TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/20 98/08/0052

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Veröffentlicht am 20.12.2000
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §111;
ASVG §114 Abs2;
ASVG §67 Abs10 idF 1986/111;
ASVG §67 Abs10 idF 1989/642;
ASVG §67 Abs10;
BAO §80 Abs1;
VStG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. Rudolf Schaller, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, Hauptstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 22. Juli 1997, Zl. VIII/1-N- 543/10-1997, betreffend Haftung für Beitragsschulden gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Burgenländische Gebietskrankenkasse in Eisenstadt, Esterhazyplatz 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 23. November 1988 sprach Peter P. bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vor. Er gab an, er sei bis zum 31. August 1988 im "Jazz-Pub W.", dessen "Inhaber" der Beschwerdeführer sei, beschäftigt gewesen. Nach der "Kündigung per 31. 8. 1988" habe er erfahren, dass er schon "per 30.4.88" von der Pflichtversicherung abgemeldet worden sei. Der Beschwerdeführer habe versprochen, "das Abmeldedatum auf 31.8.1988 zu korrigieren", dies aber nicht durchgeführt.

Mit einer am 16. Jänner 1989 beim Landesgericht Eisenstadt eingelangten, gegen den Beschwerdeführer persönlich gerichteten Klage begehrte Peter P. - gestützt darauf, dass der Beschwerdeführer das Dienstverhältnis "am 31. 8. 1988 aufgekündigt" habe - den Nettolohn (bei einem monatlichen Bruttoentgelt von S 26.400,--) von monatlich S 16.249,98 für die Monate Jänner bis August 1988 (zusammen S 129.999,84), aliquote Sonderzahlungen für den selben Zeitraum netto (S 28.193,90), Urlaubsentschädigung für 60 Werktage netto (S 66.810,13) und Kündigungsentschädigung für den Zeitraum vom 1. September bis zum 31. Dezember 1988 inklusive anteiliger Sonderzahlungen netto (S 70.650,71) abzüglich geleisteter Teilzahlungen in der Höhe von S 85.000,--, insgesamt somit S 210.654,58 samt Anhang.

Zu Beginn der Verhandlungstagsatzung am 8. Oktober 1990 schränkte Peter P. dieses Klagebegehren um die Kündigungsentschädigung auf den danach verbleibenden Betrag von S 140.003,87 samt Anhang ein. Bei seiner anschließenden Einvernahme als Partei gab Peter P. u.a. an, er sei bis Ende August 1988 Dienstnehmer des Vereins "Jazz-Pub W." gewesen, dessen Obmann der Beschwerdeführer gewesen sei. Die Tagsatzung endete - in Abwesenheit des mit Krankheit entschuldigten Beschwerdeführers - mit dem Abschluss eines bedingten Vergleiches, in dessen erstem Punkt der Umstellung des Klagebegehrens auf den Verein zugestimmt wurde und nach dessen weiterem Inhalt sich der Verein zur Bezahlung des restlichen Klagsbetrages von S 140.003,87 samt Anhang verpflichtete. Dieser Vergleich wurde innerhalb der festgelegten Frist bis zum 30. Oktober 1990 nicht widerrufen und damit rechtswirksam.

Am 21. November 1990 führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse beim Verein eine Beitragsprüfung durch. Dabei wurde Peter P. auf Grund des gerichtlichen Vergleiches für den Zeitraum vom 1. Mai 1988 bis zum 31. August 1988 "weiter zur Pflichtversicherung einbezogen".

Mit Bescheid vom 10. Dezember 1990 wurde dem Verein zu Handen des Beschwerdeführers auf Grund dieses Ergebnisses der Beitragsprüfung eine Gesamtnachzahlung von S 54.442,65 (S 43.620,-- Beiträge einschließlich Sonderbeiträge, Umlagen und Fondsbeiträge; S 10.822,65 Beitragszuschlag) vorgeschrieben.

Am 23. Jänner 1991 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vereins mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen.

Mit Bescheid vom 18. Februar 1991 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer als gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für die uneinbringlich gewordene Beitragschuld haftenden Obmann des Vereins unter Hinweis auf den angeschlossenen Rückstandsausweis vom 18. Februar 1991 zur Zahlung von S 55.057,51 (darin S 614,68 Verzugszinsen bis 14. Februar 1991) samt Anhang.

In seinem Einspruch gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, er habe Peter P. am 30. April 1988 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse abgemeldet, weil er der Ansicht gewesen sei, dass das Dienstverhältnis an diesem Tag einvernehmlich beendet worden sei. Peter P. sei danach "noch zeitweise ... jedoch äußerst geringfügig" für den Verein tätig gewesen. Die Klage sei für den Beschwerdeführer völlig überraschend gekommen. Die zunächst gegen den Beschwerdeführer selbst erhobene und insoweit nachweislich unberechtigte Klage sei am 8. Oktober 1990 auf den Verein umgestellt worden. Da "die Beweislage - wie bei arbeitsgerichtlichen Verfahren üblich - für die beklagte Partei, den eingetragenen Verein Jazz-Pub W., problematisch" gewesen sei, sei es "letztlich" zum Abschluss eines Vergleiches gekommen. Dieser habe sich auf den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. August 1988 bezogen, weshalb § 67 Abs. 10 ASVG "in der Fassung der 47. Novelle" (gemeint hier und in allen weiteren Bezugnahmen des Beschwerdeführers auf die "47. Novelle": die 41. ASVG-Novelle) anzuwenden sei. Es sei "hervorzuheben, dass der Verein seit mehreren Jahren über keinerlei flüssige Mittel" verfüge, weshalb es auch nicht möglich gewesen sei, die Peter P. zustehende Forderung (gemeint offenbar: den Vergleichsbetrag) zu begleichen. Den Beschwerdeführer treffe kein Verschulden, weil vor der Umstellung des Klagebegehrens am 8. Oktober 1990 keinerlei Anlass zur Annahme einer Beitragsschuld bestanden habe. Im Oktober 1990 habe sich der Verein aber schon "in Liquidation" befunden und es sei "in diesem Zeitpunkt schon längere Zeit hindurch" eine "Vermögenslosigkeit" gegeben gewesen. Ein Vergleichswiderruf sei "einzig und allein im Hinblick darauf" unterblieben, dass sich ein solcher "für den Widerrufenden de facto in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren äußerst ungünstig" auswirke. Für den Beschwerdeführer sei aber jedenfalls "erst nach dem 8. Oktober 1990 eine Gehaltsverbindlichkeit gegenüber Peter P. erkennbar" gewesen. Zuvor sei das Entstehen der Gehaltsverbindlichkeit für den Beschwerdeführer als Vereinsobmann "nicht zu befürchten" gewesen, "da das Klagebegehren erst an diesem Tag gegen den Verein umgestellt wurde". Hiezu beantragte der Beschwerdeführer u.a. seine Einvernahme.

Nach Vorlage des Einspruchs mit einer Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 2. April 1991 und der Erstattung einer Befangenheitsanzeige des bei der belangten Behörde an sich zuständigen Sachbearbeiters brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27. August 1992 die Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 2. April 1991 zur Kenntnis. In dieser Stellungnahme wurde u.a. auf die Vorsprache des Dienstnehmers am 23. November 1988 Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass das Dienstverhältnis danach erst Ende August 1988 in einem Streit geendet habe. Der Beschwerdeführer habe den Dienstnehmer "wissentlich und vorsätzlich" zum 30. April 1988 abgemeldet, obwohl der Dienstnehmer weiterhin beim Verein beschäftigt gewesen sei. Im Sommer eines jeden Jahres hätten in W. "große Musikveranstaltungen" stattgefunden und mit den "hohen Einnahmen" hätten "die Sozialversicherungsbeiträge leicht bezahlt" werden können.

Der Beschwerdeführer hielt dem mit Schreiben vom 20. Oktober 1992 u.a. entgegen, der Abschluss des gerichtlichen Vergleichs bedeute nicht, dass der Beschwerdeführer damit die Richtigkeit der Angaben von Peter P. bestätigt habe. Der Beschwerdeführer stehe unverändert auf dem Standpunkt, dass Peter P. nach dem 30. April 1988 nicht mehr in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zum Verein gestanden sei. Es stelle "sicherlich kein relevantes Verschulden" des Beschwerdeführers dar, wenn dieser der Ansicht gewesen sei, das Dienstverhältnis sei beendet gewesen.

Die belangte Behörde erörterte in Schreiben vom 16. März 1994, 26. Juli 1995 und 10. April 1996 (jeweils ohne Einbeziehung des Beschwerdeführers in diese Korrespondenz) mit der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, ob sich der Beschwerdeführer auf Verjährung berufen könne, und wandte sich mit Schreiben vom 28. Jänner 1997 wieder an den Beschwerdeführer, der nun aufgefordert wurde, im Hinblick auf die Behandlung der Beitragsschuld konkret darzulegen und geeignete Unterlagen darüber vorzulegen, welche Mittel dem Verein bei Fälligkeit der Beiträge zum 31. Mai, 30. Juni, 31. Juli und 31. August 1988 zur Verfügung gestanden seien, welche Verbindlichkeiten des Vereins zu diesen Zeitpunkten jeweils ausgehaftet hätten und welche Zahlungen der Verein geleistet habe. Dies war mit einer Belehrung darüber verbunden, dass die Fälligkeit der Beiträge (gemeint: ungeachtet des Umstandes, dass es sich beim Verein um einen "Vorschreibebetrieb" handelte) "mangels Meldung des Dienstnehmers" jeweils mit dem letzten Tag des Kalendermonats eingetreten sei.

Mit Schreiben vom 30. Mai 1997 teilte der Beschwerdeführer mit, dass der Steuerberater die entsprechenden Unterlagen - nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist - inzwischen "entsorgt" habe. Abgesehen davon, dass es ein "Verstoß gegen Treu und Glauben" sei, den Beschwerdeführer nach einer so langen Verfahrenspause zur Vorlage dieser Unterlagen aufzufordern, sei es auch nicht schlüssig, ihm die Nichtabfuhr der Beiträge zu Zeitpunkten vorzuwerfen, zu denen er - ohne dass ihm dies zum Vorwurf gemacht werden könne - noch nichts von einer Beitragsschuld gewusst habe. Die Kenntnis einer "möglichen Zahlungspflicht" des Vereins könne dem Beschwerdeführer frühestens ab dem 8. Oktober 1990 "angelastet" werden. Eine Haftung des Beschwerdeführers scheide aber auch wegen Verjährung aus, weil der erstinstanzliche Bescheid vom 18. Februar 1991 datiere. Da die "letztmögliche Fälligkeit der Beiträge" der 31. August 1988 gewesen sei, hätte die Haftung bis zum 31. August 1990 geltend gemacht werden müssen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge. In der Begründung dieser Entscheidung legte die belangte Behörde - ausgehend vom Inhalt des gerichtlichen Vergleiches vom 8. Oktober 1990 und des rechtskräftigen Beitragsbescheides vom 10. Dezember 1990 - zunächst dar, dass § 67 Abs. 10 ASVG in der Fassung der 48. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 642/1989, und des Sozialrechtsänderungsgesetzes, BGBl. Nr. 741/1990, anzuwenden sei, und die danach für die Geltendmachung der Haftung erforderliche Uneinbringlichkeit beim Beitragsschuldner durch die Abweisung des Konkursantrages nachgewiesen sei. Das zwischen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und dem Beitragsschuldner gehandhabte Vorschreibeverfahren ändere auf Grund des Unterbleibens der - vom Beschwerdeführer gar nicht behaupteten - Meldung der weiterhin aufrechten Beschäftigung des Dienstnehmers nichts daran, dass die Beiträge jeweils am letzten Tag des Kalendermonats fällig geworden seien. Der Beschwerdeführer bestreite "das Vorliegen eines beitragspflichtigen Dienstverhältnisses" in der Zeit vom 1. Mai bis zum 31. August 1988 und bringe vor, dass eine Gehaltsverbindlichkeit des Vereins für ihn erst nach dem Vergleichsabschluss erkennbar gewesen sei. Dem sei entgegen zu halten, dass sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen müsse und er nur dann entschuldigt sei, wenn er die ihm zumutbaren Schritte dazu, sich in der Frage der Meldepflicht des Beschäftigungsverhältnisses sachkundig zu machen, unternommen habe. "Ausführungen dahingehend, dass er sich bezüglich der Frage des Vorliegens eines versicherungspflichtigen Dienstverhältnisses des Dienstnehmers Peter P. zum Verein Jazz-Pub W. in der Zeit vom 1. Mai 1988 bis 31. August 1988 sachkundig gemacht habe", habe der Beschwerdeführer aber "nicht vorgebracht". Er habe "die Einholung zweckdienlicher Erkundigungen" unterlassen, obwohl er im Einspruch selbst anführe, dass Peter P. nach der "behaupteten einvernehmlichen Lösung" des Dienstverhältnisses "noch zeitweise, jedoch äußerst unregelmäßig" für den Verein tätig gewesen sei. Nach Ansicht der belangten Behörde wäre es aber die Pflicht des Beschwerdeführers gewesen, sich diesbezüglich sachkundig zu machen. Die Behauptung, der Beschwerdeführer habe bis zum Abschluss des gerichtlichen Vergleichs "nicht erkennen können, dass es sich um ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe", entschuldige ihn daher nicht. Der Beschwerdeführer habe "die nicht rechtzeitige Entrichtung" der Beiträge, die "auf die Meldepflichtverletzung" des Beschwerdeführers "zurückzuführen" sei, daher als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten. Wenn "zufolge einer schuldhaften Verletzung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten" durch den Vertreter der nicht entrichtete Beitrag uneinbringlich werde, wobei dies (gemeint: die Uneinbringlichkeit als solche) im vorliegenden Fall nicht strittig sei, so spreche die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit durch die Pflichtverletzung. Konkrete Ausführungen dahingehend, dass der Verein im fraglichen Zeitraum mangels finanzieller Mittel seine Zahlungen zur Gänze eingestellt und deshalb auch keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet habe, seien vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht worden. Schließlich sei aus näher dargestellten Gründen auch keine Verjährung eingetreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erwogen hat:

Mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Zlen. 98/08/0191, 0192, hat der Verwaltungsgerichtshof in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 67 Abs. 10 ASVG in der von der belangten Behörde herangezogenen Fassung ausgesprochen, zu den "den Vertretern auferlegten Pflichten", an deren schuldhafte Verletzung die in der erwähnten Bestimmung vorgesehene Haftung anknüpfe, gehöre - mangels einer dem § 80 Abs. 1 BAO entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschrift - nicht auch die allgemeine Pflicht der Vertreter gegenüber den Beitragsgläubigern, für die Entrichtung der Beiträge Sorge zu tragen. Anknüpfungspunkt für die persönliche Haftung der im § 67 Abs. 10 ASVG genannten Vertreter sind nach diesem Erkenntnis, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, die Melde-, Anzeige- und Auskunftspflichten, insoweit sie gemäß § 111 ASVG in Verbindung mit § 9 VStG gegenüber dem gesetzlichen Vertreter verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert sind und ihn daher persönlich treffen und die in § 114 Abs. 2 ASVG sanktionierte Pflicht zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmeranteile.

Der Verwaltungsgerichtshof hält - was für den vorliegenden Fall noch von Bedeutung ist - auch zu dem von ihm nunmehr vertretenen Verständnis der in § 67 Abs. 10 ASVG vorausgesetzten Pflichten der Vertreter daran fest, dass diese Bestimmung nicht in der Fassung der 41. ASVG-Novelle anzuwenden ist, wenn der erstinstanzliche Haftungsbescheid nach dem 1. Jänner 1990 erlassen wurde (vgl. dazu die von der belangten Behörde zitierten Erkenntnisse vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0177, Slg. Nr. 13.384/A, und vom 28. April 1992, Zl. 92/08/0055).

Maßgebend dafür, ob der Beschwerdeführer zu Recht zur Haftung herangezogen wurde, ist danach - wenn der gerichtliche Vergleich, der unwiderlegten Behauptung des Beschwerdeführers entsprechend, nicht mehr erfüllt werden konnte und eine Vorenthaltung einbehaltener Dienstnehmeranteile schon aus diesem Grund ausscheidet - die von der belangten Behörde bejahte Frage, ob dem Beschwerdeführer in Bezug auf die (von ihm aber bestrittene) Beschäftigung des Dienstnehmers während des Nachverrechnungszeitraumes eine Meldepflichtverletzung zur Last liegt, in Verbindung mit der weiteren Voraussetzung, dass dies zur Uneinbringlichkeit der Beiträge beim Verein geführt hat.

Die zuletzt erwähnte Voraussetzung wäre insoweit nicht erfüllt, als die Beiträge auch ohne die angenommene Meldepflichtverletzung nicht mehr einbringlich zu machen gewesen wären, wobei dieses Beweisthema mit der - in der bisherigen Rechtsprechung und Praxis im Vordergrund stehenden - Frage der Folgen einer (hypothetischen) Erfüllung näher zu bestimmender Gleichbehandlungspflichten (vgl. dazu die Ausführungen in dem erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Zlen. 98/08/0191, 0192) im Vergleich zum tatsächlichen Zahlungsverhalten des dafür verantwortlichen Vertreters des Beitragschuldners nicht identisch wäre.

Im vorliegenden Fall ist aber schon die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe noch während des Nachverrechnungszeitraumes (und nicht etwa im Anschluss an das Zustandekommen des gerichtlichen Vergleiches) Meldepflichten verletzt, nicht ausreichend begründet. Die belangte Behörde hat zu diesem Thema zwar zutreffend dargelegt, dass den Beschwerdeführer die Verpflichtung traf, sich hinsichtlich der Voraussetzungen der Meldepflicht (im hier konkret vorliegenden Zusammenhang: vor allem des Vorliegens der Voraussetzungen für die Abmeldung des Dienstnehmers) die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen (vgl. dazu - die Erkundigungspflicht eines Vereinsobmannes betreffend - das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/08/0058, und die dort angeführte Vorjudikatur). Darüber, dass das Beschäftigungsverhältnis nicht beendet war oder wieder neu begonnen hatte, hat die belangte Behörde aber nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen. Trifft es zu, dass der Dienstnehmer nach der vom Beschwerdeführer behaupteten einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses für den Verein noch "zeitweise, jedoch äußerst unregelmäßig" tätig war, so ließe sich daraus noch nicht ableiten, dass die einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses - entgegen dem von der belangten Behörde hervorgehobenen Standpunkt des Beschwerdeführers, es habe kein beitragspflichtiges Dienstverhältnis mehr bestanden - nicht stattgefunden hatte und die Abmeldung daher unrichtig war oder eine neuerliche Anmeldung des Dienstnehmers - zu einem von der belangten Behörde nicht näher bestimmten Zeitpunkt - erforderlich gewesen wäre. Der erst im Oktober 1990 (nach den unwiderlegten Behauptungen des Beschwerdeführers in einem Stadium bereits seit längerer Zeit andauernder Vermögenslosigkeit des Vereins, wenige Wochen vor der Abweisung des Konkursantrages) abgeschlossene Vergleich und die dadurch für den Zeitraum der im Vergleich zugestandenen Leistungen (jedenfalls) eingetretene Versicherungs- und Beitragspflicht (vgl. dazu angesichts der im vorliegenden Fall klar zeitraumbezogenen Entgeltsansprüche § 11 Abs. 1 zweiter Satz ASVG und dazu die im hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, Zl. 96/08/0402, im Zusammenhang mit der rechtlichen Bedeutung derartiger Vergleiche zitierten Vorentscheidungen) erübrigten im hier gegebenen Zusammenhang nicht die Prüfung der Frage, ob zwischen dem Verein und Peter P. während des Nachverrechnungszeitraumes ein Beschäftigungsverhältnis bestand. Auch eine Bindung an den Beitragsbescheid ist im Zusammenhang mit der daraus allenfalls abzuleitenden (in diesem Bescheid aber jedenfalls nicht festgestellten) Meldepflichtverletzung - trotz des im Beitragsbescheid u.a. vorgeschriebenen Beitragszuschlages - nicht anzunehmen (vgl. zu diesem Thema - die Frage einer Bindung an den Beitragsbescheid in Bezug auf die im vorliegenden Fall nicht strittige Beitragsschuld als solche für den Fall eines noch andauernden Vertretungsverhältnisses offen lassend - zuletzt das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 94/08/0095). Wollte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer entgegenhalten, ohne Verletzung von Erkundigungspflichten hätte er erkennen müssen, dass der Dienstnehmer nicht abzumelden (oder wieder anzumelden) gewesen wäre, so hätte sie daher auch begründen müssen, dass während des Nachverrechnungszeitraumes entgegen den Einspruchsbehauptungen des Beschwerdeführers ein Dienstverhältnis bestand. Die zur Beurteilung dieser Frage erforderlichen Feststellungen hat die belangte Behörde aber nicht getroffen.

Der angefochtene Bescheid war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren ist zu bemerken, dass die belangte Behörde - nach der insoweit hier noch anzuwendenden Rechtslage vor der 50. ASVG-Novelle - mit Recht davon ausgegangen ist, dass gegenüber dem Beschwerdeführer keine Verjährung eingetreten war (vgl. dazu das im angefochtenen Bescheid zitierte hg. Erkenntnis vom 12. Jänner 1993, Zl. 91/08/0176; zur Rechtslage nach der 50. ASVG-Novelle das Erkenntnis vom 22. März 1994, Zl. 93/08/0210, Slg. Nr. 14.021/A).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 Abs. 1 ASVG abzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998080052.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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