Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. J***** T*****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, gegen die beklagte Partei H***** T*****, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 19. Mai 2009, GZ 2 R 127/09i-33, womit das Urteil des Bezirksgerichts Mürzzuschlag vom 3. Februar 2009, GZ 8 C 41/07d-29, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes am 10. August 1996 heirateten die Streitteile am 9. November 1996. Die ersten beiden Ehejahre nahm der neugeborene Sohn in Anspruch, anschließend begannen die Streitteile mit dem Hausbau. Diese Arbeiten bestimmten für weitere zwei Jahre das Eheleben und ließen kaum Zeit für gemeinsame Tätigkeiten übrig. Bis Oktober 2002 war der Kläger in der Nähe des Wohnorts berufstätig, anschließend für etwa zwei Jahre im Ausland und nach einer Unterbrechung wegen Arbeitslosigkeit in einem anderen Bundesland. Die Streitteile führten daher eine Wochenendbeziehung. Die Beklagte war zunächst eineinhalb Jahre in Karenz, wobei sie aushilfsweise arbeitete. Danach ging sie einer Teilzeitbeschäftigung (etwa 20 Wochenstunden) nach, die allmählich in ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis überging (Pflegehelferin). Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten. Sie habe die Pflege und Erziehung des Sohnes vernachlässigt, sie sei alkoholkrank, habe sich von familiären Aktivitäten zurückgezogen, ständig genörgelt und den Kläger beschimpft und mit unbegründeter Eifersucht verfolgt. Außerdem habe sie den Haushalt vernachlässigt, sodass der Kläger an den Wochenenden den Haushalt versorgen habe müssen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Scheidungsbegehrens; hilfsweise wendete sie das überwiegende Mitverschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe ein. Er habe sie beschimpft und misshandelt, habe seine Freizeit nicht mit ihr verbracht, sei dem Alkohol und Damenbekanntschaften zugeneigt gewesen und habe sich einer sexuellen Begegnung mit ihr entzogen. Durch sein Verhalten habe er ihren Selbstmordversuch mitverursacht.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers. Es stellte fest, dass die Freizeitgestaltung allein vom Kläger - meist nach Rücksprache mit dem Sohn - bestimmt worden sei, ohne Rücksicht auf die Arbeitszeit oder Interessen der Beklagten zu nehmen. Die Beklagte sei nicht in die Freizeitplanung miteinbezogen worden und habe kein Mitspracherecht gehabt. Sie hätte sich zur Gänze den Vorgaben des Klägers unterzuordnen gehabt, wobei es ihm egal gewesen sei, ob sie sich an seiner Freizeit beteiligte. Nichtsdestotrotz habe er es ihr zum Vorwurf gemacht, dass sie keine Zeit bzw kein Interesse hätte. Anfangs habe er die Beklagte noch zum Mitfahren aufgefordert, allmählich sei sie ganz von der gemeinsamen Freizeitgestaltung ausgeschlossen worden. Auf die Vorschläge der Beklagten, wie sie gerne ihre Freizeit im Familienverband gestalten würde, sei der Kläger nicht eingegangen. Der Sohn sei durch die negative Haltung des Klägers der Beklagten gegenüber wie auch durch dessen einseitige Freizeitgestaltung im Familienverband - teilweise unbewusst - negativ gegen seine Mutter beeinflusst worden. Die Auseinandersetzungen der Streitteile, insbesondere im ersten Halbjahr 2007, hätten dem Sohn sehr zugesetzt. Die Beklagte habe sich in dieser Zeit in einer Phase der psychischen Labilität befunden, sie habe vermehrt Alkohol konsumiert und sei neben ihren gewöhnlichen Aufgaben (Beruf, Haushaltsführung und Kindererziehung) mit ihren Eheproblemen massiv überfordert gewesen, weshalb sie in dieser Zeit dem Sohn wenig Stabilität und Sicherheit habe geben können. Sie habe ihre Erziehungspflichten (Versorgung und Betreuung des Sohnes) dennoch nicht vernachlässigt. Es sei aber vorgekommen, dass sie mit dem Sohn vermehrt geschimpft habe und ihn einmal sogar aufgefordert habe, sein Zimmer zusammenzuräumen, nachdem er abends schon eingeschlafen gewesen sei. Der Sohn, der durch die angespannte familiäre Situation sehr nervös und belastet gewesen sei, sei einmal bloßfüßig zu seiner Tante, der Schwester des Klägers, geflüchtet. In der Folge hätten die Streitteile vereinbart, dass der Sohn unter der Woche von der Tante versorgt und betreut werde und nur die Wochenenden mit den Eltern verbringe. Trotz dieser Vorfälle habe der Sohn nach wie vor eine gute Bindung zur Beklagten. Eine Alkoholabhängigkeit einer der Streitparteien könne nicht festgestellt werden, beide konsumierten regelmäßig Alkohol, wobei der Kläger mehr „vertrage". Im berauschten Zustand hätten die Eheleute gestritten und einander beschimpft, die Anlässe seien von beiden Parteien gekommen. Einmal sei der Kläger von einer Feier stark betrunken nachts nur mit Hemd, Socken und Unterhose bekleidet in einem aggressiven Zustand nach Hause gekommen. Er habe die Beklagte beschimpft und ihr einen Schlag versetzt. Der Kläger habe vorher auch im Nachbarstiegenhaus randaliert und die Beklagte beschimpft. Dass der Kläger an seinem Arbeitsort ausgedehnte Feste gefeiert oder außereheliche Beziehungen unterhalten habe, könne nicht festgestellt werden. Einmal habe die Beklagte beim Kirtag zuviel Alkohol getrunken, sodass sie drei Tage im Krankenhaus verbringen habe müssen.
Der Kläger sei in der Ehe der bestimmende Teil gewesen, dem sich die Beklagte in jeder Lage unterzuordnen gehabt habe. Er habe in der gesamten Gestaltung des ehelichen Lebens keine Rücksicht auf die Beklagte genommen, welche seinen Launen und seinem aufbrausenden Wesen ausgesetzt gewesen sei und welcher gegenüber er ständig etwas auszusetzen gehabt habe. Er habe keinen Sinn darin gesehen, mit ihr nach dem Essen am Tisch sitzen zu bleiben. Sie habe ihm deswegen Vorhaltungen gemacht und ihn beschimpft, mitunter ihm Frauenbekanntschaften vorgeworfen. Gegen Ende der häuslichen Lebensgemeinschaft habe der Kläger zur Beklagten überhaupt keinen Kontakt mehr gesucht. An Wochenenden habe er sich aggressiv und jähzornig, insbesondere der Beklagten gegenüber, verhalten. Sie habe zunehmend Angstzustände vor seiner Rückkehr am Wochenende entwickelt. Im alkoholisierten Zustand habe der Kläger zu Jähzornanfällen und aggressivem Verhalten geneigt, einmal habe er bei einem solchen Anlass zum Trocknen aufgehängte Wäsche vom Balkon in den Hof geworfen.
Im Laufe der Zeit habe der Kläger immer mehr Haushaltstätigkeiten übernommen, weil die Beklagte aufgrund ihrer Mehrfachbelastung unter der Woche den Haushalt nicht seinen peniblen Vorgaben entsprechend auf seine freitägliche Heimkehr vorbereiten habe können. Er habe an der Haushaltsführung der Beklagten immer etwas auszusetzen gehabt, was Grund für Auseinandersetzungen gewesen sei. Letztlich habe der Kläger ab 2005 immer mehr Haushaltstätigkeiten übernommen. Er sei auch mit ihren Kochkünsten nicht zufrieden gewesen und habe immer mehr gekocht. Er habe auch die hiefür notwendigen Einkäufe getätigt und gleichzeitig der Beklagten vorgeworfen, nicht für das Vorhandensein eines abwechslungsreichen Lebensmittelvorrats Sorge getragen zu haben. Die Streitigkeiten, die in der Regel aus Kleinigkeiten heraus entstanden seien und oft vom Kläger und seinen Nörgeleien ausgegangen seien, hätten sich hochgeschaukelt und schließlich in den Jahren 2002 bis 2007 etwa fünf Polizeieinsätze zur Streitschlichtung notwendig gemacht. In Anwesenheit der Polizei habe der Kläger die Schwestern der Beklagten hinausgeworfen und dabei bemerkt, dass die Beklagte „mit Nix aus dem Haus gehen und am Boden kriechen werde; sie werde nicht mehr mithaben als ein kleines Kofferl". Am 18. März 2007 habe die Beklagte aufgrund der massiven psychischen Belastung, welche sie in ihrer Ehe ausgesetzt gewesen sei, einen Selbstmordversuch unternommen, welcher einen mehrtägigen Krankenhausaufenthalt notwendig gemacht habe. Der Kläger habe die Verwandten der Beklagten darüber nicht informiert.
Der Kläger habe durch sein Verhalten massiv gegen die Pflicht zur anständigen Begegnung verstoßen, der Beklagten gegenüber ein lieb- und interesseloses Verhalten gezeigt und sich nicht darum bemüht, auf ihre Wünsche und Interessen einzugehen. Bei Jähzornanfällen habe er sie massiv beschimpft, beleidigt und einmal auch geschlagen. Die Beklagte sei allein dem Kläger und seiner Ursprungsfamilie gegenübergestanden. Zwar habe sie - ebenso wie er - mitunter Streitereien angezettelt, ihm grundlos Frauenbekanntschaften vorgeworfen und gegen Ende der ehelichen Lebensgemeinschaft massiv Alkohol konsumiert, doch sei dies großteils als Reaktion auf das lieb- und interesselose Verhalten des Klägers zu sehen. Andere Eheverfehlungen, wie etwa eine Vernachlässigung des Haushalts oder der Erziehung des Sohnes, seien ihr nicht vorzuwerfen. Ihr Verschulden trete daher gegenüber seinem in den Hintergrund. Das Berufungsgericht sprach über Berufung des Klägers aus, dass das Verschulden an der Ehezerrüttung beide Ehegatten im gleichen Ausmaß treffe und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.
Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von Mängeln des erstinstanzlichen Verfahrens und lehnte eine Behandlung der Tatsachen- und Beweisrüge des Klägers mit der Begründung ab, die einzelnen, vom Kläger bekämpften Feststellungen blieben in ihrer Bedeutung weit gegenüber der unzweifelhaft zutreffenden zusammenfassenden Darstellung des Erstgerichts, wonach die Streitteile von ihrem Naturell her grundverschieden seien und der Kläger sein dominantes Wesen immer mehr hervorgekehrt habe, zurück. Fasse man die wesentlichen Feststellungen zusammen, so ergebe sich, dass die Streitteile von Anfang an wegen ihrer unterschiedlichen Persönlichkeiten nicht harmoniert hätten und diese Unterschiede nach dem Einzug in das neue Haus immer deutlicher hervorgetreten seien. In dem Maße, in dem die Beklagte ihrem passiven Persönlichkeitsanteil immer mehr nachgegeben habe, habe der Kläger die Gestaltung des ehelichen Zusammenlebens an sich gerissen. In diesem, sich über Jahre erstreckenden Prozess könne unmöglich gesagt werden, wer mit einem konkreten Verhalten begonnen und wer darauf lediglich reagiert habe. Offenkundig sei jedoch, dass die Beklagte über weniger Kompensationsmöglichkeiten verfügt habe als der Kläger, dem eine interessante berufliche Tätigkeit, ein starker Rückhalt in der Ursprungsfamilie und die Bereitschaft zu aktivem Handeln zur Verfügung gestanden seien, und dass sie daher unter der Situation mehr gelitten habe als er, zumal sich sein bestimmendes Wesen auch in jähzornigem Verhalten gezeigt habe. Dafür habe sie ihn mit unbegründeter Eifersucht verfolgt und es - allerdings erst knapp vor Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe - zu einer erheblichen Vernachlässigung des Sohnes kommen lassen. Dies und ihr massiver Alkoholkonsum seien zweifellos auch Reaktionen auf das interesselose und jähzornige Verhalten des Klägers, seien aber nicht mehr nur als angemessene Reaktionen anzusehen. Berücksichtige man noch, dass Streitigkeiten zwischen den Ehegatten - ausgenommen in der letzten Phase vor der endgültigen Zerrüttung - von beiden ausgegangen seien, so könne bei einer Beurteilung des Gesamtverhaltens beider Streitteile während der Ehe nicht gesagt werden, dass der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile offenkundig hervor- und das mindere Verschulden eines Gatten fast völlig in den Hintergrund trete. Es müsse daher von einem gleichteiligen Verschulden beider Gatten an der Zerrüttung der Ehe ausgegangen werden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Durch die Anführung des Verfahrensrechts neben dem materiellen Recht in § 502 Abs 1 ZPO ist gewährleistet, dass nicht nur das Verfahrensrecht auch im Zulassungsbereich weiter entwickelt und konkreter ausgelegt werden kann, sondern auch Verfahrensfehler der zweiten Instanz von erheblicher Bedeutung der Prüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegen und damit die Einzelfallgerechtigkeit hinreichend gewahrt bleibt. Erhebliche Bedeutung kommt einer Entscheidung jedenfalls dann zu, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stehen. Zu den tragenden Grundsätzen des Verfahrensrechts gehört (im Rahmen der gesetzlichen Einschränkungen) auch der Unmittelbarkeitsgrundsatz (1 Ob 660/84 = SZ 57/142 uva; RIS-Justiz RS0041365, RS0041032 [T5]). Es begründet einen Verfahrensmangel, wenn das Berufungsgericht von den tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts ohne Wiederholung der Beweisaufnahmen abgeht (RIS-Justiz RS0043461); das Berufungsgericht darf auch ergänzende Feststellungen nur nach Beweiswiederholung der Beweisergänzung treffen (RIS-Justiz RS0043026). Das Unterbleiben der Beweiswiederholung in diesen Fällen bildet eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht (1 Ob 173/05f). Wenn eine Tatsachenannahme nicht auf eine Ergänzung des Beweisverfahrens zurückzuführen ist, sondern ausschließlich auf eine unrichtige Wiedergabe erstinstanzlicher Feststellungen, wird eine Feststellung zu Grunde gelegt, die das Erstgericht gar nicht getroffen hat, was gleichfalls eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens bildet (1 Ob 293/04a mwN). Zutreffend legt die Beklagte in ihrer Revision dar, dass das Berufungsgericht - ohne eine Wiederholung und Ergänzung des Beweisverfahrens vorzunehmen (Protokoll der Berufungsverhandlung vom 3. Februar 2009) - mehrfach seiner vom Erstgericht abweichenden rechtlichen Beurteilung Tatsachenfeststellungen zu Grunde legte, die das Erstgericht nicht oder nicht in dieser Ausprägung getroffen hat. Das Erstgericht stellte fest, dass der Beklagten die Teilnahme an gemeinsamen Wochenendaktivitäten zum Teil aus beruflichen Gründen nicht möglich war, oder sie diese auch deshalb ablehnte, weil das vom Kläger gewünschte Programm nicht ihren Interessen entsprach. Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung hingegen zu Grunde, dass der Kläger wegen des passiven und verweigernden Verhaltens der Beklagten mit ihr die Geduld verlor und sie in die Freizeitgestaltung nicht mehr einband bzw im Laufe der Zeit keine Rücksicht mehr auf die Beklagte nahm, weil diese aufgrund ihres eher passiven Wesens nicht bereit war, an den vom Kläger angestrebten Aktivitäten teilzunehmen. Darüber hinaus hielt das Berufungsgericht fest, dass die Situation schließlich von beiden Ehegatten akzeptiert wurde, weil sie auf diese Weise beide bekamen, was sie wollten: Der Kläger Unternehmungen mit dem Sohn, ohne von der Beklagten gestört zu werden, die Beklagte ihre Ruhe zu Hause. Eine solche Feststellung traf das Erstgericht allerdings nicht. Ebenso von den erstgerichtlichen Feststellungen abweichend bzw über diese hinausgehend, stellte das Berufungsgericht fest, dass in dem sich über Jahre erstreckenden Prozess (Gestaltung des ehelichen Zusammenlebens) unmöglich gesagt werden kann, wer mit einem konkreten Verhalten begann und wer darauf lediglich reagierte. Zur Situation der Beklagten im ersten Halbjahr 2007 stellte das Erstgericht eine Phase der psychischen Labilität fest, hielt aber gleichzeitig fest, dass sie ihre Erziehungspflichten und die Versorgung und Betreuung des gemeinsamen Sohnes in diesem Zeitraum nicht vernachlässigte. Demgegenüber stellte das Berufungsgericht eine erhebliche Vernachlässigung des Sohnes durch die Beklagte fest. Entgegen den Feststellungen des Erstgerichts ging das Berufungsgericht darüber hinaus davon aus, dass die Streitigkeiten zwischen den Ehegatten - ausgenommen in der letzten Phase vor der endgültigen Zerrüttung - von beiden ausgingen. Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung darüber hinaus abweichend von den erstgerichtlichen Feststellungen zu Grunde, dass der Alkoholkonsum der Beklagten zu massiven Problemen wie ihrem Selbstmordversuch und der Vernachlässigung des Sohnes führte.
Da die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen in ihrer Gesamtheit die rechtliche Beurteilung, den Kläger treffe das überwiegende Verschulden an der Ehezerrüttung, rechtfertigen, die davon abweichenden Sachverhaltsannahmen des Berufungsgerichts hingegen dazu führen, dass der von der Rechtsprechung geforderte sehr erhebliche Unterschied im Grad des Verschuldens, um ein überwiegendes Verschulden eines Teils annehmen zu können (RIS-Justiz RS0057057, RS0057858, RS0057821), nicht gefunden werden kann, war der dem Berufungsgericht unterlaufene Verfahrensverstoß geeignet, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen, sodass der Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO verwirklicht ist (RIS-Justiz RS0043027).
Das Berufungsgericht wird daher die vom Erstgericht geschaffene Sachverhaltsgrundlage, welche vom Kläger in seiner Berufung umfassend bekämpft wurde, im Detail zu überprüfen haben. Sollten die Berufungsausführungen Bedenken des Berufungsgerichts gegen einzelne erstgerichtliche Tatsachenfeststellungen erwecken, wird gemäß § 488 ZPO vorzugehen sein.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E928593Ob201.09vEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00201.09V.1125.000Zuletzt aktualisiert am
29.01.2010