Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache der Bewohnerin Agnes P*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Regina S***** als Leiterin der Pflegeeinrichtung „W*****" *****, vertreten durch WT Tautschnig, Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt am Wörthersee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 30. Juli 2009, GZ 4 R 240/09z-20, womit der Rekurs der Leiterin der Pflegeeinrichtung gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 16. Juni 2009, GZ 2 HA 1/09i-9, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies mit Punkt 1 seines Beschlusses den Antrag der Bewohnerin, vertreten durch ihren Sachwalter, den Antrag der Bewohnervertreterin auf Überprüfung freiheitsbeschränkender Maßnahmen zurück- bzw abzuweisen, ab und erklärte in Punkt 2 seines Beschlusses die vorgenommene freiheitsbeschränkende Maßnahme (Hindern am Verlassen des Bettes durch das Anbringen von Seitenteilen) für die Dauer von zwei Monaten, bis zum 10. 8. 2009, für vorläufig zulässig.
Das Rekursgericht wies mit dem nun angefochtenen Beschluss ua den Rekurs der Leiterin der Einrichtung gegen den erstgerichtlichen Beschluss wegen fehlender Beschwer und Rekurslegitimation zurück.
Rechtliche Beurteilung
In dem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Leiterin der Pflegeeinrichtung keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:
Gemäß § 16 Abs 1 HeimAufG können gegen den Beschluss, mit dem eine Freiheitsbeschränkung für zulässig erklärt wird, der Bewohner, sein Vertreter und seine Vertrauensperson innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung Rekurs erheben. Der Leiter der Einrichtung kann gemäß § 16 Abs 2 HeimAufG gegen den Beschluss, mit dem eine Freiheitsbeschränkung für unzulässig erklärt wird, innerhalb von 7 Tagen ab Zustellung Rekurs erheben. § 16 HeimAufG regelt somit klar und eindeutig in abschließender Weise den Kreis der Rechtsmittelberechtigten gegen einen gerichtlichen Beschluss, mit dem die Freiheitsbeschränkung entweder für zulässig (Abs 1) oder für unzulässig (Abs 2) erklärt wird (siehe auch ErläutRV 353 BlgNR 22. GP 16).
Die Revisionsrekurswerberin meint nun, ihr müsse trotz der Zulässigerklärung der freiheitsbeschränkenden Maßnahme durch das Erstgericht deshalb Rekurslegitimation zuerkannt werden, weil im konkreten Fall zweifelhaft sei, ob das Hochstellen der Seitenteile des Bettes überhaupt eine freiheitsbeschränkende Maßnahme iSd § 3 Abs 1 HeimAufG darstelle. Sei diese Frage zu verneinen, wäre der Überprüfungsantrag der Bewohnervertreterin abzuweisen.
Allerdings bedeutet sowohl die Zulässigerklärung einer freiheitsbeschränkenden Maßnahme als auch die Abweisung eines entsprechenden Überprüfungsantrags im Ergebnis die Bejahung der Zulässigkeit der getroffenen Maßnahme, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen (RIS-Justiz RS0121226). Damit ist aber nach der insoweit eindeutigen Regelung in § 16 Abs 1 HeimAufG, die keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RIS-Justiz RS0042656), eine Rekurslegitimation der Einrichtungsleiterin zu verneinen.
Auch das Argument, die Zulässigerklärung sei (bloß) für zwei Monate erklärt worden, woraus implizit die Unzulässigkeit der Maßnahme nach Ablauf dieser Frist abzuleiten sei und deshalb eine Rekurslegitimation der Einrichtungsleiterin zu bejahen sei, ist unzutreffend: Gegenstand des erstinstanzlichen Beschlusses war ausschließlich die Zulässigerklärung der Maßnahme für die vom Erstgericht ausgesprochene Dauer. Der Gesetzgeber selbst (§ 15 Abs 2 HeimAufG) sieht ausdrücklich vor, dass das Gericht, das eine Freiheitsbeschränkung für zulässig erklärt, im Beschluss eine bestimmte, sechs Monate nicht übersteigende Frist zu setzen hat. Die in § 16 Abs 2 HeimAufG geregelte eingeschränkte Rekurslegitimation des Leiters der Einrichtung verlöre jeglichen Sinn, wollte man die befristete Zulässigerklärung einer freiheitsbeschränkenden Maßnahme als implizite Entscheidung über die Unzulässigkeit der Maßnahme ab Fristende ansehen. Vielmehr ist über die Zulässigkeit einer allfälligen nach Fristablauf gesetzten weiteren freiheitsbeschränkenden Maßnahme im Zuge eines neuen Überprüfungsantrags zu entscheiden.
Textnummer
E92860European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00203.09P.1125.000Im RIS seit
25.12.2009Zuletzt aktualisiert am
19.10.2010