Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** B*****, Krankenschwester, *****, vertreten durch die Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Gemeinde Wien, Rathaus, 1082 Wien, vertreten durch die Dr. Gustav Teicht & Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wegen 8.604,63 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Oktober 2008, GZ 7 Ra 119/08h-22, womit über die Berufungen beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 3. Juni 2008, GZ 20 Cga 105/07t-15, hinsichtlich der Kapitalforderung bestätigt, hinsichtlich des Zinsenbegehrens jedoch abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts, das hinsichtlich der Bestätigung des Ersturteils bezüglich des Kapitals und der erstinstanzlichen Kosten bestätigt wird und unberührt bleibt, wird hinsichtlich der Zinsen dahin abgeändert, dass insoweit das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 595,39 EUR (darin 99,23 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 742,27 EUR (darin 123,71 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Bestätigt der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichts (hier: hinsichtlich der Bejahung der Kapitalforderung der Klägerin) und erachtet er dessen Begründung für zutreffend, so reicht es aus, wenn er auf deren Richtigkeit hinweist (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).
Zusammenfassend ist nochmals festzuhalten:
Die Klägerin ist seit 7. 3. 1994 als Vertragsbedienstete der Beklagten beschäftigt. Die von der Klägerin davor in Polen vom 1. 7. 1980 bis 31. 8. 1985 im Dienst des *****. Militärkrankenhauses samt Ambulatorium in G*****, vom 1. 9. 1985 bis 28. 2. 1989 im Dienst des *****. Militärkrankenhauses mit Poliklinik in K***** und vom 13. 2. 1989 bis 31. 5. 1993 im Dienst des Zentrums für Onkologie, Filiale in K*****, erbrachten Vordienstzeiten wurden von der Beklagten nur zur Hälfte angerechnet. Die beiden Militärkrankenhäuser waren zur Zeit der Beschäftigung der Klägerin unmittelbar dem polnischen Minister für Landesverteidigung unterstellt. Das Zentrum für Onkologie war eine Einrichtung öffentlichen Rechts nach Art 1 des polnischen Gesetzes vom 28. 10. 1948 über Anstalten der öffentlichen Gesundheitsvorsorge und Planwirtschaft im Gesundheitswesen. Als solche war sie dem polnischen Staat (Gesundheitsministerium) untergeordnet und wurde auch mit staatlichen Mitteln finanziert. Am Status des Zentrums für Onkologie hat sich durch das Inkrafttreten des polnischen Gesetzes vom 30. 8. 1991 über Anstalten der Gesundheitsvorsorge nichts geändert. Alle drei Krankenhäuser gehörten auch zu jener Liste von polnischen Krankenhäusern, die entweder durch den polnischen Staat oder durch eine andere polnische Gebietskörperschaft gegründet bzw übernommen, verwaltet, beaufsichtigt und finanziert wurden.
Unstrittig unterliegt im vorliegenden Fall die Anrechnung von Vordienstzeiten dem § 14 Abs 1 Z 1 des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994 - DO 1994), LGBl 1994/56. Danach ist für die Vorrückung unter anderem die Zeit, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt wurde, anzurechnen. Die Revisionswerberin räumt ein, dass die Klägerin im hier interessierenden Zusammenhang einer Inländerin gleichgestellt ist, weil Wanderarbeitnehmer insbesondere auch nicht bei der Dienstzeitenanrechnung diskriminiert werden dürfen. Soweit die Revisionswerberin jedoch hilfsweise den Einwand aufrechterhält, dass sich die gegenständliche Anrechnungsbestimmung nur auf die Hoheitsverwaltung beziehe, ist sie darauf zu verweisen, dass der Gesetzeswortlaut des § 14 Abs 1 Z 1 DO 1994 für die Einschränkung der Vollanrechnung auf Tätigkeiten in der Hoheitsverwaltung keinen Anhaltspunkt bietet (9 ObA 19/09y; 9 ObA 26/09b).
Strittig ist im Revisionsverfahren die Frage, ob die Klägerin in der Zeit vom 1. 7. 1980 bis 31. 8. 1985, vom 1. 9. 1985 bis 28. 2. 1989 und vom 13. 2. 1989 bis 31. 5. 1993 bei einer ausländischen Gebietskörperschaft beschäftigt war. Richtig ist, dass die Frage der Vergleichbarkeit von Beschäftigungszeiten - hier also die Frage, ob die Vordienstzeiten der Klägerin in Polen der Beschäftigung in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft gleichzuhalten seien -, nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen ist (EuGH 12. 3. 1998, C-187/96, Kommission/Republik Griechenland, Slg 1998, I-1095; 9 ObA 19/09y; 8 ObA 10/09t ua). Die Revisionswerberin bezweifelt, dass in Polen alle Arbeitnehmer beim Staat beschäftigt gewesen seien. Das vorliegende Verfahren ergab aber keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Klägerin zwar an Krankenhäusern beschäftigt gewesen sei, die dem polnischen Verteidigungsminister bzw dem polnischen Gesundheitsminister unterstanden, Träger dieser Krankenhäuser aber nicht der polnische Staat gewesen sei. Für die Existenz eines anderen als Dienstgeber in Betracht kommenden Rechtsträgers als des polnischen Staates fehlt im Fall der Klägerin für die gegenständlichen Zeiträume jeglicher Hinweis. Dass aber der polnische Staat als solcher dem österreichischen Verständnis von einer Gebietskörperschaft entspricht (vgl 8 ObA 10/09t, 9 ObA 19/09y), wird auch von der Revisionswerberin nicht in Frage gestellt. Aus Überlegungen, dass in Österreich zufolge Ausgliederung staatliche Einrichtungen existieren, die keine Gebietskörperschaften seien, ist für Beurteilung der Dienstverhältnisse der Klägerin in Polen nichts zu gewinnen. Das Berufungsurteil ist daher hinsichtlich der Bejahung der Kapitalforderung der Klägerin zu bestätigen.
Berechtigt ist hingegen die Revision der Beklagten, soweit sie sich gegen den Zuspruch höherer Zinsen als 4 % richtet. Nach § 49a Satz 2 ASGG gebühren die erhöhten Zinsen gemäß § 49a Satz 1 ASGG nämlich dann nicht, wenn die Verzögerung der Zahlung auf einer vertretbaren Rechtsansicht des Schuldners beruht. Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat im Verfahren erster Instanz nicht nur ausdrücklich das erhöhte Zinsenbegehren der Klägerin bestritten, sondern auch umfangreiches Rechtsvorbringen zur Begründung ihres Rechtsstandpunkts erstattet. Der von der Beklagten eingenommene Rechtsstandpunkt beruhte auf einer vertretbaren Rechtsansicht (vgl 8 ObA 10/09t ua), sodass das Erstgericht zu Recht nur Zinsen gemäß § 1000 Abs 1 ABGB in der Höhe von 4 % zuerkannt hat. In teilweiser Stattgebung der Revision war daher insoweit das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 43 Abs 2, 50 ZPO. Der Klägerin sind die gesamten Kosten der Berufungsbeantwortung und der Revisionsbeantwortung zu ersetzen, weil sie nur mit einem Teil des Zinsenbegehrens unterlegen ist. Hingegen ist die Klägerin zur Gänze mit ihrer Berufung gegen den Nichtzuspruch höherer Zinsen als 4 % durch das Erstgericht unterlegen. Insoweit besteht ein Ersatzanspruch der Beklagten für die Kosten ihrer Berufungsbeantwortung, der mit dem höheren Ersatzanspruch der Klägerin für deren Berufungsbeantwortung aufzurechnen war (Fucik in Rechberger, ZPO² § 43 Rz 2 mwN ua).
Anmerkung
E929839ObA23.09mEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:009OBA00023.09M.1215.000Zuletzt aktualisiert am
02.03.2010