TE OGH 2010/2/9 10ObS5/10y

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Veröffentlicht am 09.02.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Thomas Neumann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. KR Michaela Haydter (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gerhard L*****, vertreten durch Mag. Helmut Hawranek, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1081 Wien, Josefstädter Straße 80, wegen Versehrtenrente und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. November 2009, GZ 8 Rs 68/09w-38, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Auch in Sozialrechtssachen kann nach der seit der Entscheidung 9 ObS 15/87 (= SSV-NF 1/28) ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats eine in der Berufung unterlassene bzw nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge in der Revision nicht nachgetragen werden. Selbst wenn man im Sinne des Prozessstandpunkts des Klägers davon ausginge, dass in der Berufung auch eine gesetzmäßige Rechtsrüge ausgeführt worden sei, wäre dadurch für den Kläger nichts gewonnen.

Nach § 177 Abs 1 ASVG gelten die in der Anlage 1 zum ASVG bezeichneten Krankheiten unter den dort angeführten Voraussetzungen nur dann als Berufskrankheiten, wenn sie durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung in einem in Spalte 3 der Anlage bezeichneten Unternehmen verursacht sind. Voraussetzung für die Anerkennung als Berufskrankheit ist somit, dass die Erkrankung des Versicherten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die betrieblichen Einwirkungen zurückzuführen ist (10 ObS 29/95 = SSV-NF 9/23 ua). Auch im Verfahren vor dem Sozialgericht gelten die Regeln der objektiven Beweislast. Ein Anspruch kann nur bejaht werden, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen erwiesen sind. Um Härten eines unzumutbaren Beweisnotstands für den Versicherten zu vermeiden, sind nach ständiger Rechtsprechung besonders im Verfahren über einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch aus Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Regeln des sogenannten Anscheinsbeweises modifiziert anzuwenden (RIS-Justiz RS0110571 ua). Die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher und nicht ein atypischer Ablauf gegeben ist (RIS-Justiz RS0040266 ua). Der Anscheinsbeweis ist somit nur dann zulässig, wenn eine typische formelhafte Verknüpfung zwischen der tatsächlich bewiesenen Tatsache und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement besteht. Er darf nicht dazu dienen, Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen auszufüllen (RIS-Justiz RS0040287 ua). Der bloße Verdacht eines bestimmten Ablaufs, der auch andere Verursachungsmöglichkeiten offen lässt, erlaubt die Anwendung des Anscheinsbeweises nicht. Einen Grundsatz, dass im Zweifel zugunsten des Versicherten zu entscheiden ist, gibt es nicht (10 ObS 168/02g ua).

Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen in ihren Entscheidungen nicht abgewichen, da im vorliegenden Fall kein Tatbestand mit typischem formelhaften Geschehensablauf angenommen werden kann. Im Übrigen haben die Vorinstanzen ausdrücklich festgestellt, dass das beim Kläger bereits im Jahr 1997 festgestellte Asthma bronchiale sowie die im Jahr 1999 diagnostizierte Sarkoidose nicht durch eine inhalative Reizexposition mit Chlorgas und Phosgen am Arbeitsplatz verursacht wurden und daher zwischen diesen Erkrankungen und der Tätigkeit des Klägers an seinem Arbeitsplatz in den Jahren 1998 bis 2003 kein ursächlicher Zusammenhang besteht. Auch ein allfälliger Anscheinsbeweis wäre damit jedenfalls als widerlegt anzusehen (10 ObS 327/02i ua). Damit ist dem Kläger der Nachweis, dass seine Erkrankungen durch die Ausübung der die Versicherung begründenden Tätigkeit als Polizeibeamter verursacht wurden, nicht - auch nicht in Form des sogenannten Anscheinsbeweises - gelungen. Sekundäre Feststellungsmängel liegen nicht vor. Die Revisionsausführungen zielen vielmehr darauf ab, die Richtigkeit dieser von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen in Zweifel zu ziehen und stellen somit den im Revisionsverfahren unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen dar. Auch die in der Mängelrüge begehrte Einholung eines weiteren bzw ergänzenden Sachverständigengutachtens betrifft die vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbare Frage der Beweiswürdigung. Das Berufungsgericht hat sich mit der vom Kläger in seiner Berufung erhobenen Mängel- und Beweisrüge inhaltlich ausreichend auseinandergesetzt.

Textnummer

E93227

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00005.10Y.0209.000

Im RIS seit

11.03.2010

Zuletzt aktualisiert am

23.06.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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