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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. Friedrich Gehmacher, Rechtsanwalt in Salzburg, Alter Markt 7/2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 10. Oktober 1997, Zl. LGSSBG/5/1218/1997, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der vom 1. Jänner 1985 bis zum 16. Jänner 1994 bei einem Steuerberater und daran anschließend bis zum 31. Dezember 1994 bei dessen Witwe als Bilanzbuchhalter beschäftigt gewesen war, bezog nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides vom 1. Jänner 1995 bis zum 23. Dezember 1995 Arbeitslosengeld (ob dies während des Zeitraumes einer Schulung vom 30. Oktober 1995 bis zum 22. Dezember 1995 zutraf, bedarf aus den im Folgenden darzustellenden Gründen keiner näheren Prüfung) und danach bis zum 28. Februar 1997 Notstandshilfe. In den zu Grunde liegenden Anträgen vom 2. Jänner 1995, 27. Dezember 1995 und 4. Dezember 1996 verneinte er jeweils die Frage, ob er selbständig erwerbstätig sei.
In einer am 7. April 1997 mit ihm aufgenommenen Niederschrift gab der Beschwerdeführer an, er sei seit 1992 zu 25 % an einer GmbH beteiligt und habe bis Ende Februar 1997 "ehrenamtlich" die Funktion eines Geschäftsführers dieser Gesellschaft ausgeübt.
Mit Bescheid vom 24. Juni 1997 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg aus, für den Zeitraum vom 1. Jänner 1995 bis zum 23. Dezember 1995 werde der Bezug (gemeint: die Zuerkennung) des dem Beschwerdeführer gewährten Arbeitslosengeldes "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Gesamtbetrag von S 133.196,-- verpflichtet. Zur Begründung dieser Entscheidung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Anteil des Beschwerdeführers an 11,1 % des Umsatzes der GmbH laut Umsatzsteuerbescheid 1995 übersteige die Beträge des § 5 Abs. 2 ASVG.
Mit einem zweiten Bescheid vom 24. Juni 1997 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg aus, für den Zeitraum vom 24. Dezember 1995 bis zum 28. Februar 1997 werde der Bezug (gemeint: die Zuerkennung) der dem Beschwerdeführer gewährten Notstandshilfe "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Gesamtbetrag von S 184.737,-- verpflichtet. Zur Begründung dieser Entscheidung wurde im Wesentlichen (wieder) ausgeführt, der Anteil des Beschwerdeführers an 11,1 % des Umsatzes der GmbH laut Umsatzsteuerbescheid 1995 übersteige die Beträge des § 5 Abs. 2 ASVG.
Der Berufung des Beschwerdeführers gegen diese Bescheide gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nicht Folge. Die belangte Behörde bestätigte die erstinstanzlichen Bescheide und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der Geschäftsführer einer GmbH (nach den Angaben des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall eine Gesellschaft zur Weiterführung der vormaligen Bücherstube eines Waldorfschulvereins) könne diese Tätigkeit nicht "ehrenamtlich" ausüben. Es handle sich "in jedem Fall dabei um eine selbständige Erwerbstätigkeit". Laut Umsatzsteuerbescheid 1995 habe der Umsatz der GmbH im Jahr 1995 S 3,155.908,39 betragen. 11,1 % davon seien S 350.305,83, woraus sich auf Grund der 25 %igen Beteiligung des Beschwerdeführers an der Gesellschaft ein "monatliches Einkommen" des Beschwerdeführers in der - die Geringfügigkeitsgrenzen des § 5 Abs. 2 ASVG übersteigenden - Höhe von S 7.298,04 ergebe. Nach der im Jahr 1995 gültigen Rechtslage, die "einen theoretischen Umsatzanteil eines geschäftsführenden Gesellschafters im beschriebenen Ausmaß als dessen Mindesteinkommen" annehme, sei der Beschwerdeführer im (ersten) Rückforderungszeitraum vom 1. Jänner 1995 bis zum 23. Dezember 1995 daher nicht arbeitslos gewesen. Auf diesen Rückforderungszeitraum sei die Rechtslage vom Jänner 1995 anzuwenden, weil der Beschwerdeführer damals den Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt habe.
Als der Beschwerdeführer am 27. Dezember 1995 die Gewährung der Notstandshilfe beantragt habe, habe sich die Rechtslage durch das Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995, insofern geändert gehabt, als für die Prüfung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit trotz Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach der nunmehrigen Fassung des § 12 Abs. 6 lit. c AlVG nicht mehr nur der Umsatz, sondern auch das Einkommen von Bedeutung gewesen sei. Weiters sei dem § 12 Abs. 6 AlVG noch eine lit. e angefügt worden, die "explizit auf den geschäftsführenden Gesellschafter hinweist und dessen Arbeitslosigkeit nur bei Vorliegen der genannten Voraussetzung (11,1 % des auf Grund seiner Anteile aliquotierten Umsatzes der Gesellschaft) bezieht". Aus § 36b AlVG ergebe sich nach Meinung der belangten Behörde, dass bei der zu treffenden (nachträglichen) Entscheidung über die Bezugsberechtigung des Beschwerdeführers für das Jahr 1996 der Umsatzsteuerbescheid 1995 heranzuziehen sei. Daraus ergebe sich wieder ein monatlicher Betrag von S 7.298,04, der die Geringfügigkeitsgrenze für 1996 und auch die für 1997 übersteige. Somit sei der Beschwerdeführer auch während des (zweiten) Rückforderungszeitraumes vom 24. Dezember 1995 bis zum 28. Februar 1997 nicht arbeitslos gewesen. Die Rückforderung gründe sich darauf, dass der Beschwerdeführer in den Anträgen vom 2. Jänner 1995 und vom 27. Dezember 1995 (auf den Antrag vom 4. Dezember 1996 wird nicht Bezug genommen) jeweils die Frage nach der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit verneint und seine "selbständige Erwerbstätigkeit als Gesellschafter einer GmbH" somit verschwiegen habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der auch in anderer Hinsicht auf unzutreffenden Rechtsansichten beruhende und nicht schlüssig begründete Bescheid - zu erwähnen sind etwa die Meinung, jeder Geschäftsführer einer GmbH sei selbständig erwerbstätig, und die Ansicht, für alle drei betroffenen Kalenderjahre komme es auf den Umsatzsteuerbescheid 1995 an - ist schon deshalb gesetzwidrig, weil § 12 Abs. 6 lit. c AlVG nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Zurechnung von Umsätzen eines anderen Rechtssubjektes vorsieht (vgl. dazu die im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/08/0222, angeführten zahlreichen Vorerkenntnisse) und § 12 Abs. 6 lit. e AlVG nicht auf die geschäftsführenden Gesellschafter von Kapitalgesellschaften anzuwenden ist (vgl. dazu die Erkenntnisse vom heutigen Tag, Zlen. 96/08/0336, 0337 und Zl. 96/08/0379, und die darin jeweils angeführte Vorjudikatur). Die Gründe, aus denen die belangte Behörde gemeint hat, der Beschwerdeführer sei nicht arbeitslos gewesen und habe deshalb keinen Anspruch auf die ihm gewährten Leistungen gehabt, treffen somit nicht zu.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Dezember 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998080085.X00Im RIS seit
18.10.2001