Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr.
Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. T***** M*****, wider die beklagte Partei M***** V*****, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.600 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 1. September 2009, GZ 34 R 91/09y-33, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 31. März 2009, GZ 11 C 1742/07p-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (davon 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der klagende Rechtsanwalt hat die Beklagte im Verlassenschaftsverfahren nach ihrem Ehemann von Ende April 2007 bis Ende September 2007 vertreten. Bei der ersten Besprechung am 8. 5. 2007 vereinbarten sie, dass das Honorar des Klägers nach den jeweils gültigen Autonomen Honorar-Kriterien (AHK) berechnet wird. Die Beklagte erkundigte sich nach den Kosten, die ihr entstehen würden. Der Kläger erklärte ihr anhand des Handtarifs, was die einzelnen Leistungen kosten. Er klärte sie auch darüber auf, dass als Honorarbemessungsgrundlage ein Drittel des Wertes der Verlassenschaft und der Wert des von der Beklagten beanspruchten Witwenwohnrechts heranzuziehen sei. Er wies sie auch ausdrücklich darauf hin, dass er nicht sagen könne, wie hoch sein Honorar am Ende sein werde, weil er nicht wisse, wie lange das Verlassenschaftsverfahren dauern werde und welche Leistungen zu erbringen sein werden. Die Beklagte zahlte dem Kläger am 8. 5. 2007 200 EUR, am 11. 6. 2007 350 EUR, am 21. 6. 2007 300 EUR, am 5. 7. 2007 400 EUR und am 3. 9. 2007 400 EUR Kostenvorschüsse.
Das Erstgericht gab der auf Zahlung des restlichen Honorars von 8.600 EUR gerichteten Klage statt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Kläger habe der Beklagten schon bei der ersten Konferenz anhand des Handtarifs die Kosten der einzelnen Leistungen erklärt, er habe sie über die Bemessungsgrundlage aufgeklärt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er die endgültige Höhe des Honorars nicht abschätzen könne, weil er nicht wisse, wie lange das Verlassenschaftsverfahren dauern werde und welche Leistungen zu erbringen sein würden. Die Beklagte sei damit einverstanden gewesen. Der Kläger habe mit diesen Ausführungen seine allgemeine, das zu erwartende Honorar betreffende Aufklärungspflicht gegenüber der Beklagten erfüllt, zumal für ihn bei der übernommenen Vertretung in einem Verlassenschaftsverfahren sehr schwer zu prognostizieren gewesen sei, welche Leistungen während dieses Verfahrens tatsächlich zu erbringen sein werden. Eine nähere Abschätzung des Leistungsumfangs sei ihm gar nicht möglich gewesen. Angesichts des Wertes der Verlassenschaft habe für den Kläger auch kein Anlass bestanden, bei der Beklagten Rückfrage zu halten. Dass die Beklagte ihm ein Kostenlimit gesetzt hätte, sei nicht festgestellt worden. Bei der Erschöpfung eines erlegten Vorschusses komme eine analoge Anwendung des § 25 Abs 1 GebAG nicht in Betracht.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob eine Verletzung der anwaltlichen Warnpflicht hinsichtlich der Honorarhöhe in Analogie zu § 25 GebAG zu beurteilen sei, noch keine einheitliche und gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Beklagten ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) - mangels einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht nur eine ganz allgemeine Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts über sein Honorar (3 Ob 132/08w mwN).
In der Entscheidung 8 Ob 688/89 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, eine spezielle Pflicht des Rechtsanwalts, den Mandanten bei sonstigem Verlust seiner Honoraransprüche darauf hinzuweisen, dass durch die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entfaltete Tätigkeit Honoraransprüche in Höhe des geleisteten Kostenvorschusses entstanden sind, bestehe nicht.
In der Entscheidung 10 Ob 509/95 wurde es für vertretbar gehalten, unter Bedachtnahme auf die aus § 25 Abs 1 GebAG hervorgehende Wertung des Gesetzgebers auch einem Rechtsanwalt eine entsprechende Warnpflicht aufzuerlegen. Diese Erwägung war für die Entscheidung des Falls nicht tragend.
In der Entscheidung 2 Ob 145/08w hat sich der Oberste Gerichtshof eingehend mit der Erwägung des 10. Senats in der Entscheidung 10 Ob 509/95 befasst. Er kam zum Ergebnis, es dürfe zwar vor den Parteien nicht verschleiert werden, welche Kosten auf sie zukommen. Einer realistischen wirtschaftlichen Einschätzung der Prozessführungskosten diene im Falle des Anwaltshonorars (dessen Höhe in der Regel wesentlich schwieriger prognostizierbar sei als Sachverständigengebühren) die allgemeine Pflicht des Rechtsanwalts zur Aufklärung über sein Honorar. Hingegen sei bei Erschöpfung eines erlegten Vorschusses in wertender Betrachtung keine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes anzunehmen, die durch analoge Anwendung des § 25 Abs 1 GebAG zu schließen wäre. Ein Rechtsanwalt, der einen Vorschuss gar nicht verlangen müsse, sei also nicht im Sinne dieser Vorschrift verpflichtet, seinen Mandanten zu warnen, dass seine Honorarforderung einen erlegten Kostenvorschuss erheblich übersteigen werde.
Der Oberste Gerichtshof hat also zu der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Rechtsfrage bereits ausführlich Stellung genommen und sich mit der in der Entscheidung 10 Ob 509/95 (= RIS-Justiz RS0071986 [T2]) bloß nebenher angestellten Erwägung eingehend auseinandergesetzt. Gegenteilige Entscheidungen zur Entscheidung des 2. Senats liegen nicht vor, sodass insoweit kein Grund für die Zulassung der ordentlichen Revision vorlag (vgl RIS-Justiz RS0042833 [T3]).
Eine Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts hinsichtlich der Honorarabrechnung ist nach der Rechtsprechung jedenfalls dann gegeben, wenn der Klient eine unzutreffende Meinung äußert oder überhaupt erkennen lässt, dass er in solchen Fragen unerfahren und unsicher ist. Keine Aufklärungspflicht über die zu erwartende Honorarverrechnung wird hingegen dann anzunehmen sein, wenn der Vertragspartner zu erkennen gibt, dass er mit den Verhältnissen vertraut ist oder eine entsprechende Belehrung überhaupt ablehnt (RIS-Justiz RS0047275). Die Beurteilung im Einzelfall, ob unter Anwendung dieser Grundsätze eine Belehrung durch den Rechtsanwalt erforderlich war, stellt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar (RIS-Justiz RS0047275 [T1]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Anlassfall kein Sonderfall ist, in dem sich aus der allgemeinen Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts etwas anderes ergeben könnte und die vom Kläger der Beklagten erteilte Aufklärung pflichtgemäß war, bedarf keiner Korrektur.
Die Ausführungen der Revisionswerberin im Zusammenhang mit einer zur Verlassenschaft gehörenden Liegenschaft geht ins Leere, weil die vom Kläger der Beklagten ohnehin erläuterte Bemessungsgrundlage der AHK dadurch keine Änderung erfährt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten hingewiesen.
Textnummer
E92728European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00239.09D.1218.000Im RIS seit
17.01.2010Zuletzt aktualisiert am
15.05.2017