Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Mitterböck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen 14.018,90 EUR, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Februar 2009, GZ 4 R 210/08v-49, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landes- als Handelsgerichts Korneuburg vom 22. Juli 2008, GZ 4 Cg 135/07d-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 906,48 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 151,08 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin beauftragte die Beklagte am 25. Jänner 2007 mit dem Transport von drei Schaltschränken von Wien in die Schweiz. Der Klägerin war bekannt, dass es zu einem Umladen in einen Sammeltransport kommen wird. Die Schaltschränke hatten ein Ausmaß von 190 cm Höhe, 60 cm Breite und 50 cm Tiefe, waren an Bodenbrettern (Einwegpaletten) im Ausmaß von 70 cm x 60 cm angeschraubt und wegen ihrer Höhe extrem kippgefährdet. An den Türen der Schaltschränke waren Gehäuse mit einer Computertastatur montiert, die 20 cm über die Einwegpalette hinausragten. Die Schaltschränke wurden mit Luftpolsterfolie umwickelt, deren Kanten durch Kantenschutzelemente aus Karton gesichert; die Tastaturen waren in Karton eingeschlagen.
Für einen Sammeltransport waren die gewählten Einwegpaletten nicht ausreichend; die Verwendung von größeren Normpaletten (80 cm x 120 cm) hätte die Schaltschränke vor Beschädigung und Kippen gesichert. Die weiteren Verpackungsmaßnahmen reichen für übliche Direkttransporte und verhindern Verschmutzung sowie Kratz- und Schrammschäden; eine zusätzliche Verpackung mit Karton wäre ratsam gewesen, hätte aber die eingetretene Beschädigung der Schaltschränke nicht verhindert. Die vorstehende Tastatur erschwerte die Manipulation sowie das Stauen und Sichern der Schaltschränke in Fahrzeugen. Bei Sammeltransporten ist es nicht üblich, einzelnes Transportgut aufwendig zu verzurren und einzeln zu sichern. Die unterbliebene Verwendung einer Normpalette war ebenso offensichtlich wie das daraus resultierende Fehlen eines seitlichen Schlusses auf der Ladefläche und die damit verbundene Möglichkeit des Verrutschens sowie die hohe Kippgefahr. Dennoch machte die Beklagte die Klägerin nicht darauf aufmerksam.
Am 29. Jänner 2007 wurden die Schaltschränke von einem LKW der Beklagten vom Firmengelände der Klägerin abgeholt. Sie wurden auf dem LKW ordnungsgemäß verzurrt, sodass sie nicht umkippen konnten. Sodann wurden sie zum Terminal der Beklagten in Wien gebracht, auf eine Wechselbrücke (das ist eine LKW- oder Anhänger-Ladefläche mit Aufbau [de la MotteTemme in Thume, CMR-Kommentar², Art 1 Rz 33]) verladen, im Linienverkehr in die Schweiz transportiert, dort im Zwischenlager der Beklagten auf einen anderen LKW umgeladen und zum Empfänger geführt. Beim Umladen auf diesen LKW bemerkte dessen Lenkerin bei einem der Schaltschränke, dass die Tastaturabstand und die Verpackung beschädigt war. Bei der Ablieferung der Schränke beim Empfänger hing bei einem der Schränke die Tastatur nur noch am rechten Flansch, das Anschlusskabel war abgeschert, die Folientastatur war an drei Stellen beschädigt. Ein weiterer Schrank wies an einer oberen Ecke eine Delle auf und war ca 15 mm nach rechts verzogen, sodass die Tür schlecht schloss. Der dritte Schrank war unbeschädigt. Zur Beschädigung kam es während des Sammeltransports (vom Terminal in Wien in das Zwischenlager in der Schweiz), bei dem eine Sicherung der Schaltschränke durch die Beklagte unterblieb. Ein Verzurren der Schaltschränke hätte deren schadenverursachendes Kippen verhindert.
Ein etwa zwei Wochen davor von der Beklagten auftrags der Klägerin durchgeführter Transport von drei baugleichen und ebenso verpackten Schaltschränken verlief schadenfrei.
Die Klägerin begehrt - gestützt auf die Bestimmungen der CMR - von der Beklagten Schadenersatz in Höhe der Reparaturkosten von 14.018,90 EUR. Das Transportgut sei ausreichend verpackt und ursprünglich bei der Abholung auch im Inneren des LKW verzurrt gewesen; es sei jedoch nach der Umladung durch die Beklagte in deren Obhutszeitraum während des Weitertransports weder festgebunden noch gesichert gewesen, wodurch die Schaltschränke nicht einmal ansatzweise gegen die typischen Transportgefahren geschützt worden seien; infolge dieses grob fahrlässigen Verhaltens sei es zur Beschädigung gekommen. Die Beklagte habe die Klägerin nie auf eine mangelhafte Verpackung hingewiesen, obwohl der Frachtführer zur Überprüfung der vom Absender vorgenommenen Verpackung verpflichtet sei.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Sie stellte zwar letztendlich das Entstehen des Schadens in ihrem Verantwortungsbereich außer Streit, berief sich jedoch auf Art 17 Abs 4 lit b und c CMR, da die von der Klägerin gewählte Verpackung vor allem wegen der (aus der Höhe der Schaltschränke und der Verwendung einer zu gering dimensionierten Einwegpalette resultierenden) hohen Kippgefahr und einer die Palette überragenden Tastatur zur Verhinderung von zu erwartenden Schäden ungeeignet gewesen sei. Der Schaden wäre bei Verwendung von Normpaletten nicht eingetreten. Die Be- und Entladung sei ausschließlich im Verantwortungsbereich der Klägerin gelegen; auch die (nicht näher dargestellte) fehlerhafte Verladung sei schadenskausal gewesen. Die Schaltschränke seien während des gesamten, ohne außergewöhnliche Umstände durchgeführten, Transports verkehrsüblich und transportsicher verzurrt gewesen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es sei zwar ein offensichtlicher Verpackungsmangel wegen Verwendung einer zu kleinen Palette vorgelegen, den sich aber der Frachtführer zurechnen lassen müsse, weil er den Absender nicht davon informiert habe. Wegen der offensichtlichen Untauglichkeit der nicht der Normpalette entsprechenden und daher evident unzureichenden Palette sei grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Daher könne sich die Beklagte nach Art 29 CMR weder auf einen Haftungsausschluss noch auf eine Haftungsbegrenzung berufen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Aus Art 10 CMR, der die Haftung des Absenders gegenüber dem Frachtführer normiere, gehe hervor, dass grundsätzlich der Absender für die Verpackung (zu der auch die Verschraubung auf einer Palette gehöre) verantwortlich sei, soweit der Verpackungsmangel für den Frachtführer nicht offensichtlich oder ihm bekannt gewesen sei und er trotzdem keinen entsprechenden Vorbehalt gemacht habe. Sichtbare Verpackungmängel müsse sich der Frachtführer deshalb vorwerfen lassen, weil er bereits aus Art 17 Abs 2 CMR gehalten sei, mit äußerster Sorgfalt für die Schadensfreiheit des Gutes während seiner Obhutszeit zu sorgen, womit hierdurch bereits die Kontrolle der Verpackung auf ihre Transporttauglichkeit impliziert sei. Dem Frachtführer als fachkundigen Verpackungslaien seien aber nur solche Verpackungsmängel vorwerfbar, die ihm bekannt oder offensichtlich seien. Den Frachtführer treffe im Rahmen des Art 17 Abs 5 CMR ein Mitverschulden, soweit er den Absender hierüber nicht informiert und keine Weisungen eingeholt habe. Nach Art 29 CMR könne sich der Frachtführer aber nicht auf die Haftungsausschlüsse und -begrenzungen und die Beweislastumkehrung des IV. Kapitels der CMR berufen, wenn er oder seine Hilfspersonen den Schaden mit Vorsatz oder einem nach dem Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichstehenden (qualifizierten) Verschulden verursacht haben. In diesem Fall könne es auch nicht zu einer Schadensteilung kommen (5 Ob 521/77). Unter einem „dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden" werde grobe Fahrlässigkeit verstanden. Der Transport einer sichtbar unzureichend verpackten und falsch verladenen kopflastigen Maschine sei grob fahrlässig.
Die Beklagte habe zwar einen schadenskausalen Verpackungsmangel zu vertreten; dieser sei jedoch für die Beklagte offensichtlich gewesen, sodass das Unterlassen jeder Maßnahme zur Abwehr des drohenden Schadens grob fahrlässig sei. Die Beklagte könne sich daher auch nicht auf die Haftungsteilung des Art 17 Abs 5 CMR berufen und hafte ohne jede Beschränkung.
Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob im Verhältnis des Art 29 CMR zu Art 17 Abs 5 CMR in bestimmten Fällen eine Haftungsteilung vorzunehmen sei.
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Klagsabweisung, hilfsweise Aufhebung des Berufungs- oder Ersturteils und Zurückverweisung. Als erhebliche Rechtsfragen macht sie geltend, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Fragen, ob im Anwendungsbereich des Art 29 CMR eine Haftungsteilung nach Art 17 Abs 5 CMR in Frage komme und ob bei Vorliegen eines Haftungsausschlusses nach Art 17 Abs 4 lit b CMR eine Schadensteilung nach Art 17 Abs 5 CMR möglich sei, wenn kein weiteres schädigendes Verhalten hinzutrete. In der Ausführung der Revision tritt die Beklagte dem Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens entgegen und reklamiert überdies eine Berücksichtigung des zumindest gleich schwer wiegenden Verschuldens der Klägerin durch Haftungsteilung nach Art 17 Abs 5 CMR. Wegen des feststehenden Verpackungsmangels sei die Beklagte nach Art 17 Abs 4 lit b CMR von einer allfälligen Haftung befreit, zumal der Klägerin bekannt gewesen sei, dass es zu Umladungen kommen werde. Daher bleibe auch für die Anwendung des Art 29 CMR kein Raum. Sie bestreitet weiters eine Verpflichtung des Frachtführers, die vom Absender vorgenommene Verpackung und Verladung auf Beförderungssicherheit zu überprüfen; ein Unterbleiben eines Hinweises auf die allein schadenskausale mangelhafte Verpackung entspringe demselben schädigenden Ereignis und rechtfertige daher die Anwendung des Art 17 Abs 5 CMR nicht.
Die Klägerin vertritt in ihrer Revisionsbeantwortung die Ansicht, das Rechtsmittel der Beklagten sei weder zulässig noch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage betreffend die Umladung des Transportguts und der Obhutspflichten des Frachtführers bei offenkundigen Schadensquellen zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
1. Zunächst ist Folgendes klarzustellen:
1.1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe jede Maßnahme zur Abwehr des drohenden Schadens unterlassen, ließ die Beklagte unbeanstandet. Es ist deshalb im Revisionsverfahren davon auszugehen, dass (nicht nur ein Hinweis der Beklagten auf eine nicht beförderungssichere Verpackung, sondern auch) eine Sicherung der Schaltschränke durch die Beklagte im Zug der Umladung für den Sammeltransport unterblieb.
Wenn sich dies auch nicht ausdrücklich als Feststellung in den Entscheidungen der Vorinstanzen wieder findet, ist dennoch unzweifelhaft erkennbar, dass sie von einer Beschädigung der Schaltschränke durch Kippen ausgehen. Gegenteiliges trägt die Beklagte auch nicht in der Revision vor.
Es ist angesichts der Gestalt der Schaltschränke (mit großer Höhe bei geringer Aufstandsfläche), die auf ihre Grundfläche kaum überragenden Einwegpaletten montiert waren, als allgemein bekannte Erfahrungstatsache jedermann offenkundig, dass bei stehendem Transport hohe Kippgefahr besteht. Das gilt auch für den ebenso offenkundigen Umstand, dass ein ordnungsgemäßes Verzurren der Schaltschränke deren Kippen verhindert hätte (so auch der Sachverständige ON 37 S 3).
Zur besseren Übersichtlichkeit wurden die genannten Umstände bei der einleitenden Wiedergabe des relevanten Sachverhalts bereits berücksichtigt.
1.2. Die Beklagte kommt in ihrer Revision auf die ursprünglich auch angezogene Haftungsbefreiung nach Art 17 Abs 4 lit c CMR (Verladefehler) nicht mehr zurück, sodass darauf nicht einzugehen ist.
2. Im österreichischen Recht der Straßengüterbeförderung gilt das „Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr" (CMR; BGBl 1961/138 idF BGBl 1981/192) sowohl für grenzüberschreitende als auch gemäß § 439a UGB für rein innerstaatliche Transporte. Soweit die CMR keine leges speciales enthält, kommen die §§ 425 bis 453 UGB zur Anwendung.
Gemäß Art 17 Abs 1 CMR haftet der Frachtführer unter anderem für eine Beschädigung des Gutes, sofern diese zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Bei der Haftung nach Art 17 CMR handelt es sich um ein vermutetes Verschulden mit verschärftem Sorgfaltsmaßstab für die Zeit zwischen der Übernahme des Gutes zur Erfüllung der frachtrechtlichen Verpflichtungen und seiner Ablieferung (RIS-Justiz RS0073792). Der Absender muss darlegen und beweisen, dass der Frachtführer das Gut unbeschädigt übernommen hat, dass es einen Schaden erlitten hat und dieser Schaden vor der Ablieferung eingetreten ist (3 Ob 132/06t mwN), was hier ohnehin ebenso unstrittig ist wie die Höhe des Klagebegehrens.
Der Frachtführer hat die Möglichkeit, die ihn belastende Verschuldensvermutung durch den Nachweis zu entkräften, dass die Voraussetzungen eines Haftungsausschlussgrundes gegeben sind. So ist der Frachtführer vorbehaltlich des Artikels 18 Abs 2 bis 5 CMR von seiner Haftung befreit, wenn der Verlust oder die Beschädigung aus dem Fehlen oder aus Mängeln der Verpackung, wenn die Güter ihrer Natur nach bei fehlender oder mangelhafter Verpackung Verlusten oder Beschädigungen ausgesetzt sind, entstanden ist (Art 17 Abs 4 lit b CMR).
Entsprechend Art 29 Abs 1 CMR kann sich „der Frachtführer auf die Bestimmungen dieses Kapitels, die seine Haftung ausschließen oder begrenzen oder die Beweislast umkehren, nicht berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht hat, das nach dem Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichsteht". Das gilt nach Abs 2 leg cit auch, wenn nicht dem Frachtführer selbst, sondern seinen Bediensteten oder sonstigen Beförderungsgehilfen ein solch grobes Verschulden zur Last fällt. Dem Vorsatz gleichstehende Fahrlässigkeit bedeutet in Österreich grobe Fahrlässigkeit; die Beweislast für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Frachtführers trifft den Geschädigten (RIS-Justiz RS0073961; RS0062591). Wenn die Voraussetzungen des Art 29 CMR vorliegen, entfällt nach einhelliger Meinung jedenfalls das Recht des Frachtführers auf Haftungsbegrenzung nach Art 17 Abs 2 und 4 CMR, nach Art 18 CMR, aber auch nach Art 23 und 25 CMR (Harms in Thume, CMR-Kommentar², Art 29 Rz 71 mwN; Koch/Schariatmadari in Ennsthaler, Gemeinschaftskommentar zum Handelsgesetzbuch mit UN-Kaufrecht7, Anh V nach § 450, Art 29 CMR Rz 37; Koller, Transportrecht6, Art 29 CMR Rz 8).
Will also der Anspruchsteller den Frachtführer für den eingetretenen Schaden ohne jede Beschränkung haftbar machen, so hat er ihm gemäß Art 29 CMR qualifiziertes Verschulden nachzuweisen. Den Anspruchsteller trifft in diesem Fall die volle Beweislast hinsichtlich der Umstände, aus denen sich die qualifiziert schuldhafte Schadensverursachung durch den Frachtführer ergibt. Dafür wird es als ausreichend angesehen, wenn der Anspruchsteller das konkrete Verhalten des Schädigers und alle objektiven Tatsachen des Geschehens beweist. Aus diesen objektiven Tatsachen könne regelmäßig auf die innere Einstellung des Täters geschlossen werden (6 Ob 257/07y mwN = wbl 2008, 290/134 = ecolex 2008/231 S 632 = RdW 2008/478 S 518 = RZ 2008, 279 EÜ 378).
3. Diesen Beweis ist die Klägerin angetreten und er ist ihr aus folgenden Überlegungen auch gelungen:
3.1. An wesentlichen Umständen steht fest, dass beim Verladen die unterbliebene Verwendung einer Normpalette ebenso offensichtlich war wie das daraus resultierende Fehlen eines seitlichen Schlusses auf der Ladefläche, die damit verbundene Möglichkeit des Verrutschens und die hohe Kippgefahr. Das trifft naturgemäß nicht nur auf die erste Verladung bei der Klägerin, sondern auch auf die im Obhutszeitraum der Beklagten erfolgte Umladung in ihrem Terminal in Wien zu. Dennoch machte die Beklagte weder die Klägerin darauf aufmerksam oder holte eine Weisung von ihr ein noch unternahm sie etwas gegen die Gefahr des Kippens der Schaltschränke während des dennoch ausgeführten Sammeltransports, während dessen es durch Kippen zur Beschädigung der Schaltschränke kann.
3.2. Die Hauptleistungspflicht des Frachtführers besteht in der Beförderung von Gütern gegen ein bestimmtes Entgelt. Ebenfalls zur Hauptleistungspflicht gehört die Obhutspflicht, nach der der Frachtführer alle handelsüblichen und nach den Umständen des Falls zumutbaren Maßnahmen zum Schutz des Gutes zu treffen hat. Die Anforderungen, die an die Organisation des Transports von Gütern gestellt werden, sind dabei naturgemäß stark auf den Einzelfall bezogen zu beurteilen. Maßgeblich für die Bestimmung der Sorgfaltspflichten ist jedenfalls die Schadensgeneigtheit des Transportgutes (RIS-Justiz RS0062452 [T2 und T3]). Jeder Frachtführer hat daher unter dem Gesichtspunkt der Obhutspflicht, die ihm gebietet, die ordnungsgemäße und technisch einwandfreie Durchführung des Transports zu gewährleisten, die Verpflichtung zum Schutz des fremden Eigentums vor jeder Beschädigung während der Beförderung. Daraus ergibt sich, dass er jedenfalls immer dann, wenn er (oder seine Beförderungsgehilfen) vor Beginn oder während der Beförderung Schadensquellen (sei es Lade- aber auch Verpackungsfehler des Absenders) feststellt, für deren Beseitigung Sorge tragen oder weitere Weisungen einholen muss (Thume in Thume, CMR-Kommentar², Art 17 Rz 142 und 169; Koch/Schariatmadari in Ennsthaler, Gemeinschaftskommentar zum Handelsgesetzbuch mit UN-Kaufrecht7, Anh V nach § 450, Art 17 CMR Rz 96); Gleiches gilt für offensichtliche Verpackungsmängel (Koller, Transportrecht6 Art 17 CMR Rz 38).
Entgegen ihrer demnach gegebenen Verpflichtung, die aus der offenkundigen Kippgefahr der Schaltschränke folgende Gefahr deren Beschädigung zum Anlass zur Kontaktaufnahme mit der Klägerin zu nehmen, unterließ dies die Beklagte und führte eine Umladung für den weiteren Sammeltransport durch.
3.3. Erfolgt während des Transports durch den Frachtführer oder seine Gehilfen eine Umladung des Gutes, so geschieht diese Behandlung während des Obhutszeitraums und unterliegt daher im vollen Umfang der strengen Haftung nach Art 17 Abs 1 CMR; Umladefehler gehen daher zu Lasten des Frachtführers und er kann sich auf den Haftungsausschluss des Art 17 Abs 4 lit c CMR nicht berufen (Thume in Thume, CMR-Kommentar², Art 17 Rz 166 und 160; Koch/Schariatmadari in Ennsthaler, Gemeinschaftskommentar zum Handelsgesetzbuch mit UN-Kaufrecht7, Anh V nach § 450, Art 17 CMR Rz 92 und 95; Herber/Piper, Internationales Straßentransportrecht, Art 17 CMR Rz 125).
Sachgemäß vorgenommen ist die Verladung dann, wenn sie transportsicher erfolgt, das heißt, dass das Gut gegen die normalen, also bei einem ordnungsgemäßen Transport üblicherweise zu erwartenden äußeren Einwirkungen geschützt ist. Hiezu gehören nicht nur plötzliche Bremsstöße, Auswirkungen der Fliehkraft beim Durchfahren von Kurven oder bei plötzlichen Ausweichmanövern, sondern auch Senkrechtschwingungen als Auswirkungen schlechter Straßenverhältnisse, Schütteln, Stoßen, Scheuern, Reiben und Drücken des Gutes (RIS-Justiz RS0073881). Demnach besteht kein Zweifel, dass eine sachgemäße Verladung, zu der auch die Sicherung der Ladung zählt (RIS-Justiz RS0103800), schon angesichts der offenkundigen Kippgefahr der Schaltschränke ein Verzurren auf der Ladefläche erfordert hätte, was die Beklagte allerdings unterlassen hat. Der feststehende Umstand, dass es bei Sammeltransporten nicht üblich ist, einzelnes Transportgut aufwendig zu verzurren und einzeln zu sichern, vermag die Beklagte nicht zu entlasten; ihr wäre ja die Möglichkeit offen gestanden, auf die hohe Kippgefahr hinzuweisen und allenfalls den Transport zu verweigern (vgl Thume in Thume, CMR-Kommentar², Art 17 Rz 142). Wenn sich der Frachtführer jedoch zur Ausführung des Transports trotz der offenkundigen Schadensquelle entschließt, hat er entsprechend seiner Obhutspflicht für eine Beseitigung der Gefahr - hier durch entsprechende Ladungssicherung - zu sorgen. Unterbleibt eine solche und ist dies kausal für den Schaden, trifft den Frachtführer die Haftung dafür. Der Umladefehler - die Ladung war ursprünglich beim Transport vom Absender zum Terminal der Beklagten in Wien ordnungsgemäß gegen Kippen gesichert - geht daher zu Lasten der Beklagten.
3.4. Hält man sich das festgestellte Verhalten der Beklagten vor Augen, die (wie das Berufungsgericht zutreffend zusammenfasste) jede Maßnahme zur Abwehr des drohenden Schadens unterließ, so ist die Wertung der Vorinstanzen, dass der Beklagten insgesamt grobe Fahrlässigkeit - nämlich eine ungewöhnliche, auffallende Vernachlässigung von Sorgfalt, wodurch vorhersehbarer Schaden entsteht (RIS-Justiz RS0085373; RS0030644) - zur Last fällt, nicht zu beanstanden. Ein gewissenhafter Frachtführer, an dessen Sorgfalt ein strenger Maßstab anzulegen und von dem die äußerste zumutbare Sorgfalt zu verlangen ist (RIS-Justiz RS0073798), hätte die für jedermann offenkundige Kippgefahr der Schaltschränke nicht einfach negiert, sondern entsprechend seiner Obhutspflicht schadensvermeidend reagiert. Die Vorgangsweise der Beklagten stellt daher eine krasse Sorgfaltswidrigkeit dar, die ihr auch subjektiv vorwerfbar ist, weil kein Grund und keine Rechtfertigung für ihr Verhalten ersichtlich sind. Es ist auch weder erkennbar noch wurde behauptet, dass es der Beklagten aus welchen Gründen immer nicht zumutbar gewesen sei, eine Weisung von der Klägerin einzuholen oder die Ladung selbständig ordnungsgemäß zu sichern. Daher ist davon auszugehen, dass der Schaden leicht zu verhindern gewesen wäre. Wegen der hohen Kippgefahr bei ungesichertem Transport ohne Veränderung der Verpackung war der Eintritt des vorliegenden Schadens angesichts der bei einem ordnungsgemäßen Transport üblicherweise zu erwartenden äußeren Einwirkungen (insbesonders durch die Fliehkraft) auch nicht nur für möglich zu halten, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Daran vermag auch der schadensfrei verlaufene Vortransport nichts zu Gunsten der Beklagten zu ändern, weil unbekannt und unbehauptet blieb, ob dabei eine entsprechende Sicherung des Ladegutes vorgenommen wurde.
4. Da der Klägerin der Nachweis qualifizierten Verschuldens der Beklagten im Sinn des Art 29 CMR gelungen ist, bleibt der Beklagten eine Berufung auf die Haftungsbefreiung nach Art 17 Abs 4 lit b CMR verwehrt. Ihre in der Revision vertretene Meinung, bei Bejahung dieser Haftungsbefreiung verbleibe für eine Anwendung des Art 29 CMR kein Raum, widerspricht der gegenteiligen Rechtslage. Ihre Ansicht, dass ihre Verletzung der Obhutspflicht kein selbständiges, schadenskausales Sachverhaltselement bilde, sondern dem schädigenden, von der Klägerin zu vertretenen Verpackungsmangel entspringe, ist allein damit zu widerlegen, dass die Einhaltung ihrer Obhutspflicht den Eintritt des Schadens auch bei unveränderter Verpackung auf der Einwegpalette verhindert hätte: Sowohl bei Ablehnung des Transports als auch bei Vornahme der Sicherung durch die Beklagte wäre der Schaden nämlich nicht eingetreten. Im Übrigen hätte die Klägerin bei Einholung einer Weisung die Möglichkeit erhalten, eine Normpalette zu verwenden, was ebenfalls zur Vermeidung des Schadens geführt hätte. Die Verletzung der Obhutspflicht stellt daher ein selbständiges haftungsbegründendes Fehlverhalten dar, das im vorliegenden Fall als grob fahrlässig zu qualifizieren ist und deshalb der beklagten Frachtführerin die Möglichkeit nimmt, sich von der Haftung wegen eines (allenfalls gegebenen) Verpackungsmangels nach Art 17 Abs 4 lit b CMR zu befreien.
5.1. Nach der Rechtsprechung ist eine Schadensteilung nach Art 17 Abs 5 CMR bei einem durch ein Zusammenwirken von haftungsbegründendem Frachtführerverschulden und haftungsbefreienden Transportgefahren entstandenen Schaden bei Vorsatz (5 Ob 521/77 = SZ 50/43 = RIS-Justiz RS0073893; 2 Ob 88/05p) oder einer diesem gleichstehenden (also grober) Fahrlässigkeit (6 Ob 664/81 = SZ 55/20 = RIS-Justiz RS0054050) des Frachtführers ausgeschlossen. Diese Ansicht blieb auch von der österreichischen Lehre unbeanstandet (vgl Jesser-Huß in Thume, CMR-Kommentar², Länderbericht Österreich, 1017) und entspricht dem Wortlaut des Art 29 CMR.
5.2. Eine Auseinandersetzung mit der von der Beklagten unter Hinweis auf deutsche Judikatur aufgeworfenen Frage, ob wegen des Gebots von Treu und Glauben vom Anspruchsteller zu vertretende, grob verschuldete, schwerwiegende Schadensursachen im Ausnahmefall dennoch zu berücksichtigen seien und zu einer Schadensteilung führten, erübrigt sich. Es kann nämlich im vorliegenden Fall keine Rede davon sein, dass der Klägerin eine ebenso grob verschuldete Schadensursache zur Last fällt.
Unterstellt man wie die Vorinstanzen - ungeachtet des Umstands, dass die aus der Verpackung resultierende Kippgefahr durch die bei der Klägerin vorgenommene Verladung samt Sicherung (vorerst) neutralisiert wurde - einen von der Klägerin zu vertretenden, schadenskausalen Verpackungsmangel, kommt ihr dennoch Folgendes zugute: Bei der auch hier im Zweifel eine Sache des Absenders darstellenden Verladung (RIS-Justiz RS0073756) der Schaltschränke wurden diese auch ordnungsgemäß verzurrt, sodass sie nicht umkippen konnten. Mangels jeden Vorbehalts bei der Übernahme des Ladegutes durch die Beklagte konnte die Klägerin daher davon ausgehen, dass diese Form der Verladung beibehalten wird, selbst wenn Derartiges bei Sammeltransporten nicht üblich ist. Der Klägerin ist aber ebenso das Vertrauen auf die Einhaltung der der Beklagten obliegenden Obhutspflicht zuzubilligen, deren Wahrung hier für den Fall einer Unterlassung einer Ladungssicherung die Einholung einer Weisung bei der Klägerin vorgesehen hätte. Ihre Vorgangsweise stellt daher weder eine ungewöhnliche noch eine auffallende Sorglosigkeit dar; sie ließ ebenso wenig den Eintritt des verwirklichten Transportschadens als wahrscheinlich erscheinen. Das allenfalls von der Klägerin zu vertretende Verschulden erreicht daher keineswegs jenes Ausmaß und Gewicht, das der Beklagten vorzuwerfen ist. Schon deshalb besteht für dessen ausnahmsweise Berücksichtigung nicht der geringste Anlass.
6. Da von der unbeschränkten und ungeteilten Haftung der Beklagten für den der Höhe nach unstrittigen Schaden der Klägerin auszugehen ist, fehlt es den weiters von der Beklagten aufgeworfenen Rechtsfragen an der Präjudizialität für die hier zu treffende Entscheidung; sie können daher unbeantwortet bleiben.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die unterlegene Beklagte hat der Klägerin die richtig verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Textnummer
E93096European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0070OB00126.09V.0127.000Im RIS seit
26.02.2010Zuletzt aktualisiert am
27.12.2011