Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Tanek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei W***** V*****, vertreten durch Dr. Bernhard Wörgötter, Rechtsanwalt in St. Johann in Tirol, gegen die beklagte Partei Tiroler Gebietskrankenkasse, 6020 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2, vertreten durch Mag. Priska Seeber, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen Krankengeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Mai 2009, GZ 22 Rs 15/09s-73, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Jänner 2009, GZ 47 Cgs 251/07a-68, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Anfang August 2005 erlitt der Kläger beim Schwenken einer schweren Pfanne während seiner Arbeit in einem Schlosshotel (Dienstgeber: O***** E*****) eine stichartige Sensation an der linken Schulter. Daraus ergab sich eine Verletzung an der linken Schulter. Ärztlicherseits wurden am 20. 9. 2005 eine bursitis subacromialis links, eine Ruptur der langen Bizepssehne und der Verdacht auf RM-Ruptur diagnostiziert. Aufgrund dieser Verletzungen wurde er an der Schulter (Bizepssehne) operiert. Er war vom 30. 8. 2005 bis 17. 9. 2006 im Krankenstand. Mit 17. 9. 2006 hatte er die Höchstanspruchsdauer auf Krankengeld ausgeschöpft. Er bezog vom 18. 9. 2006 bis 13. 12. 2006 Arbeitslosengeld.
Am 14. 12. 2006 trat der Kläger eine Beschäftigung bei der B***** Gastbetriebs GmbH & Co KG (künftig: B*****) an. Bei Arbeitsantritt am 14. 12. 2006 ist „aus unfallchirurgischer Sicht eine volle Funktion und Beschwerdefreiheit der Schulter nicht denkbar". Zu diesem Zeitpunkt lag vielmehr eine hochgradig eingeschränkte labile linke Schulter und zwar eine Schultererkrankung im Sinn eines chronischen Aufbrauchs, einer Omarthrose vor. Bei Arbeitsaufnahme am 14. 12. 2006 war die Tätigkeit eines Kochs/Küchenmeisters - wie vom Kläger bei B***** verrichtet - im Hinblick auf die schmerzhafte Einsteifung seiner linken Schulter („frozen shoulder") nicht denkbar. Auch für den nach dem 14. 12. 2006 folgenden Zeitraum von zumindest zwei Monaten war im Hinblick auf die frozen shoulder-Symptomatik, die sich erst langsam zu lösen begann, ein Arbeiten als Koch/Küchenmeister „aus unfallchirurgischer Sicht" unmöglich. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Aufnahme seiner Tätigkeit als Küchenchef am 14. 12. 2006 arbeitsunfähig.
Am 13. 2. 2007 erlitt er bei B***** einen Arbeitsunfall, indem er über fünf Stufen stürzte. Von seinem behandelnden Arzt wurde er mit der Diagnose LWS-Hüftprellung rechts ab 14. 2. 2007 für arbeitsunfähig befunden. Die Erstbehandlung nach dem erlittenen Sturz erfolgte im Krankenhaus St. Johann in Tirol am 14. 2. 2007. Auch dort wurde eine Beckenprellung und eine Prellung der Lendenwirbelsäule, ein Hämatom im Bereich LWK 5 und eine Druckschmerzhaftigkeit rechts am Becken diagnostiziert. Am 6. 3. 2007 diagnostizierte ein Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie eine LWS-Prellung mit fraglicher radikulärer Symptomatik rechts und ordnete eine CT-Untersuchung und die Weiterbehandlung je nach Befund an. Die CT-Untersuchung am 14. 3. 2007 ergab lediglich degenerative Veränderungen. Ein Hinweis für einen Diskusprolaps mit Nervenwurzelbedrängung konnte nicht festgestellt werden. Da der Kläger beim Krankenbesuch am 2. 4. 2007 durch Angestellte der Beklagten um 16:47 Uhr nicht zu Hause angetroffen werden konnte, beendete die beklagte Partei seine Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des 4. 4. 2007. Der vom Kläger am 13. 4. 2007 konsultierte Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie bestätigte jedoch, dass der Kläger aufgrund einer Entzündung im Bereich der linken Schulter und wegen Hüftbeschwerden in Behandlung stehe und arbeitsunfähig sei.
Laut Befund eines Oberarztes des Krankenhauses St. Johann in Tirol erlitt der Kläger durch den Sturz vom 13. 2. 2007 an der linken Schulter erneut eine Verschlimmerung. Aufgrund der Schmerzirritation wurde die linke Schulter des Klägers zweimal mit Cortison infiltriert. Als Therapie wurden die Einnahme von Schmerzmitteln, eine erneute Physiotherapie sowie eine Strom- und Unterwassertherapie empfohlen. Mit dem Ausweis für den Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit seines behandelnden Arztes wurde der Kläger mit der Diagnose frozen shoulder und starker Dorsolumbalgie infolge eines BS-Schadens ab 3. 5. 2007 für arbeitsunfähig befunden. Ihm wurden am 11. 4. 2007, 25. 4. 2007 und 31. 5. 2007 jeweils Physiotherapien, Massagen und sonstige Therapien verordnet. Im Befund des behandelnden Arztes vom 14. 6. 2007 stellt dieser fest, dass durch die physiotherapeutischen Maßnahmen eine leichte Verbesserung der Schmerzsystematik verbunden mit einer verbesserten Funktion, vor allem der linken Schulter, erreicht wurde. Darüber hinaus führte der Arzt an, dass der Kläger immer noch unter erheblichen Einschränkungen und erheblichen Schmerzen bei geringer Belastung leide.
„Aus unfallchirurgischer Sicht" handelt es sich bei den Beschwerden des Klägers aufgrund des Sturzes vom 13. 2. 2007 nicht um eine treppensturzbedingte Unfallfolge, sondern um eine Verschlechterung/Verschlimmerung der schon früher bestandenen Schultererkrankung. Es war also die sich verschlimmernde Schultererkrankung, die die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis zum Übergang in den Vorruhestand bewirkte und Auslöser der beschriebenen gesundheitlichen negativen Entwicklung war. Der Kläger litt von Anfang an an einem chronischen Schulterleiden links mit rezidivierenden Verschlechterungen, kurzfristigen Besserungen und anhaltenden ärztlichen Bemühungen, das nach dem Sturz vom 13. 2. 2007 wieder eine Verschlechterung erfuhr.
Mit Rentenbescheid der deutschen Rentenversicherung wurde dem Kläger wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 1. 3. 2007 bis längstens zur Vollendung des 65. Lebensjahres, eine Rente von monatlich 69,91 EUR gewährt. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 9. 11. 2007 wurde dem Kläger ab 1. 11. 2007 eine unbefristete Invaliditätspension zuerkannt.
Die beklagte Partei hat beginnend mit 14. 2. 2007 den Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bis einschließlich 28. 5. 2007 anerkannt. Sie erklärte mit Bescheid vom 23. 8. 2007 den am 14. 2. 2007 eingetretenen Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit mit der Diagnose LWS-Hüftprellung rechts mit Ablauf des 28. 5. 2007 für beendet und sprach aus, dass ein Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit mit der Diagnose frozen shoulder beginnend mit 29. 5. 2007 nicht vorliegt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage des Klägers mit dem Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, dem Kläger gegenüber den Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit auch nach dem 28. 5. 2007 festzustellen und Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Seit dem Unfall vom 13. 2. 2007 sei er ständig arbeitsunfähig und laufend in Behandlung. Es treffe nicht zu, dass er seit 30. 8. 2005 durchgehend erkrankt und arbeitsunfähig sei. Insbesondere sei er auch zum Arbeitsbeginn am 14. 12. 2006 arbeitsfähig gewesen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger leide zumindest seit 30. 8. 2005 durchgehend an einer schweren Schultererkrankung, die von den behandelnden Ärzten letztlich immer diagnostiziert und teilweise auch als frozen shoulder, starke Dorsolumbalgie infolge eines BS-Schadens eingestuft worden sei. Insbesondere bei Beginn der Arbeitstätigkeit bei B***** am 14. 12. 2006 bis zum 13./14. 2. 2007 sei der Kläger aufgrund seines Schulterleidens arbeitsunfähig gewesen. Der Treppensturz vom 13./14. 2. 2007 habe nur zu einer Verstärkung der Beschwerden geführt. Sie habe die Arbeitsunfähigkeit des Klägers aufgrund der beim Treppensturz erlittenen Prellungen mit einem siebenwöchigen Krankenstand akzeptiert, der für die erlittenen Prellungen bei weitem ausreichend sei. Das vor Beginn der Beschäftigung bei B***** bereits vorhandene Schulterleiden müsse bei der Leistung des Krankengeldes außer Betracht bleiben. Der Kläger, der aufgrund seines Schulterleidens vom 30. 8. 2005 bis 17. 9. 2006 im Krankenstand gewesen und infolge Ausschöpfung der Höchstanspruchsdauer des Krankengeldes ausgesteuert gewesen sei, habe aufgrund des nach wie vor bestehenden Schulterleidens keine weiteren Ansprüche auf Krankengeld.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und ging weiters davon aus, dass der Kläger ab dem 30. 8. 2005 durchgehend an der Schultererkankung (frozen shoulder) gelitten habe, zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme am 14. 12. 2006 aus diesem Grund nicht arbeitsfähig gewesen sei und der Sturz vom 13. 2. 2007 nicht Auslöser der seither bestehenden Arbeitsunfähigkeit gewesen sei. Rechtlich beurteilte es den Sachverhalt dahin, dass der Kläger keine weiteren Ansprüche auf Krankengeld stellen könne, weil er aufgrund der seit 30. 8. 2005 bestehenden Schultererkrankung nicht in der Lage gewesen sei, ab 14. 12. 2006 seinen Beruf als Koch/Küchenchef auszuüben.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts. Das Krankenbild des Klägers einschließlich des Treppensturzes vom 13./14. 2. 2007 stelle einen einheitlichen Versicherungsfall dar. Die Schultererkrankung sei durch den Unfall vom August 2005 entstanden und habe chronisch mit rezidivierenden Verschlechterungen, kurzfristigen Besserungen und laufenden ärztlichen Behandlungsbemühungen auch ab dem Arbeitsantritt am 14. 12. 2006 bei B*****, während der Arbeitstätigkeit dort und darüber hinaus laufend angedauert. Durch den Treppensturz sei sie lediglich verschärft worden und seien bloß zusätzliche weitere Unfallfolgen eingetreten. Der Kläger sei nach den Feststellungen des Erstgerichts beginnend mit 14. 12. 2006 bis über den Sturz vom 13. 2. 2007 hinaus nicht in der Lage gewesen, die von ihm ausgeübte Tätigkeit als Koch/Küchenchef/Küchenmeister bei B***** ohne Verschlimmerungsgefahr auszuüben. Zu Beginn und während dieses Arbeitsverhältnisses sei er arbeitsunfähig gewesen. Der Krankengeldanspruch des Klägers aufgrund der zumindest ab 28. 5. 2007 allein noch fortbestehenden Schultererkrankung sei erschöpft, weil die Arbeitsunfähigkeit aufgrund dieser Erkrankung schon zu Beginn der Versicherung am 14. 12. 2006 bestanden habe. Der Kläger habe sich zu Diensten verpflichtet, die er von Anfang an nicht habe leisten können. Nur der neuerliche Eintritt der Arbeitsunfähigkeit infolge - auch derselben - Krankheit, bei zwischenzeitlicher qualifizierter Genesung, löse einen neuen Versicherungsfall aus, dessen Voraussetzungen neuerlich zu prüfen seien. Sei der Krankengeldanspruch aus der Schultererkrankung mit Ablauf des 17. 9. 2006 wegen Ablaufs der Höchstdauer erschöpft, entstehe ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit gemäß § 139 Abs 4 ASVG erst wieder, wenn der Erkrankte durch mindestens 13 Wochen in einer den Anspruch auf Krankengeld eröffnenden gesetzlichen Krankenversicherung oder durch mindestens 52 Wochen in einer sonstigen gesetzlichen Versicherung versichert gewesen sei. Nur wenn zwischen der ersten und der zweiten durch vorübergehende Arbeitsfähigkeit unterbrochenen Krankheitsphase nicht eine identische Krankheit vorliege, würde eine zumindest 13-wöchige Neuversicherung einen neuen Versicherungsfall auslösen. Da die Beschäftigung des Klägers bei B***** am 13. 2. 2007 noch nicht die 13-wöchige Mindestversicherungszeit erreicht habe, habe der Kläger aufgrund des einheitlichen Versicherungsfalls der Schultererkrankung beginnend mit Anfang August 2005 nach seiner Aussteuerung am 17. 9. 2006 aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit wegen der Schultererkrankung keinen weiteren Krankengeldanspruch mehr. Der Kläger sei nicht durchgehend vom 18. 9. 2006 bis zum 13. 2. 2007 neuerlich versichert gewesen. Bei der beklagten Partei sei er aufgrund seiner Tätigkeit bei B***** nur vom 14. 12. 2006 bis zum 13. 2. 2007 versichert gewesen. Vom 18. 9. 2006 bis 13. 12. 2006 habe er Arbeitslosengeld bezogen. Er sei daher weniger als 13 Wochen in einer den Anspruch auf Krankengeld eröffnenden gesetzlichen Krankenversicherung und weniger als 52 Wochen in einer sonstigen gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es seine Entscheidung auf die herrschende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs habe stützen können.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem auf Klagestattgebung gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in der freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen, in eventu es abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Der Kläger wendet sich in seinen Revisionsausführungen im Wesentlichen gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass er sowohl während des Bezugs von Arbeitslosengeld vom 18. 9. 2006 bis 13. 12. 2006 als auch ab Beginn der Aufnahme der Tätigkeit bei B***** arbeitsunfähig gewesen sei. Zur Beurteilung dieser Rechtsfrage reichten die Feststellungen des Erstgerichts nicht aus. Da aus der Krankenversicherung der Arbeitslosen auch Krankengeld zustehe, genügten 13 Wochen dieser Versicherung um einen Krankengeldanspruch für dasselbe Leiden zu begründen. Unzutreffend sei die Auffassung des Berufungsgerichts, dass nur dann, wenn zwischen der ersten und der zweiten durch vorübergehende Arbeitsfähigkeit unterbrochene Krankheitsphase eine nicht identische Krankheit vorliege, eine zumindest 13-wöchige Neuversicherung einen neuen Versicherungsfall auslöse.
2. Hierzu wurde erwogen:
2.1. Der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, der nach § 138 Abs 1 ASVG den Anspruch auf Krankengeld auslöst, erfordert gemäß § 120 Abs 1 Z 2 ASVG den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Fällt - wenn auch bei Weiterbestehen der Krankheit - die Arbeitsunfähigkeit weg, so ist der Versicherungsfall beendet (10 ObS 194/06m mwN = SSV-NF 21/15 = DRdA 2008/42, 430 [Naderhirn] = ZAS 2008/34, 232 [Binder]).
2.2. Gemäß § 139 Abs 1 ASVG besteht Krankengeldanspruch für ein und denselben Versicherungsfall bis zur Dauer von 26 Wochen, auch wenn während dieser Zeit zu der Krankheit, welche die Arbeitsunfähigkeit zuerst verursachte, eine neue Krankheit hinzugetreten ist. Wenn der Anspruchsberechtigte innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem Eintritt des Versicherungsfalls mindestens sechs Monate in der Krankenversicherung versichert war, verlängert sich für diese Personen, ausgenommen für die nach § 122 Abs 2 Z 2 bis 4 ASVG Anspruchsberechtigten, die Dauer auf bis zu 52 Wochen.
2.3. Der Krankengeldanspruch des Klägers aufgrund der im September 2005 diagnostizierten Schultererkrankung, die seine Arbeitsunfähigkeit als Koch/Küchenchef/Küchenmeister bewirkte, war mit Ablauf der Höchstdauer von 52 Wochen am 17. 9. 2006 (Aussteuerung) weggefallen. Es ist im Anlassfall nicht strittig, dass eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 29. 5. 2007 nur auf derselben Krankheit (Schultererkrankung) beruhen kann, für die er bereits ausgesteuert war.
2.4. § 139 Abs 4 ASVG regelt die Frage, wann im Fall der Aussteuerung trotz Vorliegens derselben Krankheit ein neuer Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit eintreten kann und damit ein neuer Krankengeldanspruch erworben werden kann. Tritt ein Versicherter, dessen Krankengeldanspruch wegen Ablaufs der Höchstdauer erschöpft ist, in der Folgezeit wieder in ein Versicherungsverhältnis ein und wird er infolge einer anderen Krankheit als der Krankheit, für die er bereits ausgesteuert worden ist, neuerdings arbeitsunfähig, so gilt dies als ein neuer Versicherungsfall. Ist aber die neuerdings eingetretene Arbeitsunfähigkeit auf dieselbe Krankheit zurückzuführen, für die der weggefallene Krankengeldanspruch bestanden hat, dann hat es auch für die Wiedererkrankung bei den Folgen der Aussteuerung zu bleiben, es sei denn, dass der Erkrankte in der Zwischenzeit mindestens 13 Wochen in einer den Anspruch auf Krankengeld eröffnenden gesetzlichen Krankenversicherung oder durch mindestens 52 Wochen in einer sonstigen gesetzlichen Krankenversicherung versichert war. Durch den Bestand einer Versicherung von beträchtlicher Dauer soll der Versicherte eine neue Anwartschaft auf Krankengeld erwerben, auch wenn die Wiedererkrankung auf dieselbe nicht behobene Krankheitsursache zurückgeht, wie im früheren Versicherungsfall, bei dem er bereits ausgesteuert wurde (10 ObS 267/01i = SSV-NF 15/113 = DRdA 2003, 31 [Binder]).
2.5. Auch das Entstehen eines neuen Krankengeldanspruchs iSd § 139 Abs 4 ASVG hat somit den Eintritt eines neuen Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zur Voraussetzung. Dazu ist es erforderlich, dass eine zuvor bestandene Arbeitsfähigkeit infolge einer Krankheit (Wiedererkrankung) wegfällt (10 ObS 267/01i).
2.6. Der Kläger hat vom 18. 9. 2006 bis zum 13. 12. 2006 Arbeitslosengeld bezogen. Als Leistungsbezieher genoss er gemäß § 40 Abs 1 AlVG Krankenversicherungsschutz, der auch einen Krankengeldanspruch umfasste (§ 41 AlVG). Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Zeiten dieser Krankenversicherung seien in die Wartezeit von 13 Wochen des § 139 Abs 4 ASVG nicht einzubeziehen, ist durch die vom Berufungsgericht hiefür angeführte Entscheidung 10 ObS 57/01g = SSV-NF 15/40 nicht gedeckt und unzutreffend (vgl Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG 103. Erg-Lfg 808/2 [§ 139 Anm 9]). Zusammen mit den festgestellten Versicherungszeiten aufgrund seiner ab 14. 12. 2006 ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit hat der Kläger die Voraussetzungen der „kurzen" Wartezeit des § 139 Abs 4 ASVG erfüllt.
2.7. Entscheidend ist im Anlassfall daher, ob der Kläger während des Arbeitslosengeldbezugs und daran anschließend bis zum Ablauf der 13. Woche ab 18. 9. 2006 arbeitsfähig war. Diese Rechtsfrage (10 ObS 194/06m mwN) kann noch nicht abschließend beantwortet werden, weil die hiefür notwendigen Feststellungen von den Vorinstanzen nicht getroffen wurden.
2.8.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt Arbeitsunfähigkeit iSd § 120 Abs 1 Z 2 ASVG in der Regel vor, wenn der Erkrankte nicht oder doch nur mit der Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Wegfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ist daher anzunehmen, wenn der Versicherte in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit (wieder) aufzunehmen, ohne dass dadurch eine Schädigung der Gesundheit oder eine Verschlechterung seines Zustands zu erwarten ist (10 ObS 194/06m mwN).
2.8.2. Der Anlassfall ist jedoch insofern besonders gelagert, als ebenfalls zu prüfen ist, ob Arbeitsunfähigkeit auch während des Bezugs von Arbeitslosengeld bestand. Dass der Kläger Arbeitslosengeld bezog - was Arbeitsfähigkeit voraussetzt (§ 8 AlVG) -, bindet im Anlassfall nicht (10 ObS 266/01t). Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, ist während der Dauer des Arbeitslosengeldbezugs der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nach den Verweisungsbestimmungen des pensionsrechtlichen Invaliditäts- bzw Bezugsunfähigkeitsbegriffs zu bestimmen (10 ObS 291/01v = SSV-NF 15/116). Nach § 8 Abs 1 AlVG ist arbeitsfähig, wer nicht invalid bzw nicht arbeitsunfähig im Sinn der für ihn in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 255, 273 bzw 280 ASVG ist. Dabei dürfen aber auch die Zumutbarkeitskriterien des § 9 Abs 2 AlVG, wonach eine Beschäftigung den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen sein muss, die Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährden darf, angemessen entlohnt sein muss und dem Arbeitslosen dadurch eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert sein darf, nicht außer Acht gelassen werden (10 ObS 291/01v).
2.9. Bisher fehlen - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - Feststellungen, die nach diesen Ausführungen für die Beantwortung der Frage des Vorliegens einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers im maßgebenden Zeitraum erforderlich sind. Ob der Kläger bei Aufnahme seiner Tätigkeit als Koch/Küchenmeister/Küchenchef bis zu seinem Sturz am 13. 2. 2007 und ab 29. 5. 2007 arbeitsunfähig war, richtet sich nach dem im konkreten Fall vereinbarten Inhalt der für B***** arbeitsvertraglich zu erbringenden Tätigkeit des Klägers und danach, ob sein Gesundheitszustand die Verrichtung dieser Tätigkeit gestattete, ohne dass dadurch eine Schädigung seiner Gesundheit oder eine Verschlechterung seines Zustands zu erwarten war.
3. Da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, war auch das Urteil erster Instanz aufzuheben und die Sozialrechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E93131European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00166.09Y.0119.000Im RIS seit
18.02.2010Zuletzt aktualisiert am
04.10.2011