Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Winkler - Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, wider die beklagte Partei DI W***** H*****, vertreten durch Giesinger, Ender & Partner Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen 4.140 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 13. März 2009, GZ 1 R 83/09b-32, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 2. Jänner 2009, GZ 4 C 2342/07g-27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 447,98 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 20 % USt 74,66 EUR) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrt die Kosten einer Reparatur am Oldtimer-Fahrzeug des Beklagten laut Rechnung vom 13. August 2007. Der Beklagte wandte - soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich - ein, die Klägerin habe sich nach Ausfolgung des reparierten Fahrzeugs eigenmächtig wieder in dessen Besitz gebracht und seine neuerliche Herausgabe unberechtigt verweigert. Der Beklagte habe für seine Berufsausübung einen Pkw benötigt und deshalb einen Mietwagen in Anspruch nehmen müssen. Die dafür bezahlten Kosten von 4.140 EUR wandte er aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein.
Das Erstgericht stellte die Klagsforderung ebenso wie die Gegenforderung als zu Recht bestehend fest und gab dem Klagebegehren mit der Differenz von 567,76 EUR samt Anhang unter Abweisung des Mehrbegehrens statt. Das Zurückbehaltungsrecht der Klägerin an dem reparierten Pkw sei mit dessen Ausfolgung erloschen. Sie habe die neuerliche Herausgabe zu Unrecht verweigert und dem Beklagten deshalb den Aufwand für ein Ersatzfahrzeug zu ersetzen.
Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil - mit Ausnahme eines Teils des Zinsenbegehrens - im klagsstattgebenden Sinn ab. Es liege ein beiderseitiges Handelsgeschäft vor, bei dem die nach § 471 ABGB notwendige Konnexität der Forderung zum Aufwand auf die Sache für eine Zurückbehaltung nicht erforderlich sei. Die Klägerin habe daher zu Recht von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht, sodass dem Beklagten kein Schadenersatz zustehe. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Frage des Wiederauflebens des unternehmerischen Zurückbehaltungsrechts keine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs aufgefunden werden könne.
In seiner von der Klägerin beantworteten Revision bekämpft der Beklagte vorweg die Rechtsansicht, der gegenständliche Vertrag sei nicht als Verbrauchergeschäft einzustufen. Der Beklagte sei Architekt und mangels spezieller Kenntnisse auf dem Gebiet der Kfz-Reparatur gegenüber der Klägerin ein schwächerer Geschäftspartner. Er halte das reparierte Oldtimer-Fahrzeug auch nicht zu beruflichen Zwecken, sondern als privates Hobby.
Zu der im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts angeführten Rechtsfrage führt der Revisionswerber aus, die Reparaturkostenforderung sei mangels hinreichend detaillierter Rechnung erst im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens fällig geworden, weshalb ein Zurückbehaltungsrecht keinesfalls bestanden habe. Das Berufungsgericht habe auch nicht beachtet, dass die Klägerin den Pkw nach der Ausfolgung eigenmächtig und listig wieder in ihre Gewahrsame gebracht habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Unternehmer im Sinn des § 1 UGB ist, wer ein Unternehmen, und zwar eine auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein, betreibt. Auch die Angehörigen der freien Berufe fallen unter diesen Unternehmerbegriff (vgl Krejci, Reformkommentar UGB, § 1 Rz 40 ff).
Nach § 343 UGB unterliegen alle unternehmensbezogenen Geschäfte eines Unternehmers, die zum Betrieb seines Unternehmens gehören, den Bestimmungen des Vierten Buchs des UGB. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Bestimmung bewusst einen Gleichklang mit dem I. Hauptstück des KSchG herstellen (vgl die RV zum HaRÄG in 1058 BlgNR 22. GP 19, 51; JAB zum HaRÄG in 1078 BlgNR 22. GP 3; Krejci aaO § 343 Rz 1).
1.1. Ist eine Zuordnung zum Unternehmen nicht eindeutig herstellbar oder liegt ein Geschäft sowohl im privaten als auch im Unternehmensinteresse, kommt § 344 UGB zum Tragen, wonach im Zweifel die von einem Unternehmer vorgenommenen Rechtsgeschäfte als zum Betrieb seines Unternehmens gehörig gelten (vgl Tades/Hopf/Kathrein/Stabentheiner ABGB II, § 1 KSchG E 13; Mayrhofer/Nemeth in Fenyves/Kerschner/Vonkilch ABGB, § 1 KSchG Rz 51). Unternehmensbezogen sind überdies nicht nur typische Hauptgeschäfte, sondern auch die Hilfs- und Nebengeschäfte eines Unternehmers, wie die Beschaffung und Reparatur von Betriebsmitteln (Kramer in Straube HGB online § 344 Rz 16), zu denen auch ein für Unternehmenszwecke eines Freiberuflers verwendetes Kraftfahrzeug gezählt werden muss. Auf das vom Beklagten behauptete Ungleichgewicht der Vertragsteile hinsichtlich ihres Wissens und ihrer Erfahrung mit der betroffenen Art von Rechtsgeschäften kommt es nicht an (vgl RIS-Justiz RS0065327, RS0065229 ua).
1.2. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH (zur Auslegung des Art 13 Abs 1 EuGVÜ) ist bei gemischter privater und gewerblicher Tätigkeit ein Geschäft nur dann als Verbrauchergeschäft anzusehen, wenn der berufliche Zweck so nebensächlich ist, dass er im Gesamtzusammenhang nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt (EuGH 20. 1. 2005 Rs C-464/01, Gruber, Slg 2005, I-439).
1.3. Schon in seinem Einspruch gegen den Zahlungsbefehl brachte der Beklagte vor, er fahre seine zwei Oldtimer im Alltagsgebrauch und habe nie einen Neuwagen besessen. Auch zur Begründung seiner Gegenforderung führte er ins Treffen, er habe ein Ersatzfahrzeug benötigt, weil er den streitgegenständlichen Pkw auch beruflich benütze. Eine gänzlich oder doch fast ausschließlich private Verwendung des gegenständlichen Fahrzeugs wurde vom Revisionswerber dagegen nicht einmal behauptet. Schon seinem eigenen Vorbringen folgend ist das Berufungsgericht daher zu Recht nach der Zweifelsregel des § 344 UGB von einem unternehmensbezogenen Geschäft ausgegangen.
2. Zur Frage der vorprozessualen Fälligkeit des Klagsanspruchs stehen die Ausführungen des Revisionswerbers im Widerspruch zum festgestellten Sachverhalt und zur ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
Es trifft zwar zu, dass die Fälligkeit eines Werklohns mit der ordnungsgemäßen Rechnungslegung verknüpft ist, wenn die Ermittlung des Entgeltanspruchs nach der Natur des Geschäfts und den Umständen des Falls eine genaue Abrechnung der erbrachten Leistungen und aufgewendeten Kosten voraussetzt (RIS-Justiz RS0017592 ua). Eine Verpflichtung des Werkunternehmers zu einer genauen Detaillierung des Entgelts nach Einzelleistungen besteht aber grundsätzlich nicht, weil durch die Übermittlung der Rechnung der Besteller nur über die Höhe des vorher nicht fix vereinbarten, vom Unternehmer beanspruchten Entgelts informiert werden soll. Es genügt, wenn der Unternehmer die von ihm erbrachten Leistungen einzeln anführt und für das Werk ein Gesamtentgelt berechnet, das der Besteller auf seine Angemessenheit überprüfen kann. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0021908; RS0021946).
Soweit die Revisionsausführungen zu suggerieren versuchen, die Streitteile hätten im Voraus eine bis ins kleinste Detail der Einzelleistungen aufgeschlüsselte und mit den Ankaufsrechnungen für die Ersatzteile ergänzte Rechnungslegung vereinbart, entfernen sie sich von den im Revisionsverfahren nicht mehr zu überprüfenden Tatsachenfeststellungen und zeigen keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall wahrzunehmende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht auf.
3. Das Zurückbehaltungsrecht nach § 369 UGB steht einem Unternehmer für seine fälligen Forderungen gegen einen anderen Unternehmer aus den zwischen ihnen geschlossenen unternehmensbezogenen Geschäften zu. Es besteht an den beweglichen Sachen des Schuldners, die mit dessen Willen aufgrund von unternehmensbezogenen Geschäften in seine Innehabung gelangt sind, sofern er sie noch innehat.
3.1. Die von der Revision in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, ob der Beklagte der Wiedererlangung des nach der streitgegenständlichen Reparatur bereits wieder ausgefolgten Fahrzeugs durch die Klägerin zumindest schlüssig seine Zustimmung erteilt hat, ist grundsätzlich einzelfallbezogen und nicht erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0043253).
Auch eine vom Obersten Gerichtshof zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen ist nicht zu erkennen. Da feststeht, dass der Beklagte der Klägerin zwecks Überprüfung der Startvorrichtungen den Standort des Fahrzeugs bezeichnet und die Schlüssel überlassen hat, ist eine Schlussfolgerung, er sei zu diesem Zweck auch mit der Überstellung des Fahrzeugs in die Werkstätte der Klägerin einverstanden gewesen, durchaus naheliegend und unbedenklich. Dass der Beklagte von der eher lebensfremden Erwartung ausgegangen wäre, die Klägerin werde eine technische Überprüfung des Fahrzeugs außerhalb der Werkstätte auf einem Parkplatz durchführen, hat er selbst nicht behauptet.
3.2. Der festgestellte Sachverhalt bietet auch keinen Anhaltspunkt für eine in der Revision neuerlich thematisierte dolose Beeinträchtigung des freien Willens des Beklagten.
Das Einverständnis des Schuldners mit der Gewahrsame des Gläubigers an der zurückbehaltenen Sache ist nach § 369 UGB Voraussetzung für das Entstehen des Zurückbehaltungsanspruchs. Der Einwand eines Willensmangels war daher grundsätzlich beachtlich und zu prüfen, auch wenn § 1440 ABGB auf unternehmensbezogene Geschäfte nicht unmittelbar anwendbar ist (vgl Jabornegg Zurückbehaltungsrecht 243 f; Schuhmacher in Straube, HGB³, § 369 Rz 13, mwN).
Listige Irreführung erfordert allerdings eine die Entstehung des Irrtums bezweckende, rechtswidrige und vorsätzliche Täuschung im Sinne eines (wenn auch nicht strafrechtlichen) Betrugs, die durch Vorspiegelung falscher oder Unterdrückung wahrer Tatsachen herbeigeführt werden kann. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist grundsätzlich ebenfalls eine nicht revisible Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0014790, RS0014821).
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts begegnet auch in diesem Punkt keinen begründeten Bedenken. Feststeht, dass die neuerliche Abholung des Fahrzeugs durch eine Beschwerde des Beklagten in seinem Schreiben vom 20. Oktober 2007 veranlasst wurde, worin er eine unzureichende Reparatur der Startvorrichtung durch die Klägerin in den Raum gestellt und um einen Vorschlag zur Behebung angefragt hatte. Dem Sachverhalt kann nicht entnommen werden, dass die Klägerin bereits bei der Abholung des Fahrzeugs andere Absichten gehegt hätte, als dem vom Beklagten geäußerten Verdacht nachzugehen und die Ursache für die Startprobleme herauszufinden.
3.3. Es entspricht dem Wortlaut des Gesetzes und der herrschenden Lehre und Rechtsprechung zu § 369 UGB bzw dem hinsichtlich des Normgehalts identen § 369 HGB aF, aber auch zu § 369 dHGB, dass das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers im Unterschied zum Retentionsrecht nach § 471 ABGB nicht nur für konnexe Forderungen besteht. Es ist nicht erforderlich, dass der zurückzuhaltende Gegenstand und die zu sichernde Forderung aus dem selben rechtlichen Verhältnis stammen. Wesentlich ist nur, dass es sich um eine fällige Geldforderung handelt, die auf einem beiderseitigen Unternehmergeschäft beruht. Nicht nur ein vertraglicher, sondern zB auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch kommt daher als die Zurückbehaltung begründende Forderung in Betracht (Schuhmacher in Straube HGB I³, § 369 Rz 1 mwN; Horn in Heymann, Handelsgesetzbuch, § 369; Stadler in Ebenroth/Bujong/Joost, HGB II, § 369 Rz 2, 16; Welter in MünchK HGB, § 369 Rz 33; RIS-Justiz RS0011480).
3.4. Das Zurückbehaltungsrecht erlischt mit dem Wegfall seiner gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere also durch den Untergang der zurückbehaltenen Sache, durch Erlöschen der besicherten Forderung und durch die freiwillige Aufgabe des Besitzes des Gläubigers. Wird die zurückbehaltene Sache vor Bezahlung der Forderung an den Schuldner herausgegeben, kann das Zurückbehaltungsrecht jedenfalls im Anwendungsbereich des § 471 ABGB wegen der selben Forderung nicht mehr ausgeübt werden, auch wenn die Sache später neuerlich mit Willen des Eigentümers in den Besitz des Gläubigers gelangt ist (RIS-Justiz RS0015228 [zu § 471 ABGB]; SZ 14/73; SZ 36/4; Schuhmacher aaO Rz 24; Welter aaO § 369 Rz 51; Horn aaO § 369 Rz 45; Stadler aaO § 369 Rz 40).
3.5. Die letztere Rechtsfolge lässt sich für § 369 UGB allerdings aus dem Gesetzeswortlaut selbst nicht ableiten, sie wird auch in der - soweit überblickbar stets Anwendungsfälle des § 471 ABGB betreffenden - Rechtsprechung und Literatur überwiegend ohne nähere Begründung fortgeschrieben. Für den Bereich des Retentionsrechts nach § 471 ABGB scheitert ein Wiederaufleben nach Herausgabe der Sache schon am Erfordernis der Sicherung eines konnexen Aufwands, der eben nur einmal vorliegen und bei einer neuerlichen Erlangung der Sache aufgrund eines anderen Geschäfts nicht mehr herangezogen werden kann. Gerade dieses Erfordernis besteht bei unternehmensbezogenen Geschäften jedoch nicht.
3.5. In einer älteren Entscheidung zum Retentionsrecht nach § 471 ABGB (2 Ob 167/32 vom 11. März 1933 = SZ 14/73) argumentierte der Oberste Gerichtshof mit einem Größenschluss zu § 467 ABGB. Weil die vorbehaltslose Rückgabe einer verpfändeten Sache sogar zum Erlöschen des Pfandrechts führt, müsse dies auch für das schwächere Zurückbehaltungsrecht gelten. Dagegen kann allerdings eingewendet werden, dass der gegenüber einem Pfandrecht deutlich geringere Eingriff in die Rechte des Eigentümers auch unterschiedliche Folgen rechtfertigen kann. Das Pfandrecht entsteht durch Vertrag oder unmittelbar aufgrund des Gesetzes. Das Zurückbehaltungsrecht setzt dagegen zwar eine vertragliche Verbindung des Gläubigers und Schuldners voraus, seine Ausübung stellt aber ein einseitiges Gestaltungsrecht des Gläubigers im Sinne eines Selbsthilferechts dar.
Aus der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 130/02i lässt sich unmittelbar keine von der ständigen Rechtsprechung abweichende Beurteilung gewinnen, weil darin lediglich obiter dictum festgehalten wird, dass § 369 HGB aF im Gegensatz zu § 471 ABGB keine Konnexität der Forderungen voraussetzt (so auch Krejci in Unternehmensrecht, 327). Auf die - im dort entschiedenen Fall nicht relevanten - Konsequenzen für ein allfälliges Wiederaufleben des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts wird darin nicht konkret eingegangen.
Gegen eine Wiederbegründung des Zurückbehaltungsrechts kann ins Treffen geführt werden, dass in der freiwilligen Rückgabe der Sache ein endgültiger Verzicht auf die Sicherstellung der bis dahin fälligen Forderungen zu erblicken sein könnte. Nicht weil eine fällige Forderung aus früheren unternehmensbezogenen Geschäften an sich ungeeignet wäre, das Zurückbehaltungsrecht nach § 369 UGB zu begründen, sondern wegen des freiwilligen Verzichts auf seine Ausübung wäre dann ein Wiederaufleben des Zurückbehaltungsrechts ausgeschlossen. In diese Richtung argumentiert auch Schuhmacher (aaO § 369 Rz 24), wenn er ein Wiederaufleben des Zurückbehaltungsrechts nur mit Blick auf die ursprünglich gesicherten Forderungen, aber nicht wegen zwischenzeitlich entstandener neuer Forderungen des Gläubigers ausschließt.
Diese auf den ersten Blick überzeugend erscheinende Argumentation führt allerdings insoweit zu einem inkonsequenten Ergebnis, als es ein Zurückbehaltungsrecht zu Gunsten der ursprünglich gesicherten Forderung an einer anderen Sache des Schuldners nicht ausschließt. Eine Werkstätte, die einem Unternehmer aufgrund ständiger Geschäftsbeziehung ein repariertes Fahrzeug vor Bezahlung ausgefolgt hat, könnte wegen der selben Forderung bei nächster Gelegenheit zwar nicht das einst reparierte Fahrzeug, sehr wohl aber ein anderes Fahrzeug ihres Kunden zurückbehalten. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Differenzierung ist nicht ersichtlich.
Andererseits kann eine Verpflichtung des Gläubigers, sein Zurückbehaltungsrecht für jede offene Forderung immer bereits bei der nächsten Gelegenheit auszuüben, widrigenfalls er es für die Zukunft zur Gänze verliert, weder aus dem Wortlaut des § 369 UGB abgeleitet werden, noch entspricht es seiner Intention, für den Handelsverkehr eine gegenüber den Regelungen des ABGB vereinfachte Sicherstellungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen.
Der in der herrschenden Literatur und Rechtsprechung gebrauchte Ausdruck des „Wiederauflebens" eines Zurückbehaltungsrechts trifft tatsächlich auch nur auf den Anwendungsbereich des § 471 ABGB zu. Dieser erfordert eine konnexe Forderung, daher kann das Zurückbehaltungsrecht nach seiner Beendigung - aus welchem Grund auch immer - nicht mehr neu begründet werden, und zwar weder an der selben, noch an einer anderen Sache. Da sich der Anwendungsbereich des § 369 UGB im Gegensatz dazu aber grundsätzlich auf alle aktuell fälligen Forderungen des Gläubigers bezieht, entsteht das Zurückbehaltungsrecht bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen jedesmal wieder originär, ohne dass es eines Rückgriffs auf allfällige frühere Rechte oder der Konstruktion eines Wiederauflebens bedürfte.
Nur dieses Ergebnis trägt auch den praktischen Bedürfnissen des Wirtschaftsverkehrs Rechnung. Im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung kann es unter Umständen kaum mehr nachvollziehbar sein, wann ein Zurückbehaltungsrecht für eine bestimmte Forderung erstmals ausgeübt werden hätte können. Damit im Einklang steht auch das Argument des Berufungsgerichts, dass bei Geschäften zwischen Unternehmern im Unterschied zu Verbrauchergeschäften kein besonderer Schuldnerschutz erforderlich scheint.
3.6. Der Klägerin stand daher ein Zurückbehaltungsrecht für die Kosten der im August 2007 durchgeführten Reparatur zu, obwohl sie das Fahrzeug dem Beklagten zunächst ohne Bezahlung wieder ausgefolgt hatte.
4. Die Gegenforderung des Beklagten besteht schon mangels rechtswidrigen Verhaltens der Klägerin nicht zu Recht, sodass auf den grundsätzlich gewichtigen, bisher nicht behandelten Einwand der Verletzung seiner Schadenminderungspflicht nicht mehr einzugehen ist.
Der Revision war daher keine Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E93079European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0050OB00113.09T.1124.000Im RIS seit
24.12.2009Zuletzt aktualisiert am
19.12.2013