Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** H*****, vertreten durch Stolz & Schartner Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in Radstadt, wider die beklagten Parteien 1. S*****ges.m.b.H, *****, vertreten durch Kopp.Wittek-Jochums Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, und 2. K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Braunbruck, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitinteresse 6.000 EUR), über die Revisionen der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 19. März 2009, GZ 53 R 399/08w-14, mit dem infolge Berufungen beider beklagter Parteien das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 24. September 2008, GZ 2 C 986/08y-8, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
A. Der Revision der erstbeklagten Partei wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich der erstbeklagten Partei abgeändert und haben zu lauten:
Das Begehren, die erstbeklagte Partei sei bei sonstiger Exekution gegenüber der klagenden Partei schuldig, ab sofort Eingriffshandlungen, ausgehend vom Grundstück der erstbeklagten Partei *****, samt dem darauf situierten Gebäude ***** in Form von Herabwerfen von Gegenständen auf das Grundstück *****, des Klägers zu unterlassen bzw zu unterbinden, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 1.904,04 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin enthalten 317,34 EUR an USt), die mit 1.281,27 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 135,71 EUR an USt und 467 EUR an Barauslagen) und die mit 1.143,15 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 93,19 EUR an USt und 584 EUR an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
B. Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 556,99 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 92,83 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist grundbücherlicher Alleineigentümer eines Grundstücks, an das im Norden ein mehrheitlich (24014/33180-Anteile) im Mit- und Wohnungseigentum der Erstbeklagten stehendes Grundstück angrenzt, auf dem ein Einkaufszentrum errichtet ist. Die Südkante des Gebäudes des Einkaufszentrums bildet dabei im Wesentlichen die Grenze zwischen den beiden Grundstücken. Die Erstbeklagte war Errichterin des Einkaufszentrums, das aus mehreren Etagen besteht. In der untersten Ebene ist eine allgemein zugängliche Garage situiert, von der ein Lift und ein Stiegenaufgang zu allen weiteren Etagen führen. Die folgende Etage im Halbparterre ist von einer Gemeindestraße über Abgangstreppen erreichbar. Darin sind in Form eines Innenhofs Verkaufsgeschäfte (Sportartikel, Kindermoden, Supermarkt) und ein Kaffeehaus etabliert.
Die darüber liegende Ebene - als erstes Geschoß bezeichnet - ist ebenso von der Gemeindestraße über die den Geschäften zum Innenhof hin vorgelagerten Terrassen, über die Garage (Lift und Stiege) und über einen Stiegenaufgang an der Süd-West-Ecke des Gebäudes für Fußgänger erreichbar. Auf dieser Ebene sind unter anderem zwei Verkaufsgeschäfte (Kleider und Bücher) und zwei Kaffeehaus-Betriebe etabliert. An der Südseite dieser Ebene liegt eine Hochterrasse, die für Fußgänger von allen Seiten her frei zugänglich ist und südlich von einer 1 m hohen und 50 cm breiten, an der Oberkante mit Blech eingefassten Attikamauer begrenzt wird. Deren Oberkante liegt zwischen 6 und 10 m über dem Niveau des unmittelbar südlich anschließenden Grundstücks des Klägers.
Die Hochterrasse wird immer wieder von Personen allen Alters untertags und auch während der Nacht frequentiert. Dabei ist es in der Vergangenheit regelmäßig vorgekommen, dass Personen untertags wie auch nächtens von der Hochterrasse aus Gegenstände auf das Grundstück des Klägers geworfen haben, wie etwa Glasflaschen aller Art, Plastikflaschen, Tetrapackungen, Aludosen, Verpackungsmaterial, Einkaufspapier und dergleichen. Am 20. 9. 2007 wurde von der Hochterrasse ein harter Gegenstand auf das Grundstück des Klägers geworfen, der davon getroffen und verletzt wurde. Eine Verbotstafel, die das Betreten dieser Hochterrasse verbieten würde, ist nicht aufgestellt. Die Störungshandlungen erfolgten nicht durch die Beklagten als unmittelbar Handelnde. Diese Hochterrasse wird auch als Zufahrt mit Fahrzeugen (etwa von Lieferanten) benützt. Trotz der vom Vertreter der Beklagten in der vorprozessualen Korrespondenz erklärten Bereitschaft, umgehend Warn- und Hinweistafeln an der Grundgrenze aufzustellen, unterblieb dies. Von der Oberkante der Attikamauer sind in der Vergangenheit auch Eisbrocken auf die am Grundstück des Klägers abgestellten Fahrzeuge gefallen.
Im darüber liegenden zweiten Geschoß wurden Kaufgeschäfte und eine Pizzeria mit zum Innenhof vorgelagerten Terrassen etabliert. In den weiteren beiden Geschoßebenen sind Büros und Wohnungen untergebracht.
Die Erstbeklagte hat die in ihrem Wohnungseigentum stehenden Wohnungseinheiten und Geschäftslokale vermietet.
Die Zweitbeklagte ist (nur) Verwalterin der Liegenschaft mit dem Einkaufszentrum und hat eine Hausbetreuungsfirma mit den Hausbetreuungsarbeiten beauftragt, für die ein Hausbetreuer vor Ort tätig ist.
Der Kläger nahm beide Beklagte zur ungeteilten Hand mit dem aus dem Spruch, Punkt A., ersichtlichen Begehren in Anspruch. Zur Begründung brachte er ursprünglich vor, die Erstbeklagte sei Eigentümerin des auf dem Nachbargrundstück errichteten Gebäudes und die Zweitbeklagte Betreiberin der darin situierten „*****galerie". Später erachtete der Kläger die Passivlegitimation der Beklagten deshalb als gegeben, weil die Erstbeklagte auch als Teileigentümerin den Eigentumsschutz des Nachbarn zu gewährleisten habe und ihr die Untersagung „bzw" Unterbindung der Einwirkung nicht unmöglich sei; die Zweitbeklagte hafte aufgrund des Umstands, dass sie die Hausverwaltung innehabe und das Grundstück als Betreiberin des Einkaufszentrums bewirtschafte. Das ständige Werfen von Gegenständen vom Beklagtengrundstück auf das Grundstück des Klägers stelle einen unberechtigten Eingriff der Beklagten in das Eigentum des Klägers dar. Zur Wahrung der Freiheit seines Eigentums hätten die Beklagten die Störungshandlungen zu beseitigen und künftig zu unterlassen. Trotz Aufforderung seien die Beklagten nicht bereit, die Störungs- und Eingriffshandlungen (etwa durch das Aufstellen von Absperrnetzen oder dergleichen) zu unterlassen bzw zu verhindern, weshalb diese Handlungen weiter andauern würden. Im Winter seien bei jedem Tauwetter Eisbrocken auf das Grundstück des Klägers gefallen, da die Brüstung von Schnee nicht gereinigt worden sei.
Die Erstbeklagte verwies darauf, dass sie nach Begründung von Wohnungseigentum nur Miteigentümerin der Liegenschaft sei und ihre Wohnungseigentumsobjekte vermietet habe. Grundsätzlich sei zwar richtig, dass den (Mit-)Eigentümer einer Liegenschaft als Reflex seiner Unterlassungspflicht auch eine Hinderungspflicht bei Störungen treffe, die von seiner Liegenschaft aus von Dritten verursacht würden. Die Erstbeklagte sei aber nicht in der Lage und es könne von ihr auch nicht erwartet werden, dass sie die Störungshandlungen, die offensichtlich durch Benutzer der Tiefgarage gesetzt worden seien, verhindere. Als bloße Wohnungseigentümerin sei es ihr auch nicht möglich, Störungshandlungen verhindernde bauliche Maßnahmen auf den Allgemeinflächen des Einkaufszentrums durchzuführen.
Die Zweitbeklagte wendete ein, sie sei als bloße Hausverwalterin „in keiner Weise" passiv legitimiert.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Ausgehend vom eingangs festgestellten Sachverhalt erachtete es die Eigentumsfreiheitsklage, obwohl sie nicht gegen sämtliche Miteigentümer gerichtet sei, für zulässig. Die freie Zugänglichkeit und die Gestaltung des südlichen Abschlusses der Hochterrasse in Form einer bloß 1 m hohen Attikamauer habe in der Vergangenheit immer wieder dazu geführt, dass Personen untertags wie auch nächtens verschiedenen Müll auf das darunter liegende Grundstück des Klägers geworfen hätten. Die beiden Beklagten seien dafür als mittelbare Störer verantwortlich und damit passiv legitimiert, da sie die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit besäßen, die störenden Handlungen durch Baumaßnahmen oder Maßnahmen sonstiger Art zu verhindern. Die Erstbeklagte sei als Inhaberin der Mehrheitsanteile etwa berechtigt, bauliche Maßnahmen zu veranlassen, um ein Abwerfen von Müll von der Hochterrasse hintanzustellen. So könnte sie eine Plexiglaswand, eine Glaswand oder eine sonstige netzartige Vorrichtung in geeigneter Höhe auf der Oberkante der Attikamauer anbringen oder eine Beschränkung des freien Zutritts zu diesem Bereich für Fußgänger verfügen, was ihr durchaus zumutbar sei. Auch die Zweitbeklagte als Hausverwalterin habe die rechtliche und tatsächliche Verfügungsmacht, die Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks zu verhindern, so durch Überwachung der Hochterrasse, Aufstellung von Verbotstafeln oder Verhinderung des Zugangs für dritte Personen durch Abschrankungsmaßnahmen. Ihr stehe es auch zu, dem Hausbetreuer geeignete Anweisungen sowohl in diese Richtung zu erteilen als auch zur Verhinderung des Abstürzens von Eisbrocken von der Oberkante der Attikamauer.
Das von beiden Beklagten angerufene Berufungsgericht gab nur der Berufung der Zweitbeklagten Folge, während es das Ersturteil hinsichtlich der Erstbeklagten mit der Maßgabe bestätigte, dass diese nur zur Unterbindung der Eingriffshandlung verpflichtet werde. Es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige jeweils 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR. Im Rahmen der Bestätigung ließ es die ordentliche Revision zu, im Übrigen jedoch nicht.
Bei der vorstehenden Klage handle es sich um eine solche nach § 364 Abs 2 ABGB als Anwendungsfall der actio negatoria, die auf zumutbare Vorkehrungen zur Verhinderung von Einwirkungen auf das Nachbargrundstück zu richten sei. Sie beinhalte kein Handlungsverbot, sondern ein Erfolgsverbot. Im bisherigen Verfahren sei es eindeutig nur darum gegangen, von der Erstbeklagten die Verhinderung des Erfolgs, nämlich das Herabwerfen von Gegenständen auf die Nachbarliegenschaft, zu fordern; daher sei im Weg einer Maßgabebestätigung die Wortfolge „zu unterlassen" aus dem Urteilsbegehren zu entfernen gewesen, um dem Urteilsspruch eine genauere Fassung zu geben und eine missverständliche Interpretation zu vermeiden. Eine notwendige Streitgenossenschaft aller Wohnungseigentümer sei zu verneinen, weil sie nur dann gegeben sei, wenn eine auf die Freiheit des Eigentums gestützte Feststellungs- und Unterlassungsklage nach § 523 ABGB bei Anmaßung einer Grunddienstbarkeit zugunsten einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft erhoben werde. Die Erstbeklagte sei auch als mittelbarer Störer passiv legitimiert, weil sie die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit habe, die Störung zu verhindern, und sie durch Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzungen dafür geschaffen habe, dass der Dritte die Störung begehen habe können. Die Erstbeklagte als Mehrheitseigentümerin habe mit dem Einkaufszentrum in seiner konkreten Ausgestaltung einen Zustand geschaffen, der die Verschmutzung und Gefährdung von Personen und Sachen am Nachbargrundstück durch Immissionen ermöglicht habe. Im Rahmen ihrer Verpflichtung zu deren Abwehr stehe es ihr frei, beispielsweise bauliche Maßnahmen (Absperrnetze, Gitter, Wände) zu ergreifen oder gewisse Teile der Liegenschaft abzusperren oder Teile der Liegenschaft ständig überwachen zu lassen. In Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft (§ 28 Abs 1 WEG 2002), wie auch bei Veränderungen an den allgemeinen Teilen der Liegenschaft, die über die in § 28 WEG 2002 genannten Angelegenheiten hinausgingen, wie etwa nützliche Verbesserungen oder sonstige über die Erhaltung hinausgehende bauliche Veränderungen (§ 29 Abs 1 WEG 2002), entscheide nämlich die Mehrheit der Wohnungseigentümer. Lediglich dann, wenn eine bauliche Veränderung auf allgemeinen Teilen der Liegenschaft vorgenommen werde, die auch zur Umwidmung eines im schlichten Miteigentum verbliebenen allgemeinen Teils der Liegenschaft in ein Objekt zukünftigen Wohnungseigentums führe und sich zudem noch über eine bestehende Benützungsvereinbarung hinwegsetze, handle es sich um wichtige Veränderungen iSd § 834 ABGB iVm § 29 Abs 5 WEG 2002, für die einstimmige Entscheidungen notwendig seien.
Hingegen sei die Haftung der Zweitbeklagten zu verneinen, weil sie als Wohnungseigentumsverwalter nur dann als mittelbarer Störer passiv legitimiert sei, wenn sie im Rahmen seiner nach außen hin unbeschränkbaren Vollmacht eine Eingriffshandlung setze, wodurch ein Dritter das Eigentum eines Wohnungseigentümers störe, was hier nicht zutreffe. Verwaltungshandlungen des Wohnungseigentumsverwalters seien ebenso wie deren Unterlassung der (Wohnungs-)Eigentümergemeinschaft zuzurechnen.
Maßgebend für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands sei die Bedeutung der Beeinträchtigung der Liegenschaft des Klägers. Da höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Mehrheitswohnungseigentümer beim vorliegenden Sachverhalt nach § 364 Abs 2 ABGB zu einem bestimmten Handeln verpflichtet werden könne, und ob dabei nicht gegen alle Wohnungseigentümer vorzugehen sei, sei die ordentliche Revision hinsichtlich der Erstbeklagten zuzulassen gewesen. Für die Zweitbeklagte gelte das nicht, da deren mangelnde Passivlegitimation durch oberstgerichtliche Rechtsprechung geklärt sei. Diesen Ausspruch änderte das Berufungsgericht über Antrag des Klägers nach § 508 Abs 1 ZPO ab, weil es eine erhebliche Rechtsfrage bilde, ob der Hausverwalter wegen Unterlassungen als mittelbarer Störer passiv legitimiert sei.
Gegen das Berufungsurteil erhoben sowohl der Kläger als auch die Erstbeklagte Revisionen, denen jeweils mit Revisionsbeantwortungen entgegen getreten wurde.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen sind zulässig, nur jene der erstbeklagten Partei auch berechtigt, weil sie im Ergebnis eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Passivlegitimation der Erstbeklagten durch die Vorinstanzen aufzeigt.
A. Zur Revision der Erstbeklagten:
Diese macht im Wesentlichen geltend, gegen den Eigentümer, der nicht unmittelbarer Störer sei, könne nicht vorgegangen werden, weil die Hochterrasse öffentlich zugänglich sei. Es habe auch der einzelne Miteigentümer gar keine Möglichkeit, das beanstandete Verhalten zu unterbinden, vielmehr sei ausschließlich die Gesamtheit der Wohnungseigentümer passiv legitimiert. Es bedürfe nämlich außerordentlicher Verwaltungsmaßnahmen, weil entweder der Zugang der Öffentlichkeit unterbunden oder die Hochterrasse entsprechend umgebaut werden müsste, was eine Änderung der Gebrauchsordnung erfordere. Aber auch die Ausübung der ordentlichen Verwaltung verlange eine vorausgehende Willensbildung; diesfalls müsste nach § 18 WEG 2002 die Eigentümergemeinschaft geklagt werden.
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:
A.1. Einleitend ist klarzustellen, dass das bis Schluss der Verhandlung unverändert gebliebene Urteilsbegehren des Klägers ausdrücklich nur gegen Eingriffshandlungen „in Form von Herabwerfen von Gegenständen" gerichtet war, also unmissverständlich gegen aktiv und bewusst vorgenommene Störungen. Das durch Unterlassen der Reinigung der Attikamauer der Hochterrasse von Schnee und damit im Weiteren allein durch bestimmte Witterungsbedingungen ausgelöste Herabfallen von Schnee und Eis ist damit vom Urteilsbegehren des Klägers nicht umfasst. Eine amtswegige Modifizierung des Urteilsbegehrens würde daher mangels jeder Unklarheit einen Verstoß gegen § 405 ZPO darstellen.
Ungeachtet der dazu getroffenen Feststellungen haben diese Ereignisse daher im vorliegenden Verfahren unberücksichtigt zu bleiben; sie vermögen deshalb die Passivlegitimation der Erstbeklagten nicht zu begründen (und ebenso wenig jene der Zweitbeklagten).
A.2. Da die Passivlegitimation der Erstbeklagten - wie noch zu zeigen sein wird - aus anderen Gründen zu verneinen ist, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der von der Erstbeklagten einleitend ihrer Revision kritisierten Maßgabebestätigung („Richtigstellung des Urteilsbegehrens") durch das Berufungsgericht.
A.3. Die Erstbeklagte macht in ihrer Revision jedoch aus folgenden Gründen zurecht ihre fehlende Passivlegitimation geltend:
A.3.1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der vorliegenden Klage um eine solche nach § 364 Abs 2 ABGB als Anwendungsfall der actio negatoria handelt. Ebenso zutreffend hat die Erstbeklagte in erster Instanz selbst ausdrücklich zugestanden (ON 2), dass den Eigentümer einer Liegenschaft als Reflex seiner Unterlassungspflicht auch eine Hinderungspflicht im Hinblick auf Störungen Dritter trifft. Für die Begründung der Haftung nach § 364 Abs 2 ABGB ist es nämlich nicht erforderlich, dass der Nachbar selbst die störende Handlung setzt. Verursacht sie ein anderer, so wird die Haftung des Grundnachbarn dann als gerechtfertigt erachtet, wenn er die Einwirkung duldet, obwohl er sie zu hindern berechtigt und dazu auch imstande gewesen wäre (8 Ob 111/06s; RIS-Justiz RS0053260 [T6] = RS0010586 [T4] = RS0010648 [T13]); maßgeblich für die Bejahung der verschuldensunabhängigen Unterlassungspflicht des beklagten Miteigentümers der Liegenschaft für einen im Nachbarrecht wurzelnden Anspruch ist ein Zusammenhang zwischen Sachherrschaft und Störung (8 Ob 111/06s; RIS-Justiz RS0053260 [T7] = RS0010648 [T14]; 5 Ob 163/08y; RS0053260 [T8] = RS0010648 [T15]). Sowohl der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB als auch jener nach § 523 ABGB kann sich auch gegen denjenigen richten, der die Störung nur mittelbar veranlasst hat; auch derjenige ist passiv legitimiert, der den Eingriff nicht selbst vornimmt, sondern veranlasst, indem er durch Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzungen dafür schuf, dass Dritte die Störung begehen können (RIS-Justiz RS0011737 [T5 und T11]). Die Störereigenschaft wird dabei nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein solcher Dritter aus eigenem Antrieb und selbstverantwortlich handelt (2 Ob 167/07h mwN; RIS-Justiz RS0103058 [T7]).
Der Oberste Gerichtshof hat weiters ausgesprochen, dass nachbarrechtliche Ansprüche unter der Voraussetzung des Zusammenhangs zwischen Sachherrschaft und Störung immer gegen sämtliche Liegenschaftseigentümer durchgesetzt werden können, also sämtliche Miteigentümer passiv legitimiert für derartige nachbarrechtliche Ansprüche sind. Die Frage, ob ein einzelner Mit- oder Wohnungseigentümer, der nicht unmittelbarer Störer ist (hier die Erstbeklagte), dennoch selbständig und allein wegen nachbarrechtlicher Ansprüche mit Unterlassungsklage in Anspruch genommen werden kann, hängt davon ab, ob er nach der rechtlichen Ordnung im Innenverhältnis der Gemeinschaft die begehrte Leistung ohne Zusammenwirken mit den anderen Teilhabern auch allein erbringen kann (5 Ob 163/08y; RIS-Justiz RS0124334). Wenn also der einzelne Wohnungseigentümer nach der im Innenverhältnis zwischen den Wohnungseigentümern geltenden Rechts- und Gebrauchsordnung rechtlich auch in der Lage ist, alleine die Schadensursache zu beseitigen (vgl 5 Ob 130/00d: Entfernung einer Trennwand im Inneren eines Wohnungseigentumsobjekts), ist die alleinige Passivlegitimation dieses Wohnungseigentümers zu bejahen (5 Ob 163/08v = JBl 2009, 306 mwN). Kann aber ohne Zusammenwirken aller Mit- oder Wohnungseigentümer die geschuldete Leistung nicht erbracht werden, entsteht entgegen § 890 ABGB nicht eine Solidarschuld, sondern eine Gesamthandschuld, weshalb die Leistungserbringung auch bloß von allen gemeinsam verlangt werden kann (5 Ob 163/08v).
A.3.2. Nach § 226 ZPO hat der Kläger die anspruchsbegründenden Tatsachen zu behaupten, hier also jene Umstände, aus denen sich die rechtliche und faktische Möglichkeit ableiten lässt, die Erstbeklagte könne das Urteilsbegehren auch ohne Zusammenwirken mit den anderen Teilhabern allein erfüllen.
Der Kläger, der ursprünglich offensichtlich vom Alleineigentum der Erstbeklagten ausging, beschränkte sich in erster Instanz - nach dem Einwand der Erstbeklagten, eine Verhinderung der Störungshandlungen sei ihr gar nicht möglich - darauf, deren Passivlegitimation pauschal und unsubstantiiert im Wesentlichen damit zu begründen, sie habe auch als Teileigentümerin den Eigentumsschutz des Nachbarn zu gewährleisten und die Untersagung der Einwirkungen sei ihr nicht unmöglich. Damit hat er in seinem Vorbringen nicht einmal klargestellt, ob der Teil der Nachbarliegenschaft, von dem die Störungen ausgehen, einen allgemeinen Teil iSd § 2 Abs 4 WEG 2002 darstellt (was zwar angesichts der Zugänglichkeit für die Allgemeinheit naheliegend, aber nicht zwingend zu vermuten ist), oder einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt (als Zubehör) zugeordnet ist.
Allerdings hat die Erstbeklagte unter anderem geltend gemacht, es sei ihr nicht möglich, Störungshandlungen verhindernde bauliche Maßnahmen auf den Allgemeinflächen des Einkaufszentrums durchzuführen. Der damit erkennbar geäußerten Rechtsansicht der Erstbeklagten, bei der streitgegenständlichen Hochterrasse handle es sich um einen allgemeinen Teil der Liegenschaft, die auch das Berufungsgericht offenbar zugrunde gelegt hat, ist der Kläger weder in erster Instanz noch in seinen Rechtsmittelschriften substanziell entgegen getreten, weshalb dieses Kriterium jedenfalls im Revisionsverfahren als unstrittig angesehen werden kann.
A.3.3. Die (theoretische) Möglichkeit, dass die Störungshandlungen von einem der Wohnungseigentumsobjekte der Erstbeklagten herrühren könnten und als Folge davon deren alleinige Passivlegitimation anzunehmen wäre, ist demnach auszuschließen.
A.3.4. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob jene Maßnahmen, die zu ergreifen sind (und im Belieben der beklagten Partei liegen [vgl RIS-Justiz RS0004649; RS0010566]), um der Unterlassungsverpflichtung zu entsprechen, von der Mehrheit der Wohnungseigentümer oder nur einstimmig beschlossen werden können, kann aus folgenden Überlegungen dahin gestellt bleiben:
Das Erfordernis der Einstimmigkeit bedeutet zwangsläufig ein notwendiges Zusammenwirken aller Teilhaber der Gemeinschaft.
Aber auch wenn diese Maßnahmen zu jenen Angelegenheiten zählen sollten, in denen die Mehrheit der Wohnungseigentümer entscheidet (§§ 28 Abs 1, 29 Abs 1 WEG 2002), fehlt es der Mehrheit an der Möglichkeit, diese Maßnahmen unmittelbar und eigenmächtig umzusetzen. Sie hat nämlich mit der Konsequenz von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen der Minderheit Eigenmacht zu verantworten, wenn sie ohne rechtswirksamen Beschluss agiert (Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 18 WEG Rz 76). Das gilt auch für einen Wohnungseigentümer, der die Mehrheit der Anteile auf sich vereint („Dominator"), wenn er - wie hier - nicht zum Verwalter bestellt wurde. Es bedarf somit auch in diesen Materien einer rechtswirksamen Beschlussfassung iSd § 24 WEG 2002, die voraussetzt, dass allen Mit- und Wohnungseigentümern - auch jenen mit einer voraussichtlich chancenlosen Gegenposition - Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird, was die Möglichkeit einer Werbung für den eigenen Standpunkt ebenso einzuschließen hat wie die eigene Stimmabgabe (5 Ob 113/08s = wobl 2009/17 [Kramer] mwN; RIS-Justiz RS0082922 [T6]; RS0108769 [T10 und T13]; vgl RS0013383; RS0015665). Mit dem Erfordernis der Beschlussfassung ist auch die Möglichkeit der Anfechtung eines solchen nach den §§ 24, 29 und 30 WEG 2002 untrennbar verbunden.
Da ein unter Umständen langwieriges Verfahren abzuführen ist, um die Einflußnahme der Mehrheit der Wohnungseigentümer auf die Störungshandlungen Dritter verwirklichen zu können, ist eine direkte Möglichkeit der Erstbeklagten, die klagsgegenständliche Störung rechtlich und faktisch alleine verhindern zu können, zu verneinen. Damit liegt aber nach Ansicht des erkennenden Senats der für die Bejahung der Passivlegitimation der erstbeklagten Mehrheitseigentümerin erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Sachherrschaft und Störung im konkreten Einzelfall nicht vor.
A.4. Die Revision der Erstbeklagten erweist sich daher als berechtigt. In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen war daher das gegen sie gerichtete Klagebegehren abzuweisen.
Das bedingt die Neufassung der Kostenentscheidung für die erste und zweite Instanz. Die Erstbeklagte hat gemäß § 41 (und § 50) ZPO Anspruch auf vollen Ersatz der (mit Ausnahme des Einheitssatzes für ihre Berufung) richtig verzeichneten Kosten. Den Kläger trifft auch die Ersatzpflicht für das Revisionsverfahren.
B. Zur Revision des Klägers:
Seine Argumentation geht im Wesentlichen dahin, das Berufungsgericht habe entgegen höchstgerichtlicher Judikatur die Passivlegitimation der zweitbeklagten Hausverwalterin zu unrecht verneint, obwohl sie als mittelbare Störerin die rechtliche und tatsächliche Verfügungsmacht (gehabt) habe, die Einwirkungen auf sein Grundstück durch Aufstellen von Verbotstafeln, Überwachung der Hochterrasse und Abschrankung des Zugangs für Dritte zu verhindern.
Dem ist Folgendes zu erwidern:
B.1. Die Rechtslage zur Passivlegitimation des mittelbaren Störers für die Klage nach § 364 Abs 2 ABGB wurde bereits zu Punkt A.3.1. dargestellt. Das wesentliche Kriterium dafür bildet das Bestehen eines Zusammenhangs zwischen Sachherrschaft und Störung. Das erfordert die Prüfung, ob (auch) die zweitbeklagte Hausverwalterin berechtigt und imstande gewesen wäre, die streitgegenständlichen unmittelbaren Immissionen durch die vom Kläger verlangten Maßnahmen zu verhindern.
B.2.1. Gemäß § 20 Abs 1 WEG 2002 ist der bestellte Verwalter von Wohnungseigentum im Rahmen der ordentlichen Verwaltung autonom zuständig, das heißt er kann und muss auch ohne vorhergehenden Beschluss der Eigentümergemeinschaft nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen eigenständig handeln (RIS-Justiz RS0122841). Ungeachtet der ihm im Außenverhältnis zukommenden uneingeschränkten, auch außerordentliche Maßnahmen der Verwaltung umfassenden Vertretungsbefugnis (RIS-Justiz RS0013747), ist er jedoch im Innenverhältnis nur zu Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung berechtigt (RIS-Justiz RS0083447); schließlich bestimmt § 29 Abs 6 WEG 2002, dass der Verwalter Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung nur aufgrund eines Beschlusses der Mehrheit der Wohnungseigentümer nach § 29 Abs 1 WEG 2002 durchführen darf. Nicht durch einen Eigentümerbeschluss gedeckte Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung sind deshalb nach § 29 Abs 6 WEG 2002 nicht pflichtgemäß und entsprechen nicht dem durch Gesetz und Vereinbarung definierten Auftrag einer ordentlichen Verwaltung (5 Ob 127/09a; RIS-Justiz RS0013747 [T7] = RS0083447 [T5]).
Von der rechtlichen Möglichkeit der Zweitbeklagten zur Verhinderung der Störungshandlungen kann daher nur die Rede sein, soweit es sich um Maßnahmen handelt, die der ordentlichen Verwaltung zuzuordnen sind; darüber hinaus müsste die Zweitbeklagte dadurch auch faktisch imstande sein, die Störungshandlungen zu verhindern.
Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung sind solche, die dem Zweck der Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Guts entsprechen, wie sie sich im gewöhnlichen Verlauf der Dinge als notwendig und zweckmäßig erweisen, im Wesentlichen dem Interesse aller Miteigentümer dienen und keine besonderen Kosten erfordern (5 Ob 86/09x mwN; RIS-Justiz RS0013573).
B.2.2. Das trifft gewiss auf das Aufstellen von Verbotstafeln zu, mit denen das Hinabwerfen von Gegenständen für unzulässig erklärt wird. Allerdings kann nicht angenommen werden, allein damit das Unterbinden der Störungshandlungen gewährleisten zu können, weil ja ohnehin nur schriftlich festgehalten wird, was jedermann selbstverständlich sein muss, es jedoch offenkundig ist, dass derartige Verbotstafeln regelmäßig (weiterhin) missachtet würden. Diese, der Zweitbeklagten rechtlich offenstehende Verwaltungshandlung gestattet daher nicht die realistische Annahme, sie könne allein damit die Immissionen verhindern.
B.2.3. Alle weiteren, bisher angesprochenen Maßnahmen liegen aber außerhalb des Rahmens einer ordentlichen Verwaltungstätigkeit. Das bedeutet, dass der Zweitbeklagten dafür die rechtliche Möglichkeit der Verhinderung der Eingriffshandlungen fehlt.
Eine spezielle Überwachung der Hochterrasse, die ausgehend von den Feststellungen zu den Tatzeiten („untertags wie auch nächtens") rund um die Uhr erfolgen müsste, um den vom Kläger gewünschten Erfolg zu versprechen, geht über die Aufgaben eines Hausbetreuers weit hinaus, sodass dessen Beauftragung damit den Rahmen der ordentlichen Verwaltungstätigkeit sprengen würde. Auch andere Überwachungsmaßnahmen, sei es mit Hilfe technischer Mittel, sei es durch Personen, entsprechen nicht dem gewöhnlichen Lauf einer Verwaltungstätigkeit und wären wohl mit nicht unbeträchtlichen Kosten verbunden.
Eine Abschrankung des Zugangs zur Hochterrasse für Dritte erfordert jedenfalls bauliche Veränderungen eines allgemeinen Teils der Liegenschaft und fällt schon deswegen aus dem Bereich der ordentlichen Verwaltung (§ 29 Abs 1 WEG 2002). Das gilt ebenso für die von den Vorinstanzen angesprochene Veränderung der Attikamauer durch deren Erhöhung, sei es durch Anbringen von Netzen oder (Plexi-)Glaswänden oder auch durch Aufmauerung.
B.2.4. Zusammengefasst ist daher die (realistische) Möglichkeit der Zweitbeklagten, die vom Kläger zum Gegenstand seines Rechtsschutzbegehrens gemachten Eingriffshandlungen alleine zu verhindern, zu verneinen. Das bedingt auch die Verneinung ihrer Passivlegitimation für die vorliegende Negatorienklage.
Die vom Kläger in seiner Revision ins Treffen geführten Entscheidungen gebieten keine andere Beurteilung. Zu 5 Ob 20/01d bildete nämlich ein ganz anderer Sachverhalt die Grundlage der rechtlichen Beurteilung. Sowohl zu 5 Ob 206/07s als auch zu 2 Ob 167/07h lassen sich - abgesehen von den gleichfalls anders gelagerten Fallkonstellationen - keine Aussagen für die Zurechnung der Eingriffshandlungen Dritter an den Verwalter entnehmen.
Die in seinen Rechtsmittelschriften geäußerten Bedenken des Klägers, bei „unklaren Mehrheitsverhältnissen" (?) könne ein Nachbar die Eigentumsfreiheitsklage nicht einbringen, und bei Bestehen einer Hausverwaltung und Ablehnung deren Passivlegitimation müssten Immissionen vom Nachbarn weitgehend schutzlos hingenommen werden, sind unbegründet. Wie bereits dargelegt, ist ohnehin die Passivlegitimation sämtlicher Wohnungseigentümer zu bejahen, die durch Einsicht ins Grundbuch ermittelt werden können.
B.3. Somit kommt der Revision des Klägers keine Berechtigung zu.
Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat er daher der Zweitbeklagten die Kosten deren Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Textnummer
E93265European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00133.09H.0119.000Im RIS seit
18.02.2010Zuletzt aktualisiert am
23.04.2012