Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Laurin M*****, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie (Bezirke 17, 18, 19), gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. August 2009, GZ 45 R 494/09v-27, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 18. Mai 2009, GZ 2 PU 106/09i-7, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile insgesamt lautet:
„1. Das mit Beschluss vom 27. 12. 2007 unterbrochene Unterhaltsverfahren wird fortgesetzt.
2. Der Vater Mohamad A*****, ist schuldig, seinem minderjährigen Kind Laurin M***** ab 28. 4. 2009 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Beendigung des anhängigen Unterhaltsfestsetzungsverfahrens, einen vorläufigen Unterhaltsbeitrag von monatlich 114,18 EUR zu Handen des Vertreters des Kindes zu zahlen.
Die bei Zustellung dieses Beschlusses fälligen Beträge sind sofort, die weiters fälligen Beträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im Voraus zu zahlen."
Text
Begründung:
In seinem am 20. 12. 2007 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte das Kind die Feststellung der Vaterschaft und den Zuspruch einer (ziffernmäßig noch nicht bestimmten) monatlichen Unterhaltsleistung ab 14. 8. 2007. Nach rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft mit Beschluss vom 22. 12. 2008 beantragte es am 28. 4. 2009 (ON 4), das am 27. 12. 2007 unterbrochene Unterhaltsverfahren fortzusetzen und den Vater ab 14. 8. 2007 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 192 EUR sowie zu vorläufigem Unterhalt von 114,18 EUR monatlich zu verpflichten. Der Vater sei nach seinen eigenen Angaben im Gastgewerbe tätig und könne als Kellner ein durchschnittliches Nettoeinkommen von monatlich 1.200 EUR erzielen.
Der Vater äußerte sich trotz Aufforderung nicht zu dem Unterhaltsfestsetzungsantrag.
Das Erstgericht ordnete die Fortsetzung des unterbrochenen Unterhaltsverfahrens an, verpflichtete den Vater, ab 28. 4. 2009 einen vorläufigen Unterhaltsbeitrag von monatlich 105,40 EUR zu zahlen, und wies das Mehrbegehren des Kindes von weiteren 8,78 EUR monatlich ab. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung einstweiligen Unterhalts gemäß § 382a EO lägen vor. Nach Abs 2 leg cit sei einstweiliger Unterhalt allerdings nur in Höhe des jeweiligen Grundbetrags der Familienbeihilfe zu gewähren. Dieser betrage für ein Kind im Alter des Unterhaltsberechtigten 105,40 EUR, woran die Auszahlung 13 mal im Jahr nichts ändere.
Das Rekursgericht bestätigte die vom Kind angefochtene Abweisung des Mehrbegehrens und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. § 8 Abs 8 FLAG ordne eine Verdoppelung des Gesamtbetrags an Familienbeihilfe für September an. Der Gesetzgeber habe wegen der in diesem Monat höheren Kostenbelastungen insgesamt eine weitere Förderung der Familie beabsichtigt. Die Geschwisterstaffelung erhöhe den nach § 382a Abs 2 EO mit dem Grundbetrag der Familienbeihilfe beschränkten vorläufigen Unterhalt nicht, was auch für die „13. Familienbeihilfe" gelte.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen gerichtete Revisionsrekurs des Kindes ist zulässig und berechtigt.
§ 382a Abs 2 EO bestimmt seit seiner Einführung im Jahr 1987, dass vorläufiger Unterhalt gemäß Abs 1 höchstens bis zum „Grundbetrag der Familienbeihilfe" nach dem FLAG bewilligt werden kann. Nach der Judikatur ist mit dem Begriff des „Grundbetrags der Familienbeihilfe" jener Betrag gemeint, der einer Person an Familienbeihilfe für ein Kind zusteht und der sich nach dem Alter des Kindes richtet (RIS-Justiz RS0006134). Er umfasst aber etwa nicht die Zuschläge aufgrund der Geschwisterstaffelung nach § 8 Abs 3 FLAG (10 Ob 28/04x = SZ 2004/90). Sinn des § 382a EO ist es, der Existenzgefährdung von auf Unterhaltszahlungen angewiesenen minderjährigen Kindern entgegenzuwirken und in einem raschen Verfahren die finanzielle Existenzgrundlage für das Kind zu sichern (RIS-Justiz RS00097430).
Aufgrund eines Initiativantrags mehrerer Abgeordneter zum Nationalrat vom 12. 9. 2008 wurde § 8 FLAG ein neuer Abs 8 angefügt, in dem angeordnet wird, dass der Gesamtbetrag an Familienbeihilfe für September verdoppelt wird. Als Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass Familien mit Kindern von der herrschenden Inflation und der dadurch bedingten allgemeinen Teuerung besonders betroffen seien, sich diese verstärkte Belastung für Kinder ab dem Schuleintritt gerade im Monat September erhöhe, allerdings aber auch Kinder unter 6 Jahren betreffe, bei denen zum Beispiel Kosten für die Betreuung anfielen.
Zu klären ist in diesem Verfahren, ob diese Novellierung des FLAG bei der Ermittlung des „Grundbetrags der Familienbeihilfe" nach § 382a Abs 2 EO zu berücksichtigen ist oder ob dieser „Grundbetrag" weiterhin jene (nunmehr dreizehnmal auszuzahlende) Summe bezeichnen soll, die an Familienbeihilfe für ein Kind einer bestimmten Altersgruppe (monatlich) gebührt.
Der erkennende Senat hat zu diesem Problem erst jüngst in seiner Entscheidung vom 17. 11. 2009, 1 Ob 216/09k, Stellung genommen und ist zum Ergebnis gekommen, dass die „13. Familienbeihilfe" den „Grundbetrag der Familienbeihilfe" (nach § 382a Abs 2 EO) aliquot erhöht. Zentrales Argument war, dass bei Einführung dieser „13. Familienbeihilfe" eindeutig nicht ein besonderer „Sonderbedarf" eines großen Teils der betroffenen Familien im Vordergrund gestanden sei, sondern eine generelle Erhöhung der staatlichen Familienleistungen wegen der allgemeinen Teuerung, die ebenso gut durch eine Erhöhung der im Gesetz vorgesehenen Monatsbeträge um je ein Zwölftel vorgenommen hätte werden können. Ohne Zweifel handle es sich um eine Erhöhung der Familienbeihilfe, die jedem Kind ohne Rücksicht darauf zugute komme, ob dieses im September einen Sonderbedarf in Form von Schul-, Ausbildungs- oder Betreuungskosten habe. Gebe der Gesetzgeber des FLAG mit der Erhöhung der Familienbeihilfe um insgesamt ein Zwölftel zu erkennen, dass eine entsprechende Unterstützung von Familien deshalb geboten sei, weil sich ihr Geldbedarf vor allem aufgrund der allgemeinen Teuerung gegenüber früheren Perioden erhöht habe, erscheine es naheliegend, diesen „Bedarfsgedanken" auch auf die Ansprüche nach § 382a Abs 2 EO zu übertragen. Diese sollten ja zweifellos dazu dienen, dem Kind vorläufig eine finanzielle (Mindest-)Existenzgrundlage zu sichern. Soweit die allgemeine Teuerung Anlass dafür gewesen sei, die jedem Kind einer bestimmten Altersgruppe zukommenden staatlichen Familienleistungen zu erhöhen, müsse dies konsequenterweise auch auf die durch § 382a Abs 2 EO angestrebte Unterhaltssicherung übertragen werden.
Mittlerweile hat sich auch der 9. Senat dieser Auffassung angeschlossen (9 Ob 78/09z).
Der erkennende Senat sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsauffassung abzugehen. Der „Grundbetrag der Familienbeihilfe", der für den Minderjähigen aufgrund seines Alters derzeit 105,40 EUR beträgt, erhöht sich daher aliquot auf 114,18 EUR monatlich. In diesem Sinn sind die Entscheidungen der Vorinstanzen abzuändern.
Textnummer
E93141European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0010OB00248.09S.0129.000Im RIS seit
28.02.2010Zuletzt aktualisiert am
02.03.2012