Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Mag. Kurt W*****, vertreten durch Dr. Gabriele Baumann-Otto, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Tatjana W***** und 2. Teresa W*****, beide vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 23. April 2009, GZ 43 R 117/09p, 118/09k-33, womit das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 27. November 2008, GZ 42 C 28/08f, 29/08b-28, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 922,07 EUR (darin 153,68 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht hatte den beklagten Zwillingsschwestern (geb. am 19. August 1984) gegen ihren Vater, den Kläger, zur Hereinbringung eines rückständigen Unterhaltsbetrags von je 2.910 EUR und laufenden Unterhalts von je 485 EUR monatlich ab 1. April 2008 in getrennten Verfahren die Gehaltsexekution bewilligt.
Mit gesonderten Klagen begehrte der Kläger jeweils das Urteil, der betriebene Anspruch sei gehemmt bzw erloschen. Dazu brachte er im Wesentlichen vor, er habe mit 1. Oktober 2007 seine Unterhaltsleistungen eingestellt, weil die Beklagten trotz mehrfacher Aufforderung keine Studiennachweise vorgelegt hätten. Die Erstbeklagte habe bei einer vorgesehenen Studiendauer von acht Semestern seit dem Studienbeginn im Herbst 2004 (Tatjana) bzw 2003 (Teresa) nicht einmal den ersten Studienabschnitt der rechtswissenschaftlichen Studienrichtung abgeschlossen. Die Beklagten erwiderten mit vorbereitenden Schriftsätzen (ON 11 bzw ON 3) jeweils, die faktische Studiendauer dieses Studiums in Österreich betrage durchschnittlich 13,6 Semester. Den ersten Studienabschnitt hätten sie mittlerweile (jeweils im Sommersemester 2008) abgeschlossen. Teresa machte noch geltend, sie habe wegen einer Verletzung (Bruch eines Fußwurzelknochens) Anfang 2006 ein Semester verloren. Beide betrieben ihr Studium weiterhin zielstrebig und erfolgreich.
In der Folge (nach der ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung) korrigierte die Erstbeklagte ihre Behauptungen dahin, dass sie am 3. Juli 2008 die letzte Teilprüfung der ersten Diplomprüfung nicht bestanden habe, jedoch für diese Prüfung erneut für den 1. Oktober 2008 angemeldet sei. Zusätzlich machte sie geltend, sie habe auch schon die dreizehn Wahlfächer des zweiten Abschnitts erfolgreich kolloquiert. Ende Mai 2006 sei sie an Tinnitus erkrankt, was sie von der Absolvierung mehrerer Prüfungen im vierten (später korrigiert: fünften) Semester abgehalten habe. Die Zweitbeklagte wendete nachträglich eine tiefe seelische Verunsicherung mit Krankheitswert ein.
Das Erstgericht gab beiden Klagebegehren zur Gänze statt. Ausgehend von einer durchschnittlichen Studiendauer des Diplomstudiums Rechtswissenschaften an der von den Beklagten besuchten Fakultät von 12,1 Semester und dem Abschluss des ersten Studienabschnitts nur durch Teresa im Sommersemester 2008 verneinte der Erstrichter ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium. Die Fußverletzung der Erstbeklagten habe zu keiner ins Gewicht fallenden Verzögerung geführt. Beide Beklagte hätten die vorgesehene Dauer des ersten Studienabschnitts von zwei Semestern (und die durchschnittliche von drei Semestern) eklatant überschritten. Daher sei längst vor dem 1. Juli 2007 vom Eintritt ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen.
Das zuletzt geänderte Klagebegehren sei (unter Entfall eines Zeitpunkts des Erlöschens des Anspruchs) dem Gesetz entsprechend zu fassen. Die von den Beklagten nach ihren ersten Schriftsätzen vorgetragenen Rechtfertigungsgründe für die lange Studiendauer seien aufgrund der Eventualmaxime nicht zu berücksichtigen. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Durch den allfälligen Verfahrensmangel wegen Nichterledigung der Sachanträge des Klägers seien die Beklagten nicht beschwert. Auch den angeblichen Verfahrensmangel wegen Nichterledigung von Beweisanträgen verneinte das Berufungsgericht aufgrund der im Oppositionsprozess auch für den Beklagten geltenden Eventualmaxime. Demnach sei nur das in den ersten vorbereitenden Schriftsätzen der Beklagten erstattete Vorbringen zu berücksichtigen. Insgesamt sei das erstinstanzliche Verfahren mangelfrei geblieben. Auch die Tatsachenrüge blieb erfolglos, unter anderem, weil die Zweitbeklagte in erster Instanz nie eine durch die geschlechtliche Orientierung des Klägers verursachte psychische Beeinträchtigung geltend gemacht habe. Die tatsächlich behauptete psychische Beeinträchtigung verstoße gegen die Eventualmaxime, weil sie erst nach der ersten Verhandlung vorgebracht worden sei.
In rechtlicher Hinsicht setze gerade die von den Beklagten ins Treffen geführte „Judikaturlinie" des Obersten Gerichtshofs für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit eines Studiums implizit eine Prognose voraus, ob der Studienabschluss insgesamt innerhalb einer angemessenen Dauer möglich sein werde. Demnach sei auch die Überprüfung eines angemessenen Studienfortgangs vor Ablauf der Studienhöchstdauer unerlässlich. Auch das Absolvieren diverser Nebenfächer ändere nichts daran, dass die Beklagten ihr Studium nicht ausreichend ernsthaft und zielstrebig betrieben hätten. Letztlich habe das Erstgericht den Urteilsspruch der ständigen Rechtsprechung entsprechend von Amts wegen gefasst.
Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung „zu den Anforderungen für die Anwendung der Eventualmaxime nach § 35 EO in Bezug auf die zur Begründung für das Fortbestehen der elterlichen Geldunterhaltspflicht vorgetragene Einwendung eines entsprechend betriebenen Studiums des unterhaltsfordernden volljährigen Kindes" fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Zu Recht bezweifeln die Beklagten in dritter Instanz nicht mehr, dass die Eventualmaxime des § 35 Abs 3 EO, wonach alle Einwendungen, die der Verpflichtete zur Zeit der Erhebung der Klage vorzubringen imstande war, bei sonstigem Ausschluss gleichzeitig geltend gemacht werden müssen, sinngemäß auch für den Oppositionsbeklagten gilt (RIS-Justiz RS0119637). Der Oberste Gerichtshof hat die Grundsätze dieser Beschränkung neuen Vorbringens schon wiederholt dargelegt. Insbesondere sind demnach nachträgliche Ergänzungen zulässig, soweit sie die vorgebrachten Tatsachen nur verdeutlichen oder präzisieren bzw zur Richtigstellung, Ergänzung oder Erläuterung des bereits erstatteten Vorbringens. Dabei ist allerdings ein strenger Maßstab anzulegen (3 Ob 30/04i; 3 Ob 76/06g).
Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht im konkreten Einzelfall auch nicht abgewichen. Die Beklagten können daher keine wahrzunehmende Fehlbeurteilung aufzeigen. Tatsächlich kann nicht bezweifelt werden, dass sich nur die Erstbeklagte rechtzeitig auf eine krankheitsbedingte Verzögerung ihres Studiums (um ein Semester) - was die Vorinstanzen als nicht ins Gewicht fallend beurteilten - berufen hatte. Dass in den (iSd Entscheidung 3 Ob 182/05v maßgeblichen) ersten Schriftsätzen eine „Irritation" wegen der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft des Vaters behauptet wurde, bezog sich unzweifelhaft allein auf dessen Vorwurf, sie hätten ihm zunächst keine Studiennachweise vorgelegt. Davon, dass sich diese „Irritation" negativ auf den Studienfortschritt ausgewirkt habe, war dagegen nicht die Rede. Gerade der im vorliegenden Fall wie regelmäßig sehr speziell gelagerte Verfahrensgang in erster Instanz bietet keinen Anlass für weiterführende Darlegungen iSd § 502 Abs 1 ZPO zur Eventualmaxime.
Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass ein Verstoß gegen die Eventualmaxime auf Klägerseite infolge der - von den Beklagten sofort als unzulässig abgelehnten - Ergänzung seines Begehrens unmittelbar vor Schluss der Verhandlung erster Instanz schon deshalb auf keinen Fall vorliegen kann, weil das Erstgericht (im Wege einer von Amts wegen vorgenommenen Fassung des Urteilsspruchs) diese Ergänzung ohnehin nicht berücksichtigte. Das ist aber genau die für solche Verstöße vorgesehene Rechtsfolge (3 Ob 53/06z mwN = RIS-Justiz RS0121016).
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger wies auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision hin. Bemessungsgrundlage für die Rechtsanwaltskosten sind - wie schon vom Berufungsgericht dargelegt - nur 10.640 EUR.
Anmerkung
E925323Ob165.09zEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00165.09Z.1125.000Zuletzt aktualisiert am
19.01.2010