Herkunftsstaat verlässlich bestätigt (vgl. Gesprächsnotiz des österreichischen Verbindungsbeamten vom 15.9.2010).

 

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Ermittlungen des österreichischen Verbindungsbeamten im Herkunftsstaat, die eine weitgehende Bestätigung der Angaben der Beschwerdeführerin bedeuteten, vermochten die Argumente der belangten Behörde in ihrer Beweiswürdigung nicht zu überzeugen (die behördlichen Ausführungen hinsichtlich der "späten" Ausreise erscheinen spekulativ; den von der belangten Behörden hervorgehobenen Abweichungen in den Aussagen der Tochter der Beschwerdeführerin gegenüber den Aussagen der Beschwerdeführerin [insbesondere über das Datum der Festnahme des Ehemannes bzw. Vaters] kann schon angesichts des Rechercheergebnisses kein entscheidungswesentlicher Gehalt beigemessen werden). Insbesondere aufgrund des persönlichen Eindrucks von der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder sieht der erkennende Senat keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe zu zweifeln.

 

Die Feststellung über die Erkrankung der Tochter der Beschwerdeführerin beruht auf dem im Verfahren der Tochter eingeholten psychiatrisch-neurologischen Sachverständigengutachten, jene über die Erkrankung des Sohnes der Beschwerdeführerin über ein (unbedenkliches) medizinisches Attest.

 

Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde in den Spruchteilen I. und II. konnten weitere Feststellungen über die Aktualität der Verfolgungsgefährdung im Falle einer Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Georgien entfallen.

 

3. Rechtlich ergibt sich daraus:

 

3.1 Gemäß § 23 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I 4/2008 idF BGBl. I 147/2008) sind - soweit sich aus dem Asylgesetz 2005, BGBl. I 100 (im Folgenden: AsylG 2005), nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

3.2 Gemäß § 75 Abs. 1 erster Satz AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen; gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 ist bei Asylanträgen, die - wie im vorliegenden Fall - ab dem 1.5.2004 gestellt wurden, das AsylG 1997 (idF BGBl. I 101/2003) anzuwenden.

 

Gemäß § 75 Abs. 8 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011 ist § 10 AsylG 2005 in derselben Fassung auf alle am oder nach dem 1.1.2010 anhängigen Verfahren nach dem AsylG 1997 mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Ausweisungsentscheidung nach dem AsylG 1997 als eine Ausweisungsentscheidung nach § 10 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011, eine Zurückweisung eines Asylantrages nach dem AsylG 1997 als Zurückweisung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 sowie die Abweisung eines Asylantrages nach dem AsylG 1997 mit Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat als Abweisung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 gilt. Folglich ist die vorliegende Beschwerde im Hinblick auf Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides nach dem Regelungsregime des § 10 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011 zu beurteilen.

 

3.3 Im Hinblick auf Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Ausweisung) war Folgendes zu erwägen:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I 122/2009 ist eine Entscheidung nach dem AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen und dem Fremden weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011 ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie Art. 8 EMRK verletzen würde oder wenn dem Fremden ein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt. Würde ihre Durchführung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen und die nicht von Dauer sind, Art. 3 EMRK verletzen, so ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I 38/2011 unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfGH 29.9.2007, B 1150/07; 12.6.2007, B 2126/06; VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479; 26.1.2006, 2002/20/0423).

 

3.3.1 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl. z.B. EGMR 5.9.2000, 44328/98, Solomon v. Niederlande; 9.10.2003, 48321/99, Slivenko v. Lettland; 22.4.2004, 42703/98, Radovanovic v. Österreich; 31.1.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande; 31.7.2008, 265/07, Darren Omoregie ua v. Norwegen).

 

Im Fall Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Ausweisung einer ugandischen Asylwerberin aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK als zulässig, obwohl die Beschwerdeführerin, die erfolglos Asyl begehrt hatte, in der Zwischenzeit bereits fast 10 Jahre in Großbritannien aufhältig gewesen war: Ihrem Hinweis auf ihr zwischenzeitlich begründetes Privatleben, nämlich dass sie sich mittlerweile an einer Kirchengemeinschaft beteiligt habe, berufstätig geworden und eine Beziehung zu einem Mann entstanden sei, hielt der Gerichtshof entgegen, dass die Beschwerdeführerin keine niedergelassene Einwanderin und ihr vom belangten Staat nie ein Aufenthaltsrecht gewährt worden sei. Ihr Aufenthalt im Vereinigten Königreich während der Anhängigkeit ihrer verschiedenen Asylanträge und Menschenrechtsbeschwerden sei immer prekär gewesen, weshalb ihre Abschiebung nach Abweisung dieser Anträge durch eine behauptete Verzögerung ihrer Erledigung durch die Behörden nicht unverhältnismäßig werde (EGMR 8.4.2008, 21.878/06, NL 2008, 86, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich). Durchaus eine Verletzung von Art. 8 EMRK erblickte der Gerichtshof dagegen im Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer bei der Ausweisung einer brasilianischen Beschwerdeführerin, die vier Jahre lang gänzlich illegal in den Niederlanden gelebt hatte und in diesem Zeitraum aufgrund ihrer Beziehung zu einem niederländischen Staatsbürger, von dem sie sich in der Folge wieder trennen sollte, Mutter eines Kindes geworden war, welches (aufgrund des niederländischen Vaters) die niederländische Staatsbürgerschaft besaß und dessen Obsorge der Vater aufgrund eines pflegschaftsbehördlichen Beschlusses erhalten hatte; nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte überwogen die Konsequenzen einer (zwangsläufigen) Trennung des Kindes von seiner Mutter im Falle der Ausweisung die öffentlichen Interessen des Staates an der Aufenthaltsbeendigung, weshalb den staatlichen Behörden auch "exzessiver Formalismus" vorzuwerfen sei (EGMR 31.1.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer gegen Niederlande, EuGRZ 2006, 562 = ÖJZ 2006, 738; vgl. idS im Ergebnis auch zuletzt EGMR 28.6.2011, 55597/09, Nunez gegen Norwegen, NL 2011, 169).

 

Unter Berufung auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hatte der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg. 18.224/2007 keine Bedenken gegen die Ausweisung eines kosovarischen Staatsangehörigen trotz seines 11-jährigen Aufenthaltes, da sich der Aufenthalt (zunächst) auf ein für Studienzwecke beschränktes Aufenthaltsrecht gegründet hatte und vom Beschwerdeführer nach zwei Scheinehen schließlich durch offenkundig aussichtslose bzw. unzulässige Asylanträge verlängert wurde. Zum gleichen Ergebnis gelangte der Verfassungsgerichtshof im Fall eines russischen Asylwerbers, der sich ebenfalls rund 11 Jahre (ohne jegliche Familienangehörige) in Österreich aufgehalten hatte und bereits jahrelang einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen war, jedoch über nur geringe Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und seinen Asylantrag zunächst unter Nennung einer falschen Identität und falschen Staatsangehörigkeit, die er erst 10 Jahre danach berichtigte, eingebracht hatte und gegen den überdies ein 10-jähriges Aufenthaltsverbot aufgrund von drei strafgerichtlichen Verurteilungen, die im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung bereits getilgt waren, erlassen worden war. In seinem Erk. vom 7.10.2010, B 950/10 ua., ging der Verfassungsgerichtshof dagegen von einer Verletzung des Privatlebens einer ausgewiesenen türkischen Familie aus, die bereits seit mehr als sieben Jahren in Österreich gelebt und die nicht durch allfällige verfahrensverzögernde Handlungen die lange Verfahrensdauer verursacht hatte: Der Gerichtshof hob insbesondere den Umstand hervor, dass die Kinder den Großteil ihres Lebens in Österreich verbracht und sich sowohl schulisch als auch gesellschaftlich sehr gut integriert hatten.

 

3.3.2 Im vorliegenden Fall verfügt die Beschwerdeführerin über keinen familiären Bezug zu dauernd in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen, weshalb sie die in Rede stehende Ausweisung nicht in ihrem Recht auf Achtung des Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK verletzen würde (die in Österreich lebenden Kinder der Beschwerdeführerin sind ebenfalls nur aufgrund der gestellten Asylanträge vorläufig aufenthaltsberechtigt).

 

3.3.3 Dennoch greift die Ausweisung in das (ebenfalls nach Art. 8 EMRK geschützte) Grundrecht auf Achtung des Privatlebens der Beschwerdeführerin ein:

 

Die Beschwerdeführerin befindet sich nunmehr im 7. Jahr ihres Aufenthaltes im österreichischen Bundesgebiet, wenngleich der Aufenthalt lediglich aufgrund des gestellten Asylantrages legal war, weshalb die privaten Interessen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes am Verbleib im österreichischen Bundesgebiet eine wesentliche Minderung erfahren (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479; 24.4.2007, 2007/18/0173; 20.3.2001, 98/21/0448).

 

Die erhebliche Verfahrensdauer, durch welche auch die beträchtliche Aufenthaltsdauer entstanden ist, wurde von der Beschwerdeführerin durch keinerlei verfahrensverzögernde Handlungen oder dergleichen (mit)verursacht; es ist auch nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen in unglaubwürdiger Weise gesteigert oder gar unglaubwürdige Fluchtgründe vorgebracht hätte. Die Beschwerdeführerin ist überdies unbescholten. Wenn auch die strafgerichtliche Unbescholtenheit allein die persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib in Österreich gemäß der verwaltungsgerichtlichen Judikatur nicht entscheidend zu verstärken vermag (vgl. VwGH 25.2.2010, 2010/0018/0029), so liegen nach Ansicht des erkennenden Senates im gegenständlichen Fall besondere Umstände vor:

 

Im vorliegenden Fall war ungeachtet der Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides hinsichtlich des Spruchpunktes III. darauf Bedacht zu nehmen, dass die Fluchtgründe der Beschwerdeführerin, die im Wesentlichen ihre Verfolgung aufgrund der beruflichen Stellung ihres Ehemannes als XXXX nach dem Fall des Abaschidse-Regimes zum Inhalt haben, der Wahrheit entsprochen haben, und dass daher nicht gesagt werden kann, dass die Beschwerdeführerin ihren Herkunftsstaat ohne triftige Gründe verlassen hat. Im Laufe ihres sechsjährigen Aufenthaltes hat sich die Beschwerdeführerin - trotz intensiver Betreuung ihres schwerstbehinderten und mittlerweile verstorbenen Sohnes und der damit einhergehenden schwierigen Lebensumstände - sehr um ihre Integration in Österreich bemüht. Die Beschwerdeführerin, die in ihrer Heimat als Leiterin einer XXXX und als XXXX tätig war, arbeitet schon seit längerem regelmäßig (und mehrmals wöchentlich) ehrenamtlich in einem Altersheim.

 

Die Tochter der Beschwerdeführerin, die die deutsche Sprache in ausgezeichneter Weise beherrscht und die ihre schulische Ausbildung in Österreich erfolgreich fortgesetzt hat, leidet an einer psychischen Erkrankung und bedarf einer psychotherapeutischen Behandlung. Es ist davon auszugehen, dass eine Rückführung nach Georgien ihren Gesundheitszustand gewiss verschlechtern würde. Dies gilt gleichermaßen auch für die derzeit angeschlagene gesundheitliche Verfassung des Sohnes der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin und ihre Kinder verfügen über einen weit reichenden Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich. Die in Georgien erworbene berufliche Qualifikation sowie ihre ehrenamtliche Tätigkeit in Österreich werden der Beschwerdeführerin die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit pro futuro - in welchem Bereich auch immer - erleichtern; dies gilt gleichermaßen für den Sohn der Beschwerdeführerin, der über eine wirtschaftlich-pädagogische Ausbildung verfügt und dessen bisherige (mehrfache) Bemühungen um den Erwerb eines Arbeitsplatzes lediglich am Fehlen einer Beschäftigungsbewilligung (ungeachtet mehrerer Einstellungsmöglichkeiten) gescheitert waren. Die Tochter der Beschwerdeführerin beabsichtigt nach dem Schulabschluss eine Ausbildung als Dolmetscherin. Im Gegensatz dazu sind die Bindungen der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder zu ihrer Heimat als gering zu werten: Zwar lebt eine schon seit Jahren verheiratete und vor langer Zeit nach Russland ausgewanderte Tochter wieder in Georgien, doch hat - wie bereits oben erwähnt - der aus dem Exil nach Adscharien zurückgekehrte Ehemann mittlerweile eine neue Familie gegründet (von einer Fortsetzung des derzeit formal aufrechten Ehe- bzw. Familienlebens kann nicht ausgegangen werden).

 

Durch die Vorlage diverser Bescheinigungsmittel hat die Beschwerdeführerin ihre Bereitschaft gezeigt, am Verfahren aktiv mitzuwirken. Sie trägt - wie bereits oben erwähnt - keinerlei Verantwortung für die lange Verfahrensdauer. Anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte (vgl. zB VfGH 12.6.2010, U 614/10), ist im gegenständlichen Fall die Integration der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder während eines einzigen Asylverfahrens erfolgt. Da die Beschwerdeführerin festgestellter Maßen aufgrund von Repressalien wegen der früheren Tätigkeit ihres Ehemannes ihre Heimat verlassen (und aus diesen - glaubwürdigen - Gründen Asyl beantragt) hat, fällt gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Relativierung der Integration, die bloß auf der Grundlage einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG entstanden ist, (ebenso wie die illegale Einreise in das österreichische Bundesgebiet) im vorliegenden Fall weniger ins Gewicht (vgl. idS VwGH 20.4.2006, 2005/18/0560).

 

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gelangt der erkennende Senat zur Ansicht, dass im vorliegenden Fall aufgrund der Aufenthaltsdauer und der inzwischen erfolgten außerordentlichen Integration der Beschwerdeführerin sowie ihrer Kinder in Österreich die privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet schwerer als die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens wiegen. Die von der belangten Behörde verfügte Ausweisung erweist sich somit angesichts der gelungenen Integration der Beschwerdeführerin als unverhältnismäßig iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK. Die Ausweisung war folglich auf Dauer für unzulässig zu erklären.

 

Da die Gründe für die Unzulässigkeit der Ausweisung nicht bloß vorübergehender Natur sind und die Ausweisung der Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 somit auf Dauer für unzulässig zu erklären war, wird daher gemäß § 44a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz ein Aufenthaltstitel von Amts wegen zu erteilen sein.

 

Auch in den Verfahren der Kinder der Beschwerdeführerin wurde die Ausweisung auf Dauer für unzulässig erklärt.

 

4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung dauernd unzulässig, EMRK, familiäre Situation, Integration, Interessensabwägung, Verfahrensdauer
Zuletzt aktualisiert am
14.11.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten