Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 31. August 2005 verstorbenen G***** K*****, zuletzt wohnhaft in *****, wegen Feststellung des Erbrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des H***** K*****, vertreten durch Rechtsanwälte Brüggl & Harasser OEG in Kitzbühel, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 15. Mai 2009, GZ 52 R 50/09y-79, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Anwendung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, unter welchen Voraussetzungen von der Testierunfähigkeit des Erblassers auszugehen ist, auf den konkret zu beurteilenden Sachverhalt ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilungen durch die zweite Instanz abgesehen, die im Anlassfall nicht vorliegen - die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (9 Ob 38/03h; RIS-Justiz RS0012408 [T2]). Die Beweislast, dass der Testator testierunfähig war, trifft diejenige Partei, die die Ungültigkeit des Testaments behauptet (1 Ob 28/03d; RIS-Justiz RS0012415; RS0012434 [T1]).
2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass der Erblasser die Erbseinsetzung bedingt vornehmen kann; dazu gehört auch die Möglichkeit, dass der Erblasser bestimmt, von welchem - allenfalls nach seinem Tod eintretenden - Ereignis es abhängen soll, ob eine von ihm namentlich bezeichnete Person Erbe sein soll (6 Ob 699/85 SZ 58/179; aus dieser Entscheidung geht weiters hervor, dass vom Erben selbst zu setzende Potestativbedingungen unbedenklich sind). Zulässig sind Verfügungen unter Potestativbedingungen, deren Eintritt vom Verhalten Dritter abhängig ist, wenn dieses nicht unmittelbar über die Erbseinsetzung, sondern bloß über Umstände entscheidet, an denen der Erblasser ein selbständiges Interesse hat (Welser in Rummel, ABGB³ § 564 Rz 4 mwN; Apathy in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 564 Rz 2 mwN; Weiß in Klang² III 259; Koziol/Welser II13 498; Kleteèka, Ersatz- und Nacherbschaft 160).
Im Anlassfall hat der Erblasser einen seiner Söhne zum Erben eingesetzt, dessen Geschwistern Baugründe vermacht und bestimmt, dass eine seiner Töchter der Erbe sein soll, wenn seine Ehefrau im Hinblick darauf, dass sie Hälfteeigentümerin des geschlossenen Hofs ist, mit der „Aufteilung des Baugrundes" nicht einverstanden sein sollte. Die Auffassung des Rekursgerichts, dass in dieser Anordnung nicht eine gemäß § 564 zweiter Satz ABGB unzulässige Überlassung der Ernennung des Erben an einen Dritten liegt, ist nicht zu beanstanden. Das Verhalten der Ehefrau des Erblassers entscheidet nicht direkt über die Erbseinsetzung, sondern über die vom Erblasser verfügten Legate. Mit der Berufung einer seiner Töchter zur Erbin für den Fall, dass seine Ehefrau mit der von ihm bestimmten „Aufteilung des Baugrundes" nicht einverstanden ist, hat der Erblasser die von ihm gewollte Regelung nur der durch das Verhalten seiner Ehefrau entstandenen Sachlage angepasst (vgl Kralik, Erbrecht 93).
Die Ehefrau des Erblassers hat - wie vom Erstgericht festgestellt - der in der letztwilligen Verfügung vom 8. 7. 2005 angeordneten „Aufteilung des Baugrundes" zugestimmt (Niederschrift der Abhandlungstagsatzung vom 20. 2. 2006, ON 26 S 4).
3. Mit dem Erbvertrag und dem zeitgleichen wechselseitigen Testament vom 27. 3. 1964 haben sich der Erblasser und seine Ehefrau wechselseitig zu Erben nur für den Fall eingesetzt, dass beim Tod eines von ihnen kein zur gesetzlichen Erbfolge berufenes Kind vorhanden ist. Dieser Umstand ist nicht eingetreten. Aufgrund des Erbvertrags wurden auch keine Erbantrittserklärungen abgegeben. Das in einer Urkunde mit dem zuvor genannten Erbvertrag und wechselseitigen Testament errichtete gemeinschaftliche Testament des Erblassers und seiner Ehefrau, in dem sie ihre zur gesetzlichen Erbfolge berufenen Kinder zu gleichen Teilen als Erben einsetzten und jenem Kind ein Aufgriffsrecht an der in den Nachlass fallenden Hälfte des geschlossenen Hofs bestimmten, das im Fall der Erbfolge nach dem Tiroler Höfegesetz der berufene Anerbe wäre, war frei und auch einseitig widerrufbar (§ 1248 ABGB; 6 Ob 579/77 SZ 50/71). Es gelten die §§ 713 ff ABGB (6 Ob 579/77). Gemeinschaftliche Testamente (§ 1248 ABGB) sind letztwillige Verfügungen und keine Ehepakte (SpR 66; Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 1248 mwN).
Textnummer
E92874European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00167.09S.1218.000Im RIS seit
17.01.2010Zuletzt aktualisiert am
23.06.2010