TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/21 2000/01/0375

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Veröffentlicht am 21.12.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des MD in W, geboren am 18. März 1967, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. Juli 2000, Zl. 210.289/0-V/13/00, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Guinea, der am 17. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 18. Oktober 1991 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 31. Oktober 1991 niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab er an, sein Vater sei Hauptmann bei der Armee in Guinea gewesen. Er setzte fort:

"Mein Vater ist nicht mehr am Leben, sondern wurde 1985 nach einem misslungenen Militärputsch hingerichtet. Ich verließ damals Guinea, da ich Angst hatte, als Familienmitglied ebenfalls hingerichtet zu werden. Auch mein Bruder wurde 1985 hingerichtet. Ich habe daher nur noch meine Mutter u. 2 Schwestern in Guinea. Meine Familienangehörigen blieben unversehrt. Ich war bei dem Putschversuch nicht beteiligt. Meine Mutter u. die 2 Schwestern wurden auch nicht von der Militärregierung verfolgt. Nur ich hatte furchtbare Angst vor einer Verfolgung. Ich reiste daher im Jahre 1985 nach Senegal und blieb dort bis 1991. In Senegal war ich sicher vor eventuellen Verfolgungen durch mein Heimatland. Ich verließ trotzdem Senegal und suchte in Österreich um politisches Asyl an. Warum ich dies machte, kann ich nicht angeben. In mein Heimatland kann ich jedoch nicht zurück, da ich sicherlich von der Militärregierung gesucht werde, obwohl ich niemals strafbare Handlungen begangen hatte. Andere Gründe für meine Ausreise kann ich nicht nennen.

Frage: Sie hatten eine Wohngelegenheit und Arbeit in Senegal. Warum verließen sie dieses Land.

Antwort: Es gefiel mir dort nicht mehr. Außerdem arbeitete ich im Geschäft meiner Cousine und diese sagte mir 1991, dass sie mich nicht mehr benötige. Ich war daher arbeitslos und beschloss, in Europa einige Länder kennen zu lernen."

Ein von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich entworfener Bescheid vom 11. November 1991 wurde nicht rechtsgültig zugestellt, gehört sohin dem Rechtsbestand nicht an. Mit dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. Mai 1992, Zl. FrA-12591/91, wurde erkannt, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls vom 31. Jänner 1967, BGBl. Nr. 78/1974, aus denen sich gemäß § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126/1968, in der geltenden Fassung, die Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet ableite, beim Beschwerdeführer nicht zutreffen.

In der mit 26. Mai 1992 datierten, am 27. Mai 1992 zur Post gegebenen Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer diesen Bescheid. Er erstattete kein neues Sachverhaltsvorbringen. Nach Entscheidungen der Höchstgerichte über die die Berufung abweisenden Bescheide des Bundesministers für Inneres führte die nunmehr zuständige belangte Behörde am 6. Juni 2000 eine Berufungsverhandlung durch. In dieser wurde der Beschwerdeführer neuerlich einvernommen und es wurden ihm Beweismittel zur Situation in Guinea vorgehalten. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers "vom 27. Mai 1992" gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich "vom 6. Mai 1992, Zl. 91 16.873" gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 4/1999 - AsylG, ab. Die belangte Behörde stellte zur Situation in Guinea folgenden Sachverhalt fest:

"Betreffend das Schicksal der ehemaligen am Putsch 1995 '(offensichtlich gemeint: 1985)' beteiligten Personen wird nachstehendes festgestellt: Die guineische Regierung hat am 10.2.1990 eine Amnestie in Zusammenhang mit den Vorfällen um den 4. Juli 1985 (Putschversuch) erlassen und sind keine Hinweise auf etwaige Verstöße gegen diese allgemeine Amnestieregelung bekannt. Im Februar 1990 verkündete die Regierung eine Amnestie für alle auf Grund politischer Straftaten Verurteilte. In den Genuss dieser Amnestie kamen allerdings nur jene Gefangene, die während der Geheimverfahren 1995 '(offensichtlich gemeint: 1985)' verurteilt wurden. Die Amnestie erlaubt es auch einigen der 1986 in Absenz Verurteilten, nach Guinea zurückzukehren.

(Deutsches Außenamt 2.1.1995 sowie 21.7.1994). Es gibt nach der allgemeinen Meinung derzeit keine politischen Gefangenen und bemüht sich Guinea vielmehr um den Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates. In Hinblick auf den Putschversuch vom 4.7.1985 wird ausgeführt, dass Sippenhaft oder Ähnliches seit dem 3.4.1984 nicht praktiziert wurde. (Bericht des Deutschen Außenamtes vom 28.6.1990: Mit Verordnung vom 10.2.1990 wurde eine Generalamnestie für alle wegen politischer Delikte verurteilten Guineer, ob sie sich im Inland oder im Ausland befanden, erlassen. Den in den Putschversuch vom Juli 1985 Verwickelten wurden ihre Grundstücke zurückgegeben. Kein einziger Fall von Verfolgungsmaßnahmen gegen Guineer im Ausland nach dem 3.4.1984 ist bekannt geworden. Alle politischen Delikte der Sekou - Toure Zeit und des Putschversuches vom 4.7.1985 fallen unter die Generalamnestie. Sippenhaft oder Ähnliches ist seit dem April 1984 nicht praktiziert worden. (Bericht des Deutschen Außenamtes vom 8.6.1990). Die meisten Offiziere und alle früheren Auslandsdissidenten, die im Jahre 1984 nach dem Putschversuch zurückgekehrt waren, haben nunmehr die Regierung verlassen um eine politische Partei zu etablieren."

Die belangte Behörde sprach dem Beschwerdeführer einerseits die persönliche Glaubwürdigkeit ab, andererseits führte sie Folgendes aus:

"Selbst bei hypothetischer Zugrundelegung der Kernaussagen des Antragstellers zu seinen Fluchtgründen als den Tatsachen entsprechend ist auszuführen, dass dem Antragsteller tatsächlich bei Rückkehr in seinen Heimatstaat keine massive Verfolgung seiner Person im Zusammenhang der politischen Aktivitäten seines Vaters droht. Der Antragsteller konnte auch nicht in anderer Weise nachvollziehbar dartun, dass er in irgendeiner Weise als besonders exponiert zu betrachten sei - dies vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung in Guinea -, bzw. war auch für die Berufungsbehörde nicht erkennbar, dass der Antragsteller bei Rückkehr mit massiver, sich gegen seine Person richtender Verfolgung aus einem der vom Schutzzweck der Genfer Flüchtlingskonvention umfassten Gründe mit massgeblicher Wahrscheinlichkeit zu rechnen hätte, weshalb auch diesfalls spruchgemäß zu entscheiden wäre.

Hervorgehoben sei weiters, dass der Antragsteller trotz neunjähriger Dauer seines Asylverfahrens in keinster Weise auch nur einen Beitrag hiezu leistete, der Behörde allenfalls zweckdienliches Hintergrundmaterial an die Hand zu liefern bzw. eine tatsächlich weiterbestehende Exponiertheit zu untermauern. Die vom Antragsteller in der Berufungsverhandlung vorgelegten Länderdokumentationsunterlagen (The State Department Bericht 1999, Bericht des Institutes für Afrikakunde vom 1.12.1997 sowie Länderbericht Guinea-Africa South of the Sahara 2000) enthalten keine konkreten Anknüpfungspunkte für eine besondere Exponiertheit des Antragstellers auf Grund seiner familiären Bindung zu einem ehemaligen Mitglied der Putschisten."

Der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne des AsylG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, es sei aus dem Spruch nicht zu erkennen, über welche Berufung gegen welchen Bescheid entschieden worden sei. Die belangte Behörde habe ohne zu Grunde liegenden Parteienantrag einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt erlassen.

Wenngleich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit Datums- und Bescheidzahlenangaben sehr sorglos umgegangen ist (die im Spruch genannte Zahl des erstinstanzlichen Bescheids ist falsch, das in der Begründung zitierte Datum "11.11.1991", mit welchem die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich den Asylantrag abgewiesen habe, betrifft den niemals erlassenen ersten Entwurf der Sicherheitsdirektion Oberösterreich, es wird zweimal das Jahr 1985 mit 1995 verwechselt), so ist doch mit gerade noch hinreichender Sicherheit aus dem Gesamtbild des angefochtenen Bescheides klar, dass mit diesem Bescheid über die vom Beschwerdeführer mit 26. Mai 1992 datierte, am 27. Mai 1992 zur Post gebrachte Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. Mai 1992, Zl. FrA-12591/91, abgesprochen wurde. Die Rüge betreffend die datumsmäßige Bezeichnung der Berufung ist nur insofern berechtigt, als der 27. Mai 1992 nicht das Datum ist, mit welchem die Berufung bezeichnet wurde, sondern das - rechtlich wichtigere - Datum, zu welchem die Berufung zur Post gegeben wurde. Auch die im Zusammenhang damit stehende Rüge, im Verhandlungsprotokoll sei "Berufung eingebracht am 26. Mai 1992" vermerkt, stellt zwar eine weitere Ungenauigkeit dar, lässt aber nicht daran zweifeln, über welche Sache die Verhandlung durchgeführt wurde.

Die belangte Behörde hat in der Eventualbegründung die Angaben des Beschwerdeführers einer rechtlichen Beurteilung unterzogen. Der Beschwerdeführer zeigt in der Beschwerde unter Hinweis auf die in der Verhandlung vorgekommenen (teils von ihm selbst vorgelegten) Beweismittel zwar auf, dass die Menschenrechtssituation in Guinea insgesamt Schwächen aufweist, tritt jedoch jenen Beweisergebnissen, wonach er als unbeteiligter Familienangehöriger eines am Putschversuch des Jahres 1985 Beteiligten keiner Verfolgungsgefahr unterliege, nicht konkret entgegen. Denn in allen Unterlagen ist nur die Rede davon, dass "Beteiligte" am Putschversuch des Jahres 1985 verfolgt wurden. Demzufolge galt die Amnestie des Jahres 1990 und deren Umsetzung auch nur diesen Beteiligten. In keinem Beweismittel wird behauptet, dass am Putschversuch 1985 unbeteiligte Familienmitglieder verfolgt worden seien ("Sippenhaft"). Auch in der Beschwerde zeigt der Beschwerdeführer keine dem Gesagten entgegen stehenden Stellen der von ihm genannten Beweismittel auf. Denn die Ausführungen des Beschwerdeführers zum Schicksal der beim Putschversuch 1996 Beteiligten gehen mangels jeglichen Zusammenhanges des Beschwerdeführers mit diesem letztgenannten Putschversuch ins Leere.

Damit bleibt aber letztendlich jedenfalls jener Teil des angefochtenen Bescheides konkret unbekämpft, welcher zum - durch in der mündlichen Verhandlung vorgekommene, im angefochtenen Bescheid zitierte und teilweise wiedergegebene Beweismittel erhärteten - Ergebnis kommt, dass dem Beschwerdeführer als am Putschversuch 1996 unbeteiligtem 17-jährigen Sohn eines am Putschversuch 1985 beteiligten Hauptmannes der Armee Guineas keine Gefahr drohte und auch jetzt nicht droht, weil "Sippenhaft" nicht vorkam und auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vorkommt. Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren (und auch in der Beschwerde) nicht behauptet, dass sein Bruder aus Gründen der "Sippenhaft" hingerichtet worden sei.

Ist aber die Eventualbegründung unter Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Verfolgungssituation nicht rechtswidrig, so kann es dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde in der Hauptbegründung dem Beschwerdeführer zu Recht die persönliche Glaubwürdigkeit abgesprochen hat oder nicht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 Wien, am 21. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000010375.X00

Im RIS seit

28.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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