A3 318.567-1/2008/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Holzschuster als Vorsitzende und den Richter Mag. Lammer als Beisitzer über den Asylantrag der XXXX, StA. Äthiopien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.02.2011 zu Recht erkannt:
I. Dem Devolutionsantrag vom 02.04.2008 wird gemäß § 73 Abs. 2 AVG stattgegeben.
II. Der Antrag auf internationalen Schutz von XXXX wird gemäß § 3 AsylG 2005 idgF abgewiesen und XXXX der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF wird XXXX der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien zuerkannt.
IV. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 27.10.2012 erteilt.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Asylwerberin behauptet Staatsangehörige von Äthiopien und am 28.07.2006 illegal in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Am selben Tag hat diese beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Am 31.07.2006 wurde sie einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die amharische Sprache unterzogen. Hierbei brachte sie im Wesentlichen vor, dass ihr Vater umgebracht worden sei, da er bei der politischen Opposition tätig gewesen wäre. Deswegen sei sie nach Österreich geflohen.
2. Am 03.08.2006 wurde die Asylwerberin vor dem Bundesasylamt im Beisein eines Dolmetschers für die amharische Sprache niederschriftlich einvernommen. Hierbei gab sie an, dass ihr Vater aktives Mitglied der Partei CUD gewesen sei. Die Regierung habe ihren Vater im Juni 2005 und noch 35 andere Personen wegen ihrer politischen Gesinnung umgebracht. Die Asylwerberin sei wegen ihrer Familie von den Sicherheitskräften belästigt und bedroht worden. Auch als sie dann bei ihrem Onkel gelebt habe, sei sie von den Sicherheitskräften bedroht und den Feinden ihres Vaters schikaniert worden. Die Leute, die ihren Vater ermordet hätten, seien mehrmals in der Nacht zu ihr gekommen und hätten ihr viele Fragen über ihren Vater und seine Aktivitäten gestellt und sie sei auch geschlagen worden. Etwa drei Monate nach der Ermordung ihres Vaters sei sie selbst drei Wochen im Gefängnis gewesen.
3. Am 05.09.2006 wurde die Asylwerberin erneut vor dem Bundesasylamt im Beisein eines Dolmetschers für die amharische Sprache niederschriftlich einvernommen. Hierbei brachte sie vor, dass ihr Vater Mitglied einer Oppositionspartei (CUD) gewesen sei, die von der Regierung als Feinde angesehen würden. Ihr Vater habe versucht, Mitglieder für die Partei zu gewinnen. Die genaue Stellung ihres Vaters in der Partei kenne sie aber nicht. Ihr Vater sei am 19. Juni 2005 von der Regierung getötet worden. Eines Nachts seien die Sicherheitskräfte zu ihnen nach Hause gekommen und hätten ihren Vater verhaftet, was etwa 15 Tage vor seinem Tod gewesen sei. Danach hätten sie herausfinden wollen, wo er festgehalten werde, hätten ihn aber nicht gefunden. Später sei er dann getötet worden. Seine Leiche hätten sie vor ihrer Wohnung gefunden. Äthiopien habe sie verlassen, weil die Regierung der Meinung sei, dass sie die Rolle ihres Vaters ersetze und sie nun gegen die Regierung sei.
4. Mit Schreiben vom 12.03.2007 richtete das Bundesasylamt an die Österreichische Botschaft Äthiopien eine Anfrage in Bezug auf das Vorbringen der Asylwerberin. Aus der Anfragebeantwortung, eingelangt beim Bundesasylamt am 16.08.2007, geht hervor, dass es an der Schule, die die Asylwerberin in Addis Abeba besucht habe, keinen Direktor namens Eshetu - wie von ihr angegeben - gegeben hat. Diesbezüglich wurden die Aufzeichnungen der letzten 16 Jahre überprüft. In der Stadt XXXX gibt es keine Mittelschule. Der Tod von 35 Personen im Juni 2005 kann nicht verifiziert werden. Der Vater der Asylwerberin ist keinem Einwohner von XXXX bekannt.
5. Mit Schreiben vom 04.10.2007 richtete das Bundesasylamt zum Vorbringen der Asylwerberin eine Anfrage an die Grundsatz- und Dublinabteilung, welche am 19.10.2007 beantwortet wurde. Daraus geht hervor, dass in einem Artikel von BBC berichtet wurde, dass im Juni 2005 der Chef der CUD, Hailu Shawel, unter Hausarrest gestellt wurde und zumindest 36 Menschen durch Sicherheitskräfte getötet worden seien. Zum Vater der Asylwerberin konnten keine Informationen gefunden werden.
6. Mit Schreiben vom 31.03.2008, eingelangt beim Unabhängigen Bundesasylsenat am 02.04.2008, stellte die Asylwerberin einen Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG.
7. Die Asylwerberin teilte mit Schreiben vom 12.06.2009 mit, dass ihr Mann über eine für die Dauer von 10 Jahren gültige Niederlassungsbewilligung für Österreich verfüge. Weiters übermittelte sie einen psychosozialen Situationsbericht des Integrationshauses vom 27.03.2008.
8. Am 26.09.2010 langte ein Schreiben der Asylwerberin beim Asylgerichtshof ein, in dem sie mitteilt, dass sie am 15.07.2010 geheiratet habe. Ihr Gatte sei im Besitz einer Niederlassungsbewilligung, die bis zum 10.08.2015 gültig sei. Er arbeite seit zwei Jahren als Lagerarbeiter. Die Asylwerberin mache zurzeit ihren Hauptschulabschluss. Ihrem Schreiben legte sie die Heiratsurkunde des Standesamtes Wien-Brigittenau, drei Meldezettel, eine Kopie des Aufenthaltstitels des Ehegatten, die Geburtsurkunde ihres Sohnes und ein Schreiben vom Februar 2007 (betreffend die Reservierung eines Platzes im Vorlaufkurs für den Hauptschulabschluss) bei.
9. Mit Schreiben vom 12.01.2011, eingelangt am 20.01.2011, übermittelte die Asylwerberin die Kopie des Externistenprüfungszeugnisses vom 20.12.2010 über die vierte Klasse (8. Schulstufe) der Hauptschule.
10. Am 23.02.2011 fand vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Zuge derer die Asylwerberin einvernommen wurde. Hierbei brachte sie im Wesentlichen vor, dass ihr Vater politisch aktiv gewesen sei. Sie habe einmal für ihn im Jahr 2000 Flugblätter an der Schule verteilt. Am 19.06.2005 sei ihr Vater getötet worden. Für vier Jahre habe sie sich bei ihrem Onkel in XXXX versteckt. In Addis Abeba habe sie bis zur 6. Schulstufe die Grundschule besucht. Auch in XXXX habe sie dann die Grundschule besucht, weil man sie zurückgestuft habe. Die Asylwerberin habe Rückenprobleme. Sie nehme deswegen Medikamente und mache eine Therapie. Sie sei auch in Psychotherapie.
Die Asylwerberin machte im Laufe der Verhandlung Notizen auf Beilage
A.
Weiters legte sie einen Bericht des Integrationshauses vom 22.02.2011, eine Betreuungsvereinbarung mit der Volkshilfe für den Sohn der Asylwerberin und das Externistenprüfungszeugnis vor (Beilage B).
Verlesen wurden folgende Berichte zur Situation in Äthiopien:
Bericht vom Auswärtigen Amt Berlin über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Republik Äthiopien vom 17.04.2010 (Beilage C);
Zusammenfassung über die Situation in Äthiopien (Beilage D).
Der Vertreter der Asylwerberin legte eine Stellungnahme von ACCORD vom 27.02.2008 vor. (Beilage E). Darin werde bestätigt, dass Mitglieder der Partei CUD zum fraglichen Zeitpunkt im Jahr 2005/2006 von der Regierung Äthiopiens verfolgt worden seien und dass im Wege der Sippenhaft auch deren Familienmitglieder mit Verfolgung zu rechnen hätten.
II. Auf Grundlage der Einvernahmen vor dem Bundesasylamt und dem Asylgerichtshof wird folgender Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Die Asylwerberin ist Staatsangehörige von Äthiopien. Die von ihr behaupteten Fluchtgründe werden der Entscheidung mangels Glaubwürdigkeit nicht zu Grunde gelegt.
Der Reiseweg der Asylwerberin (Zeitpunkt und Art der Reise von Äthiopien nach Österreich) kann nicht festgestellt werden.
Die Asylwerberin ist seit dem 15.07.2010 mit einem äthiopischen Staatsbürger verheiratet und hat mit diesem einen dreijährigen Sohn. Es konnte nicht festgestellt werden, dass in Äthiopien irgendwelche Verwandte der Asylwerberin leben, denen es möglich wäre, die Asylwerberin und ihren Sohn zu unterstützen und diese auch eine Wohnmöglichkeit erhalten könnten. Dem Ehegatten ist es nicht zumutbar nach Äthiopien zurückzukehren.
Zur Situation in Äthiopien werden folgende Feststellungen getroffen:
In Äthiopien leben über 80 verschiedene Ethnien. Gewalttätige Spannungen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen flackerten 2008 vor allem in den Regionen Gambella, Afar, Benihangul-Gumuz, Oromia und den südlichen Provinzen auf. Die Ursachen sind meistens Streitigkeiten über die Nutzung von Land und Ressourcen.
In einigen Regionen (wie z. B. Oromia, Somali Region, Gambella) gehen Polizei und Militär gegen vermutete und tatsächliche Unterstützer und Angehörige der dort aktiven Gruppen vor, die vom Staat als terroristische Organisationen eingestuft werden.
Das innenpolitische Klima verhärtet sich stetig; die Spielräume für zivilgesellschaftliche Aktivitäten und politische Opposition werden geringer. Vor dem Hintergrund von Ausschreitungen - Reaktion auf das vermutlich von der Regierung gefälschte Wahlergebnis 2005, bei denen mehrere hundert Personen, auch Sicherheitskräfte, ums Leben kamen - und der Sorge vor einer Wiederholung im Kontext der 2010 anstehenden Parlamentswahlen kommt es zu verstärkten Repressionen der äthiopischen Regierung gegen Opposition und politische Nichtregierungsorganisationen.
Die Menschenrechte sind in der Verfassung garantiert; Äthiopien ist den Menschenrechtskonventionen der Vereinten Nationen beigetreten. Die Umsetzung der Menschenrechtsverpflichtungen bleibt jedoch uneinheitlich und häufig unbefriedigend.
Menschenrechtsorganisationen berichten von Misshandlungen in Polizeigewahrsam. Die Sicherheitskräfte reagieren oft mit exzessiver Gewalt auf Demonstrationen und Proteste. Es gibt auch Berichte über extralegale Tötungen und das Verschwindenlassen von Personen durch Sicherheitsorgane.
Die Verfassung garantiert zwar Presse- und Meinungsfreiheit, aber in der Praxis wird sie vor allem durch Verhaftungen und drakonische Strafen gegen Journalisten bei angeblicher "Desinformation" und "Aufwiegelung" stark eingeschränkt. Selbstzensur zu sensiblen Themen ist daher an der Tagesordnung. In dem im Juli 2008 verabschiedeten Medien- und Informationsgesetz wurden die Strafen für Vergehen von Journalisten und Verlegern weiter verschärft.
Das Justizwesen bleibt schwach und überlastet. Die Unabhängigkeit der Justiz ist nicht immer gewährleistet. Willkürliche Verhaftungen ohne Anklageerhebung gehören zum Alltag.
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht immer und nicht in allen Landesteilen gesichert. Die medizinische Versorgung ist nur in der Hauptstadt Addis Abeba einigermaßen gewährleistet. Nach offiziellen Angaben sind 7% der Bevölkerung mit HIV/Aids infiziert. Private Organisationen gehen von höheren Zahlen aus.
Mädchen und junge Frauen werden als Haushälterinnen auch in arabische Länder gehandelt. Für viele scheint das als verlockender Ausweg aus der Armut. Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in der Fremde ohne Zukunftsperspektive sind aber zumeist die Realität.
Zu der Negativfeststellung hinsichtlich der von der Asylwerberin vorgebrachten Fluchtgründe:
Der Asylgerichtshof gelangt auf Grundlage der ergänzenden Ermittlungen zum Ergebnis, dass das Vorbringen der Asylwerberin zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft ist.
So ergaben sich in Bezug auf den Schulbesuch der Asylwerberin widersprüchliche Angaben. Vor dem Bundesasylamt erklärte sie, 6 Jahre die Grundschule in Addis Abeba - bis zum Jahr 2002 und danach in der Stadt XXXX zwei Jahre die Mittlere Schule besucht zu haben. Zwei Jahre bevor sie das Land verlassen habe, habe sie aufgehört, die Schule in XXXX zu besuchen - was somit im Jahr 2004 gewesen sei. Der Direktor der Grundschule in Addis Abeba habe Eshetu geheißen (siehe Seiten 95 und 97 des erstinstanzlichen Aktes). Hinsichtlich dieses Vorbringens der Asylwerberin wurden Ermittlungen in Äthiopien durchgeführt. Diese haben ergeben, dass es die von der Asylwerberin genannte Grundschule in Addis Abeba zwar gibt, jedoch hat es in den letzten 16 Jahren keinen Direktor mit dem von der Asylwerberin angegebenen Namen gegeben. Eine Mittelschule gibt es - entgegen der Behauptung der Asylwerberin - in der Stadt XXXX nicht (siehe Seite 175 des erstinstanzlichen Aktes). In der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof behauptete die Asylwerberin dann, dass sie auch in XXXX die Grundschule besucht habe, da man sie zurückgestuft habe. Nachdem ihr auch vorgehalten wurde, dass es an der Grundschule keinen Direktor namens Eshetu gegeben hat, meinte sie zunächst, dass Eshetu der "richtige Name" des Direktors gewesen und kurz darauf behauptete sie aber, dass Eshetu ein "Spitzname" gewesen wäre (siehe Seiten 7 und 8 des Verhandlungsprotokolls). Das erkennende Gericht geht auf Grund der immer wieder abgeänderten Angaben davon aus, dass das Fluchtvorbringen der Asylwerberin nicht den Tatsachen entspricht und ihre Aussagen unglaubwürdig sind.
Die Unglaubwürdigkeit wird auch dadurch untermauert, dass die Asylwerberin vor dem Bundesasylamt angab, dass sie selbst etwa drei Monate nach der Ermordung ihres Vaters für drei Wochen im Gefängnis XXXX in XXXX gewesen sei. Dies müsste daher ca. im September 2005 gewesen sein (siehe Seite 43 des erstinstanzlichen Aktes). In der folgenden Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab sie demgegenüber an, dass sie eine Woche nach ihrer Haftentlassung Äthiopien verlassen habe. Demnach wäre sie, da sie am 27.07.2006 Äthiopien verlassen hat, Ende Juni bzw. im Juli 2006 im Gefängnis gewesen. Wo genau sie in Haft gewesen sei, konnte sie nicht angeben (siehe Seiten 103 und 105 des erstinstanzlichen Aktes). Vor dem Asylgerichtshof machte die Asylwerberin jedoch keine Angaben darüber, dass sie in Haft gewesen sei. Zu betonen ist ferner, dass die Asylwerberin vor dem Asylgerichtshof erklärte, Flugblätter in der Grundschule verteilt zu haben, vor dem Bundesasylamt machte sie jedoch diesbezüglich keine Angaben. Auch wenn die Asylwerberin sehr jung ist, so muss erwartet werden können, dass sie gleichbleibende Aussagen macht.
Laut ihrem Vorbringen vor dem Bundesasylamt sei ihr Vater wegen seiner politischen Aktivitäten ermordet worden. Die Asylwerberin konnte jedoch nicht angeben, welche Stellung ihr Vater in der Partei innegehabt habe und wusste auch nicht, seit wann er Mitglied der Partei gewesen sei (siehe Seite 99 des erstinstanzlichen Aktes). Vor dem Asylgerichtshof brachte sie dann vor, dass ihr Vater "ganz normal im Büro der Partei" gearbeitet habe und dann habe er "politisch mobilisiert" (siehe Seite 4 des Verhandlungsprotokolls).
Zum Tod ihres Vaters erklärte die Asylwerberin vor dem Bundesasylamt, dass ca. 15 Tage vor seinem Tod Sicherheitskräfte zu ihnen nach Hause gekommen seien und ihn "fast nackt" abgeholt hätten. "Fünf oder mehr Leute", die uniformiert gewesen wären - es seien "Woyane" gewesen - hätten ihren Vater abgeholt. Ob dies Polizisten oder Militärs gewesen wären, wisse sie nicht. Fünfzehn Tage danach hätten sie seine Leiche vor ihrer Wohnung gefunden (siehe Seiten 101 und 103 des erstinstanzlichen Aktes). In der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof gab die Asylwerberin dagegen an, dass 6 Polizisten ihren Vater - der kein Oberteil angehabt habe - abgeholt hätten (siehe Seite 5 des Verhandlungsprotokolls).
Die Asylwerberin brachte weiters vor dem Bundesasylamt vor, dass nicht nur ihr Vater, sondern insgesamt 35 Personen getötet worden wären (siehe Seite 105 des erstinstanzlichen Aktes). Aus der an die Staatendokumentation gerichteten Anfrage ergibt sich, dass im Juni 2005 36 Personen getötet wurden, allerdings handelte es sich um Steine werfende Demonstranten - die bei den vorangegangen Wahlen im Mai einen Betrug behaupteten - auf welche die Sicherheitskräfte geschossen haben (siehe Artikel der BBC News, "Thousands arrested in Ethiopia" vom 13.06.2005). Laut dem Vorbringen der Asylwerberin sei ihr Vater aber in der Nacht abgeholt worden und dann 15 Tage später, am 19.06.2005, ermordet worden (siehe Seite 103 des erstinstanzlichen Aktes).
Zusammenfassend ist somit aus den unbestimmten, widersprüchlich und offensichtlich nicht wahrheitsgetreuen Aussagen der Asylwerberin der Schluss zu ziehen, dass sie die von ihr geschilderten Ereignisse tatsächlich nicht erlebt hat und ihrem Vorbringen insgesamt die Glaubwürdigkeit zu versagen war.
Die Feststellungen zur allgemeinen politischen Situation in Äthiopien ergeben sich vor allem aus den in der Verhandlung vom 23.02.2011 erörterten Beilagen C und D bzw. den dem Asylgerichtshof in der Verhandlung vorgelegten Bericht vom 27.02.2008 (Beilage E). Die Asylwerberin hat zu diesen Feststellungen und den diesbezüglichen Berichten in der Verhandlung Stellung genommen und ist sie diesen nicht substantiiert entgegengetreten. Im Wesentlichen gab sie an, dass das Land arm sei und die Bevölkerungsanzahl groß. Die Menschen würden das Land verlassen, weil es dort nicht friedlich sei und sie dort nicht leben könnten. Die Menschen könnten von einem Tag zum anderen verschwinden. Auch wenn sie nicht glücklich wären, weil es ihnen wirtschaftlich schlecht gehen würde, hätten sie überhaupt keine Möglichkeit das Land zu verlassen. Der Vertretungsbevollmächtigte wies darauf hin, dass der Ehegatte ein Visum für 10 Jahre ausgestellt bekommen habe, in Beschäftigung stehe und daher von der Ausweisung der Asylwerberin und ihrem Sohn dauerhaft Abstand zu nehmen sei.
Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt:
1. Der auf § 73 Abs. 2 AVG gestützte Devolutionsantrag erweist sich als berechtigt, zumal die Rechtssache beim Bundesasylamt länger als 6 Monate anhängig war, ohne dass eine Sachentscheidung getroffen worden wäre. Das Bundesasylamt hat auch nicht dargelegt, dass die Verzögerung auf ein nicht überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Die an die Staatendokumentation gerichtete Anfrage wurde am 19.10.2007 beantwortet. Danach hat das Bundesasylamt keine weiteren Schritte - bis zum Devolutionsantrag am 02.04.2008 - gesetzt. Da sich der Devolutionsantrag solcherart als berechtigt erweist, hat der Asylgerichtshof anstelle des Bundesasylamtes in der Sache zu entscheiden.
2. Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich eine Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.
Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).
Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht gegeben. Dies im Hinblick darauf, dass die Asylwerberin die von ihr behaupteten Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte. Eine aktuelle Verfolgungsgefahr der Asylwerberin aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen konnte nicht festgestellt werden.
Dem Asylantrag war somit nicht stattzugeben.
3. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Abs. 3 leg. cit. abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.04.1999, 98/20/0561; 20.05.1999, 98/20/0300).
Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).
Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (nach der Rechtslage nach dem AsylG 1997 musste sich die Gefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen; zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;
VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 08.06.2000, 99/20/0203; 08.06.2000, 99/20/0586; 21.09.2000, 99/20/0373; 25.01.2001, 2000/20/0367;
25.01.2001, 2000/20/0438; 25.01.2001, 2000/20/0480; 21.06.2001, 99/20/0460; 16.04.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427).
Auch außergewöhnliche, vom Herkunftsstaat nicht zu vertretende Umstände (insbesondere schwere, nicht behandelbare Erkrankungen) können im Hinblick auf das Urteil des EGMR vom 02.05.1997 ein Abschiebungshindernis im Sinne von Artikel 3 EMRK iVm § 50 Abs. 1 FPG darstellen, wie mittlerweile auch vom Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen wurde (siehe z. B. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0043). Der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend (siehe z. B. VwGH 09.07.2002, 2001/01/0164) ist die Situation des Fremden - vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse - für den gedachten Fall der Abschiebung in die Überprüfung einzubeziehen. Es ist zu prüfen, ob die Asylwerberin und ihre Familienangehörigen im Fall der Rückschiebung in eine "aussichtslose Situation" geraten würden. Dies kann bei besondere familiären Verhältnissen (etwa Mutter mit Kleinkind, Schwangerschaft) dann der Fall sein, wenn im Falle der Rückkehr keine oder eine nicht zumutbare Unterkunft zur Verfügung stünde. Derartige besondere familiäre Verhältnisse liegen im konkreten Fall vor. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die Asylwerberin Mutter eines im Entscheidungszeitpunkt 3-jährigen Sohnes ist. Es konnte nicht festgestellt werden, dass in Äthiopien irgendwelche Verwandte der Asylwerberin leben, denen es möglich wäre, die Asylwerberin und ihren Sohn zu unterstützen und diese auch eine Wohnmöglichkeit erhalten könnten. Vor dem Hintergrund dieser Umstände ist für den Asylgerichtshof nicht erkennbar, wie es der Asylwerberin im Fall ihrer Rückkehr möglich sein sollte, für sich und ihr Kind eine eigene Existenzgrundlage aufzubauen. Die Asylwerberin verfügt über eine geringe Schulausbildung. Selbst bei Ausübung einfachster Tätigkeiten ist es ihr ohne gleichzeitigen familiären und sozialen Rückhalt kaum möglich eine - wenn auch nur bescheidene - Existenzgrundlage für ihr Kind und sich selbst zu sichern.
Zusammengefasst ist im Fall der Asylwerberin auf Grund der besonderen Umstände vom Fehlen jeglicher Existenzgrundlage auszugehen, sodass ihr eine Rückkehr nach Äthiopien im Lichte des Art. 3 EMRK nicht zugemutet werden kann.
4. Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Der Asylgerichtshof hat mit vorliegendem Erkenntnis der Asylwerberin den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 zu erteilen war.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.