Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei Susanne P*****, wegen 34.800 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 25. September 2009, GZ 17 R 243/09w-6, womit über Rekurs der betreibenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 6. Juli 2009, GZ 5 E 116/09i-2, in Ansehung der Abweisung des Antrags auf zwangsweise Pfandrechtsbegründung bestätigt wurde und womit der Rekurs der betreibenden Partei gegen die Abweisung des Antrags auf Bewilligung der Zwangsversteigerung zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird im Umfang der Zurückweisung des Rekurses der betreibenden Partei aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über dieses Rechtsmittel unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Aufgrund eines näher bezeichneten vollstreckbaren gerichtlichen Vergleichs beantragte die betreibende Partei mit dem am 2. Juli 2009 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz gegen die verpflichtete Alleineigentümerin einer näher genannten Liegenschaft zur Hereinbringung ihrer Forderung von 34.800 EUR sA, für die kein verbüchertes Pfandrecht bestand, die zwangsweise Pfandrechtsbegründung und die Zwangsversteigerung dieser Liegenschaft.
Das Erstgericht wies die Anträge mit der Begründung ab, es liege eine unzulässige Kumulierung von Anträgen iSd § 86 GBG vor. Beide Anträge seien abzuweisen, weil es nicht im Ermessen des Gerichts stehe, auszuwählen, welchem Antrag stattgegeben werden solle und welcher abzuweisen sei. Überdies sei die zwangsweise Pfandrechtsbegründung bei gleichzeitigem Antrag auf Bewilligung der Zwangsversteigerung überflüssig, weil allein schon letzteres Verfahren dem Gläubiger die Möglichkeit biete, erforderlichenfalls die Einverleibung des Pfandrechts auf der in Exekution gezogenen Liegenschaft gemäß § 208 EO zu erwirken.
Beide Abweisungen wurden im Grundbuch zu TZ 5391/2009 angemerkt. Aus dem Grundbuch ergibt sich nun weiters, dass zu TZ 5711/2009 per 13. Juli 2009 die Rangordnung für die (beabsichtigte) Veräußerung der Liegenschaft angemerkt wurde. Ferner wurde der betreibenden Partei über neuerlichen Antrag zur Hereinbringung der genannten Forderung mit Beschluss des Erstgerichts vom 15. Juli 2009 die Zwangsversteigerung in dem den Anmerkungen der Abweisungen (CLNr 5a und 6a) folgenden Rang (CLNr 7a) rechtskräftig bewilligt (5 E 122/09x des Erstgerichts). Die Einleitung des Versteigerungsverfahrens ist im Grundbuch zu TZ 5719/2009 angemerkt.
Die betreibende Partei bekämpfte mit ihrem Rekurs vom 20. Juli 2009 beide Abweisungen. Auf die Anmerkung der Rangordnung wies sie ebenso wenig hin wie auf die am 15. Juli 2009 bewilligte Zwangsversteigerung im Rang CLNr 7a.
Die zweite Instanz wies den Rekurs der betreibenden Partei gegen die Abweisung des Antrags auf Bewilligung der Zwangsversteigerung wegen fehlender Beschwer zurück und gab dem Rekurs gegen die Abweisung des Antrags auf Bewilligung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung - unanfechtbar (§ 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO) und erkennbar auch unangefochten - nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, dass der betreibenden Partei die Beschwer zur Erhebung des Rekurses gegen die Abweisung des Antrags auf Bewilligung der Zwangsversteigerung fehle. Es liege ein Sachverhalt vor, der eine Wiederherstellung der Interessen der Rekurswerberin durch die Rekursentscheidung ausschließe. Der betreibenden Partei sei in dem auf die Abweisung ihrer Anträge unmittelbar nachfolgenden Rang die Zwangsversteigerung ohnedies rechtskräftig bewilligt worden. Eine Rangverschiebung sei nicht eingetreten.
Da es sich um einen nachträglichen Wegfall der Beschwer handle, sei gemäß § 50 Abs 2 ZPO iVm § 78 EO der Erfolg des Rechtsmittels hypothetisch nachzuvollziehen, sodass der Rechtsmittelwerber, der ohne Wegfall der Beschwer seine Kosten erhalten hätte, diese auch zugesprochen bekomme. § 86 GBG lasse die gleichzeitige Beantragung mehrerer Eintragungen, die durch die selben Urkunden begründet würden, sowie die Eintragung eines Rechts in mehrere Grundbuchseinlagen oder die Eintragung mehrerer Rechte in einer Grundbuchseinlage zu. Faktisch bedeutsam sei das aus § 86 GBG im Wege eines Umkehrschlusses abzuleitende Kumulierungsverbot: Der Zweck der Einschränkung der Zulässigkeit der Kumulierung liege darin, dass die Eintragung komplizierter und unklarer Eintragungsgrundlagen, die die Gefahr eines unklaren Grundbuchstandes heraufbeschwörten, vermieden werden solle. Eine unzulässige Kumulierung habe die Abweisung des gesamten Antrags zur Folge. Das Kumulierungsverbot sei allerdings einschränkend auszulegen, sofern dies dem Gesetzeszweck der Erledigungsvereinfachung und Fehlervermeidung nicht klar zuwider laufe. Die Abweisung der begehrten Eintragungen sei mit § 86 GBG nicht zu begründen, handle es sich doch weder um ein kompliziertes noch um ein unklares Eintragungsbegehren. Aus diesen Erwägungen sprach das Rekursgericht der betreibenden Partei die Kosten des Rekurses gegen die Abweisung des Antrags auf Bewilligung der Zwangsversteigerung zu.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen die Zurückweisung ihres Rekurses ist zulässig, weil sich die Rechtsauffassung des Rekursgerichts über die fehlende Beschwer als korrekturbedürftig erweist. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Die betreibende Partei macht zutreffend geltend, dass die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung (§ 53 Abs 1 GBG) der Liegenschaft der Verpflichteten (TZ 5711/2009 vom 13. Juli 2009) der Anmerkung der Einleitung des neuerlich beantragten Zwangsversteigerungsverfahrens (TZ 5719/2009) vorgeht. Die Vorschrift des § 57 GBG ist einschränkend dahin auszulegen, dass nach dieser Gesetzesstelle über Antrag des Erstehers nur jene Zwischeneintragungen zu löschen sind, welche eine Beeinträchtigung der dinglichen Rechte des Erwerbers bedeuten würden, nicht aber solche, die sich auf ein Recht beziehen, das der Anmerkung im Rang vorausgeht, oder die keine neue Belastung des bisher Berechtigten enthalten (stRsp; zuletzt 5 Ob 18/09x; RIS-Justiz RS0060997). Geht die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung der Liegenschaft der Anmerkung der Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens im Rang vor, besteht für den durch sie gesicherten Berechtigten keine Gefährdung des Verlusts dieser Liegenschaft durch Zwangsversteigerung, weil dieser die Anmerkung der Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens (während der Geltungsdauer des Rangordnungsbescheids) - als Zwischeneintragung - löschen lassen könnte (§ 57 Abs 1 GBG; 8 Ob 130/70 = SZ 43/93; 5 Ob 280/04v; 5 Ob 281/04s). Das gilt auch für den hier vorliegenden Fall, weil die Einverleibung im Rang der Rangordnung der Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens im Rang vorgeht und letztere keinen Hinweis iSd § 137 Abs 1 Satz 3 EO darauf enthält, dass die Zwangsversteigerung zur Hereinbringung einer schon pfandrechtlich sichergestellten Forderung bewilligt wurde (5 Ob 280/04v; 5 Ob 281/04s; Angst in Angst, EO² § 133 Rz 24; Mahrer in Kodek, Grundbuchsrecht, § 57 GBG Rz 12).
Daraus ergibt sich aber zweifelsfrei die Beschwer der betreibenden Partei an der sachlichen Erledigung ihres Rekurses gegen die erstinstanzliche Abweisung ihres Antrags auf Bewilligung der Zwangsversteigerung der Liegenschaft der Verpflichteten: Ist dieser Rekurs nämlich erfolgreich, bestimmt sich die Rangordnung der Eintragung gemäß § 138 Abs 1 Satz 2 2. Fall EO iVm § 29 GBG nach dem Zeitpunkt, der Anbringung des Versteigerungsantrags, auch wenn der Exekutionsantrag zunächst abgewiesen und erst in höherer Instanz bewilligt wird (Angst aaO § 133 Rz 13). Dieser Zeitpunkt liegt aber vor dem Zeitpunkt der Anmerkung der Rangordnung für die (beabsichtigte) Veräußerung.
Der Berücksichtigung des Umstands, dass der betreibenden Partei wegen der Anmerkung der Rangordnung ein Rechtsschutzinteresse an der sachlichen Erledigung ihres Rekurses zuzubilligen ist, steht auch das Neuerungsverbot nicht entgegen: Das Rekursgericht hat die fehlende Beschwer der betreibenden Partei an der sachlichen Erledigung des Rekurses gegen die Abweisung des Antrags auf Zwangsversteigerung auf eine „neue", nämlich nach erstinstanzlicher Beschlussfassung entstandene, Tatsache gegründet: Der erstgerichtliche Beschluss wurde am 6. Juli 2009 gefasst. Erst danach, nämlich mit Beschluss des Erstgerichts vom 15. Juli 2009, wurde - rechtskräftig - die Zwangsversteigerung in dem den angemerkten Anmerkungen folgenden Rang bewilligt. Diese Vorgangsweise des Rekursgerichts war grundsätzlich korrekt, weil auch der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses am Rechtsmittel eine sachliche Erledigung des Rechtsmittels hindert (E. Kodek in Rechberger, ZPO³ vor § 461 Rz 9 mwN). Fällt jedoch das Rechtsschutzinteresse erst nach Erhebung des Rechtsmittels weg, ist gemäß § 50 Abs 2 ZPO iVm § 78 EO der Erfolg des Rechtsmittels zur Ermöglichung einer Kostenentscheidung hypothetisch nachzuvollziehen (Fucik in Rechberger, ZPO³ § 50 Rz 2 mwN).
Prüft nun das Rechtsmittelgericht, ob die Beschwer an der sachlichen Erledigung des Rechtsmittels nachträglich weggefallen ist, so hat es diese Prüfung vollständig vorzunehmen: Das Rekursgericht hat erkennbar den Grundbuchstand und die dort enthaltene Anmerkung der Bewilligung der Zwangsversteigerung berücksichtigt, nicht aber die ebenfalls aus dem Grundbuch ersichtliche vorangegangene Anmerkung der Rangordnung. Die der rechtskräftig bewilligten (zweiten) Zwangsversteigerung vorangegangene Anmerkung der Rangordnung nimmt aber der betreibenden Partei aus den bereits dargelegten Gründen nicht das Rechtsschutzinteresse an der sachlichen Erledigung ihres Rekurses.
Auch der Umstand, dass die zweite Exekutionsbewilligung in Rechtskraft erwuchs, steht einer sachlichen Erledigung des Rekurses der betreibenden Partei nicht entgegen:
Nicht bloß prozessleitende Beschlüsse erwachsen auch im Exekutionsverfahren (3 Ob 156/08z, 3 Ob 103/99i ua) ebenso wie im Grundbuchsverfahren (RIS-Justiz RS0079245 zu Abweisungsbeschlüssen) in materielle Rechtskraft. Bei Bejahung der Identität der nun rechtskräftig erteilten Exekutionsbewilligung auf Zwangsversteigerung mit der im Rekursverfahren angestrebten Exekutionsbewilligung auf Zwangsversteigerung stünde daher einer sachlichen Erledigung des Exekutionsantrags das Hindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen.
Die Begehren beider Anträge und der Anspruchsgrund (betriebene Forderung) stimmen überein. Allerdings hat das Bewilligungsgericht, wenn es - wie hier - auch Grundbuchsgericht ist, gemäß § 137 Abs 1 Satz 1 EO von Amts wegen anzuordnen, dass die Bewilligung der Zwangsversteigerung bei der betreffenden Liegenschaft unter Angabe des betreibenden Gläubigers und der betriebenen Forderung bücherlich angemerkt wird. Wie bereits dargelegt, bestimmt sich in diesem Fall der Rang der Anmerkung nach dem Tag des Einlangens des Antrags. Durch die Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens wird das Befriedigungsrecht des betreibenden Gläubigers in einem bestimmten Rang begründet. Ab dem Zeitpunkt der Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens sind Rechtshandlungen des Verpflichteten, die die in Exekution gezogene Liegenschaft betreffen und die nicht zur ordentlichen Verwaltung gehören, den Gläubigern und dem Ersteher gegenüber unwirksam (§ 138 Abs 2 EO). Diese weitreichenden Folgen der von Amts wegen vorzunehmenden Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens lassen die Beurteilung gerechtfertigt erscheinen, dass jedenfalls dann, wenn das Bewilligungs- mit dem Buchgericht ident ist, mit dessen Exekutionsbewilligung die von Amts wegen vorzunehmende Anmerkung nach § 138 Abs 1 EO derart untrennbar verknüpft ist, dass sie als Teil des Exekutionsbewilligungsbeschlusses aufzufassen ist. Daraus folgt aber, dass sich die in einem bestimmten Rang bewilligte Zwangsversteigerung von einer in einem anderen (hier späteren) Rang bewilligten Zwangsversteigerung eben gerade durch den Rang des Vollstreckungsanspruchs unterscheidet, sodass es an der für die Rechtskraftwirkung erforderlichen Identität fehlt (RIS-Jusitz RS0108828). Die rechtskräftig in einem späteren Rang erlassene Bewilligung der Zwangsversteigerung bewirkt aus diesem Grund kein Rechtskrafthindernis für die Erledigung des Sachantrags auf Zwangsversteigerung in dem zunächst beantragten (früheren) Rang. Der Umstand, dass die zweite Exekutionsbewilligung in Rechtskraft erwuchs, steht somit einer sachlichen Erledigung des Rekurses nicht entgegen.
Das Rekursgericht hat nun über die materielle Berechtigung des Antrags auf Bewilligung der Zwangsversteigerung nicht inhaltlich entschieden, sondern den Rekurs nur formal erledigt. Lediglich im Umfang seiner Kostenentscheidung hat es iSd § 50 Abs 2 ZPO iVm § 78 EO den hypothetischen Rechtsmittelerfolg der betreibenden Partei nachvollzogen. Damit ist der Oberste Gerichtshof für eine Sachentscheidung funktionell nicht zuständig. Der Rahmen der Nachprüfung im Revisionsrekursverfahren wird nämlich durch den Gegenstand des angefochtenen Beschlusses bestimmt und begrenzt. Nach neuerer Rechtsprechung ist es daher grundsätzlich nicht zulässig, bei Aufhebung der zweitinstanzlichen Zurückweisung eines Rekurses sogleich die Sachentscheidung über den Rekurs zu treffen (Zechner in Fasching/Konecny IV/1² § 526 Rz 19 f; E. Kodek aaO § 526 Rz 1 je mwN; 3 Ob 252/05p; 7 Ob 95/06f ua). Die anerkannten Ausnahmen von diesem Grundsatz (Sicherungsverfahren bzw Deckungsgleichheit der Voraussetzungen für die Zulässigkeit und für die meritorische Erledigung (Zechner aaO § 526 Rz 21; E. Kodek aaO § 526 Rz 1 je mwN) liegen hier nicht vor. Der Oberste Gerichtshof ist damit selbst zur Entscheidung nicht zuständig (RIS-Justiz RS0007060).
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO iVm § 78 EO.
Textnummer
E92901European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00243.09W.1214.000Im RIS seit
13.01.2010Zuletzt aktualisiert am
31.01.2013