Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26. November 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas J***** und weitere Angeklagte wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 neunter Fall, Abs 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Andreas J***** und die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten Gerhard S***** und Simon H***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. April 2009, GZ 044 Hv 115/08i-193, sowie über die Beschwerde des Angeklagten Andreas J***** und der Staatsanwaltschaft gegen die unter einem gefassten Beschlüsse nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtannahme des § 27 Abs 5 SMG des zu Gerhard S***** ergangenen Schuldspruchs A./III./1./ sowie in den zu Andreas J***** ergangenen Schuldsprüchen C./1./ und 2./, demgemäß auch in den diese Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen samt den dazu ergangenen Beschlüssen auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht aufgehoben und die Strafsache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung und Beschwerde wird der Angeklagte Andreas J***** und mit ihrer Gerhard S***** betreffenden Berufung die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Zur Entscheidung über die Berufung und Beschwerde der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten Simon H***** werden vom Erstgericht anzufertigende Aktenkopien zunächst dem Oberlandesgericht Wien zuzuleiten sein.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden
Gerhard S***** des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 fünfter Fall StGB (A./I./), des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB (A./II./a./), des Vergehens (richtig der Vergehen) des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG (A./III./1./), des Vergehens (richtig der Vergehen) des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 4 Z 1 SMG (A./III./2./), des Vergehens (richtig der Vergehen) des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1, erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (A./III./3./), David B***** des Vergehens (richtig der Vergehen) des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall sowie Abs 3 SMG (B./I./ bis V./),
Andreas J***** der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 neunter Fall und Abs 3 SMG (C./1./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 und zweiter Fall und Abs 2 SMG (C./2./) sowie
Simon H***** des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 fünfter Fall StGB (A./I./), des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB (A./II./a./ und b./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (A./IV./) schuldig erkannt. Danach haben - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung - in Wien und Mistelbach
A./III./ Gerhard S***** vorschriftswidrig Suchtgift 1./ im Jahr 2008 gewerbsmäßig in zwei Angriffen zumindest 80 Gramm Cannabiskraut an einen unbekannten Abnehmer gewinnbringend überlassen;
2./ Anfang 2008 bis 15. September 2008 in mehreren Angriffen geringe Mengen Kokain und Cannabiskraut dem minderjährigen Michael S***** und Cannabiskraut dem minderjährigen (US 16) Tobias S***** überlassen und damit einem Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglicht, wobei er selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als die Minderjährigen war;
3./ im Zeitraum Mai 2008 bis 14. September 2008 in mehreren Angriffen zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar Kokain, Opium und Cannabiskraut;
...
C./ Andreas J***** in der Zeit von Mitte August 2008 bis 22. September 2008 in mehreren Angriffen vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain und Heroin in einer Menge von insgesamt 5 bis 10 Gramm,
1./ gewerbsmäßig unbekannten Abnehmern verschafft, indem er sie an David B***** vermittelte und dafür das Suchtgift für seinen Eigenkonsum günstiger bekam;
2./ zum persönlichen Gebrauch eine Menge von ca 10 Gramm erworben und besessen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Andreas J*****, der Berechtigung zukommt.
Die Mängelrüge (Z 5) zeigt zutreffend auf, dass zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt der Aussage des Mitangeklagten David B***** (US 17 f) und dem diese Verantwortung enthaltenden Protokoll der Hauptverhandlung vom 3. März und 28. April 2009 ein erheblicher Widerspruch besteht. Denn entgegen der im Urteil pauschal als den Rechtsmittelwerber „eindeutig belastend" zitierten Angaben hatte der Zweitangeklagte stets in Abrede gestellt, durch den Beschwerdeführer weitere Suchtgiftabnehmer vermittelt erhalten zu haben (S 15 ff und S 67 ff in ON 184 sowie S 15 und S 47 in ON 192). Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist wiederum beizupflichten, dass das Urteil mit einem Mangel an Feststellungen zum Schuldspruch C./2./ behaftet ist.
Aufgrund dieser Mängel bei den zum Angeklagten Andreas J***** ergangenen Schuldsprüchen C./1./ und 2./ lässt sich - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zur Nichtigkeitsbeschwerde - die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht vermeiden (§ 285e StPO). Auf die sonstigen Einwände in der Nichtigkeitsbeschwerde war somit nicht mehr weiter einzugehen. Das im Übrigen unberührt bleibende Urteil war daher im Umfang der Schuldsprüche C./1./ und 2./ sowie im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch samt dem dazu ergangenen Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch zugunsten des Angeklagten Gerhard S***** der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO) wahrzunehmen. Gerhard S***** wurde des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG (A./III./1./) schuldig erkannt. Dazu hielt das Erstgericht fest, dass der Erstangeklagte bereits seit längerer Zeit Suchtgifte konsumierte und aufgrund der tristen Einkommens- und Vermögensverhältnisse den Entschluss fasste, durch die Begehung von Diebstählen seinen Lebensunterhalt und auch seinen Suchtgiftkonsum zu finanzieren. Darüber hinaus entschloss sich Gerhard S***** nach den Urteilsannahmen auch dazu, seinen weiteren Lebensunterhalt durch den gewinnbringenden Verkauf von Cannabiskraut zu finanzieren (US 14 f). Dazu verantwortete sich der Erstangeklagte stets dahingehend, dass er vordringlich seine Sucht befriedigen wollte (vgl S 21 ff, S 33 ff, S 39 ff, S 55, S 59, S 61 in ON 184). Diese Umstände indizieren - hier fehlende - Konstatierungen zum Vorliegen privilegierender Umstände iSd § 27 Abs 5 SMG (vgl RIS-Justiz RS0124622, RS0124621 und RS0123175).
Dieser Feststellungsmangel war von Amts wegen wahrzunehmen, das Urteil in der rechtlichen Unterstellung des Schuldspruchs A./III./1./ unter § 27 Abs 3 SMG sowie im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch samt dem dazu ergangenen Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufzuheben und dem Erstgericht auch insoweit die neue Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.
Im Fall neuerlicher Feststellung gewerbsmäßiger Suchtgiftvermittlung zum Zweck des günstigeren Erwerbs von Suchtmitteln für den Eigenkonsum des Drittangeklagten (so die bisherigen Urteilsannahmen - vgl US 17) werden - wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zur Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend hinweist - überdies auch beim Beschwerdeführer hinreichende Konstatierungen über das etwaige Vorliegen der privilegierenden Umstände des § 27 Abs 5 SMG zu treffen sein.
Anmerkung
E9263412Os128.09dEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0120OS00128.09D.1126.000Zuletzt aktualisiert am
29.01.2010