Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. Stürzenbecher-Vouk als Vorsitzende, die Richterin des Oberlandesgerichtes Maga. Smutny und den Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Nigl (Senat gemäß § 11a Abs 2 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Reinhard Neureiter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*****, ***** vertreten durch Mag. Eva Liebscher, M*****, wegen Pflegegeld (Rekursinteresse EUR 250,93) über den Rekurs der beklagten Partei gegen die im Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 1.9.2009, 5 Cgs 114/09d-13, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu
tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Text
Mit dem – ausschließlich im Kostenpunkt – angefochtenen Urteil sprach das Erstgericht dem Kläger ab 1.1.2009 Pflegegeld der Stufe 2 im Ausmaß von EUR 284,30 monatlich zu und verpflichtete die beklagte Partei zum Kostenersatz, wobei es die zugesprochenen Kosten antragsgemäß mit EUR 751,45 (darin enthalten EUR 124,51 USt und EUR 4,40 Barauslagen) ausmittelte. Zur Begründung der angefochtenen Kostenentscheidung wird im Ersturteil ausgeführt, dass sich diese auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG im Zusammenhang mit der kontrollierten und nicht beeinspruchten Kostennote des Klagevertreters gründen würde.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Kostenrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, in Stattgebung des Rekurses die Kosten mit einem Betrag von EUR 500,52 (darin enthalten EUR 82,68 USt und EUR 4,40 Barauslagen) in eventu mit einem Betrag von EUR 526,06 (darin enthalten EUR 86,94 USt und EUR 4,40 Barauslagen), allenfalls mit EUR 624,75 (darin enthalten EUR 103,39 USt und EUR 4,40 Barauslagen) zu bestimmen.
Der Kläger beantragt in seiner Kostenrekursbeantwortung, dem Rekurs
nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist unzulässig.
Im vorliegenden Verfahren ist der Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 1.9.2009 erfolgt. Es ist daher § 54 Abs 1a ZPO idF BGBl I 2009/52 anzuwenden. Nach dieser Bestimmung ist das am Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz dem Gericht zu übergebende Kostenverzeichnis gleichzeitig auch dem Gegner auszuhändigen. Dieser kann dazu binnen einer Notfrist von 14 Tagen Stellung nehmen. Soweit der Gegner gegen die verzeichneten Kosten keine begründeten Einwendungen erhebt, hat das Gericht diese seiner Entscheidung zu Grunde zu legen.
Dem Protokoll der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 1.9.2009 ist nicht zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Klagevertreter auch der beklagten Partei ein Kostenverzeichnis ausgehändigt hat, weil vom Erstgericht lediglich festgehalten wurde: „Nach Aufforderung legt der KV Kostennote“. Da die beklagte Partei aber selbst in ihrem Rekurs kein Vorbringen dahingehend erstattet, dass den Vorschriften des § 54 Abs 1a ZPO nicht entsprochen worden wäre, ist jedoch davon auszugehen, dass sie ein Kostenverzeichnis des Klägers erhalten hat. Im Übrigen weist auch der Umstand, dass die beklagte Partei sich in ihrem Rekurs inhaltlich mit dem Kostenverzeichnis des Klägers auseinandergesetzt hat, darauf hin, dass ihr dieses zur Verfügung gestellt wurde.
Wie dem Akteninhalt weiter zu entnehmen ist, hat die beklagte Partei keine Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis des Klägers erhoben bzw sonst binnen 14 Tagen dazu Stellung genommen. Das Erstgericht hatte daher im Hinblick darauf, dass durch die Einführung des § 54 Abs 1a ZPO die Dispositionsmaxime auf den Kostenersatzanspruch ausgedehnt wurde, davon auszugehen, dass die beklagte Partei einer entsprechenden, also vollinhaltlichen Berücksichtigung der vom Kläger verzeichneten Kosten im Rahmen der Kostenentscheidung nicht entgegentritt und diese seiner Kostenentscheidung ungeprüft zu Grunde zu legen (vgl. Höllwerth, Einwendungen gegen die Kosten, ÖJZ 2009/80;
Fucik, Mustereinwendungen gegen das Kostenverzeichnis, ÖJZ 2009/86;
Woller, Budgetbegleitgesetz 2009, ecolex 2009, 567; vgl. auch 113 BlgNr XXIV GP 31).
Der gegenteilig vertretenen Meinung (vgl. Mayr, zivilverfahrensrechtliche Neuerungen des Budgetbegleitgesetzes 2009, ecolex 2009, 562 und Salficky, Gedanken zu § 54 Abs 1a ZPO, AnwBl 2009, 473) kann nicht gefolgt werden, weil wie ausgeführt und nicht zuletzt auch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen ist, der Gesetzgeber nunmehr die Dispositionsmaxime über das bisherige Prinzip der (amtswegigen) Überprüfung der verzeichneten Kosten stellt. Es wird damit nunmehr auch in diesem Bereich den Parteien überlassen, durch prozessuale Handlungen oder Unterlassungen – ähnlich wie bei einer Außerstreitstellung bzw. bei Fehlen einer substantiierten Bestreitung –jenen Rahmen zu definieren, in dem eine Überprüfung der vom Prozessgegner verzeichneten Kosten durch das Gericht stattzufinden hat.
Soweit Mayr (aaO) dagegen ins Treffen führt, dass die nunmehr vom Gesetz vorgeschriebene Vorgehensweise im Endeffekt darauf hinauslaufe, dass die Höhe des Kostenersatzes gar nicht mehr vom Gericht entschieden, sondern von den Parteien(vertretern) bestimmt werde, was den (von Mayr nicht näher definierten) Grundprinzipien des österreichischen Kostenrechts und dem unverändert beibehaltenen § 21 RATG widerspreche, ist dem entgegenzuhalten, dass eine Erweiterung der Dispositionsmaxime im streitigen Zivilprozess von der Hauptsache auf die Verfahrenskosten keineswegs als so systeminkonform erscheint, dass bei einer Auslegung der Bestimmung des § 54 Abs 1a ZPO vom klaren Wortlaut der Bestimmung, nämlich der Anordnung, dass das unwidersprochen gebliebene Kostenverzeichnis der Entscheidung des Gerichts zu Grunde zu legen ist, abzugehen wäre. Wenn aber vom Gesetzgeber angeordnet wird, dass die Kostenentscheidung, also der Zuspruch von Kosten an eine der Parteien, auf der Grundlage des vorliegenden Kostenverzeichnisses zu erfolgen hat, so ergibt sich daraus eindeutig, dass keine weitere Kompetenz des Gerichtes zur Überprüfung dieser Grundlage mehr besteht.
Dem widerspricht auch § 21 Abs 1 1. Satz RATG nicht, weil diese Bestimmung lediglich aussagt, dass die richterliche Befugnis, die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der einzelnen Leistungen zu prüfen, durch das RATG unberührt bleibt. Die nunmehr angeordnete Ausweitung der Dispositionsmaxime auf das Kostenersatzrecht wurde vom Gesetzgeber aber nicht im Rahmen des RATG sondern systemkonform im Rahmen der ZPO geregelt. Der ins Treffen geführte Widerspruch liegt damit in Wahrheit nicht vor, bezieht sich § 21 RATG doch nur auf die Bestimmungen dieses Gesetzes und im Übrigen auch nur auf die Überprüfung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der einzelnen Leistungen. Eine Überprüfungsmöglichkeit der verzeichneten Kosten in Bezug auf eine offenkundige oder gerichtsbekannte Unrichtigkeit wurde vom Gesetzgeber (anders als etwa in § 396 Abs 1 ZPO) gerade nicht vorgesehen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist bei Fehlen eines Beschwerdeinteresses der Rekurs zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0006880). Wie auch Höllwerth (aaO) richtig ausführt, fehlt der Partei, die keine Einwendungen erhoben hat infolge der dadurch vom Gesetz unterstellten Zustimmung (vgl. auch Woller, aaO) bei Vorliegen einer dem Kostenverzeichnis entsprechenden Kostenentscheidung des Erstgerichts die Beschwer, sodass der Rekurs der beklagten Partei im Ergebnis zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 und 52 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen, sodass ihm für die Rekursbeantwortung keine Kosten zuzuerkennen waren (vgl RIS-Justiz RS0035962; 4 Ob 80/84 [4 Ob 81/84]; 7 Ob 38/00i; 9 ObA 32/01y [9 ObA 33/01w]; 2 Ob 55/09s ua).
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf den Bestimmungen des § 2 Abs 1 ASGG iVm § 528 Abs 2 Z 3 ZPO. Oberlandesgericht Wien
1016 Wien, Schmerlingplatz 11
Anmerkung
EW007067Rs145.09hEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2009:0070RS00145.09H.1125.000Zuletzt aktualisiert am
04.02.2010