Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Dezember 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Roland W***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 12. Mai 2009, GZ 23 Hv 185/08a-258, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roland W***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt. Danach hat er an verschiedenen Orten Österreichs mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachangeführte Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Unterlassen der gebotenen Aufklärung hinsichtlich seiner persönlichen wirtschaftlichen Situation und jener seiner Unternehmen, seiner gescheiterten Investitionen und des Kapitalbedarfs nach den ersten Anlageprogrammen A und G der H***** AG Zürich, erfolgreiche Geldgeschäfte mit hohen Renditen, und zwar vorwiegend im Immobilien- und MTN-Geschäft, vorzunehmen sowie (zu II./ und III./) ein zahlungsfähiger und -williger Vertragspartner zu sein, zu Handlungen, nämlich Geld-(weiter-)veranlagungen, zu Dienstleistungen sowie zur Ausfolgung von Speisen und Getränken verleitet, die diese oder einen anderen am Vermögen schädigten, wobei er durch die Taten einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte,
I./ indem er über die S*****, die spätere S***** Group, die über die Treuhandschaften im Zusammenhang mit dem Ankauf des Jagdschlosses St***** und des Alpenparkhotels V***** (samt Gebäude T*****) Schulden in Höhe von ca 2,5 Millionen Euro aufwies, sowie für weitere Schulden, die von der H***** AG in unbekannter Höhe übernommen worden waren, haftete, wobei die Ansprüche des Unternehmens auf die beiden vorgenannten Objekte nicht schriftlich abgesichert waren, ohne nachvollziehbare Anlagenstrategie erhebliche Renditen und Provisionen zusagte, die aber aufgrund des Fehlens eines nachhaltigen Wirtschaftsplans nicht bzw nur teilweise zur Auszahlung gelangten, nämlich
1./ von Anfang bis Mitte 2007 Anleger in den Programmen Y und R zur Einzahlung von insgesamt 1.950.000 Euro (Schaden zumindest 780.000 Euro),
2./ im Jänner 2007 Markus F*****, Roman Ste***** und Johannes Sta***** zur Einzahlung von 300.000 Euro in ein Spezialinvest, wobei er eine Rendite von 50 % nach Ablauf von sechs Monaten zusagte (Schaden 300.000 Euro),
3./ Anfang 2007 Anleger zur Einzahlung von etwa 757.000 Euro in das Programm M (Schaden 692.000 Euro),
4./ Anfang 2007 Anleger zur Einzahlung von 987.000 Euro in das Programm G (Schaden 964.000 Euro)
5./ ab August 2007 Anleger zur Investition in das Programm S in der Höhe von etwa 107.500 Euro (Schaden 85.500 Euro),
6./ ab August 2007 Anleger zur Investition in das Programm X in der Höhe von etwa 232.000 Euro (Schaden 232.000 Euro);
II./ im Oktober/November 2007 Mitarbeiter der A***** GmbH zur Vermittlung bzw Gewährung von Flugleistungen im Gegenwert von etwa 9.600 Euro;
III./ am 1. September 2007 Mitarbeiter der R***** GmbH zur Ausgabe von Speisen und Getränken im Gesamtwert von 1.561,90 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
Mit dem im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) erstatteten Vorbringen, die subjektive Tatseite sei durch den bloß zusammenfassenden Hinweis auf die prekäre finanzielle Situation und die „irrealen" Geschäfte unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), übergeht der Angeklagte die über diese isoliert zitierte Passage hinausgehenden Ausführungen des Erstgerichts zu seinem objektiven Unvermögen zur Refundierung der zugesicherten Veranlagungen (US 54 ff).
Die vom Beschwerdeführer als undeutlich begründet kritisierte Feststellung, wonach er beim Ankauf des Alpenparkhotels V***** in T***** „keinerlei Pläne oder Marketinganalysen gehabt" hätte (US 28), betrifft im Hinblick auf die davon unberührt bleibende Urteilsannahme, diese Investition sei von vornherein weder finanzierbar noch zur Erzielung von Renditen innerhalb der Laufzeiten der zugesicherten Veranlagungen tauglich gewesen (US 28, 65), keine entscheidende Tatsache und kann daher auf sich beruhen. Die Feststellung, dass der Angeklagte niemals einen „MTN (medium term notes)-Handel" betrieb, dies aber dennoch den Anlageberatern erklärte (US 33), stützten die Tatrichter - dem weiteren Einwand der Undeutlichkeit der Begründung zuwider - auf die Angaben des Angeklagten selbst (US 58). Soweit die Beschwerde darin einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zur vermeintlich weiteren Annahme, er sei tatsächlich „am MTN-Handel" beteiligt gewesen, erblickt, übergeht sie die Konstatierung, dass er eben nicht an diesem Handel beteiligt war, sondern dies bloß zur Täuschung der Anlegevermittler fälschlich behauptete (US 58 unten).
Der Einwand einer Undeutlichkeit der Begründung der auf die als „glaubwürdig und übereinstimmend" bezeichneten Zeugenaussagen und Vertragsurkunden gestützten Feststellungen zu den Programmen der S**** Group Inc. (SA*****) „betreffend Renditen, Provisionen und dergleichen" (US 61) verfehlt den gebotenen kontextbezogenen Beurteilungsmaßstab. Im Zusammenhalt mit dem Gegenstand der entsprechenden detaillierten Feststellungen zu den angesprochenen Programmen der SA***** (US 32-35, 40-42) ergibt sich nämlich klar, dass diese auf die Aussagen der dazu vernommenen Zeugen sowie den Inhalt der Vertragsurkunden gegründet wurden (vgl die Vernehmung der Zeugen Markus F*****, Roman Ste*****, Andreas Wo*****, Gerhard K*****, Markus Fa***** und Hermann N*****, Blg. 1./ bis 3./, 5./ bis 7./ zu ON 93; Urkunden Blg. 8./, 10./ bis 12./, 15./ bis 17./). Weshalb die Angaben des Zeugen Reinhard H***** zur „Werthaltigkeit" (600 bis 700 Euro pro Tonne ohne Aufbereitungskosten bei 100 Tonnen Altöl; ON 257 S 5 f) des von einem behaupteten Investitionsprojekt betroffenen Altöls (US 51 f) in Anbetracht des die Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB um ein Vielfaches übersteigenden Vermögensschadens von etwa 3 Millionen Euro (US 46 f, 69) entscheidende Tatsachen betreffen sollen und solcherart erörterungsbedürftig gewesen wären, legt die diesfalls eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe (Z 5 zweiter Fall) rügende Beschwerde nicht dar.
Die Behauptung der fehlenden Begründung (Z 5 vierter Fall) der Urteilsannahmen zur - detailliert festgestellten, als „desaströs" bezeichneten - Finanzlage des Angeklagten in der Schweiz (US 8 bis 11) vernachlässigt in nicht gesetzmäßiger Ausführung des Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394) die Erwägungen des Erstgerichts hiezu (US 55).
Dem Einwand eines Widerspruchs von Urteilsfeststellungen (Z 5 dritter Fall) zuwider, stünde selbst eine - gar nicht explizit getroffene - Feststellung einer betrügerischen Schädigung des Angeklagten selbst bei von ihm betriebenen Investitionsgeschäften zum konstatierten Betrugsvorsatz des Angeklagten (US 44 f, 69) nicht in innerem Widerspruch, weil diese Aussagen - entgegen der dies behauptenden Rüge - nach den Denkgesetzen keineswegs unvereinbar wären (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 438 f). Auch mit dem Hinweis auf die Konstatierung einerseits gänzlicher Gewinnlosigkeit der vom Angeklagten betriebenen „Investitionen" (US 65) und andererseits noch bevorstehender gerichtlicher Versteigerung des Jagdschlosses St***** wird kein Widerspruch aufgezeigt, weil dabei die Feststellung übergangen wird, wonach der Angeklagte - ohne Herstellung einer Rechtsbeziehung zu den Anlegern - die Liegenschaft im eigenen Namen und ohne Begründung von Sicherungsrechten zu Gunsten der Anleger erwarb (US 26, 39, 42). Die Tatsachenrüge (Z 5a) versucht lediglich unter Wiederholung der Ausführungen der Mängelrüge aus isoliert betrachteten Verfahrensergebnissen günstigere Schlussfolgerungen abzuleiten, als dies das Erstgericht tat. Solcherart berücksichtigt sie mangels Prüfung der ins Treffen geführten Beweismittel im Hinblick auf ihre Eignung, erhebliche Bedenken hervorzurufen, nicht die Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen und verfehlt damit die Ausrichtung am Verfahrensrecht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487).
Weder die Rechts- (Z 9 lit a und b) noch die Subsumtionsrüge (Z 10) sind gesetzmäßig ausgeführt.
Soweit unter Reklamation der irrtümlichen Annahme eines „die Rechtswidrigkeit der Tat ausschließenden" Sachverhalts (§ 8 StGB) mit dem Vorbringen, der Angeklagte sei „davon ausgegangen, dass durch die von ihm getätigten Geschäfte dem vereinbarten Zweck, nämlich der Finanzierung von humanitären und kommerziellen Immobiliengeschäften, entsprochen wurde", (der Sache nach Z 9 lit a) ein den Betrugsvorsatz betreffender Tatbildirrtum behauptet wird, orientiert sich die Beschwerde nicht an den konträren Urteilsfeststellungen (US 44, 49), wonach die Durchführung von Immobiliengeschäften vom Angeklagten vorsätzlich vorgetäuscht wurde und die Geldmittel der Anleger tatsächlich nicht im Immobilienbereich veranlagt wurden (US 37, 39 f).
Mit der Geltendmachung eines durch einen „unterbliebenen Hinweis durch fachmännische externe Berater auf das Tatunrecht" herbeigeführten Rechtsirrtums des Angeklagten (Z 9 lit b; § 9 StGB) bezeichnet die Beschwerde weder entsprechende Urteilsfeststellungen noch - im Sinn eines Feststellungsmangels - ein die reklamierten Konstatierungen indizierendes, in der Hauptverhandlung vorgekommenes Tatsachensubstrat. Der materielle Nichtigkeitsgrund wird somit nicht gesetzmäßig zur Darstellung gebracht (RIS-Justiz RS0118580; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 601). Mit dem Argument verabredungsgemäß durchgeführter Investitionen bestreitet der Angeklagte bloß erneut die bereits erwähnten gegenteiligen Urteilsfeststellungen (US 40). Auch die gesetzmäßige Ausführung einer Subsumtionsrüge (Z 10) hat den gesamten Urteilssachverhalt zu Grunde zu legen. Sie erfordert die Darlegung, weshalb die Unterstellung der Tat durch das Erstgericht rechtlich unrichtig ist und der festgestellte Sachverhalt vielmehr eine andere, konkret zu bezeichnende strafbare Handlung begründet (RIS-Justiz RS0099984, RS0118415). Indem die Beschwerde bloß die Behauptung aufstellt, die Taten wären den „§§ 159 ff StGB" zu unterstellen, ohne auf die Feststellungen und deren behauptete Fehlerhaftigkeit Bezug zu nehmen, genügt sie diesen Anforderungen nicht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur (§ 24 StPO), jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers - gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
E9276411Os178.09zEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0110OS00178.09Z.1222.000Zuletzt aktualisiert am
18.02.2010