A6 418.050-1/2011/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Unterer als Vorsitzende und die Richterin Dr. Schrefler-König als Beisitzerin über die Beschwerde des XXXX, ungeklärte Staatsangehörigkeit, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.02.2011, Zl. 11 00.025-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde vom 24.02.2011 wird der bekämpfte Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
I.1. Der Beschwerdeführer reiste eigenen Angaben zufolge am 02.01.2011 illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte an ebendiesem Tag unter Angabe seiner ghanaischen Staatsangehörigkeit gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der am 03.01.2011 stattgefundenen Erstbefragung des Beschwerdeführers durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen gab er an, am XXXX in Ghana geboren worden und Staatsangehöriger von Ghana zu sein. Zu den Gründen seiner Asylantragstellung befragt, führte er aus, dass sein Vater Mitglied eines Kultes wäre und ihn bei einer Opferung töten hätte wollen. Seine Mutter, die aus Nigeria stammte, hätte daraufhin Ghana mit dem Beschwerdeführer - der zu diesem Zeitpunkt zwei Jahre alt gewesen wäre - und seinen Geschwistern verlassen und sich in Nigeria niedergelassen. Vor etwa zwei Jahren sei der Vater des Beschwerdeführers nach Nigeria gekommen, um nach ihm zu suchen. Schließlich hätte dieser den Zwillingsbruder des Beschwerdeführers getötet. Die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers sowie er selbst wären daraufhin geflohen. Der Beschwerdeführer hätte sich etwa eineinhalb Jahre in Nigeria versteckt, bevor er schließlich seine Heimat im Juni 2009 in Richtung Griechenland verlassen habe. Bei einer Rückkehr befürchte er, von seinem Vater getötet zu werden.
I.2. Nachdem das Bundesasylamt mit Griechenland Dublin-Konsulationen geführt hatte und das Verfahren in weiterer Folge zugelassen worden war, fand am 09.02.2011 eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, statt. Anlässlich dieser Befragung gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass sein Vater vor etwa drei Jahren nach Nigeria gekommen wäre und den Beschwerdeführer aufgefordert hätte, einem geheimen Kult beizutreten. Als der Beschwerdeführer dies jedoch verweigert hätte, da der Kult nichts für Christen wäre, sei sein Vater mit vielen Personen gekommen und hätte den Bruder des Beschwerdeführers getötet. Zu seinen persönlichen Daten führte der Beschwerdeführer an, aus Ghana zu kommen und trotz 18-jährigen Aufenthaltes in Nigeria nicht die nigerianische Staatsbürgerschaft zu besitzen. Sein Vater stammte aus Ghana und seine Mutter aus Nigeria. Seitens des Bundesasylamtes wurde hiezu festgehalten, dass nicht geglaubt würde, der Beschwerdeführer sei aus Ghana. Personen aus Ghana würden anders aussehen und brächten vor allem Nigerianer häufig vor, aus Ghana zu stammen.
I.3. Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 3 AsylG 2005, BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen und ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf sein Herkunftsland Nigeria nicht zuerkannt. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Das Bundesasylamt hielt auf der ersten Bescheidseite die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers mit "unbekannt" sowie sein Herkunftsland mit "Nigeria" fest und traf sodann umfangreiche Länderfeststellungen zu Nigeria. Beweiswürdigend verwies die belangte Behörde weiters darauf, dass ihm hinsichtlich seiner behaupteten nigerianischen Staatsangehörigkeit Glauben geschenkt würde. Bezüglich der Gründe für das Verlassen seines Herkunftslandes merkte das Bundesasylamt an, dass die überwiegende Zahl der in den letzten Jahren vor österreichischen Asylbehörden aufgetretenen nigerianischen Asylwerber dem Grundsatz nach ähnlich gelagerte, stereotype Geschichten (vor allem "Sektengeschichten") vorgebracht hätten und sich diese oftmals als einstudiert herausgestellt hätten. Ungeachtet dessen, sei jeder Einzelfall einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers habe jedoch äußerst konstruiert gewirkt, zumal er keine detaillierten Schilderungen getätigt hätte. Zudem sei seinen Angaben hinsichtlich seiner Herkunft aus Ghana kein Glauben zu schenken. Vielmehr sei es üblich, dass Asylwerber aus Nigeria oft verbrächten, aus Ghana zu stammen, um eine Abschiebung zu erschweren. Selbst im Falle seiner Glaubwürdigkeit sei jedoch für ihn nichts gewonnen, da das von ihm geschilderte Problem keine Bedrohung darstellte, die vom Staat ausginge. Abschließend verwies das Bundesasylamt auf die Schutzfähigkeit und -willigkeit der nigerianischen Behörden sowie auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative.
I.4. Am 10.02.2011 übermittelte der Beschwerdeführer eine Ergänzung zu seiner Einvernahme vom 09.02.2011, in der er darauf hinwies, dass es eine reine Mutmaßung des Bundesasylamt darstellte, wenn es davon ausginge, er stammte nicht aus Ghana. Zudem deutete weder sein Familienname auf eine nigerianische Herkunft hin, noch hätten die griechischen Behörden Zweifel an seiner Herkunft gehegt. Im Zweifel sei daher davon auszugehen, dass er tatsächlich ghanaischer Staatsbürger sei. Unter einem beantragte der Beschwerdeführer die Beigabe eines Rechtsberaters.
I.5. Am 11.02.2011 wurde der Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.02.2011 dem Beschwerdeführer durch persönliche Übernahme ordnungsgemäß zugestellt.
I.6. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.02.2011, Zl. 11 00.025, wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Beigabe eines Rechtsberaters stattgegeben und Mag. Sibylle WAGNER als Rechtsberater für das Asylverfahren vor dem Bundesasylamt bestellt.
I.7. Gegen den (Asyl)Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.02.2011 erhob der Beschwerdeführer mittels seines nunmehr ausgewiesenen Rechtsvertreters am 24.02.2011 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgrund von Verfahrensmängeln. Darin betonte er, dass die belangte Behörde überhaupt keine konkreten Erhebungen angestellt und keine Experten beigezogen hätte. Tatsächlich könnte der Beschwerdeführer in seiner Heimat und jedenfalls auch nicht in Nigeria keinen geeigneten Wohnort finden und sei ihm eine menschenwürdiges Dasein im Falle einer Rückkehr daher nicht möglich. Die Argumente der belangten Behörde, die seine Unglaubwürdigkeit belegen sollten, seien nicht stichhaltig. Weiters seien seine Bindungen zu Österreich nicht ordnungsgemäß überprüft worden. Abschließend hielt der Beschwerdeführer fest, dass er mit Hilfe seines beigestellten Rechtsberaters noch wichtige Ergänzungen und Erklärungen vorbringen würde.
I.8. Mit Schriftsatz vom 25.02.2011 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Beigabe eines Rechtsberaters.
I.9. In weiterer Folge bestellte der Asylgerichtshof mit Beschluss vom 07.03.2011, Zl. A6 418.050-1/2011/3Z, gemäß § 66 Abs. 2 AsylG 2005 idgF Mag. Maria KOLLER zur Rechtsberaterin für das Verfahren in der gegenständlichen Beschwerdesache. In seiner Begründung führte der Asylgerichtshof aus, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Rechtsberater auch in den konkreten Asylverfahren zu bestellen seien.
Eine Stellungnahme ist bis zum Zeitpunkt gegenständlicher Entscheidung nicht beim Asylgerichtshof eingelangt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 2008/4, nimmt der Asylgerichtshof mit 1.7.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 1.7.2008 außer Kraft.
II.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff " Beschwerde" tritt.
II.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.
II.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
II.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.
II.6. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Auch der Asylgerichtshof ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315 und 21.11.2002, 2000/20/0084). Eine kassatorische Entscheidung darf von der Berufungsbehörde nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde (hier: der Asylgerichtshof) hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH 14.3.2001, 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084).
II.7. Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof) eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt gemäß § 37 AVG den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Diese Anordnung des Gesetzgebers würde aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens wesentlicher Sachverhaltsermittlungen in erster Instanz zu einer Verlagerung des Verfahrens vor den Asylgerichtshof käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn der Asylgerichtshof, statt seine (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, eigentlich jene Stelle darstellt, die in einer Gesamtbetrachtung erstmals den für das Verfahren sowie für eine Entscheidung wesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht. Dieser Gesichtspunkt ist auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - immer unter ausreichender Berücksichtigung des Parteieninteresses an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG einzubeziehen.
II.8. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).
II.9. Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, unter anderem in seinem Erkenntnis vom 24.02.2009, Zl. U 179/08-14, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer- Acht - Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 15.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).
II.10. Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung iSd § 66 Abs. 2 AVG unvermeidlich erscheint.
Das Bundesasylamt merkt im bekämpften Bescheid zwar an, dass jeder Asylfall einer eingehenden Prüfung zu unterziehen ist, doch hat dies die belangte Behörde im gegenständlichen Fall zur Gänze unterlassen und sich insbesondere mit den Aussagen des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit in nicht ausreichendem Maße auseinandergesetzt.
Hiezu muss zunächst festgehalten werden, dass die belangte Behörde den gesamten bekämpften Bescheid hindurch keine gleichlautenden Ausführungen zur Staatsangehörigkeit bzw. Herkunft des Beschwerdeführers getätigt hat. Während das Bundesasylamt auf der ersten Bescheidseite dessen Staatsangehörigkeit noch mit "unbekannt" und seine Herkunft mit "Nigeria" anführte, schenkte es dem Beschwerdeführer auf Seite 42 des Bescheides hinsichtlich seiner nigerianischen Staatsangehörigkeit Glauben - obwohl er selbst wohlgemerkt diesen Umstand niemals behauptet hat -, nur um auf Seite 44 wiederum festzuhalten, dass seine Herkunft aus Ghana nicht glaubhaft sei. Worauf sich letztere Vermutung stützte, begründete die belangte Behörde allerdings nicht.
Soweit das Bundesasylamt in diesem Kontext darauf hinweist, dass Asylwerber aus Nigeria oft vorbrächten, aus Ghana zu stammen, um eine Abschiebung zu erschweren, so stellt dieses Faktum allein - selbst wenn dies tatsächlich der Wahrheit entspräche - keine ausreichende Begründung dar, um dem Beschwerdeführer bloß deshalb die Herkunft aus Ghana abzusprechen. Denn wie die Behörde eben auch selbst einräumt, ist jeder Fall einzeln zu beurteilen.
Der Beschwerdeführer hat sowohl im Rahmen der Erstbefragung als auch im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesasylamt gleichlautend angegeben, in Ghana geboren worden zu sein und somit aus Ghana zu stammen. Er führte hiezu weiters aus, dass seine Mutter aus Nigeria käme, während sein Vater aus Ghana stammte. Im Alter von zwei Jahren wäre er nach Nigeria gebracht worden, wo er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2009 gelebt hätte. Die belangte Behörde wäre - ausgehend von diesen Angaben - dazu gehalten gewesen, in diesem Bezug weitere Ermittlungen zu tätigen und etwa bei der Staatendokumentation anzufragen, welche Staatsangehörigkeit(en) einer Person mit einem solchen behaupteten familiären Hintergrund wie jenem des Beschwerdeführers (Geburt in Ghana, Vater stammt aus Ghana, Mutter stammt aus Nigeria) zukommt(en). Die Einholung eines Sprachgutachtens erscheint hingegen im konkreten Fall des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund seiner Aussagen nicht zielführend, zumal ohnehin außer Frage steht, dass seine Hauptsozialisierung in Nigeria erfolgt ist. Da jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt seine mögliche Staatsangehörigkeit aus Ghana nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, erweist sich auch das festgestellte Herkunftsland Nigeria und in Folge die Prüfung der subsidiären Schutzgründe sowie der Ausweisung in Bezug auf Nigeria durch die belangte Behörde als voreilig.
Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass gemäß § 8 Abs. 6 2005 AsylG eine Refoulementprüfung hinsichtlich des fälschlicherweise behaupteten Herkunftsstaates zu unterbleiben und der Status eines subsidiär Schutzberechtigten jedenfalls nicht zu gewähren ist, wenn die Staatsbürgerschaft auch nach Durchführung dieser Ermittlungsschritte nicht mit hinreichender Sicherheit beziehungsweise Überzeugung festgestellt werden kann. Eine allfällige Ausweisung aus dem Bundesgebiet in Verbindung mit der eben zitierten Bestimmung hat diesfalls nicht zielstaatsorientiert zu erfolgen.
II.11. Aus dargestellten Erwägungen ist der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes und das diesem zugrundeliegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Das Bundesasylamt wird im fortgesetzten Verfahren in einer ergänzenden Einvernahme des Beschwerdeführers die konkreten Ermittlungsergebnisse unter Zugrundelegung aktueller Länderfeststellungen zu erörtern haben, um beurteilen zu können, ob das erstattete Vorbringen (auch und vor allem zur behaupteten Staatsangehörigkeit) tatsächlich als nicht glaubhaft qualifiziert werden kann. Eine allfällige gleichlautende Entscheidung wird unter Berücksichtigung der gewonnenen Ermittlungsergebnisse entsprechend zu begründen sein, sodass sie einer nachfolgenden Kontrolle standzuhalten vermag.
II.12. Von der durch § 66 Abs. 3 AVG eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn "hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist", war im vorliegenden Fall schon deshalb nicht Gebrauch zu machen, weil sich das Verfahren vor dem Asylgerichtshof - anders als das erstinstanzliche Asylverfahren - als Mehrparteienverfahren darstellt (vgl. § 67b Z 1 AVG), so dass schon aufgrund der dadurch bedingten Erhöhung des administrativ-manipulativen Aufwandes bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung, dies unter Berücksichtigung der §§ 51a bis d AVG und der Notwendigkeit der Ladung mehrerer Parteien, keine Kostenersparnis zu erzielen wäre. Hinzu kommt, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Asylgerichtshof zentral in Wien (mit einer Außenstelle in Linz) eingerichtet ist, sodass auch diesbezüglich eine Kostenersparnis nicht ersichtlich ist. Im Übrigen liegt eine rechtswidrige Ausübung des Ermessens durch eine auf § 66 Abs. 2 AVG gestützte Entscheidung schon dann nicht vor, wenn die beteiligten Behörden ihren Sitz am selben Ort haben (VwGH 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084, unter Verweis auf VwGH 29.01.1987, Zl. 86/08/0243).
II.13. Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall dem diesbezüglichen Antrag in der Beschwerde Rechnung zu tragen und das dem Asylgerichtshof gemäß § 66 Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im Fall eines gemäß § 66 Abs. 2 AVG ergangenen aufhebenden Bescheides die Verwaltungsbehörden (lediglich) an die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht gebunden sind (vgl. z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141); durch eine Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befand (VwGH 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), so dass das Bundesasylamt das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen hat.