TE OGH 2010/1/29 1Ob5/10g

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.01.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Birgitta Braunsberger-Lechner, Rechtsanwältin in Steyr, gegen die beklagte Partei Ingrid Ö*****, vertreten durch Dr. Werner Hetsch und Dr. Werner Paulinz, Rechtsanwälte in Tulln, wegen 15.469,05 EUR sA, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 24. September 2009, GZ 21 R 261/09d-13, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Tulln vom 17. August 2009, GZ 2 C 406/09a-9, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.790,82 EUR (darin enthalten 298,47 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

In einem 2008 eingeleiteten Verfahren begehrte die (schon damals anwaltlich vertretene) Klägerin von der Beklagten 15.469,05 EUR Bestandzins. In der Klage bot sie als Urkundenbeweis „Zession (Schreiben vom 29. 5. 2008)" an. Nach Bestreitung der Aktivlegitimation stützte sie ihre Eigenschaft als Bestandgeberin ganz allgemein auf eine Rechtsnachfolge. Dabei unterschied sie nicht zwischen rechtsgeschäftlicher Einzelrechtsnachfolge und gesellschaftsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge. Die Klage wurde wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen, weil das Firmenbuch die behauptete Rechtsnachfolge widerlege und Vorbringen sowie Beweise zu einer allfälligen Zession fehlen würden. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Im vorliegenden Verfahren machte die Klägerin gegenüber der Beklagten dieselbe Forderung neuerlich geltend. Die Bestandgeberin habe ihr die Forderungen abgetreten, wovon der Rechtsvertreter der Beklagten mit Schreiben vom 29. 5. 2008 verständigt worden sei.

Das Erstgericht erklärte das bisherige Verfahren für nichtig und wies die Klage wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurück. Das von der Klägerin angerufene Rekursgericht wies die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache zurück und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Das nunmehrige Vorbringen zur Einzelrechtsnachfolge durch Zession ersetze die ursprünglich ansprucherzeugende Tatsachenbehauptung, wonach der Klägerin aus eigenem Recht die Forderung zustehe, und stelle eine Klagsänderung dar.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt. Im konkreten Fall kann keine Rede davon sein, dass eine vollkommen neue Tatsachenbehauptung zur Einzelrechtsnachfolge aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Zession das Sachvorbringen im Vorprozess ersetzt habe. Bereits im rechtskräftig erledigten Verfahren wurden die Zession und die (auch jetzt herangezogene) Urkunde vom 29. 5. 2008 erwähnt. Der allgemeine Begriff „Rechtsnachfolge" erfasst beide Varianten: die rechtsgeschäftliche und die gesellschaftsrechtliche. Die unterbliebene Vorlage einer entsprechenden Zessionsurkunde nahm das Erstgericht im Vorprozess auch zum Anlass, eine Zession weder festzustellen, noch ihre Voraussetzungen rechtlich zu prüfen, was die Klägerin in ihrer Berufung letztlich erfolglos als Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht (kein Auftrag zur Vorlage der Zessionsurkunde) rügte. In einer solchen Konstellation schließt die Einmaligkeitswirkung der Rechtskraft nach der jüngeren höchstgerichtlichen Judikatur und der Lehre die Geltendmachung des gleichen Begehrens, gestützt auf Tatsachen, die bereits im Vorprozess - wenn auch einer Schlüssigkeitsprüfung nicht standhaltend - herangezogen wurden, aus (1 Ob 201/02v; 6 Ob 157/04p; 7 Ob 142/06t; 10 Ob 11/08b; Fasching/Klicka in Fasching/Konecny² III § 411 ZPO Rz 51). Bei der inhaltlichen Bindung an die Entscheidung des Vorprozesses ist deren Richtigkeit nicht relevant (2 Ob 71/07s). Entgegen der Auffassung, die das Rekursgericht in der Begründung seines Ausspruchs über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses vertreten hat, steht dieses Ergebnis nicht in zwingendem Widerspruch zu den in 2 Ob 71/07s (= RIS-Justiz RS0041582 [T8 und T9]) getroffenen Aussagen: Bei der Beurteilung der Einmaligkeitswirkung hat der Oberste Gerichtshof dort ebenfalls grundsätzlich auf das Vorbringen neuer Tatsachen abgestellt und das Prozesshindernis der entschiedenen Sache bejaht, weil der erfolglose Versuch einer Partei, ein (angeblich) neues Sachverhaltselement in den Folgeprozess einzubringen, keine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts bewirke. Da dieses Prozesshindernis auch hier gegeben ist, ist der Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die verzeichnete Pauschalgebühr ist nur für Rekurse nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zu entrichten (Anm 1 zu TP3 GGG).

Anmerkung

E931481Ob5.10g

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0010OB00005.10G.0129.000

Zuletzt aktualisiert am

26.03.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten