TE OGH 2010/1/29 1Ob190/09m

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Veröffentlicht am 29.01.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef-Dietrich L*****, vertreten durch Dr. Viktor Wolczik und Dr. Alexander Knotek, Rechtsanwälte in Baden, gegen die beklagte Partei P***** AG, *****, vertreten durch Mag. Werner Piplits, Rechtsanwalt in Wien, wegen 622.080,55 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Juli 2009, GZ 1 R 128/09i-74, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 3. April 2009, GZ 41 Cg 23/04x-70, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger wurde mit Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten vom 17. 6. 2002 für die Dauer von drei Jahren zu deren Vorstand bestellt. Am 31. 5. 2002 wurde ein Anstellungsvertrag abgeschlossen, der mit 1. 7. 2002 wirksam wurde. Der Kläger war für die Bereiche Verkauf/Inland, Marketing und Einkauf zuständig. Der Anstellungsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

„Ihre Rechte und Pflichten regeln sich nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, der Satzung unserer Gesellschaft, einer für den Vorstand unserer Gesellschaft zu erlassenden Geschäftsordnung, dem Dienstvertrag bzw dem AngG.

Ihr Dienstverhältnis endet ferner, wenn eine Abberufung durch den Aufsichtsrat gemäß den jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen erfolgt.

Soweit der gegenständliche Dienstvertrag keine für einen bestimmten Fall anzuwendende Bestimmung enthält, wird das AngG subsidiär angewendet."

§ 2 der Geschäftsordnung für den Vorstand der Beklagten lautet:

„(1) Die Mitglieder des Vorstands tragen gemeinsam die Verantwortung für die gesamte Geschäftsführung. Sie arbeiten kollegial zusammen und unterrichten einander gegenseitig laufend über wichtige Maßnahmen und Vorgänge in den jeweiligen Geschäftsbereichen. Jedes Mitglied ist verpflichtet, bei schwerwiegenden Bedenken bezüglich einer Angelegenheit eines anderen Geschäftsbereichs eine Beschlussfassung des Vorstands herbeizuführen, wenn die Bedenken nicht durch Absprache mit dem anderen Mitglied des Vorstands behoben werden können.

(4) Das einzelne Mitglied des Vorstands führt den ihm zugewiesenen Geschäftsbereich im Rahmen der Vorstandsbeschlüsse in eigener Verantwortung. Soweit Maßnahmen und Geschäfte eines Geschäftsbereichs zugleich einen oder mehrere Geschäftsbereiche betreffen, muss sich das Mitglied des Vorstands zuvor mit den anderen beteiligten Mitgliedern abstimmen. Wenn eine Einigung nicht zustande kommt, ist jedes beteiligte Mitglied des Vorstands verpflichtet, eine Beschlussfassung des Gesamtvorstands herbeizuführen."

Der Kläger hatte sich von Anfang an mit großem Engagement und starker persönlicher Präsenz für die Ziele der Beklagten eingesetzt und dabei eine sehr moderne, sachliche Arbeitsweise gepflogen.

Mit Schreiben vom 22. 4. 2003 wurde er von seiner Funktion als Mitglied des Vorstands der Beklagten suspendiert und vom Dienst freigestellt. Am 25. 4. 2003 berief der Vorsitzende den Aufsichtsrat zum Tagesordnungspunkt „Vorstandsangelegenheiten" ein. Sein Antrag, die Bestellung des Klägers wegen gesetzwidriger Verhaltensweisen aus wichtigem Grund zu widerrufen und den mit ihm bestehenden Dienstvertrag aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung aufzulösen, also die Entlassung auszusprechen, wurde mit vier Stimmen bei einer Stimmenthaltung angenommen; der Kläger wurde davon mit Schreiben vom 25. 4. 2003 verständigt. In der Aufsichtsratssitzung vom 28. 5. 2003 wurde dieser Antrag wiederholt und wiederum einstimmig bei einer Stimmenthaltung angenommen. Der Kläger wurde darüber mit Schreiben vom 17. 6. 2003 mit dem Hinweis informiert, dass die neuerliche Beschlussfassung - aus Gründen der Vorsicht - erfolgt sei, weil der Kläger das rechtmäßige Zustandekommen des Beschlusses vom 25. 4. 2003 bezweifelt habe. In der Hauptversammlung vom 18. 6. 2003 stellte der Aufsichtsratsvorsitzende zum Tagesordnungspunkt „Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 1. 2. 2002 bis 31. 1. 2003" den Antrag, dem Kläger „das Vertrauen zu entziehen und nicht die Entlastung zu erteilen". Diese Abstimmung ergab 879.909 Pro-Stimmen und keine Gegenstimme bei 116.591 Stimmenthaltungen. Dieses Ergebnis wurde dem Kläger mit Schreiben vom 28. 7. 2003 mitgeteilt. Darin wird weiters ausgeführt, der Aufsichtsrat habe auf der Grundlage dieses Misstrauensvotums nochmals beschlossen, die Bestellung zum Vorstandsmitglied auch aus diesem wichtigen Grund mit sofortiger Wirkung zu widerrufen und den Dienstvertrag mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund aufzulösen. Es werde zwar weiterhin die Rechtsansicht vertreten, dass die erstmalige Beschlussfassung vom 25. 4. 2003 rechtswirksam gewesen sei; die neuerliche Befassung des Aufsichtsrats sei (aber) erforderlich gewesen, weil in der Zwischenzeit weitere Abberufungs- und Entlassungsgründe hinzugekommen seien.

Dem Kläger wurde insgesamt vorgeworfen, entgegen interner Regelungen und ohne Information der Vorstandsmitglieder einem Unternehmen einen Beratungsauftrag erteilt, eine an die Beklagte gerichtete Honorarnote abgezeichnet, entgegen der Beschlussfassung im Vorstand mit einer „Prominenten" Verhandlungen über deren Tätigkeit als Testimonial geführt und einer Wirtschaftszeitung ein Interview mit ehrverletzenden und ruf- bzw kreditschädigenden Äußerungen gegeben zu haben.

Der Kläger begehrte zuletzt 622.080,55 EUR samt Zinsen an offenem Entgelt für den Zeitraum vom 26. 4. 2003 bis 30. 6. 2005. Er brachte dazu im Wesentlichen vor, er habe keinen Entlassungsgrund gesetzt. Der Aufsichtsratsbeschluss vom 25. 4. 2003 sei zudem nicht rechtswirksam zustande gekommen. Seiner Abberufung liege ein Machtkampf zwischen den Hauptaktionären zu Grunde, in dessen Zuge alle einem bestimmten Hauptaktionär nahestehenden Mitarbeiter entfernt worden seien. Dem Kläger sei ein mündliches Angebot zu einer einvernehmlichen Auflösung gelegt worden, das er abgelehnt hätte. Daraufhin habe der Aufsichtsrat nach Widerrufs- und Entlassungsgründen gesucht. Ein allfälliger Entlassungsgrund sei jedenfalls zudem verfristet. Auch der Hauptversammlungsbeschluss sei rechtswidrig zustande gekommen, da aus dem Tagesordnungspunkt „Entlastung eines Vorstandsmitglieds" nicht auch auf einen Beschluss über den Entzug des Vertrauens geschlossen werden könne; auch sei in der Hauptversammlung keine Diskussion über den Entzug des Vertrauens geführt worden. Gegen den auf den Vertrauensentzug gegründeten Aufsichtsratsbeschluss wurde Verfristung eingewendet.

Die Beklagte gestand die rechnerische Richtigkeit des Klagebegehrens zu, bestritt dieses jedoch dem Grunde nach. Der Kläger sei für die Dauer von drei Jahren zum Vorstand bestellt worden. Dem Vertrag liege eine Koppelungsklausel zu Grunde, was bedeute, dass seine Abberufung als Vorstandsmitglied auch die Beendigung des Anstellungsvertrags zur Folge habe. Der Kläger habe in mehreren Geschäftsfällen gegen Bestimmungen der Geschäftsordnung bzw einschlägige Vorstandsbeschlüsse verstoßen und die übrigen Vorstandsmitglieder nicht unverzüglich über wesentliche Vorgänge informiert. Er habe auch gegenüber einer Zeitung unternehmensschädigende Äußerungen in einer Situation getätigt, in der die Beklagte ohnehin ständig ungewollt medienpräsent gewesen sei. Daher sei der Kläger vorerst suspendiert und in der Folge durch den Aufsichtsrat entlassen und als Vorstandsmitglied abberufen worden. Auch die Hauptversammlung habe dem Kläger aufgrund der ihr mitgeteilten Informationen das Vertrauen entzogen.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger 622.880,55 EUR samt (monatlich gestaffelten) Zinsen von 4 % aus bestimmten Teilbeträgen zu zahlen und wies das Zinsenmehrbegehren (unbekämpft) ab. Es traf eingehende Feststellungen zu den von der Beklagten im Zusammenhang mit den genannten Geschäftsfällen und dem Zeitungsinterview erhobenen Vorwürfen, auf die zu verweisen ist. In rechtlicher Hinsicht beurteilte es den zwischen den Parteien abgeschlossenen Anstellungsvertrag als freien Dienstvertrag. Die Vereinbarung des AngG sei als zulässig anzusehen, weshalb die Regelungen des Kündigungsschutzes des AngG Anwendung fänden. Dem Kläger sei jedoch weder Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 AngG noch eine erhebliche Ehrverletzung nach § 27 Abs 6 AngG vorzuwerfen. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe er dem Beratungsunternehmen keinen Auftrag erteilt, sodass weder ein vorsätzlicher Pflichtverstoß, noch eine bewusste Täuschung vorläge. Auch der Auftrag an eine Mitarbeiterin, die von diesem Unternehmen gestellte Rechnung in die Buchhaltung zu bringen, bewirke keine Untreue oder Vertrauensunwürdigkeit. Es entspreche einer Usance im Geschäftsbetrieb der Beklagten, dass erst die Buchhaltung das zweite Vorstandsmitglied darüber informiert, dass eine Gegenzeichnung zu leisten sei. Der Kläger habe seine Vorgangsweise nicht bewusst gewählt, um eine Pflichtverletzung zu kaschieren, was aufgrund der Prüfungspflicht der Buchhaltung auch gar nicht möglich gewesen wäre. In den ihm vorgeworfenen Äußerungen in einem Zeitungsartikel könne weder eine Tatbestandsmäßigkeit in Richtung Ehrverletzung, noch Kredit- oder Rufschädigung erkannt werden. Auch inhaltlich habe die Aussage keine ausreichende Schwere, um tatbestandsmäßig zu sein. Die im Artikel wiedergegebene Aussage des Klägers, es störe ihn besonders, dass das von ihm ausgearbeitete Konzept zur Restrukturierung von den neuen Vorständen umgesetzt werde, sei auch einer Wertung durch den Journalisten unterlegen. Der Hinweis, das Konzept des Aufsichtsratsvorsitzenden sei „nicht nachvollziehbar und auch nicht realistisch", sei bezogen auf den Kontext als noch zulässige Kritik am Unternehmen bzw dessen neuem Aufsichtsratsvorsitzenden anzusehen. Diese Äußerung möge zwar tatbestandsmäßig sein, könne aber keine Entlassung rechtfertigen. Angesichts der Aufgebrachtheit des Klägers wegen seiner Behandlung durch die Beklagte wären weitere ähnliche Beleidigungen für die Zukunft nicht zu befürchten, weshalb es der Beklagten nicht unzumutbar gewesen wäre, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten. Die dritte inkriminierte Äußerung, bestimmte Aussagen des Aufsichtsratsvorsitzenden seien „unter der Gürtellinie gewesen", weshalb der Kläger ihm geraten habe, sich zu entschuldigen, sei angesichts der festgestellten Wortwahl als angemessener Rat anzusehen. Die Kritik, zu sehr in das operative Geschäft eingegriffen zu haben, sei als konstruktive und zulässige Kritik zu werten. Auch in der Frage der Verhandlungen mit einem ins Auge gefassten „Testimonial" sei dem Kläger nichts Wesentliches vorzuwerfen. Er habe eine abwartende Haltung eingenommen und nicht einer Entscheidung des Vorstands vorgegriffen. Nachdem die negative Entscheidung im Vorstand gefallen sei, habe der Kläger versucht, die Verhandlungen ohne Schadenersatzforderungen zu beenden.

Weder im Zusammenhang mit der Aufsichtsratssitzung vom 25. 4. 2003 noch mit dem Beschluss der Hauptversammlung vom 30. 6. 2003 sei es zu einer Verletzung von Formalerfordernissen gekommen. Die Angabe des Tagesordnungspunkts „Entlastung" in der Einberufung zur Hauptversammlung habe ausgereicht, um eine Beschlussfassung über den Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied herbeizuführen. Mit einem solchen Tagesordnungspunkt sei auch die Möglichkeit verbunden, aufgrund bestimmter Umstände die Entlastung zu verweigern und entsprechende weitere Konsequenzen zu beschließen. Der in der Hauptversammlung beschlossene Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied sei auch nicht unsachlich erfolgt. Unsachlich sei ein Vertrauensentzug dann, wenn er nur einen Vorwand für die willkürliche Zurücksetzung des Vorstandsmitglieds darstelle, dessen Geschäftsführung so geartet ist, dass die Hauptversammlung ihr Vertrauen zu ihm in Wahrheit gar nicht verlieren habe können, wenn der Vertrauensentzug nur als Vorwand der Abberufung diene oder sonst willkürlich haltlos oder wegen der damit verfolgten Zwecke sittenwidrig sei. Dass die (angenommenen) Gründe für einen Widerruf in Wahrheit nicht bestehen, reiche nach der Judikatur für die Annahme einer Unsachlichkeit nicht aus. Diese schwerwiegende Abweichung von den arbeitsrechtlichen Bestimmungen sei Ausfluss des Umstands, dass der Vorstand fremdes Vermögen verwalte und daher auch in einem besonderen Vertrauensverhältnis zur Hauptversammlung stehen müsse. Offensichtlich unsachliche Momente seien nicht gegeben. Der Kläger habe weder bewiesen, dass der Entzug des Vertrauens einzig dazu gedient habe, einen Widerrufsgrund zu liefern, noch dass er lediglich aufgrund eines Naheverhältnisses zu einem bestimmten Hauptaktionär „gekündigt" worden sei. Ein eigener Widerrufsbeschluss durch den Aufsichtsrat aus dem Grund des Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung sei auch notwendig gewesen, da dieser Grund nach der Judikatur nicht „nachgeschoben" werden könne; dabei sei auch ein Umlaufbeschluss zulässig. Angesichts der Koppelungsklausel im Anstellungsvertrag sei zu prüfen, ob der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied zur Auflösung des Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund geführt habe. Die generelle Koppelung des Widerrufs mit der Auflösung des Anstellungsvertrags würde der Aktiengesellschaft die Möglichkeit eröffnen, Dauerschuldverhältnisse ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes zu beenden. Dies widerspreche auch dann zwingendem Recht, wenn das AngG nicht anwendbar sei. Nach herrschender Meinung sei daher eine Koppelungsklausel nur für Gründe zulässig, die auch eine vorzeitige Auflösung des Anstellungsvertrags rechtfertigten. Da der Kläger aber keine ausreichenden schuldhaften Gründe zu verantworten habe, könne die Koppelungsklausel auf ihn keine Anwendung finden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs sei der mit einer Organstellung in zeitlicher Hinsicht meist gekoppelte Anstellungsvertrag des einzelnen Vorstandsmitglieds mangels persönlicher Abhängigkeit kein Arbeitsvertrag, sondern ein sogenannter freier Dienstvertrag. Selbst Verweisungen auf Bestimmungen des AngG führten noch nicht zur Bejahung eines Dienstverhältnisses nach Angestelltenrecht; insbesondere dessen Vorschriften über Kündigungstermine und Kündigungsfristen seien nicht anzuwenden. Auf freie Dienstverträge seien nur jene arbeitsrechtlichen Normen anwendbar, die nicht vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers ausgingen und den sozial Schwächeren schützen sollten, also die Kündigungsmodalitäten des ABGB. Einem Anspruch auf Kündigungsentschädigung stehe jedoch die im Anstellungsvertrag vereinbarte, an die Abberufung als Vorstandsmitglied gekoppelte gleichzeitige Auflösung des Anstellungsvertrags entgegen, weil der freie Dienstvertrag in diesem Fall nicht einseitig aufgelöst, sondern vereinbarungsgemäß durch den Eintritt der auflösenden Bedingung (Abberufung) beendet werde. Im Schrifttum werde dies unter dem Aspekt der Sittenwidrigkeit und Teilnichtigkeit dort als Problem erachtet, wo dem Abberufungsgrund kein Verschulden des abberufenen Vorstandsmitglieds zu Grunde liege, wie dies etwa beim Abberufungsgrund des Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung der Fall sein könne. Kein Missverhältnis der Interessenlage wäre hingegen gegeben, wenn der Abberufungsgrund ohnehin auch das Gewicht eines Entlassungsgrundes habe. Nach verschiedenen Lehrmeinungen handle es sich beim Anspruch auf Kündigungsentschädigung nach § 1162b ABGB um einseitig zwingendes Recht. Diese Bestimmung sei unter anderem auch auf zeitwidrige Kündigungen und auf die unberechtigte vorzeitige Auflösung eines freien Dienstvertrags anzuwenden. Einer Regelung, die diesen Anspruch auch für eine zeitwidrige Auflösung des Anstellungsverhältnisses ohne wichtigen Grund ausschließe, wie dies etwa für eine Koppelungsklausel gelte, stehe aber jedenfalls der Sittenwidrigkeitseinwand entgegen. Nach den „dargestellten Grundsätzen" sei eine Koppelungsklausel regelmäßig dann sittenwidrig, wenn der Abberufung kein wichtiger Grund bzw kein Verschulden des abberufenen Vorstandsmitglieds zu Grunde liege. Der Anspruch auf Kündigungsentschädigung entfalle zufolge Teilnichtigkeit der Koppelungsklausel daher dann nicht, wenn die Abberufung ohne grobe Pflichtverletzung mit dem Gewicht eines Entlassungsgrundes erfolge, sodass die Fortsetzung der Vorstandstätigkeit weiter zumutbar gewesen wäre. Insgesamt sei mit Rücksicht auf das Gesamtverhalten des Klägers, das nach den Feststellungen von großem Engagement mit starker persönlicher Präsenz für die Ziele der Beklagten sowie von einer modernen und sachlichen Arbeitsweise geprägt gewesen sei, die Beurteilung des Erstgerichts nicht zu beanstanden, dass der Kläger keinen Entlassungsgrund gesetzt habe. Erhebliche Verfehlungen seien ihm weder in den genannten Geschäftsfällen vorzuwerfen, noch im Zusammenhang mit seinen Äußerungen im Zeitungsartikel. Die darin wiedergegebenen Aussagen des Klägers seien nicht als übergebührliche, unangemessene oder unsachliche Kritik an der Beklagten, den neuen Vorständen oder dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu qualifizieren. Jedenfalls erreichten sie nicht einen solchen Schweregrad, dass sie einen wichtigen Grund für die „zeitwidrige" Auflösung des Anstellungsvertrags darstellen könnten. Der geltend gemachte Anspruch auf Kündigungsentschädigung bestehe daher zu Recht. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil der Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme und das Berufungsgericht nicht über eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu entscheiden gehabt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Berufung der Beklagten ist zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Vorweg ist klarzustellen, dass der erkennende Senat keine Bedenken gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanzen hat, das Verhalten des Klägers in den genannten Geschäftsfällen sowie seine im Zeitungsartikel wiedergegebenen Äußerungen stellten keinen Entlassungsgrund - und auch keine grobe Pflichtverletzung iSd § 75 Abs 4 AktG - dar. Insoweit kann auf die Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Nach herrschender Rechtsprechung bewirkt auch eine unberechtigte Entlassung die Vertragsbeendigung. Auch im Rahmen eines freien Dienstvertrags steht jedoch in einem solchen Fall dem Dienstnehmer die sogenannte Kündigungsentschädigung zu, also der Ersatz jenes Entgelts, auf das er bei Weiterbestehen des Vertragsverhältnisses Anspruch gehabt hätte (§ 1162b ABGB). Um beurteilen zu können, wann der Anstellungsvertrag ohne die ungerechtfertigte Entlassung geendet hätte, ist es erforderlich, die Zulässigkeit bzw die Reichweite der im Anstellungsvertrag enthaltenen Koppelungsklausel zu überprüfen. Hingegen erscheint es ohne Relevanz, ob bereits die erste Entlassungserklärung wirksam war - was der Kläger mit der Behauptung der Unwirksamkeit des Aufsichtsratsbeschlusses vom 25. 4. 2003 bestreitet - oder ob erst die aufgrund des Beschlusses vom 28. 5. 2003 ausgesprochene zweite Entlassung zur Beendigung des Anstellungsvertrags geführt hat. Die unterschiedliche rechtliche Konsequenz läge allein darin, dass der Kläger im zweiten Fall für einen längeren Zeitraum einen vertraglichen Entgeltanspruch hätte, wogegen im ersten Fall auch für diesen Zeitraum das entgangene Entgelt auf schadenersatzrechtlicher Grundlage gebührte. Dass damit unterschiedliche Ergebnisse für die geltend gemachten Geldforderungen des Klägers verbunden wären, ist nicht zu erkennen und wird von ihm auch nicht aufgezeigt.

Entgegen der im Berufungsurteil vertretenen Auffassung gibt es zur Frage der Zulässigkeit und der Konsequenzen einer vertraglichen Koppelungsklausel keine aussagekräftige höchstgerichtliche Judikatur. In der dort zitierten Entscheidung 3 Ob 251/07v hat der Oberste Gerichtshof einerseits verschiedene Äußerungen aus dem einschlägigen Schrifttum wiedergegeben, andererseits aber eine abschließende Stellungnahme schon deshalb unterlassen können, weil er ohnehin die Voraussetzungen für eine sofortige Vertragsbeendigung wegen einer groben Sorgfaltsverletzung iSd § 75 Abs 4 AktG als gegeben angenommen hat. Die Aussage, Koppelungsklauseln könnten „daher nur ausnahmsweise aus vom abberufenen Vorstandsmitglied darzulegenden Gründen nach einem umfassenden Vergleich der wechselseitigen Interessenlagen als sittenwidrig qualifiziert werden", stellt sich somit als bloßes obiter dictum dar. In der zitierten Entscheidung wird in diesem Zusammenhang insbesondere auf die grundsätzliche Vertragsfreiheit bei der inhaltlichen Gestaltung eines freien Dienstvertrags eines Vorstandsmitglieds einer AG sowie darauf verwiesen, dass Vorstandsmitglieder sich von sozial schwachen Arbeitnehmern grundlegend unterschieden und selbst in der Lage seien, sich „eine standesgemäße Rechts- und Einkommensposition am Verhandlungstisch zu verschaffen" (9 ObA 261/02a mwN). Dieser Aspekt wird im Weiteren im Auge zu behalten sein; die vom Berufungsgericht angenommene Schutzbedürftigkeit lässt sich aus der Entscheidungsbegründung jedenfalls nicht ableiten.

Die vorliegende Vertragsklausel lautet dahin, dass das Dienstverhältnis (ferner) endet, wenn eine Abberufung durch den Aufsichtsrat „gemäß den jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen" erfolgt. Damit wird inhaltlich auf § 75 Abs 4 AktG verwiesen, der den Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied durch den Aufsichtsrat aus wichtigen Gründen ermöglicht. Nach Satz 2 der genannten Bestimmung ist ein solcher Grund namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Nachdem bereits dargelegt wurde, dass eine grobe Pflichtverletzung nicht vorliegt, und feststeht, dass der (neuerliche) Widerruf letztlich aufgrund des Hauptversammlungsbeschlusses, mit dem dem Kläger das Vertrauen entzogen worden war, ausgesprochen wurde, wäre der gesetzliche Tatbestand (nur) dann erfüllt, wenn dem Vertrauensentzug keine „offenbar unsachlichen Gründe" zu Grunde liegen.

Dazu kann auf die Argumentation des Erstgerichts verwiesen werden, das zutreffend darauf hingewiesen hat, dass ein solcher „offenbar unsachlicher" Grund auch dann nicht vorliegt, wenn zwar - wie hier - objektiv keine grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung vorliegt, die Hauptversammlung aber bereits wegen nicht von vornherein als unberechtigt erkennbarer Verdachtsmomente das Risiko nicht eingehen will, die betreffende Person weiter mit einer Vorstandsfunktion zu betrauen. Von einer „offenbar" unsachlichen Motivation kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn ein Vertrauensentzug seiner sachlichen Berechtigung nach etwa auch zweifelhaft ist; er darf nur nicht willkürlich sein (4 Ob 127/06i). Unsachlich ist der Vertrauensentzug dann, wenn er nur ein Vorwand für die willkürliche Zurücksetzung des Vorstandsmitglieds ist, dessen Geschäftsführung so geartet ist, dass die Hauptversammlung ihr Vertrauen zu ihm in Wahrheit gar nicht verloren haben konnte, oder wenn der Vertrauensentzug nur zum Vorwand der Abberufung dient oder willkürlich, haltlos oder wegen der damit verfolgten Zwecke sittenwidrig oder sonstwie, etwa wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben, rechtswidrig ist (RIS-Justiz RS0110180). Eine solche Situation liegt nicht vor, war doch insbesondere ein umfangreiches Beweisverfahren erforderlich, um zu klären, ob und inwieweit bestimmte Geschäftsführungshandlungen des Klägers im Zusammenhang mit den überprüften Geschäftsfällen wirklich bedenklich waren oder nur auf den ersten Blick bedenklich erschienen. Das Vorliegen unsachlicher Motive wäre auch vom Kläger zu beweisen gewesen (RIS-Justiz RS0110177, 1 Ob 191/02y ua), was ihm - wie das Erstgericht dargelegt hat - nicht gelungen ist.

Da der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied nach dem Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung somit entsprechend der Vertragsklausel „gemäß den jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen" erfolgt ist, ist jedenfalls der vertraglich vereinbarte Tatbestand erfüllt, der gemäß der Koppelungsklausel (zugleich) zur Beendigung des Anstellungsvertrags führen sollte.

Die Auffassungen zur Frage, ob und inwieweit eine solche Koppelungsklausel angesichts der im Dienstvertragsrecht zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertungen zulässig und wirksam ist, sind uneinheitlich. Wie bereits erwähnt wurde, hat der Oberste Gerichtshof in einem obiter dictum ausgesprochen, derartige Klauseln könnten nur ausnahmsweise aus vom abberufenen Vorstandsmitglied darzulegenden Gründen nach einem umfassenden Vergleich der wechselseitigen Interessenlagen als sittenwidrig qualifiziert werden (3 Ob 251/07v). Dabei sei auch zu berücksichtigen, welche dienstvertraglichen Tätigkeiten das (frühere) Vorstandsmitglied nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand auszuüben hätte. Weiters wird unter Hinweis auf Vorjudikatur (9 ObA 292/88; 9 ObA 160/87 = SZ 61/92) ausgeführt, einem Anspruch auf Kündigungsentschädigung stehe die im Anstellungsvertrag vereinbarte, an die Abberufung als Vorstandsmitglied gekoppelte gleichzeitige Auflösung des Anstellungsvertrags entgegen, weil der freie Dienstvertrag in diesem Fall nicht einseitig aufgelöst, sondern vereinbarungsgemäß durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung (Abberufung) beendet worden sei.

Runggaldier/Schima (Die Rechtsstellung von Führungskräften [1991], 182 f) vertreten die Auffassung, auch bei freien Dienstverträgen von Vorstandsmitgliedern seien Resolutivbedingungen (zumindest) dann unzulässig und unwirksam, wenn das „Ob" des Bedingungseintritts mehr oder weniger dem Ermessen eines Vertragsteils anheimgestellt sei. Durch eine Koppelungsklausel werde bewirkt, dass eine Kündigungsfrist nicht einzuhalten sei und die Zahlungen an das Vorstandsmitglied mit sofortiger Wirkung eingestellt werden könnten. Eine solche Klausel, die im Ergebnis die vorzeitige Auflösung des Anstellungsvertrags auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes anordne, müsse daher als sittenwidrig und teilnichtig angesehen werden, weil das Vorstandsmitglied erstens ein gleichwertiges Recht zur sofortigen Mandatsniederlegung und sofortigen Auflösung des Anstellungsvertrags ohne Vorliegen der Unzumutbarkeit einer weiteren Mandatsausübung regelmäßig nicht besitze und weil zweitens auch bei freien Dienstverträgen für die nicht an wichtige Gründe gebundene Auflösung die Einhaltung einer Frist zu fordern sei (zustimmend Strasser in Jabornegg/Strasser, Komm4, §§ 75 f AktG Rz 87).

Demgegenüber meint Schima (Beendigung von Vorstandsrechtsverhältnissen, ecolex 2006, 456 ff), Koppelungsklauseln seien etwa zulässig, wenn dem Vorstandsmitglied eine anderweitige finanzielle Abfindung - zB in Form eines Pensionsvertrags -, die einer angemessenen Kündigungsfrist wirtschaftlich gleichkomme, gebühre. Unzulässige Koppelungsklauseln könnten außerdem in Klauseln mit angemessener Kündigungsfrist umgedeutet werden (unter Berufung auf BGH AG 1989, 437 ff für den Fall der Abberufung des Vorstandsmitglieds wegen eines unverschuldeten Misstrauensvotums).

Nowotny (in Doralt/Nowotny/Kalss, Komm I, § 75 AktG Rz 34) verweist zwar in einer Fußnote auf die Auffassung von Strasser, äußert aber selbst keine Bedenken gegen die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Koppelungsklausel.

Keine Vorbehalte werden in der zitierten österreichischen Literatur gegen eine Vereinbarung erhoben, nach der im Anstellungsvertrag eine (ordentliche) Kündigung durch die AG vorgesehen wird (Nowotny aaO unter Hinweis auf RdW 2003/116, 140 = 1 Ob 191/02y), und zwar auch bei einem sonst befristeten Vertrag (Strasser aaO Rz 86; Schima aaO 458 mit Nachweisen in FN 13, verlangt hier offenbar eine längere Kündigungsfrist; vgl auch Spenling in KBB² § 1158 ABGB Rz 4 mwN).

Der BGH hatte in der von Schima zitierten Entscheidung (NJW 1989, 2683 ff) eine Koppelungsklausel in einer Konstellation zu beurteilen, in der die Vorstandsfunktion des Klägers aufgrund des (von ihm nicht verschuldeten) Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung wirksam beendet worden war. Der BGH führte dazu insbesondere aus, die Trennung, die das Gesetz zwischen dem Organverhältnis und dem Dienstvertrag vollziehe, gebiete nicht unabdingbar, dass jegliche Verknüpfung zwischen beiden Rechtsvorgängen durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung zu unterbleiben habe. Aus der gesetzlichen Regelung ergebe sich das Ziel, die Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrats im wohlverstandenen Unternehmensinteresse der AG zu gewährleisten und zu verhindern, dass dessen Entscheidung über die Neubestellung eines Vorstandsmitglieds durch den Fortbestand des Dienstvertrags und die sich daraus ergebenden finanziellen Belastungen nachhaltlich beeinflusst werde. Da somit die das Dienstverhältnis regelnde Vereinbarung dem Organverhältnis nachrangig sei, könne es auch nicht ausgeschlossen sein, dass die Beendigung des Dienstvertrags an einen Widerruf der Organbestellung gekoppelt wird. Diese auflösende Bedingung trete allerdings nur dann ein, wenn der Widerruf der Bestellung rechtmäßig erfolgt sei. Der nicht aus offenbar unsachlichen Gründen durch die Hauptversammlung der AG ausgesprochene Vertrauensentzug berechtige nicht ohne weiteres - vor allem bei Geringfügigkeit oder Fehlen eines schuldhaften Verhaltens - zur fristlosen Kündigung des Anstellungsverhältnisses. Die Kündigung des Dienstvertrags aus einem Grunde, der lediglich kraft Vereinbarung zur vorzeitigen Auflösung des Vertrags führe, sei nur unter Wahrung der Mindestfrist des § 622 Abs 1 S 2 BGB möglich. Diese Regelung enthalte zwingendes Recht, da die in § 622 Abs 1 BGB vorgesehene Kündigungsmöglichkeit allein im Rahmen der für den vorliegenden Fall maßgebenden Vorschrift des § 622 Abs 1 S 2 BGB abbedungen werden könne. Sie gelte für Vorstandsmitglieder einer AG entsprechend. Die Vorschrift des § 622 BGB solle nicht nur dem Arbeitgeber eine sachgemäße Personalplanung ermöglichen, sie diene auch dazu, den Arbeitnehmer bis zum Antritt einer neuen Dienststellung so weitgehend wie möglich vor dem Eintritt wirtschaftlicher Nachteile zu schützen. Die maßgebliche Frage sei dahin zu beantworten, dass die Beendigung des zwischen einem Vorstandsmitglied und einer AG geschlossenen Dienstvertrags, die von dem Widerruf des Organverhältnisses abhängig gemacht wird, erst nach Ablauf der Frist des § 622 Abs 1 S 2 BGB eintritt, soweit der Widerruf auf dem Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung beruht, der nicht aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt ist. Auch wenn die Parteien diese Frist in die Vereinbarung nicht einbezogen haben, führe dies nicht zu ihrer Nichtigkeit. Vielmehr sei sie einschränkend dahin auszulegen, dass die Beendigung des Vertrags nicht nur auflösend bedingt durch den Widerruf eintritt, sondern darüber hinaus auch noch befristet sei. Die Auflösung des Dienstvertrags trete im zu beurteilenden Fall somit einen Monat nach Wirksamkeit des Widerrufs der Organstellung ein.

Diese Auffassung fand zum Teil auch in der deutschen Kommentarliteratur Zustimmung. So wird etwa von Spindler (in MünchKomm, § 84 AktG Rz 182 ff) ausgeführt, die Zulässigkeit einer Koppelungs- bzw Gleichlaufklausel sei nicht durch das grundsätzlich geltende Trennungsprinzip von Organ- und Dienstverhältnis ausgeschlossen. Sie werde auch nicht durch gegenläufige Entscheidungen im GmbH-Recht in Frage gestellt, da der Vorstand einer AG nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden könne, somit schon auf der körperschaftsrechtlichen Ebene entsprechenden Schutz genieße. Die Auflösung erfolge mit dem Widerruf, allerdings erst nach Ablauf der in § 622 Abs 1 und 2 BGB bestimmten Frist; ein gleichzeitiges Erlöschen sei nur möglich, wenn der wichtige Grund iSd § 84 Abs 3 Satz 1 AktG zugleich auch einen wichtigen Grund iSd § 626 BGB darstelle.

Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat im Ergebnis an. Wie bereits dargestellt wurde, hat auch der Oberste Gerichtshof wiederholt die besondere Stellung eines Vorstands einer AG gegenüber anderen (freien) Dienstnehmern betont. Bei der deutlichen Mehrheit der Vorstandsmitglieder könne keine Rede davon sein, dass sie sich im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation in einer gleichen oder ähnlichen Lage befinden wie die breite Masse der Arbeitnehmer und daher ebenfalls ein erhebliches Maß an sozialer Schutzbedürftigkeit aufweisen; sie seien nämlich augenscheinlich selbst in der Lage, sich eine „standesgemäße" Rechts- und Einkommensposition am Verhandlungstisch zu verschaffen (9 ObA 261/02a; 3 Ob 251/07v). Auch die typischerweise zu unterstellende beiderseitige Interessenlage spricht durchaus dafür, eine Vereinbarung zuzulassen, die es der AG ermöglicht, das neben der organschaftlichen Tätigkeit bestehende Anstellungsverhältnis nicht länger fortbestehen zu lassen, wenn der betreffende Dienstnehmer die Vorstandsfunktion verliert, wurde er doch regelmäßig gerade deshalb angestellt, um diese Organfunktion auszuüben; kann er nicht mehr als Vorstand tätig sein, besteht gewöhnlich kein weiteres Interesse der AG an einem Fortbestehen des Anstellungsvertrags.

Um einem (ehemaligen) Vorstandsmitglied aber jenen gesetzlichen Mindestschutz zukommen zu lassen, den auch das Dienstvertragsrecht des ABGB - im Zusammenhang mit der (vom Dienstnehmer nicht verschuldeten) Auflösung unbefristeter Dienstverhältnisse - vorsieht (§§ 1159 ff ABGB), darf eine (grundsätzlich zulässige) Koppelungsklausel nicht dazu führen, dass mit Eintritt der vereinbarten auflösenden Bedingung, also der Wirksamkeit seiner Abberufung von seiner Organfunktion, auch das Dienstverhältnis unverzüglich beendet wird und ab diesem Zeitpunkt sämtliche Ansprüche aus dem Dienstvertrag erlöschen. Wie auch der BGH ausgeführt hat, dienen die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften über die Auflösung eines Dienstverhältnisses unter Einhaltung einer bestimmten Kündigungsfrist vor allem auch dazu, den Dienstnehmer insoweit vor dem Eintritt wirtschaftlicher Nachteile zu schützen, als es ihm ermöglicht wird, innerhalb dieser Frist eine neue Beschäftigung zu suchen. Wird der Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds nun - wie im vorliegenden Fall - aufgrund einer Koppelungsklausel mit seiner Vorstandsfunktion verknüpft und verliert er letztere, weil er vom Aufsichtsrat nach einem Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung - ohne Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens vom Gewicht eines Entlassungsgrundes - abberufen wurde, endet der Anstellungsvertrag nicht sofort, sondern erst nach Ablauf der gesetzlich für eine ordentliche Kündigung vorgesehenen (Kündigungs-)Frist zum folgenden Kündigungstermin. Diese Frist beginnt regelmäßig mit jenem Zeitpunkt, zu dem das Vorstandsmitglied unter Hinweis auf den Vertrauensentzug von seiner Abberufung verständigt wird; erst dann ist ja für ihn zu erkennen, dass er sich um eine andere berufliche Tätigkeit umsehen muss. Damit entspricht die Rechtsstellung des Klägers im Wesentlichen jener eines (freien) Dienstnehmers, in dessen Anstellungsvertrag sich der Dienstgeber die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung vor Ablauf der an sich vorgesehenen Laufzeit vorbehalten hat. Gegen eine solche Konstruktion bestünden keine grundsätzlichen Bedenken, zumal auch § 75 Abs 1 AktG weder für die Bestellung, noch für den Anstellungsvertrag eine Mindestfrist vorsieht.

Diese Erörterungen sind im vorliegenden Fall deshalb von entscheidender Bedeutung, weil es bei der (schadenersatzrechtlichen) Frage der Ermittlung der gebührenden Kündigungsentschädigung vor allem auch auf den hypothetischen Geschehnisablauf ankommt. Tatsächlich wurde das Dienstverhältnis zum Kläger ja bereits durch die (erste) - wie bereits dargestellt unberechtigte - Entlassung beendet, von der er mit Schreiben vom 25. 4. 2003 verständigt wurde. Nach § 1162b ABGB behält der Dienstnehmer bei einer ungerechtfertigten Entlassung - wenn auch nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen (vgl dazu nur Spenling in KBB² § 1162b ABGB Rz 3) - „seine vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung hätte verstreichen müssen". Angesichts der hier vorliegenden (grundsätzlich unbedenklichen) Koppelungsklausel erfasst die Kündigungsentschädigung somit jenen Zeitraum, der zwischen der unberechtigten Entlassung und jenem Zeitpunkt gelegen ist, zu dem das Dienstverhältnis geendet hätte, wenn die Beklagte (erst) den (nicht offenbar unsachlich motivierten) Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung zum Anlass genommen hätte, den Kläger von seiner Vorstandsfunktion abzuberufen. Dass eine solche Abberufung erfolgt wäre und das Dienstverhältnis lange vor Ablauf der an sich vorgesehenen Vertragsdauer geendet hätte, kann angesichts des festgestellten Sachverhalts nicht zweifelhaft sein, ist die Beklagte doch tatsächlich - vorsichtshalber - später in diesem Sinn vorgegangen.

Die Berechnung der Kündigungsentschädigung ist dem Obersten Gerichtshof wegen des Fehlens der dafür erforderlichen Feststellungen jedoch nicht möglich. Die Beklagte hat zwar das (gesamte) Klagebegehren der Höhe nach zugestanden. Dieses „Tatsachengeständnis" bezieht sich jedoch erkennbar nur auf den Fall des Gebührens einer Kündigungsentschädigung bis Ende Juni 2005, wovon jedoch nach den obigen Darlegungen gerade nicht die Rede sein kann. Das Erstgericht wird mit den Streitteilen daher im fortgesetzten Verfahren zu erörtern haben, welche Entgeltansprüche der Kläger insgesamt bis zum hypothetischen Endigungstermin, also dem in Betracht kommenden Kündigungstermin nach dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nach Verständigung von seiner Abberufung als Vorstandsmitglied wegen des Vertrauensentzugs, gehabt hätte. (Nur) In diesem Umfang wird dem Klagebegehren stattzugeben sein.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E93257

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0010OB00190.09M.0129.000

Im RIS seit

27.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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