Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sch*****, vertreten durch Dr. Werner Russek, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, gegen die beklagte Partei R***** M*****, vertreten durch Dr. Peter S.Borowan und andere Rechtsanwälte in Spittal/Drau, wegen 10.094,26 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 8. Juli 2009, GZ 3 R 106/09m-20, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Spittal/Drau vom 28. Jänner 2009, GZ 3 C 397/08i-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 744,43 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 124,07 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger hatte die Beklagte im Jahr 1988 mit der Herstellung von Deckenkonstruktionen in einem Schulgebäude beauftragt. Die Beklagte befestigte ihr Werk mit Klammern am Altbestand. In weiterer Folge brachte ein anderes Unternehmen eine Putzschicht mit Putzträgerplatten an. Zwei Jahre später lösten sich Teile dieses Putzes. Bei der Sanierung verlegte das andere Unternehmen unter den Putzträgerplatten sogenannte „Akustikplatten“. Die Beklagte war daran nicht beteiligt.
Am 1. Juli 2003 stellte der Schulwart fest, dass sich die Decke in einem Raum nach unten wölbte. Der Kläger forderte die Beklagte zur Erstattung einer Schadensmeldung bei ihrer Haftpflichtversicherung auf. Diese entsandte einen Sachverständigen, der den Raum zusammen mit dem Geschäftsführer der Beklagten und einem für den Kläger tätigen Bautechniker besichtigte. Dabei wurde die Deckenkonstruktion freigelegt. Der Sachverständige nannte als Schadensursache ein „Ausziehen der Klämmern, mit der die Deckenkonstruktion an der Holzdecke befestigt war.“ Weiters führte er aus, dass in anderen Räumen mit ähnlicher Deckenkonstruktion ähnliche Schäden nicht auszuschließen seien. Zwar waren dort noch keine Wölbungen erkennbar; der Sachverständige wies den Bautechniker des Klägers aber ausdrücklich daraufhin, dass man die Deckenuntersichten auch dort „im Auge behalten“ sollte. Der Bautechniker beauftragte daraufhin den Schulwart, in den anderen Räumen auf Absenkungen zu achten.
In seinem schriftlichen Gutachten hielt der Sachverständige fest, dass die Stahlklammern, mit denen die horizontale Deckenuntersicht befestigt gewesen sei, durch das Eigengewicht herausgezogen worden seien. Dadurch habe sich die Deckenuntersicht langsam von der Holztragekonstruktion gelöst und drohe abzustürzen. In anderen Räumen sei keine Absenkung erkennbar; es lasse sich jedoch „nicht ausschließen, dass früher oder später ähnlich gelagerte Schadensfälle eintreten könnten.“ Dieses Gutachten wurde dem Kläger zunächst nicht zur Verfügung gestellt.
In weiterer Folge sanierte die Beklagte die Decke im betroffenen Raum; die Kosten trug ihre Haftpflichtversicherung. Weitere Forderungen, insbesondere in Bezug auf mögliche Schäden in anderen Räumen, erhob der Kläger nicht.
Am 27. April 2006 löste sich in einem anderen Raum die gesamte Deckenkonstruktion und stürzte zu Boden. Die Ursache lag wieder darin, dass die Klammern das Gewicht nicht mehr hielten.
Mit seiner am 25. Juni 2008 eingebrachten Klage begehrt der Kläger Sanierungskosten von 10.094,26 EUR. Die Beklagte habe die Decke nicht nach den Regeln der Technik an der Unterkonstruktion befestigt. Der Anspruch sei trotz des Unterbleibens einer Feststellungsklage nicht verjährt. Bei der Sanierung im Jahr 2003 habe die Beklagte lediglich erklärt, dass es sich um einen „Versicherungsfall“ handle; das damals erstellte Gutachten sei dem Kläger erst im September2006 zur Verfügung gestellt worden. Weitere Schäden seien daher nicht vorhersehbar gewesen.
Die Beklagte wendet ein, dass sie die Deckenkonstruktion fachgerecht hergestellt habe; die Schäden hätten sich daraus ergeben, dass das für den Verputz zuständige Unternehmen nachträglich durch das Verlegen von Akustikplatten das Gewicht der der Gesamtkonstruktion vergrößert habe. Zudem seien allfällige Ansprüche verjährt, weil der Primärschaden bereits 2003 eingetreten sei und schon damals weitere Schäden vorhersehbar gewesen seien.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Seien bei Eintritt des Erstschadens künftige Schäden vorhersehbar, so beginne die Verjährungsfrist mit dem schädigenden Ereignis zu laufen. In diesem Fall müsse der Geschädigte nach ständiger Rechtsprechung eine Feststellungsklage erheben, um die Verjährung in Bezug auf weitere, bereits vorhersehbare Schäden zu verhindern. Im konkreten Fall habe der Bautechniker des Klägers aufgrund der Warnung des Sachverständigen mit weiteren Schäden rechnen müssen. Die Revision sei wegen des Fehlens von Rechtsprechung zur Frage zuzulassen, ob Ansprüche wegen weiterer Schäden auch dann in der durch den Erstschaden ausgelösten Frist verjährten, wenn der Schädiger dem Geschädigten nicht alle Unterlagen zu den Schadensursachen ausgefolgt habe.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision des Klägers ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung zur Verjährung von Teilschäden, die aufgrund desselben schädigenden Verhaltens zu verschiedenen Zeitpunkten eintreten, richtig dargestellt. Zwar kann die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 Satz 1 ABGB) nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen beginnen (1 Ob 621/95 = SZ 68/238; RIS-Justiz RS0083144). Haben sich jedoch aus einer einzelnen schädigenden Handlung fortlaufend gleichartige schädliche Folgen entwickelt, die im überschaubaren Zusammenhang stehen und schon ursprünglich voraussehbar waren, so handelt es sich um einen einheitlichen Schaden, der schon durch die erste schädliche Auswirkung entstanden ist (RIS-Justiz RS0034618). In diesem Fall gilt die durch den ersten Schaden („Primärschaden“) ausgelöste Verjährungsfrist für alle vorhersehbaren Folgeschäden (RIS-Justiz RS0097976, RS0087613; zuletzt etwa 3 Ob 3/09a und 1 Ob 4/09h). Daher muss der Geschädigte zur Vermeidung der Verjährung innerhalb dieser Frist entweder eine Feststellungsklage erheben (RIS-Justiz RS0097976) oder ein außergerichtliches Anerkenntnis des Schädigers erwirken (2 Ob 362/97t; RIS-Justiz RS0112429).
2. Ob künftige Schäden vorhersehbar sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (1 Ob 372/98g; 3 Ob 139/05w; RIS-Justiz RS0087613 [T5]; RS0083144 [T24]). Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen die Vorhersehbarkeit weiterer Schäden bejaht, weil der von der Haftpflichtversicherung entsandte Sachverständige den beim Kläger für die Schadensabwicklung zuständigen Bautechniker ausdrücklich auf die - nach Feststellung der Schadensursache auch für einen Laien naheliegende - Möglichkeit weiterer Deckenabsenkungen hingewiesen hatte. Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden.
3. Die vorbehaltlose Verbesserung durch die Beklagte könnte zwar allenfalls als deklaratives Anerkenntnis der dem Grunde nach bestehenden Haftung gedeutet werden (vgl RIS-Justiz RS0018762). Das hätte die Verjährung unterbrochen (RIS-Justiz RS0033015). Dem Kläger wäre damit aber nicht geholfen, da in diesem Fall nur eine weitere dreijährige Frist begonnen hätte (2 Ob 362/97t mwN; RIS-Justiz RS0032394). Der Anspruch wäre daher auch in diesem Fall verjährt.
4. Das Berufungsgericht begründet die Zulassung der Revision mit dem Fehlen von Rechtsprechung zur Frage, ob das Zurückhalten eines den Schädiger belastenden Gutachtens dem Verjährungseinwand entgegenstehe.
Verschweigt ein Werkunternehmer Mängel des Werks, die nur ihm bekannt sind, so könnte sein Verjährungseinwand trotz objektiver Vorhersehbarkeit von weiteren Teilschäden gegen Treu und Glauben verstoßen (vgl allgemein zu diesem Gegenweinwand RIS-Justiz RS0034537; RS0014838; allgemein zu Aufklärungspflichten nach Abwicklung des Vertrags RIS-Justiz RS0022968 sowie 3Ob382/97s mwN). Im vorliegenden Fall hatte allerdings der - mittelbar der Beklagten zuzurechnende - Sachverständige dem Bautechniker des Klägers ohnehin schon bei der Begehung den wesentlichen Inhalt seines später schriftlich erstatteten Gutachtens mitgeteilt. Der bei der Begehung ebenfalls anwesende Geschäftsführer der Beklagten konnte daher annehmen, dass die Verantwortlichen des Klägers sowohl die Schadensursache als auch die Gefahr weiterer Schäden kannten. Zumindest unter diesen Umständen war die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger auch noch die schriftliche Fassung des Gutachtens zu übermitteln.
Die Frage, ob das Verschweigen von tatsächlich nur dem Werkunternehmer bekannten Umständen die Replik der Arglist begründen könnte, ist mangels Relevanz für den konkreten Fall nicht zu beantworten.
5. Eine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO liegt daher nicht vor. Die Revision ist aus diesem Grund zurückzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, der Kläger ist daher zum Kostenersatz verpflichtet.
Textnummer
E92701European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00190.09H.1216.000Im RIS seit
16.03.2010Zuletzt aktualisiert am
28.04.2011