TE OGH 2009/12/30 14Os158/09f

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Veröffentlicht am 30.12.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Dezember 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer in der Strafsache gegen Thomas R***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall, 15 StGB, AZ 39 Hv 2/09d des Landesgerichts Wiener Neustadt, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 18. November 2009, AZ 18 Bs 381/09z (ON 112), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Thomas R***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Thomas R***** wurde mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 15. Oktober 2009, GZ 39 Hv 2/09d-93b, des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall, 15 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er von März bis Juni 2008 in M***** und W***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in elf Fällen sieben im Urteilsspruch namentlich genannte Personen durch die Vorgabe, Magister der Rechtswissenschaften und Sohn eines renommierten Rechtsanwalts zu sein und als solcher über die Kanzlei seines Vaters bzw selbst juristische Leistungen zu erbringen und erbracht sowie Ausgaben getätigt zu haben, zur Übergabe von insgesamt 6.497,25 Euro Bargeld verleitet und (in einem Fall) zu verleiten versucht, wodurch die Getäuschten in selber Höhe am Vermögen geschädigt wurden und werden sollten.

Über die dagegen fristgerecht angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten (ON 215) wurde bislang noch nicht entschieden.

Thomas R***** wurde vom 25. Juli 2007 bis zum 25. Oktober 2009 zum Vollzug zweier Freiheitsstrafen in Strafhaft angehalten und befindet sich seit dem 25. Oktober 2009 aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO in gegenständlicher Strafsache in Untersuchungshaft.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien seiner Beschwerde gegen die am 15. Oktober 2009 beschlossene (ON 93) Verhängung der Untersuchungshaft durch das Landesgericht Wiener Neustadt nicht Folge und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Haft aus dem vom Erstgericht angenommenen Haftgrund an (ON 112).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde des Thomas R***** kommt keine Berechtigung zu.

Soweit diese das Vorliegen dringenden Tatverdachts - zudem mit der gänzlich unsubstantiierten Behauptung, ein solcher sei „jedenfalls nicht gegeben" - in Zweifel zieht, scheitert sie an der Unterlassung einer entsprechenden Argumentation in der Haftbeschwerde und demgemäß an der Erschöpfung des Instanzenzugs (RIS-Justiz RS0114487). Im Übrigen wäre auf solche Einwendungen angesichts der Verurteilung in erster Instanz ohnehin nicht einzugehen (RIS-Justiz RS0061112; Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 180 aF Rz 4).

In Ansehung der Haftgründe überprüft der Oberste Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahr (Prognoseentscheidung) darauf, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten Tatsachen als willkürlich, maW nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellt (RIS-Justiz RS0117806). Davon kann im gegebenen Fall bei den vom Oberlandesgericht aktenkonform angestellten Erwägungen keine Rede sein. Die zur Begründung ins Treffen geführte einschlägige Vorstrafenbelastung des Angeklagten aus den Jahren 1994, 1996, 1997, 1998, 2000, 2002 und 2008, die Erfolglosigkeit bisher gesetzter staatlicher Resozialisierungsmaßnahmen, seine triste finanzielle Situation und die ihm nunmehr angelastete gewerbsmäßige Delinquenz während des Strafvollzugs (in einem Fall im Rahmen eines Ausgangs aus der Strafhaft; BS 4 ff), lassen einen einwandfreien Schluss auf das Vorliegen von Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO zu. Einzelne aus der Sicht des Beschwerdeführers erörterungsbedürftige Umstände bei der Prognose nicht erwähnt zu haben, kann der angefochtenen Entscheidung nicht als Grundrechtsverletzung vorgeworfen werden (RIS-Justiz RS0117806). Dass die Staatsanwaltschaft während des - der Verhängung der Untersuchungshaft unmittelbar vorangegangenen - Strafvollzugs keine Anordnungen iSd § 173 Abs 4 StPO traf und auch „die zuständigen Behörden während der Strafhaft im gelockerten Vollzug (§ 126 StVG) nicht von Tatbegehungsgefahr ausgingen" steht - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - der Annahme dieses Haftgrundes durch das Oberlandesgericht nicht entgegen. Mit Spekulationen, wonach er in der Lage sei, seine „keineswegs massiven" finanziellen Probleme „in absehbarer Zeit zu regeln" und der Behauptung, Arbeits- und Wohnmöglichkeit in Freiheit, stabile soziale Bindungen, eine „persönliche Beziehung" sowie „tatkräftige Leitung" durch „positive Einflussnahme" und „Betreuung mit bewährungshilfeähnlichen Auflagen" durch seinen „Ziehvater" (den nunmehr als Mitglied der 2. Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Wien tätigen ehemaligen Leiter der Justizanstalt Sonnberg) ließen darauf schließen, dass er nunmehr keine strafbaren Handlungen mehr begehen werde, vermag der Beschwerdeführer Unvertretbarkeit der Ermessensentscheidung ebenso wenig aufzuzeigen wie mit dem Hinweis auf Zeiten seiner strafrechtlichen Unauffälligkeit und der - im Übrigen im Widerspruch zur Verdachtslage stehenden - Behauptung, sich während des gelockerten Strafvollzugs und im Rahmen zahlreicher Ausgänge wohl verhalten zu haben.

Die Beschwerdeausführungen zu Unverhältnismäßigkeit und „grundsätzlicher Unzulässigkeit" der Untersuchungshaft gehen daran vorbei, dass die Untersuchungshaft aus dem Grund der Tatbegehungsgefahr nicht - worauf die Beschwerde abstellen will - ausschließlich „der Sicherung des Verfahrens", sondern dazu dient, den Angeklagten an einer aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchtenden Begehung einer Straftat zu hindern (vgl Art 5 Abs 1 lit c MRK, Art 2 Abs 1 Z 2 lit a PersFrSchG). Unverhältnismäßigkeit der Haft wurde zudem in der Haftbeschwerde gar nicht thematisiert, womit es der Grundrechtsbeschwerde insoweit erneut an der nach § 1 Abs 1 GRBG erforderlichen Ausschöpfung des Instanzenzugs fehlt. Zum Zeitpunkt angeblich verzögerter Zustellung der Anklageschrift und Anberaumung der Hauptverhandlung befand sich der Angeklagte in gegenständlicher Strafsache noch gar nicht in Haft, womit eine Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit dadurch nicht bewirkt werden konnte.

Soweit sich die Beschwerde zum besonderen Beschleunigungsgebot in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 177 Abs 1 StPO) nunmehr auch auf die nach Ablauf der Frist des § 270 Abs 1 StPO erfolgte Urteilsausfertigung und die bis zum Zeitpunkt der Einbringung der Grundrechtsbeschwerde unterbliebene Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls vom 15. Oktober 2009 bezieht, steht ihr gleichfalls mangelnde Erschöpfung des Instanzenzugs entgegen, weil diese Umstände bei Bekämpfung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht geltend gemacht wurden. Thomas R***** wurde demnach im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

Anmerkung

E9289714Os158.09f

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0140OS00158.09F.1230.000

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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