Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jauk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Kristian W***** wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 20. August 2009, GZ 19 Hv 7/09h-73, und dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494 Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Kristian W***** des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB (I./1./), des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 zweiter Fall StGB (1./2./) und des Vergehens (richtig: der Vergehen) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II./1./2./) schuldig erkannt.
Danach hat er (zusammengefasst und soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung)
II./ am 28. Oktober 2008 in Klagenfurt Nachgenannte gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar 1./ Johann B*****, indem er zwei Küchenmesser gegen dessen Hals richtete;
2./ Markus F*****, indem er zwei Küchenmesser gegen ihn richtete und äußerte, „ich schlitz dir die Kehle auf und bringe dich um".
Rechtliche Beurteilung
Der ausschließlich gegen den Schuldspruch zu. Punkt II./ gerichteten, auf Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider konnte das Erstgericht die den Schuldspruch wegen gefährlicher Drohung nach § 107 Abs 1 StGB tragenden Konstatierungen (US 9) auf die Angaben der Zeugen Johann B***** und Markus F***** stützen, wobei auch der Versuch B*****s, seine Angaben am Beginn der Hauptverhandlung abzuschwächen, bei den Überlegungen der Tatrichter Berücksichtigung fand (US 11). Soweit sich das Vorbringen unter mehreren Aspekten der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gegen die Konstatierung wendet, wonach die Bedrohten die Drohungen des Angeklagten ernst nahmen und aus Angst die Polizei verständigten (US 9), spricht es keinen für die rechtliche Beurteilung entscheidenden Umstand an, weil die Eignung der Drohung, Johann B***** und Markus F***** in Furcht und Unruhe zu versetzen, als Rechtsfrage unabhängig von dem tatsächlich bei den Bedrohten hervorgerufenen Eindruck nach einem objektiv-individuellen Maßstab zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0092160; Kienapfel/Schroll StudB BT I2 § 107 Rz 4 und 9 iVm § 105 Rz 42 ff; Schwaighofer in WK2 § 107 Rz 9). Indem die Mängelrüge lediglich isoliert und aus dem Kontext gelöst auf die zunächst aufgestellte Behauptung des Zeugen Johann B***** verweist, wonach der Angeklagte nur mit dem Messer herumgefuchtelt und geschrien habe, sich selbst umzubringen (S 14 in ON 47 iVm S 6 in ON 72), unterlässt sie es der Prozessordnung zuwider (§ 258 Abs 2 StPO; RIS-Justiz RS0116504), die Angaben des Zeugen in der Hauptverhandlung in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen. Dieser gab nämlich nach eindringlichem Vorhalt seiner Wahrheitspflicht letztlich an, der Angeklagte habe ihm zwei Messer an den Hals angesetzt und erneut die Vornahme des Oralverkehrs gefordert, widrigenfalls er ihn abstechen werde (S 15 in ON 47 iVm S 6 in ON 72).
Dem Vorwurf widersprüchlicher Begründung (Z 5 dritter Fall) zuwider besteht nach den Urteilsannahmen kein Zweifel an der Überzeugung der Tatrichter, dass der Angeklagte in der Absicht handelte, Johann B***** und Markus F***** durch die Tathandlungen jeweils in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 9). Dass das Erstgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung die unrichtige Rechtsmeinung zum Ausdruck bringt, wonach bedingter Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) des Angeklagten hinsichtlich der Versetzung des Bedrohten in Furcht und Unruhe genügt, vermag die vorangegangene Feststellung einer darauf gerichteten Absicht (§ 5 Abs 1 StGB) in keiner Weise zu relativieren. Die verfehlte rechtliche Beurteilung in den Entscheidungsgründen ist überdies unbeachtlich, weil der Sachverhalt im Ergebnis zutreffend subsumtiert wurde.
Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) zeigt, indem sie die bereits im Rahmen der Mängelrüge vorgebrachten Argumente wiederholt und auf die leugnende Einlassung des überdies an Erinnerungslücken leidenden Angeklagten verweist, die geforderten erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen nicht auf.
Soweit - ungeachtet der Zustimmung zur Verlesung (S 5 in ON 72) - unter diesem Nichtigkeitsgrund weiters behauptet wird, das Erstgericht habe mangels Einvernahme des Zeugen F***** seine Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung vernachlässigt, legt die Rüge prozessordnungswidrig nicht dar, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechts, die unmittelbare Beweisaufnahme zu beantragen, gehindert war (RIS-Justiz RS0114036; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).
Da die Geltendmachung materieller Nichtigkeit stets unter Zugrundelegung des gesamten Urteilssachverhalts zu erfolgen hat (RIS-Justiz RS0099810), verfehlt auch die - auf die fehlerhafte rechtliche Beurteilung abstellende - Rechtsrüge (Z 9 lit a) eine gesetzeskonforme Ausrichtung. Denn mit der Behauptung unzureichender Feststellungen zur subjektiven Tatseite übergeht sie die im Ergebnis zweifelfrei getroffenen entscheidenden Urteilsannahmen betreffend die Absicht des Angeklagten, Johann B***** und Markus F***** in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 9).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit b) die Zurechnungsfähigkeit in Frage stellt und reklamiert, es liege ein Feststellungsmangel vor, vernachlässigt sie die zur Nichtannahme voller Berauschung angestellten und auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. W***** gestützten Erwägungen der Tatrichter (US 11) und missachtet somit erneut die Anfechtungskriterien. Sie erweist sich überdies als rein spekulativ, soweit sie ohne Hinweis auf Verfahrensergebnisse einerseits Erinnerungslücken des Angeklagten einräumt und dennoch mutmaßt, dass er sich gegen homosexuelle Handlungen des Zeugen B***** wehren wollte „und so in Notwehr handelte".
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
E9278012Os159.09pEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0120OS00159.09P.1218.000Zuletzt aktualisiert am
12.02.2010