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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des am 16. Februar 1960 geborenen AM in N, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. März 2000, Zl. 201.777/2-VI/18/99, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Verwaltungsgerichtshof verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1998, Zlen. 97/01/0302, 0802. In diesem Erkenntnis wurden die Angaben des Beschwerdeführers, er sei Kosovo-Albaner und gehöre der moslemischen Minderheit in seinem Heimatland an, sowie die Befürchtung, er würde auf Grund seiner Abstammung als ethnischer Albaner durch die Nichtableistung des Wehrdienstes in asylrelevanter Weise verfolgt, wörtlich wiedergegeben. Der Verwaltungsgerichtshof hob auf Grund dieser Angaben des Beschwerdeführers, dass "vor allem ethnische Albaner aus näher ausgeführten ethnischen politischen Gründen zum Militär eingezogen und im Falle des 'Wehrdienstentzuges' strafrechtlich verfolgt würden", den in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Februar 1997 auf, weil der Bundesminister den Zusammenhang "gerade zwischen der Einberufung des Erstbeschwerdeführers zum Militärdienst und seiner Eigenschaft als Angehöriger der von den Serben unterdrückten albanischen Nationalität im Kosovo verkannte und deshalb in weiterer Folge verabsäumte, diesbezüglich nähere Ermittlungen" im Sinne des Erkenntnisses vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, anzustellen.
In dem nunmehr vor der belangten Behörde ergänzten Berufungsverfahren behauptete der Beschwerdeführer, er sei ein "muslimischer Slawe", der nicht albanisch, sondern serbokroatisch spreche und deshalb sowie wegen einer in Wien versuchten Anwerbung zur UCK, die er abgelehnt habe, und der Ablehnung von Spendenzahlungen im Kosovo verfolgt werde. Seine einzigen Verwandten würden in Montenegro leben. Diese nunmehrigen Behauptungen, welche der Beschwerdeführer durch Beweismittel erhärtete, wurden von der belangten Behörde als Sachverhalt im nunmehr angefochtenen Bescheid festgestellt.
Mit diesem Bescheid wies die belangte Behörde neuerlich die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 30. Juni 1992 unter Anwendung des § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 4/1999 - AsylG, ab. Es bestehe keine Bindung mehr an die im genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 1998 enthaltenen Entscheidungsgründe, weil diese auf vom Beschwerdeführer im damaligen Verfahren vorgebrachten unrichtigen Behauptungen beruhten (welche in der nunmehr durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung als "Unschärfen" dargestellt werden). Die belangte Behörde setzte fort:
"Der Berufungswerber ist Staatsangehöriger der BR Jugoslawien und gehört nicht, wie während des Verfahrens beim BMI und im Zusammenhang mit der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde ausgeführt, der albanischen Volksgruppe aus dem Kosovo an, sondern ist er Angehöriger der bosnisch-montenegrinisch-stämmigen Minderheit im Kosovo.
Der Berufungswerber hat seine Heimat im Mai 1992 wegen eines an ihn ergangenen Einberufungsbefehls zur jugoslawischen Volksarmee verlassen.
Am 17.01.1996 kündigte der oberste Verteidigungsrat Jugoslawiens eine Amnestie für Refraktäre und Deserteure an, welche am 18.06.1996 vom jugoslawischen Parlament verabschiedet wurde. Gemäß dem neuen Gesetzesentwurf wurden Refraktäre und Deserteure mit Ausnahme derjenigen amnestiert, die gegen das Völkerrecht und die Menschlichkeit verstoßen oder auf der Seite des Gegners gekämpft haben.
Amnestierte, welche das 35. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, werden den Militärdienst nachholen müssen. Die Zahl der Amnestierten soll höher sein als die ursprünglich vorgesehenen, nicht näher definierten 12.500 Personen (vgl. bereits Bundesamt für Flüchtlinge, Bern, 12.08.1996).
...
Nicht festgestellt werden kann zudem, dass im Falle der Rückkehr etwa nach Serbien oder Montenegro dem Berufungswerber eine behördliche Verfolgung drohen könnte. Diesbezüglich ist auszuführen, dass selbst in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vom 02.04.1997 die formelle Rechtslage betreffend das Amnestiegesetz nicht bestritten wurde, und einzig die nicht zutreffenden Ausführungen bezüglich der möglichen Probleme eines ethnischen Kosovo-Albaners ausgeführt wurden. Da diese Ausführungen jedoch nicht von Relevanz sein können, da der Asylwerber ja selbst, wie auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht erkannt wurde, gar kein ethnischer Albaner ist, vermag die Behörde nicht zu erkennen, dass aus einer möglichen Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls von vor über neun Jahren zum heutigen Zeitpunkt noch eine diesbezügliche Verfolgungssituation bestehen könnte.
Der Befürchtung des Berufungswerbers, dass man ihm etwa in Montenegro, wo auch Verwandte noch aufhältig sind und leben, vorwerfen würde, die letzten Jahre auf albanischer Seite gekämpft zu haben und man ihm wohl nicht glauben würde, als Flüchtling in Österreich gewesen zu sein, kann insofern nicht gefolgt werden, als es dem Berufungswerber doch wohl möglich wäre, seinen tatsächlichen Aufenthalt in Österreich darzulegen.
Der befürchtete Vorwurf, dass er möglicherweise albanische Separatisten ausgebildet hätte und von diesen nunmehr verstoßen sei und offenbar die Fronten wechseln wolle, kann somit nicht erkannt werden, zumal auch es auf Grund der Person des Berufungswerbers selbst, welcher nicht der Ethnie der Kosovo-Albaner angehört, nicht ersichtlich ist, dass gerade an ihm ein wie immer geartetes Interesse als Ausbildner seitens der UCK seinerzeit bestehen hätte können. Nicht unbeachtlich ist hiebei auch, dass die Tätigkeit des Berufungswerbers bei der Polizei im Kosovo bereits annähernd 16 Jahre zurück liegt, weshalb eine besondere 'Waffenkunde' oder gar ein besonderes militärisches Fachwissen eigentlich von einem mit Vernunft begabten Menschen nicht erwartet werden kann.
Wenn der Berufungswerber ausgeführt hat, er müsste in Restjugoslawien Strafverfahren befürchten, weil er sich bei der Einberufung geweigert habe, in den Krieg zu gehen, und weil man glauben würde, dass er für die Albaner gekämpft habe, ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.
Die Befürchtung des Berufungswerbers, dass man ihn in Restjugoslawien töten, foltern oder einsperren würde oder man ihn zwingen würde, in den Kosovo zurückzukehren, ist eine Befürchtung des Asylwerbers, welche allerdings mangels Konkretisierung nicht glaubhaft dargelegt werden konnte.
Gleiches gilt für die Furcht des Berufungswerbers, von Montenegro in den Kosovo 'abgeschoben' zu werden, zumal nicht dargelegt wurde und solches auch nicht erkennbar ist, dass eine 'Abschiebung' von Montenegro nach Kosovo überhaupt möglich wäre bzw. wie denn ein jugoslawischer Staatsangehöriger von den Behörden seines Heimatstaates in das von der internationalen Staatengemeinde kontrollierte Gebiet des Kosovo abgeschoben werden sollte."
Rechtlich gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, dem Beschwerdeführer drohe im Herkunftsstaat ("BR-Jugoslawien") keine asylrelevante Verfolgung und führte unter anderem die Teilgebiete Serbien und Montenegro betreffend Folgendes aus:
"Da zudem die vom Berufungswerber im Jahre 1997 inhaltlich nicht bestrittene formelle Gültigkeit der Amnestieregelung in Jugoslawien noch immer Gültigkeit hat und zudem die vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 18.01.1998 geäußerten Bedenken bezüglich seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kosovo-Albaner auf Grund der obigen Ausführungen auch nicht zutreffen können, kann eine zum jetzigen Zeitpunkt noch bestehende Verfolgungsintention durch Behörden oder Gerichte in Restjugoslawien gegenüber dem Berufungswerber, sollte er nach Serbien oder Montenegro zurückkehren wollen, ebenfalls nicht erkannt werden. Eine ethnisch motivierte Verfolgung, wie sie der Verwaltungsgerichtshof nicht ausgeschlossen hat, kann auf Grund der getätigten Ausführungen nicht erkannt werden."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf Grund des nunmehr festgestellten, vom Beschwerdeführer auch in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogenen Sachverhaltes hinsichtlich seiner wirklichen Abstammung und Volksgruppenzugehörigkeit verneinte die belangte Behörde zu Recht eine Bindungswirkung des hg. Erkenntnisses vom 28. Jänner 1998, Zlen. 97/01/0302, 0802.
Zurechnungssubjekt der Verfolgungsgefahr ist der Heimatstaat bzw. bei Staatenlosen der Staat des vorherigen gewöhnlichen Aufenthaltes. Daher muss die Verfolgungsgefahr (bzw. die wohlbegründete Furcht davor) im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Asylwerbers bestehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 94/20/0858).
Im gegenständlichen Fall wurde das am 1. Jänner 1998 bei den Asylbehörden anhängige Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende geführt. Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung über den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG, auf Grund des § 44 Abs. 1 AsylG jedoch keine non refoulement-Prüfung im Sinne des § 8 AsylG.
Der Beschwerdeführer stellt dem Ergebnis des angefochtenen Bescheides, es drohe ihm in den Teilgebieten seines Heimatstaates Serbien und Montenegro keine asylrelevante Verfolgung, nur vage Befürchtungen entgegen. Wenn er auf die "rund 2000 bis 5000 nichtserbischen Kosovaren" verweist, die seit Beginn des Kosovo-Krieges in serbischer Haft sein sollen, so kann dies schon deshalb nicht überzeugen, weil nicht dargetan wird, dass es sich hiebei um Personen handelt, die der nunmehr behaupteten Ethnie des Beschwerdeführers angehören.
Zudem hat der Beschwerdeführer in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2000 ausdrücklich angegeben, betreffend Montenegro nur zu befürchten, von dort in den Kosovo abgeschoben zu werden. Diesen "Rückkehrdruck" nennt der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde, ohne jedoch konkret darzulegen, welche "Druckmaßnahmen" seitens der montenegrinischen Behörden ausgeübt würden.
Da es dem Beschwerdeführer nicht gelingt aufzuzeigen, dass ihm im Teilgebiet Montenegro seines Heimatstaates "BR-Jugoslawien", aus dem seine Familie stammt, asylrelevante Verfolgung drohe, erweist sich die Beschwerde schon aus diesem Grund als unberechtigt, weshalb es sich erübrigt, noch auf die weiteren Abweisungsgründe der belangten Behörde (betreffend die Situation im Kosovo selbst bzw. in Serbien) näher einzugehen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. Dezember 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000010132.X00Im RIS seit
08.03.2001