TE OGH 2009/11/26 2Ob122/09v

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2009
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf T*****, vertreten durch Ing. Dr. Stefan Krall, Dr. Oliver Kühnl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch MMag. Christian Mertens, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 34.457,89 EUR sA, Rente und Feststellung über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. Dezember 2008, GZ 2 R 255/08d-40, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 29. August 2008, GZ 11 Cg 111/06f-36, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.984,32 EUR (darin 330,42 EUR USt und 1,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Arbeiter des forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung. Die Beklagte veranstaltet unter anderem Lehrgänge zum Thema Höhenarbeit, Sicherheitstechnik und Arbeiten in absturzgefährdeten Bereichen. Der forsttechnische Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung hat bei der Beklagten in der Zeit vom

16. bis 17. Juni 2003 unter anderem für den Kläger einen Lehrgang mit der Bezeichnung „Sicheres Arbeiten in der Höhe - Steilgelände Basislehrgang" gebucht. Dieser Schulungs- bzw Fortbildungskurs war konkret auf die beim forsttechnischen Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung anfallenden Tätigkeiten abgestimmt und lag im Interesse des Dienstgebers des Klägers. Dieser nahm daran entgeltlich teil. Als er bei einer Übung in der Wand hing, löste sich der Sackstichknoten, wodurch er sieben bis acht Meter in die Tiefe stürzte und schwer verletzt wurde.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren (Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Ersatz für Haushaltshilfe, Verdienstentgang, abstrakte Rente, Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für die Unfallsfolgen) im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Beklagten komme das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 und 4 ASVG zustatten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist unzulässig.

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, da eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zum Haftungsprivileg nach § 333 ASVG in der vorliegenden Konstellation nicht bestehe. Damit hat das Berufungsgericht keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt: Die für die Revisionszulässigkeit maßgebende Erheblichkeit der Rechtsfragen bestimmt sich nach objektiven Umständen. Hat das Berufungsgericht im Sinn einer einheitlichen und von der Lehre anerkannten Rechtsprechung entschieden, kann die Zulässigkeit der Revision nur mit neuen bedeutsamen Argumenten begründet werden. Die vom Berufungsgericht nicht näher umschriebene „vorliegende Konstellation", also die Kasuistik des Einzelfalls, schließt in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus (RIS-Justiz RS0042405).

Auch der Revisionswerber kann keine erhebliche Rechtsfrage darstellen.

Der Revisionswerber meint, es gebe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendung des § 176 ASVG bei Ausbildungslehrgängen von juristischen Personen.

Inwiefern die Beurteilung eines Unfalls gemäß § 176 Abs 1 Z 5 ASVG, wie ihn die Vorinstanzen hier vertretbar angenommen haben, davon abhängig sein soll, dass der betreffende Ausbildungslehrgang von einer juristischen Person veranstaltet wurde, ist nicht ersichtlich. Fragen der Auslegung von § 335 Abs 1 ASVG stellen sich nicht: Kommt nämlich die Dienstgebereigenschaft einer juristischen Person zu, entspricht es schon den allgemeinen Regeln, dass ihr das Handeln ihrer Organe zugerechnet wird, falls diese dabei für die juristische Person tätig werden. Gleiches gilt für § 335 Abs 2 ASVG, wonach die Haftung der Organe für ihr eigenes rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten nicht durch die Haftung der juristischen Person aufgehoben wird. Insofern hat § 335 ASVG nur Klarstellungsfunktion (Neumayr in Schwimann, ABGB3, § 335 ASVG Rz 1). § 335 Abs 1 ASVG normiert durch seinen Verweis auf § 333 ASVG für juristische Personen das in dieser Bestimmung festgelegte Haftungsprivileg, das nur bei vorsätzlicher Verursachung eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit durch ein Mitglied des geschäftsführenden Organs der juristischen Person durchbrochen wird. § 335 Abs 3 ASVG ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da es hier nicht um Pflichtversicherte gemäß § 4 Abs 1 Z 4, 5 und 8 ASVG oder um in der Unfallversicherung Teilversicherte gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit c, h und i ASVG geht.

Der Revisionswerber kann auch keine unrichtige Anwendung der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 333 ASVG durch die Vorinstanzen argumentieren. Die diesbezüglichen weitwendigen Ausführungen des Revisionswerbers, der Kurs wäre berufsfremd und unnötig gewesen, entfernen sich vom festgestellten Sachverhalt. Das Erstgericht hat überdies im Einzelnen festgestellt, dass und in welcher Weise der Kläger als Kursteilnehmer unter der Anleitung des Ausbildners der Beklagten an diesem Kurs teilgenommen hat. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei unter diesen Umständen haftungsprivilegiert, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl RIS-Justiz RS0084209 [T8]; RS0084172 [T4]).

Der Revisionswerber stützt sich weiter auf jene zahlreichen Entscheidungen, wonach die Haftung des einen Unternehmers bei Verletzung eines Betriebsangehörigen des anderen Unternehmers nicht durch § 333 ASVG ausgeschlossen ist, wenn zwei Betriebsunternehmer als Käufer und Verkäufer, als Besteller und Unternehmer oder sonst als Vertragskontrahenten einander gegenüberstehen (RIS-Justiz RS0085266).

Wenn aber - wie hier - eine Eingliederung des später Verletzten in den Aufgabenbereich des anderen Unternehmers vorliegt, dem eine Weisungs- und Aufsichtsbefugnis zukommt, tritt die Haftungsbefreiung ein (vgl 2 Ob 83/01x = RIS-Justiz RS0085266 [T6]).

Die weiteren Revisionsausführungen bekämpfen zum Teil die erstgerichtlichen Feststellungen. Die Rechtsrüge, die teilweise nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, einschließlich der Rüge sekundärer Feststellungsmängel betreffend allfällige Pflichtwidrigkeiten auf Seiten der Beklagten geht ins Leere, weil sich auch aus den begehrten Feststellungen nicht einmal im Ansatz eine vorsätzliche Verursachung des Unfalls durch die Beklagte oder deren Repräsentanten ergäbe, was aber nach § 333 Abs 1 iVm § 335 Abs 1 und 2 ASVG Voraussetzung für die Haftung der Beklagten wäre. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

Anmerkung

E925132Ob122.09v

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00122.09V.1126.000

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten