TE OGH 2009/11/24 10Ob103/08g

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Veröffentlicht am 24.11.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Phoebe B*****, geboren am 27. November 1993 und Maia B*****, geboren am 10. Dezember 1997, beide: *****, beide vertreten durch das Land Salzburg als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Salzburg, Stadtjugendamt, Saint-Julien-Straße 20, 5024 Salzburg), über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 15. Mai 2008, GZ 21 R 59/08k-U12, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 9. Jänner 2008, GZ 41 P 189/07s-U6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die am 27. 11. 1993 geborene Phoebe B***** und die am 10. 12. 1997 geborene Maia B***** sind die Töchter von Christine B***** und Michael B*****. Die Minderjährigen, die nunmehr bei ihrer Mutter in Österreich leben, und ihre Eltern sind österreichische Staatsbürger. Die Ehe der Eltern ist aufrecht. Zunächst lebte die Familie gemeinsam in Vancouver, Kanada, Provinz British Columbia. Im Mai 2006 übersiedelten die Kinder mit ihrer Mutter, der die Obsorge alleine zukommt, nach Salzburg.

Am 28. 12. 2007 beantragten die Minderjährigen, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger (JWT), neuerlich (vgl die Antragsabweisung vom 7. 11. 2007, ON U3) die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG von monatlich 249,30 EUR je Kind. Der Vater sei nach dem Unterhaltstitel (= Gerichtsbefehl des Landesgerichts British Columbia, Nr. 06-49975 vom 15. 5. 2006) zu monatlichen Unterhaltszahlungen für beide Kinder gemeinsam von 709 kanadischen Dollar (CAD) verpflichtet worden, was per 27. 12. 2007 einem Unterhaltsbeitrag von 498,60 EUR entspreche. Es sei „anzunehmen", dass jedem Kind die Hälfte des festgesetzten Unterhaltsbetrags gebühre. Seit Juni 2007 leiste der Vater nicht mehr den titelmäßig festgesetzten Unterhalt. Die Rechtsprechung verlange eine Exekutionsführung im Ausland nur dann, wenn - kumulativ - die Vollstreckbarkeit durch die Behörden im Ausland praktisch gesichert und der Aufenthalt des Schuldners und sein Beschäftigungsverhältnis bekannt seien. Letzteres sei hier nicht erfüllt.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen ab. Es stellte noch fest, dass nicht bekannt sei, ob der Vater derzeit einer Beschäftigung nachgehe, und führte in rechtlicher Hinsicht aus, aufgrund dieses Umstands könne noch nicht von vornherein von einer Erfolglosigkeit der Exekutionsführung ausgegangen werden. Die den Antrag stützenden Angaben stellten lediglich Annahmen der Mutter dar, die - ohne den Versuch des Verfahrens über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland gemacht zu haben - jedenfalls nicht ausreichend seien, um diese Voraussetzung für die beantragte Vorschussgewährung zu erfüllen. Sollte sich - nach Durchführung dieses Verfahrens - herausstellen, dass die Führung einer Exekution tatsächlich aussichtslos sei, wäre ein Unterhaltstitel vorzulegen, der ziffernmäßig für beide Kinder bestimmt sei. Der vorgelegte Titel beziehe sich auf eine Gesamtsumme für beide Kinder. Bei den begehrten Unterhaltsbeträgen von 249,30 EUR je Kind handle es sich ebenfalls nur um Annahmen, welcher Betrag für welches Kind bestimmt sein solle. Grundvoraussetzung sei aber immer ein „in Geld je Kind bestimmbarer Unterhaltstitel".

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es pflichtete der Rechtsansicht des Erstgerichts bei, dass kein für die Unterhaltsbevorschussung tauglicher Exekutionstitel im Sinn des § 3 Z 1 UVG vorliege. Die praxisnahe Ansicht der älteren Rechtsprechung, dass auch ein Unterhaltstitel, der sich auf einen bestimmten Unterhaltsbetrag für mehrere Kinder gemeinsam beziehe (Globalunterhalt in einem Unterhaltsvergleich), dann zur Vorschussgewährung geeignet sei, wenn die Kinder gemeinsam einen Unterhaltsvorschussantrag stellten, sei im Hinblick auf die Teilbarkeit der Forderung nach § 889 ABGB problematisch. Die Schwierigkeit zeige sich im Vergleich zu Exekutionsanträgen mehrerer Unterhaltsgläubiger: Hier werde die Angabe verlangt, welche Unterhaltsansprüche jeder einzelne Berechtigte betreibe oder in welchem Verhältnis die Forderung auf die mehreren Gläubiger aufzuteilen sei, was vor allem wegen der Anrechnung von Zahlungen relevant sei. Diese Argumente müssten auch für Unterhaltsvorschüsse gelten, einerseits wegen des engen Zusammenhangs mit einer Exekution im Gewährungsstadium, andererseits wegen der Notwendigkeit der Anrechnung der Zahlungen auf die einzelnen Kinder im Rückzahlungsstadium (Neumayr in Schwimann ABGB I³ § 3 UVG Rz 7 mwN).

Das Rekursgericht schließe sich dieser Auffassung an, wobei zwar bei ausländischen Titeln eingeschränktere Anforderungen an die Bestimmtheit gestellt würden, die sich jedoch vornehmlich auf Unterhaltstitel bezögen, bei denen die Titelhöhe bloß bestimmbar sei, nicht jedoch für mehrere Kinder ein gemeinsamer (Global-)Unterhalt festgesetzt werde (vgl Neumayr in Schwimann ABGB I³ § 5 UVG Rz 11). Im vorliegenden Unterhaltstitel werde aber ein Gesamt-Kindesunterhalt für beide Kinder ausgeworfen. Dies entspreche nicht den Anforderungen, die unter Bedachtnahme auf die Systematik des UVG an einen im Inland vollstreckbaren Exekutionstitel zu stellen seien.

Die von den Rekurswerbern zitierten Entscheidungen 3 Ob 299/99p und 3 Ob 229/06g seien nicht einschlägig, weil sie nichts über die Möglichkeit der (Titel-)Bevorschussung von Unterhaltstiteln besagten, die den Unterhaltsbeitrag für mehrere Kinder global festsetzen. Im vorliegenden Fall gehe es aber nicht um die Frage der Vollstreckbarkeit des Unterhaltstitels sondern darum, ob ein den Erfordernissen des Unterhaltsvorschussverfahrens, wie sie von Neumayr (in Schwimann ABGB I³ § 3 UVG Rz 7) dargelegt würden, entsprechender Exekutionstitel gegeben und daher einer Bevorschussung zugänglich sei. Mangels eines solchen sei auf die weitere Frage der Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung gegen den Vater nicht mehr einzugehen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil zu der vom Rekursgericht als überzeugend angesehenen Lehrmeinung von Neumayr eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch den JWT, mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im antragsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Das Erstgericht stellte dieses Rechtsmittel zunächst nur dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz zur allfälligen Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung zu und legte es, nachdem keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet worden war, im Weg des Rekursgerichts dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Mit Beschlüssen des erkennenden Senats vom 22. 12. 2008 und 16. 6. 2009 wurden die Akten dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, den Beschluss des Rekursgerichts und eine Gleichschrift des Revisionsrekurses der Minderjährigen an die Mutter und den Vater zur allfälligen Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zuzustellen. Nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist hinsichtlich aller Verfahrensbeteiligten wurden die Akten, denen folgender (weiterer) Verfahrensablauf zu entnehmen ist, dem Obersten Gerichtshof nunmehr neuerlich zur Entscheidung vorgelegt:

Die Minderjährigen, vertreten durch den JWT, haben am 13. 8. 2008 einen Antrag auf Vollstreckung der Unterhaltsforderungen gegen den Vater in Kanada gestellt (ON U 15). Am 3. 12. 2008 teilten sie mit, dass die in Kanada für die Unterhaltsdurchsetzung zuständige Behörde darum gebeten habe, per Fax eine aktuelle Erklärung über den Unterhaltsrückstand vorzulegen, um deren Weiterleitung das Bundesministerium für Justiz (BMJ) ersucht werde, wobei der Unterhaltsschuldner seit August 2008 (Zeitpunkt der ersten Aufstellung) folgende Zahlungen geleistet habe: September: 400 CAD; Oktober, November und Dezember jeweils 863 CAD (ON U19).

Am 28. 1. 2009 beantragten die Minderjährigen im Hinblick auf die derzeitige Situation (seit September 2008 werde der laufende Unterhalt überwiegend bezahlt) und einen Wunsch der Mutter, das Unterhaltsvollstreckungsverfahren aufzuschieben; dieser Antrag wurde jedoch umgehend wieder zurückgezogen (ON U22 und U23).

Am 17. 2. 2009, 9. 4. 2009 und 29. 4. 2009 teilte das BMJ mit, dass die (von der Zentralstelle in Kanada offenbar zunächst dem BMJ übermittelten [vgl ON U29 Blatt 3]) beiden Schecks über 909 CAD und ein Scheck über 117,25 CAD eingelangt seien, eingelöst würden und nach Spesenabzug auf das bekanntgegebene Konto des JWT eingezahlt würden (ON U27, U32 und U34).

Am 29. 4. 2009, und 19. 6. 2009 übermittelte das BMJ jeweils das Ersuchen der kanadischen Zentralstelle vom 27. 4. 2009 um Stellungnahme zu einer vom Vater behaupteten Überzahlung von 2.101 CAD im Zeitraum Juni 2006 bis Mai 2007 und teilte schließlich am 2. 7. 2009 mit, dass nach Information der „australischen" (richtig: kanadischen) Zentralstelle - mangels Reaktion auf die übermittelten Schreiben - offenbar der Betrag von 2.101 CAD nunmehr aufgerechnet werde, weil laut Vorbringen des Verpflichteten vom ihm eine Überzahlung in dieser Höhe geleistet worden sei (ON U29, U30 und U33).

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Im vorliegenden Fall ist bereits die erforderliche Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung im Ausland zu verneinen:

§ 3 UVG stellt zwar in Z 1 auf einen im Inland vollstreckbaren Exekutionstitel ab, differenziert aber in Z 2 nicht danach, ob die die Unterhaltsvorschussgewährung bedingende Exekution im Inland oder Ausland zu führen ist. Allein § 4 Z 1 UVG idF BGBl 1980/278 sieht einen Grund für die Unterhaltsvorschussgewährung darin, dass die Führung einer Exekution nach § 3 Abs 2 UVG aussichtslos erscheint, weil beispielsweise „im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Ertrag erwarten lässt, nicht bekannt ist."

Eine Exekutionsführung im Ausland erscheint dem Gesetzgeber somit grundsätzlich nicht von vornherein als „aussichtslos"; es verbleibt vielmehr ein Spielraum für die Anwendung des § 3 UVG, wenn der Aufenthalt und die Beschäftigung des Unterhaltsschuldners bekannt sind und die Vollstreckung unbeschwerlich ist, zB weil der Titel - wie hier - in demselben Staat zu vollstrecken ist, in dem er geschaffen wurde (Neumayr in Schwimann ABGB I³ § 3 UVG Rz 42 mwN und § 4 UVG Rz 9).

Zu Recht hat das Erstgericht den Antrag daher (auch) mangels Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung im Ausland abgewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass ein Vollzug in Kanada für die Antragstellerinnen besonders beschwerlich wäre, obwohl ohnehin eine ausländische (kanadische) Entscheidung im selben Land (Kanada) zu vollstrecken ist, fehlen - nach dem dargestellten Verfahrensablauf - nämlich völlig (vgl RIS-Justiz RS0076068).

Dem Revisionsrekurs der Minderjährigen muss daher schon aus diesem Grund ein Erfolg versagt bleiben.

Textnummer

E92439

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0100OB00103.08G.1124.000

Im RIS seit

24.12.2009

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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