TE OGH 2009/12/22 11Os184/09g

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.12.2009
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Dezember 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer, in der Strafsache gegen J***** F***** wegen des Vergehens des Eingriffs nach § 91 Abs 1, Abs 2a iVm § 86 Abs 1 Z 2, Z 4 UrhG, AZ 37 Hv 16/08z des Landesgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Innsbruck vom 6. Februar 2008, GZ 37 Hv 16/08z-12 und des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 22. April 2008, AZ 7 Bs 175/08f (ON 16 der Hv-Akten), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, und des Vertreters der Privatanklägerin Dr. Daum zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschlüsse des Landesgerichts Innsbruck vom 6. Februar 2008, GZ 37 Hv 16/08z-12, sowie des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 22. April 2008, AZ 7 Bs 175/08f (ON 16 der Hv-Akten), verletzen § 67 Abs 2 StGB iVm § 36 Abs 3 StPO.

Text

Gründe:

Mit am 2. November 2007 beim Landesgericht Innsbruck eingebrachtem Schriftsatz beantragte die Privatanklägerin L***** GmbH, eine nicht auf Gewinn gerichtete Verwertungsgesellschaft, die die Rechte von Tonträgerherstellern an ihren weltweit produzierten Aufnahmen sowie der ausübenden Künstler an ihren Darbietungen in Österreich treuhändig wahrnimmt, die Einleitung gerichtlicher Vorerhebungen gegen unbekannte Täter alias L***** G*****, Dorf 4, ***** O*****, sowie gegen weitere unbekannte Täter mit dem Aliasnamen J***** F*****, deren Aufenthaltsort unbekannt war.

Die Privatanklägerin brachte zusammengefasst vor, im Rahmen ihrer Recherchen über Verbreitungshandlungen illegal hergestellter oder ungenehmigt in Verkehr befindlicher Tonträger mit geschützten Musikaufnahmen im September 2007 auf der Website der Internet-Auktionsplattform eBay unter www.ebay.at auf (in deutscher Sprache verfasste) Angebote eines unter dem Pseudonym „b*****" auftretenden österreichischen Verkäufers gestoßen zu sein, der Ton- und/oder Bildtonträger anbot. Dabei habe es sich um Aufnahmen gehandelt, die von den Inhabern der Leistungsschutzrechte an diesen (ausübende Künstler und Originaltonträgerhersteller), insbesondere in Bezug auf Bezeichnung, Vervielfältigung und Verbreitung, nicht genehmigt seien. Der „Artikelstandort" der Angebote wurde mit „O*****, Österreich" angeführt.

Der bei der Privatanklägerin beschäftigte sachverständige Zeuge R***** P***** habe vom unbekannten Täter eine digitalisierte Raubkopie des Musikfilms „Hi-Hi-Hilfe" mit Bild- und Bildtonaufnahmen der Musikgruppe „The Beatles" sowie eine Doppel-CD „Who will save the World" mit Aufnahmen von Darbietungen des Interpreten Bruce Springsteen gekauft, die ihm am 26. September 2007 (an der Adresse K*****, ***** E*****, Österreich [vergleiche das unjournalisierte Kuvert in der Beilagenmappe zu ON 2]) zugestellt wurden; damit sei endgültig verifizierbar gewesen, dass es sich bei diesen Ton- bzw Bildtonträgern um ungenehmigt hergestellte Vervielfältigungsstücke handelte. Nach Abschluss des Kaufvertrages sei als Verkäufer „L***** G*****, Dorf 4, ***** O*****" genannt worden, welche an dieser Adresse jedoch unbekannt ist. Für die Einzahlung des Kaufpreises wurde ein R*****onto lautend auf den Namen „J***** F*****" angegeben. Der Aufgabeort der Warensendung war in Deutschland, konnte jedoch örtlich nicht zugeordnet werden.

Im Zuge der vom Landesgericht Innsbruck veranlassten gerichtlichen Vorerhebungen wurde als Inhaber des erwähnten Kontos J***** D***** F*****, wohnhaft in Deutschland, G*****, ***** K*****, ausgeforscht (ON 7).

Mit am 14. Jänner 2008 bei diesem Gericht eingebrachtem Strafantrag (ON 10) begehrte die Privatanklägerin die Bestrafung des J***** D***** F***** wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Eingriffs in fremde Leistungsschutzrechte nach § 91 Abs 1, Abs 2a iVm § 86 Abs 1 Z 2, Z 4 UrhG. Die örtliche Zuständigkeit gründete die Privatanklägerin auf den „bisher vermeintlichen Handlungsort in O***** bzw den Erfolgsort gemäß § 67 Abs 2 StGB iVm § 36 Abs 3 StPO nF", an dem der dem Tatbild entsprechende Erfolg, nämlich die Verbreitung der unlizenzierten Ton- und Bildtonträger in Österreich, eingetreten sei. Im Übrigen sei das Landesgericht Innsbruck allfälligen weiteren in Frage kommenden Gerichten in Österreich zuvorgekommen.

Mit Beschluss vom 6. Februar 2008, GZ 37 Hv 16/08z-12, wies das Landesgericht Innsbruck den Strafantrag „mangels Zuständigkeit des Landesgerichts Innsbruck und mangels inländischer Gerichtsbarkeit" zurück. Dies unter Hinweis auf den Wohnsitz des Angeklagten in Deutschland, von wo aus die gewerbsmäßigen Eingriffe in fremde Leistungsschutzrechte durch Vervielfältigung der Bild- bzw Bildtonträger „prima vista" begangen worden seien, während sich keine Tathandlungen in Österreich feststellen ließen; dass der Artikelstandort mit „O*****" angeführt worden war, hätte sich als falsch herausgestellt. Auch die Internetkontoverbindung vermöge einen Tatort im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck nicht zu begründen. Letztlich lasse sich weder eine inländische Gerichtsbarkeit noch eine Zuständigkeit des Landesgerichts Innsbruck aus dem Erwerb der inkriminierten Produkte durch R***** P***** ableiten.

Einer gegen diesen Beschluss erhobenen, das Außerachtlassen des Erfolgsortes gemäß § 67 Abs 2 StGB iVm § 36 Abs 3 zweiter Satz StPO reklamierenden Beschwerde der Privatanklägerin (ON 13) gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 22. April 2008, AZ 7 Bs 175/08f (ON 16), nicht Folge. Auch das Beschwerdegericht verneinte den Eingriff in fremde Leistungsschutzrechte von einem in Österreich gelegenen Tatort aus; im Besonderen sei davon auszugehen, dass die konkreten Verbreitungshandlungen, nämlich das Feilbieten durch Eingabe des ebay-Angebots in den Computer und in weiterer Folge das Inverkehrsetzen durch Absenden der verkauften Ton- und Bildtonträger jeweils vom deutschen Wohnsitz des Angeklagten aus erfolgt wären. Bereits mit dem Feilbieten durch Zugänglichmachen der Vervielfältigungsstücke an die Öffentlichkeit und dem Absenden der Ware sei die Tathandlung vollendet. Eines über diese Tathandlung hinausgehenden Erfolgs bedürfe es nicht. § 91 UrhG sei als reines Tätigkeitsdelikt anzusehen, weswegen lediglich der Ort der Handlung maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die inländische Gerichtsbarkeit sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschlüsse des Landesgerichts Innsbruck und des Oberlandesgerichts Innsbruck stehen - wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 62 StGB gelten die österreichischen Strafgesetze für alle Straftaten, die im Inland begangen worden sind.

Ob eine Tat im Inland begangen wurde, bestimmt sich nach § 67 Abs 2 StGB, der dort genannte Erfolg muss ein dem Tatbild entsprechender sein.

Nach § 91 Abs 1 UrhG ist zu bestrafen, wer einen Eingriff der unter anderem in § 86 Abs 1 UrhG bezeichneten Art begeht. Gegenständlich inkriminiert sind die Eingriffe der unbefugten Verbreitung (§ 86 Abs 1 Z 2 UrhG) und der unbefugten Benutzung (§ 86 Abs 1 Z 4 UrhG).

Verbreitung ist zufolge § 16 Abs 1 UrhG entweder Feilhalten (das Anbieten, vgl jüngst 4 Ob 34/09t) oder das In-Verkehr-Bringen eines Werkstücks, wodurch einem anderen die tatsächliche oder rechtliche Verfügungsmacht darüber - wie beispielsweise beim Verkauf, der Schenkung, dem Verleihen oder dem Vermieten - eingeräumt wird (Anderl in Kucsko, urheber.recht § 16 2.1.).

Gegenständlich ist aus der für das Angebot verwendeten deutschen Sprache, aus der gewählten Website „www.ebay.at" sowie aus dem für die Abwicklung der Bezahlung angegebenen Konto der Privatbank AG der R***** ein für die Dauer der Abrufbarkeit via Internet verwirklichtes Feilhalten in Österreich objektiv und subjektiv indiziert.

Zusätzlich trat der den Tatbestand des Verbreitens ebenso verwirklichende Erfolg des mittels Postaufgabe in Deutschland in Gang gesetzten unbefugten In-Verkehr-Bringens durch Zustellung des Werkstücks in ***** E***** in Österreich ein, wo der Erwerber R***** P***** die Verfügungsmacht darüber erlangte.

Demgemäß liegt sowohl durch das Feilhalten als auch durch das In-Verkehr-Bringen ein österreichischer Tatort im Sinn des § 67 Abs 2 StGB vor. Zufolge österreichweiter Abrufbarkeit des Kaufanbots der über www.ebay.at feilgehaltenen Ton- und Bildtonträger wurde auch Innsbruck zu einem inländischen Tatort im Sinne des § 67 Abs 2 StGB. Die Verneinung der Zuständigkeit österreichischer Strafgerichte im Allgemeinen und die (örtliche) des Landesgerichts Innsbruck im Besonderen ist daher verfehlt. Ein Eingehen auf die Frage des Tatorts des unbefugten Benutzens (§ 86 Abs 1 Z 4 UrhG) erübrigt sich.

Die rechtsirrig die Zuständigkeit österreichischer Strafgerichte sowie die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts Innsbruck verneinenden Entscheidungen wirken sich jeweils zum Vorteil des Angeklagten aus (§ 292 letzter Satz StPO).

Schlagworte

Internethandel mit Raubkopien,

Textnummer

E92766

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0110OS00184.09G.1222.000

Im RIS seit

21.01.2010

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten