Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Gilda M.A. P***** und 2. R***** M*****, beide *****, wegen Verfahrenshilfe, infolge Vorlage der Akten durch das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz (AZ 18 Nc 4/09p) zur Entscheidung über ein Ordinationsersuchen gemäß § 28 JN den Beschluss
gefasst:
Spruch
Zur Entscheidung über die Verfahrenshilfeanträge und eines daran allenfalls anschließenden Amtshaftungsverfahrens wird gemäß § 28 JN das Landesgericht Leoben als örtlich zuständig bestimmt.
Text
Begründung:
Die Antragsteller beabsichtigen die Einbringung einer Amtshaftungsklage und beantragten zu diesem Zweck beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz die Bewilligung der Verfahrenshilfe. Sie bringen vor, seit 9. Mai 2006 nach islamisch/ägyptischem Recht miteinander verheiratet zu sein. Anlässlich der Heirat habe der Zweitantragsteller um die Ausstellung eines Visums ersucht. Die österreichische Botschaft in Kairo habe die Erteilung des Visums aber drei Jahre hindurch hinausgezögert. Erst nach Interventionen der Volksanwaltschaft und eines Rechtsanwalts sei das Visum auf Weisung des Innenministers im Jänner 2009 ausgestellt worden. Infolge der verzögerten Visumausstellung sei der Erstantragstellerin ein Vermögensschaden von 20.000 EUR entstanden (ua Reisekosten nach Ägypten), dem Zweitantragsteller seien Schäden - ua wegen in Österreich erlittenem Verdienstentgang - entstanden. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz legte den Akt dem Obersten Gerichtshof mit dem Ersuchen vor, gemäß § 28 JN ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.
Rechtliche Beurteilung
Das Ordinationsersuchen ist berechtigt.
Hoheitliches Verhalten von Organen österreichischer Rechtsträger im Ausland ist nach österreichischem Amtshaftungsrecht zu prüfen (1 Nd 5/95; 1 Nd 16/98; Schragel AHG³ Rz 256). Da gemäß § 9 Abs 1 AHG für Amtshaftungsansprüche das Landesgericht, in dessen Sprengel die Rechtsverletzung begangen wurde, ausschließlich zuständig ist, fehlt es an der Zuständigkeit eines inländischen Gerichts, das über einen Anspruch aus behauptetem rechtswidrigem und schuldhaftem Organverhalten im Ausland (im vorliegenden Fall in Ägypten) entscheiden könnte. Die Voraussetzungen für eine Ordination iSd § 28 Abs 1 JN sind nach den Behauptungen der Antragsteller erfüllt. Da die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts für die Verhandlung und Entscheidung über eine bürgerliche Rechtssache nach § 28 JN nur für eine bestimmte Rechtssache möglich ist, wird in der Regel vorausgesetzt, dass dem diesbezüglichen Antrag die Klage beigelegt wird. Im vorliegenden Fall ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, weil die Antragsteller die Amtshaftungsklage noch nicht erhoben haben. Wie sich aus der Wiedergabe ihres Vorbringens ergibt, ist es ihnen aber gelungen, glaubhaft zu machen, dass für die beabsichtigte Prozessführung die inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist. In einem derartigen Fall kann eine Ordination auch zur Entscheidung über einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe erfolgen (RZ 1979/47, Mayr in Rechberger, ZPO3 § 28 JN Rz 1).
Anmerkung
E924241Nc89.09tEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0010NC00089.09T.1126.000Zuletzt aktualisiert am
11.01.2010