Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Remzi T*****, 2. Meryem T*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Maria Paumgartner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. Gerald H*****, 2. Sonja H*****, 3. G***** Versicherung AG, *****, alle vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 15.199,69 EUR sA und Feststellung (Erstkläger, Revisionsinteresse 11.000 EUR) und wegen 15.000 EUR und Feststellung (Zweitklägerin, Revisionsinteresse 750 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. Juni 2009, GZ 1 R 192/08y-49, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 5. August 2008, GZ 3 Cg 191/05b-45, abgeändert wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Erstkläger ist schuldig, den beklagten Parteien an anteiligen Kosten der Revisionsbeantwortung 941,54 EUR (darin 156,93 EUR USt) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Die Zweitklägerin ist schuldig, den beklagten Parteien an anteiligen Kosten der Revisionsbeantwortung 64,16 EUR (darin 10,69 EUR USt) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung:
Die Tochter der Kläger wurde als Fußgängerin, als sie von einer Bushaltestelle, in deren Nähe sich kein Bus befand, die Fahrbahn überqueren wollte, von einem vom Erstbeklagten gelenkten, von der Zweitbeklagten gehaltenen, bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten PKW erfasst und getötet. Es herrschte Dunkelheit, auf der Freilandstraße war keine von § 20 Abs 2 StVO abweichende Höchstgeschwindigkeit (100 km/h) verordnet. Der Erstbeklagte hielt eine Ausgangsgeschwindigkeit von 95 km/h ein und hatte das Abblendlicht eingeschaltet. Bei einem Fahren auf Sicht hätte der Lenker nur mit etwa 60 km/h fahren dürfen, weil bei dieser Geschwindigkeit sowohl die Sichtweite im Abblendlicht als auch der Anhalteweg 35 m betragen hätten.
Die Vorinstanzen qualifizierten das Verschulden des Erstbeklagten als (noch) nicht grob fahrlässig und wiesen deshalb das Klagebegehren beider Kläger ab, soweit es auf Trauerschmerzengeld gerichtet ist (RIS-Justiz RS0115189).
Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zur Frage, inwieweit die bloße Überschreitung der relativ zulässigen Höchstgeschwindigkeit allein grobe Fahrlässigkeit zu begründen vermöge, uneinheitliche bzw zumindest nicht eindeutige oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Außerdem existiere keine Rechtsprechung zur Frage, inwieweit Reisekosten von Angehörigen zu einer Beerdigung im Ausland, vor allem unter Berücksichtigung von Besonderheiten eines fremden Kulturkreises, unter die ersatzfähigen Kosten einer angemessenen Bestattung im Sinn der §§ 549, 1327 ABGB und § 12 Abs 1 Z 5 EKHG fielen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
Ob jemandem leichte oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, ist nach den konkreten Umständen des Falls zu beurteilen und bildet daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigieren wäre (RIS-Justiz RS0087606 [T8]; RS0030309).
Das Berufungsgericht hat sich sorgfältig und eingehend mit einschlägiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung auseinandergesetzt. Es hat insbesondere auf jene Judikatur verwiesen, wonach die bloße Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit (ohne Hinzutreten weiterer Umstände) in der Regel keine grobe Fahrlässigkeit begründet (RIS-Justiz RS0080484 [T3]) und wonach die Überschreitung der (absolut oder relativ) überhöhten Geschwindigkeit nur beim Hinzutreten weiterer Umstände (Unaufmerksamkeit des Lenkers) als grob fahrlässig beurteilt wurde (RIS-Justiz RS0030417). Das Berufungsgericht hat auch berücksichtigt, dass nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung ein Kraftfahrer regelmäßig nicht verpflichtet ist, seine Fahrweise darauf einzustellen, dass hinter einem Autobus Fußgänger unachtsam und ohne Rücksicht auf den Fahrzeugverkehr die Fahrbahn zu überqueren suchen (RIS-Justiz RS0073766), und daraus vertretbar gefolgert, dies müsse umso eher gelten, wenn in der Haltestelle gar kein Bus sei.
Eine krasse Fehlbeurteilung kann somit dem Berufungsgericht nicht vorgeworfen werden.
Auch die Revision zeigt keine (sonstigen) erheblichen Rechtsfragen auf: Eine allenfalls anderslautende deutsche Rechtsprechung kann eine nur anhand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu messende krasse Fehlbeurteilung nicht aufzeigen. Die Entscheidung 9 ObA 24/07f ist mit dem vorliegenden Fall nicht hinreichend vergleichbar, weil es dort regnete, die Fahrbahn nass war und bis 8 mm tiefe Spurrillen aufwies. Die Entscheidung 11 Os 52/67 = ZVR 1968/119 trifft keine Aussage dazu, ob der Lenker grob oder leicht fahrlässig war. Zur zweiten vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Frage enthält die Revision keinerlei Ausführungen. Selbst wenn das Berufungsgericht - zu Recht - ausgesprochen hatte, die ordentliche Revision sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0102059).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Da die Kläger formelle Streitgenossen sind, haften sie analog § 46 Abs 1 ZPO jeweils nur entsprechend ihrem Anteil am Revisionsinteresse (vgl Obermaier, Kostenhandbuch Rz 225f).
Anmerkung
E930522Ob195.09dEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00195.09D.1218.000Zuletzt aktualisiert am
26.02.2010