Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. H***** R*****, vertreten durch Dr. Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Günther Viehböck, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der F*****, wegen Feststellung (Streitwert 41.142,89 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. März 2009, GZ 3 R 9/09d-22, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 30. November 2008, GZ 23 Cg 290/07s-18, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.972,98 EUR (darin 328,83 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Über das Vermögen der nunmehrigen Gemeinschuldnerin, einer Wohnungs- und SiedlungsgesmbH, wurde mit 18. 9. 2007 das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Der Kläger hat mit der Gemeinschuldnerin 2005 einen Mietvertrag über eine Mietwohnung samt zugehörigem PKW-Abstellplatz abgeschlossen. Pkt VI. dieses Mietvertrags lautet wie folgt:
„VI. Finanzierungsbeitrag
1. Der Mieter verpflichtet sich spätestens binnen 14 Tagen ab Rechtskraft der Baubewilligung dem Vermieter zur Leistung eines Finanzierungsbeitrages (Grund- und Baukostenbeitrag) im Betrag von EUR 41.175,50.
2. Im Falle der Auflösung dieses Mietvertrages erfolgt eine Rückzahlung nach Maßgabe und der Berechnungsmethodik analog des § 17 WGG, wonach der unter Z 1 genannte Betrag ab dem Erstbezug mit 2% jährlich abgewertet und (allenfalls) der abgewertete Betrag mit der dem Index der Verbraucherpreise aufgewertet wird. Bei Geltendmachung von in diesem Vertrag vereinbarten Eintritts- oder Weitergaberechten (Pkt XXIV./3.) findet eine Auszahlung nicht statt (Pkt XVI./2.).“
Der Kläger hat den Finanzierungsbeitrag in Höhe von 41.175,50 EUR am 26. 7. 2006 an die Gemeinschuldnerin geleistet. Das Mietverhältnis wurde bislang weder vom Kläger noch vom Beklagten aufgekündigt und ist weiterhin aufrecht.
Der Kläger hat im Konkursverfahren das Begehren auf Sicherstellung der Zahlung einer aufschiebend bedingten Forderung auf Rückzahlung des Finanzierungsbeitrags mit dem Betrag von 41.142,89 EUR für den Fall des Eintritts der auflösenden Bedingung, nämlich der Auflösung des Mietvertrags, erhoben. Diese Forderung wurde vom beklagten Masseverwalter bestritten. Eine Rücktritts- oder Auflösungserklärung betreffend den Mietvertrag ist bisher nicht erfolgt.
Der Kläger begehrt mit seiner Prüfungsklage die Feststellung, dass ihm im Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eine aufschiebend bedingte Konkursforderung im Betrag von 41.142,89 EUR zustehe, die mittels Gerichtserlags nach Maßgabe der Konkursquote sicherzustellen sei. Die Auflösung des Mietvertrags sei Bedingung für die Rückzahlung des Finanzierungsbetrags.
Der Beklagte bestritt und wendete zusammengefasst ein, dass eine allfällige Forderung auf Rückzahlung des Finanzierungsbeitrags von der Ausübung eines Gestaltungsrechts abhängig sei. Der Bedingungseintritt sei zumindest unwahrscheinlich. Es handle sich um eine zukünftige Forderung und nicht um eine bedingte Konkursforderung. Das Sicherstellungsbegehren des Klägers könne überhaupt nicht klagsweise durchgesetzt werden. Bei Bedingungseintritt nach Konkursbeendigung würde der Anspruch auf Rückzahlung des Finanzierungsbeitrags jedenfalls nur in der Höhe einer allfälligen Zwangsausgleichsquote bestehen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Der Finanzierungsbeitrag sei als Mietzinsvorauszahlung und demnach als Bestandteil des geschuldeten Mietzinses zu qualifizieren. Weil der Kläger den Finanzierungsbeitrag fristgerecht geleistet habe, sei ihm im Zeitpunkt der Konkurseröffnung ein durch die Auflösung des Bestandvertrags aufschiebend bedingter Anspruch auf aliquote Rückzahlung zugestanden. Auch das Begehren auf Sicherstellung der aufschiebend bedingten Konkursforderung sei daher zulässig und berechtigt.
Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung den Zuspruch des Sicherstellungsbegehrens als nichtig auf, weil diese Frage im Rahmen des Verteilungsverfahrens zu klären wäre. Dies ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Im Übrigen gab es der Berufung nicht Folge. Der Finanzierungsbeitrag stelle eine Mietzinsvorauszahlung dar. Der schuldrechtliche Anspruch des Bestandnehmers auf aliquote Rückzahlung des Finanzierungsbeitrags entstehe gemäß § 17 WGG zwar erst im Falle der Auflösung des Bestandvertrags. Der noch nicht abgeschriebene Teil des Finanzierungsbeitrags stelle aber eine anmeldungsbedürftige Konkursforderung iSd § 51 KO dar.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität zu lösen sei.
Rechtliche Beurteilung
I. Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision des beklagten Masseverwalters ist zulässig, aber nicht berechtigt. Der Frage der Behandlung der Finanzierungsbeiträge im Sinne des WGG im Konkursverfahren des Vermieters vor Auflösung des Mietvertrags kommt erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu, liegt doch eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu dieser häufig relevanten Frage noch nicht vor.
II.1. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der schuldrechtliche Anspruch des Bestandnehmers auf aliquote Rückzahlung des Finanzierungsbeitrags auch schon vor der Auflösung des Mietvertrags um eine bedingte, anmeldungsbedürftige Konkursforderung iSd §§ 16 und 51 KO darstellt, ist aber zutreffend.
II.2. Im § 14 Abs 1 Satz 3 WGG ist festgelegt, dass die vom Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten vor Abschluss des Vertrags oder zu diesem Anlass zusätzlich erbrachten Beiträge zur Finanzierung des Bauvorhabens bei der Berechnung des Entgeltsbetrags mindernd zu berücksichtigen sind, also insoweit eine Verringerung des zulässigen Mietzinses bewirken. Sie werden von der Rechtsprechung als „Mietzinsvorauszahlungen“ angesehen, die bei der Festsetzung des noch verbleibenden Mietzinses betragsmindernd zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0020422, RS0119018 jeweils mwN).
II.3. Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner Entscheidung vom 30. 8. 2007 zu 8 Ob 166/06d (= ZIK 2007/202) mit einem unmittelbar nach Konkurseröffnung aufgelösten Bestandvertrag zu befassen gehabt. Der Oberste Gerichtshof hat in dieser genannten Entscheidung unter Hinweis auf die einschlägige Lehre ausgeführt, dass die Rückforderungsansprüche aus dem aufgelösten Bestandvertrag nicht als Masse- sondern als Konkursforderungen anzusehen sind.
II.4. In der Besprechung dieser Entscheidung hat Engelhart (wobl 2008, 114) dargestellt, dass es sich bei dem Rückzahlungsanspruch nach § 17 WGG allgemein um eine aufschiebend bedingte Forderung im Sinne einer bedingten Konkursforderung nach den §§ 16, 51 KO handelt. Diesen Standpunkt vertreten auch B. Konecny (Der Finanzierungsbeitrag im Konkurs des Bestandgebers, ZIK 2007, 6) sowie Engelhart (in Konecny-Schubert, KO § 46 Rz 223, 229 f) und Roehlich (Sowohl Ansprüche auf Rückzahlung von Finanzierungsbeiträgen gem § 17 WGG als auch von Betriebskostenguthaben sind im nachfolgenden Bestandgeberkonkurs nur Konkursforderungen, ZIK 2007, 187).
II.5. Der Oberste Gerichtshof schließt sich dieser Rechtsansicht an. Der Anspruch auf Rückforderung ist bereits vor Konkurseröffnung begründet, auch wenn - anders als in der Vorentscheidung - der Bestandvertrag noch nicht aufgelöst wurde. Der Finanzierungsbeitrag ist der Konkursmasse bereits zugekommen und ist als „Mietzinsvorauszahlung“ im Falle jeder Auflösung nach den Regeln des § 17 WGG zurückzubezahlen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass dieser durch die Vertragsauflösung aufschiebende bedingte Anspruch im Zeitpunkt der Konkurseröffnung keinen Vermögenswert gehabt hätte (Apathy in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht I, § 16 Rz 7). Der Oberste Gerichtshof ist bereits davon ausgegangen, dass es sich um einen auch im Exekutionsverfahren verwertbaren Anspruch handelt (dazu ausführlich Kodek, Die Genossenschaftswohnung in Exekution und Konkurs, wobl 2005, 33).
II.6. Der im Rahmen des § 17 WGG rückforderbare Finanzierungsbeitrag stellt also schon vor Auflösung des Bestandvertrags eine bedingte Konkursforderung iSd §§ 16 und 51 KO dar.
II.7. Der Revision des beklagten Masseverwalters war dementsprechend nicht Folge zu geben.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.
Textnummer
E93434European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0080OB00074.09D.0128.000Im RIS seit
19.04.2010Zuletzt aktualisiert am
12.12.2012