Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen Stefan S*****, vertreten durch die Mutter Elke S*****, ebendort, diese vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, wegen Unterhalt über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 15. Jänner 2009, GZ 2 R 7/09t-U38, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 12. Dezember 2008, GZ 3 P 382/06w-U32, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Vorinstanzen haben den geldunterhaltspflichtigen Vater Wolfgang L***** verpflichtet, an Sonderbedarf einmalig einen Kostenanteil einer notwendigen kieferorthopädischen Behandlung des Minderjährigen in Höhe von 280 EUR zusätzlich zu seiner monatlichen Unterhaltsverpflichtung zu bezahlen. Ein darüberhinausgehendes Begehren wurde mit der Begründung abgewiesen, die Leistungsfähigkeit des Vaters sei ua durch dessen Unterhaltspflicht gegenüber seiner jetzigen Gattin ohne Berücksichtigung des von ihr bezogenen Kinderbetreuungsgeldes erschöpft.
Das Rekursgericht hat den ordentlichen Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung für zulässig erklärt, weil noch nicht abschließend geklärt sei, ob sich die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber seiner jetzigen Ehefrau durch deren Bezug eines Kinderbetreuungsgeldes für ein weiteres Kind vermindere. Im Hinblick auf ein vom Obersten Gerichtshof beim Verfassungsgerichtshof eingeleitetes Prüfungsverfahren bedürfe die Rechtsfrage, wie die Wortfolge „noch des beziehenden Elternteils" in § 42 KBGG in verfassungsrechtlicher Hinsicht zu beurteilen sei, der Klärung. Der Minderjährige hat gegen den Beschluss des Rekursgerichts Revisionsrekurs erhoben und darin einen Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts erweist sich der ordentliche Revisionsrekurs als nicht zulässig:
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 14. April 2009 das Verfahren bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 17. Dezember 2008, AZ 7 Ob 223/08g, eine Wortfolge in § 42 sowie § 43 Abs 1 KBGG idF BGBl I 2007/76 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28. September 2009, G 9/09-12, G 42/09-8 die Anträge gemäß Art 140 B-VG, soweit sie § 42 KBGG betrafen, abgewiesen.
Zielsetzung des Kinderbetreuungsgeldes sei die finanzielle Unterstützung der Eltern während der Betreuung ihres Kindes in den ersten Lebensjahren im Sinn einer Abgeltung der Betreuungsleistung oder der Ermöglichung der Inanspruchnahme außerhäuslicher Betreuung. Das Kinderbetreuungsgeld solle dabei nur jenen Eltern gewährt werden, die bereit seien, die Berufstätigkeit im Hinblick auf die Kinderbetreuung einzuschränken oder gänzlich aufzugeben (vgl auch VfGH 26. 2. 2009, G 128/08 ua). Dem Gesetzgeber stehe es von Verfassungs wegen frei, eine Transferleistung dieser Art, die nur eine begrenzte Zeit hindurch gewährt werde und einen Betrag von 14,53 EUR bis 26,60 EUR täglich (je nach Bezugsdauer) nicht überschreiten könne, dem betreuenden Elternteil „vorzubehalten" und Personen (Kinder), die dem betreuenden Elternteil gegenüber unterhaltsberechtigt sind, von einer Partizipation daran auszuschließen. Die Ansprüche der geldunterhaltsberechtigten Kinder würden durch eine solche Regelung nicht anders berührt, als hätte der betreuende Elternteil seine Erwerbstätigkeit zugunsten der Betreuungstätigkeit gegenüber naturalunterhaltsberechtigten Kindern vorübergehend gänzlich eingestellt. Die Entscheidung, die Erwerbstätigkeit zugunsten der Betreuungstätigkeit einzustellen, sei nach den allgemeinen Grundsätzen der Anspannungstheorie unter Berücksichtigung der Einengung der Erwerbsmöglichkeiten durch Betreuungspflichten für Kleinkinder zu beurteilen.
§ 42 KBGG sei daher kein verfassungswidriger Inhalt beizumessen und zwar weder in dem Fall, dass das Kinderbetreuungsgeld beim beziehenden Elternteil in die Bemessungsgrundlage für eine allfällige Unterhaltsverpflichtung einzubeziehen sei, noch bestünde eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, § 42 KBGG in dem Sinn zu interpretieren, dass die Vorschrift auf Unterhaltsverpflichtungen überhaupt nicht anwendbar sei.
Welcher Inhalt der Vorschrift beizulegen sei, hätten die Zivilgerichte zu entscheiden.
Damit ist jene Rechtsfrage, die vom Rekursgericht als erheblich iSd § 62 Abs 1 AußStrG beurteilt wurde, im folgenden Sinn geklärt:
Das von der jetzigen Gattin des geldunterhaltspflichtigen Vaters bezogene Kinderbetreuungsgeld mindert nicht deren Unterhaltsansprüche gegenüber ihrem Ehegatten, sodass bei Errechnung der Leistungsfähigkeit des geldunterhaltspflichtigen Vaters für den Sonderbedarf des minderjährigen Antragstellers von seiner vollen Unterhaltspflicht gegenüber seiner jetzigen Gattin auszugehen war. In diesem Sinn haben die Vorinstanzen entschieden.
Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG liegen darüber hinaus nicht vor. Das hatte zur Zurückweisung des Rechtsmittels des minderjährigen Antragstellers zu führen.
Anmerkung
E927065Ob53.09vEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0050OB00053.09V.1124.000Zuletzt aktualisiert am
21.01.2010