TE OGH 2010/2/11 5Ob242/09p

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Veröffentlicht am 11.02.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. „B*****, 2. Petar V*****, beide vertreten durch Mag. Roswitha Wallner, Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen die Antragsgegner 1. I***** Gesellschaft m.b.H., *****, 2. A*****ges.m.b.H., *****, 3. Eigentümergemeinschaft des Hauses *****, Erst- und Drittantragsgegner vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, sowie die übrigen Mieter des Hauses ***** als Verfahrensbeteiligte wegen § 37 Abs 1 Z MRG iVm § 21 MRG, über den Revisionsrekurs der Erst- und Drittantragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Juni 2009, GZ 40 R 281/08g-40, womit infolge Rekurses der Erst- und Drittantragsgegner der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 15. Juli 2008, GZ 30 Msch 22/05g-35, bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der Erst- und Drittantragsgegner wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Erstantragsgegnerin und die Zweitantragsgegnerin sind Miteigentümerinnen der Liegenschaft *****. Mit den Anteilen der Erstantragsgegnerin ist unter anderem Wohnungseigentum an der Wohnung Top 15 verbunden, mit jenen der Zweitantragsgegnerin Wohnungseigentum am Geschäftslokal Top Nr 4/5. Wohnungseigentum wurde 2001 begründet.

Die Erstantragstellerin ist seit 1994 Hauptmieterin der Objekte Top 4, 4a und 5, der Zweitantragsteller ist Mieter der Top Nr 15, wobei sein Mietverhältnis jedenfalls vor Anmerkung der Zusage der Einräumung des Wohnungseigentumsrechts (1999) begründet wurde.

Das gegenständliche Verfahren wurde durch Antrag an die Schlichtungsstelle am 29. 12. 2004 eingeleitet.

In der Zeit von Jänner 1999 bis einschließlich Juni 2003 bezahlten die Liegenschaftseigentümer bzw die Eigentümergemeinschaft des Hauses kein Hausbesorgerentgelt, weil sie die Auffassung vertraten, das Hausbesorgerdienstverhältnis sei beendet.

Der Hausbesorger begehrte in einem am 29. 1. 2001 beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingeleiteten Verfahren die Bezahlung des rückständigen Hausbesorgerentgelts für die Zeit von Jänner 1999 bis 31. 3. 2002 von der Eigentümergemeinschaft. Diese wurde im Verfahren zur Zahlung eines Betrags von 18.518,20 EUR verpflichtet (9 ObA 45/03p).

Im August 2003 bezahlte die Eigentümergemeinschaft dem Hausbesorger die rückständigen Hausbesorgerentgelte, zuerkannte Verzugszinsen sowie, soweit für das gegenständliche Verfahren maßgeblich, auch das Hausbesorgerentgelt für den Zeitraum April 2002 bis November 2002, das nicht Gegenstand des arbeitsgerichtlichen Verfahrens war.

Die hier gegenständlichen Hausbesorgerentgelte für April 2002 bis November 2002, die der Höhe nach unstrittig mit 3.361,85 EUR feststehen, wurden den Mietern gegenüber mit der Betriebskostenabrechnung 2003, datierend mit 31. 12. 2003, gelegt im ersten Halbjahr 2004, in Rechnung gestellt.

Von der Möglichkeit, bis 31. 12. 2003 in einer Nachtragsabrechnung des Jahres 2002 den Nachweis zu erbringen, dass diese Kosten auch tatsächlich aufgewendet wurden, haben die Antragsgegner nicht Gebrauch gemacht.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrten die Antragsteller gegenüber den Erst- und Zweitantragsgegnern als ihren Vermietern und gegenüber der Eigentümergemeinschaft, festzustellen, dass die Position Hausbesorgerentgelt -hier maßgeblich April 2002 bis November 2002- dem Grunde und der Höhe nach in der Betriebskostenabrechnung 2003 rechtswidrig zur Verrechnung gelangt sei, weiters festzustellen, um welche Beträge durch die obige Vorschreibung das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten worden sei, und deren Rückzahlung anzuordnen. Soweit noch relevant brachten sie vor, der Ablauf der Präklusivfrist des § 21 Abs 3 4. Satz MRG stehe einer Geltendmachung der Hausbesorgerentgelte aus dem Jahr 2002 erst in der Betriebskostenabrechnung des Jahres 2003 entgegen.

Die Antragsgegner bestritten die Passivlegitimation der Eigentümergemeinschaft, die nicht Vermieterin sei, und brachten vor, das Hausbesorgerentgelt sei erst aufgrund der letztinstanzlichen Entscheidung 9 ObA 45/03p fällig geworden, somit erst im Jahr 2003.

Im zweiten Rechtsgang (5 Ob 6/08f) stellte das Erstgericht fest, dass die unter dem Titel Hausbesorgerentgelt vorgeschriebenen Beträge von 3.361,85 EUR keine Betriebskosten iSd § 21 MRG darstellten.

Ausgehend vom oben wiedergegebenen Sachverhalt erachtete das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht, dass ausgehend von der materiellrechtlichen Fälligkeit des Hausbesorgerentgelts im Jahr 2002 dieses spätestens bis zum Ende des auf die Fälligkeit folgenden Kalenderjahres, sohin bis 31. 12. 2003 durch Legung bzw Ergänzung der Betriebskostenabrechnung geltend gemacht hätte werden müssen. Tatsächlich sei das Hausbesorgerentgelt erst in der Betriebskostenabrechnung 2003 geltend gemacht worden, weshalb Präklusion eingetreten sei.

Die Legitimation der Drittantragsgegnerin ergebe sich aus § 4 Abs 3 WEG, wonach bei Altmietverträgen die Eigentümergemeinschaft solidarisch mit dem Vermieter für sämtliche liegenschaftsbezogenen Ansprüche, auch für den Anspruch auf Legung einer ordentlichen Betriebskostenabrechnung hafte. Es reiche daher aus, wenn entweder der einzelne Wohnungseigentümer seinem Mieter oder aber die Wohnungseigentümergemeinschaft diesem gegenüber die Abrechnungspflicht erfülle. Für die Abrechnungsverpflichtung des vermietenden Wohnungseigentümers sei keineswegs die an ihn gelegte Wohnungseigentümerabrechnung Voraussetzung.

Einem dagegen von Erst- und Drittantragsgegner erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Die Fälligkeit des Anspruchs auf Zahlung von Hausbesorgerentgelt bestimme sich nach § 7 Abs 1 Hausbesorgergesetz. Die in Frage stehenden Aufwendungen seien daher dem Liegenschaftseigentümer gegenüber bereits im Jahr 2002 fällig geworden. Daran ändere der Umstand nichts, dass für den Liegenschaftseigentümer seine Leistungsverpflichtung erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahrens seit 2003 festgestanden sei. Er hätte diesfalls noch bis zum 31. 12. 2003 eine Korrektur der Betriebskostenabrechnung für das Kalenderjahr 2002 vornehmen können. Die erst Mitte 2004 gelegte Abrechnung hinsichtlich der im Jahr 2002 fällig gewordenen Aufwendungen habe deren Präklusion bewirkt.

Darauf, dass nicht der einzelne Wohnungseigentümer, sondern die Eigentümergemeinschaft Dienstgeberin des Hausbesorgers sei, komme es nach der Entscheidung 5 Ob 6/08f im ersten Rechtsgang dieses Verfahrens nicht an. Der Aufwand entstehe nicht erst dann, wenn dem einzelnen Wohnungseigentümer im Zuge der Bewirtschaftungskostenabrechnung der konkrete Aufwand entstehe. Würden liegenschaftsbezogene Aufwendungen gemäß § 4 WEG gegenüber den Mietern einzelner Wohnungseigentümer abgerechnet, bedürfe dies nicht einer nochmaligen gesonderten Abrechnung jedes einzelnen Wohnungseigentümers für sein Objekt. Dadurch werde die Präklusivfrist des § 21 Abs 3 MRG nicht verlängert.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die nunmehr entscheidende Frage der Präklusion der Aufwendung Hausbesorgerentgelt (zu ergänzen: nach Führung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens) für die Periode April bis November 2002 in der Vorentscheidung 5 Ob 6/08f „offen gelassen“ worden sei.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Erst- und Drittantragsgegner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinn einer Abweisung des verfahrenseinleitenden Antrags. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsteller haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegner ist zulässig, weil die Frage der Berechnung der Präklusivfrist des § 21 Abs 3 MRG für einen Wohnungseigentümer-Vermieter durch höchstgerichtliche Rechtsprechung noch nicht deutlich geklärt ist. Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Erst- und Drittantragsgegner halten an ihrer Ansicht fest, die in § 21 Abs 3 MRG geregelte einjährige Präklusionsfrist zur Geltendmachung von Betriebskosten bei einer Jahrespauschalverrechnung beginne für einen Wohnungseigentümer als Vermieter erst dann zu laufen, wenn ihm gegenüber in seiner wohnungseigentumsrechtlichen Bewirtschaftsungskostenabrechnung die Betriebskosten verrechnet würden. Erst dann sei der Wohnungseigentümer konkret in der Lage, seinem Mieter den von ihm getätigten Aufwand iSd § 21 Abs 1 MRG abzurechnen. Erst durch die Belastung mit einer Verwaltungsabrechnung seien die Betriebskosten vom Wohnungseigentümervermieter in diesem Sinn aufgewendet worden. Auf den vorliegenden Fall bezogen meinen die Revisionsrekurswerber, dass die erst im Lauf des Jahres 2003 (nach Verlust des arbeitsgerichtlichen Prozesses) an den Hausbesorger entrichteten Zahlungen diesen Aufwand bewirkt hätten und daher dem Mieter als Betriebskosten des Jahres 2003 vorzuschreiben gewesen seien.

Dieser Ansicht ist jedenfalls für „Altmietverträge“, also solche, die vor Begründung von Wohnungseigentum geschlossen wurden, im Hinblick auf die Bestimmung des § 4 Abs 3 WEG zu widersprechen:

Ansprüche eines Mieters, die auf konkrete Leistungen des Vermieters gerichtet sind und deren unmittelbare Erfüllung eine Verfügungsberechtigung im weiteren Sinn über die gesamte Liegenschaft voraussetzt, wozu im Besonderen auch Abrechnungsansprüche zählen, kann der „Altmieter“ ungeachtet der Rechtsstellung des Wohnungseigentümers als Vermieter (§ 4 Abs 1 WEG) auch gegen die Eigentümergemeinschaft geltend machen. Dazu zählen insbesondere die Abrechnungsansprüche über Liegenschaftsaufwendungen (vgl 5 Ob 6/08f; Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht21 Rz 8 zu § 4 WEG; A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht Rz 14 zu § 4 WEG; ders, Wirkung der Wohnungseigentumsbegründung auf ein bestehendes Mietverhältnis, wobl 2002, 123 [127]).

Für die Verpflichtung zur Legung einer Betriebskostenabrechnung nach § 21 Abs 3 MRG besteht zufolge § 4 Abs 3 WEG eine solidarische Haftung sowohl des Wohnungseigentümervermieters als auch der Eigentümergemeinschaft (vgl 5 Ob 164/06p). Die Regelung des § 32 Abs 1 WEG ermöglicht eine solche den Bestimmungen des MRG entsprechende Abrechnung. Wenn ein vor Wohnungseigentumsbegründung geschlossener Hauptmietvertrag weiter besteht, sind nur die Beiträge zur Rücklage und die Kosten für die Erhaltung und Verbesserung nach der Regelung des § 32 Abs 1 erster Satz WEG von den einzelnen Wohnungseigentümern, also nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile, zu tragen, die übrigen Aufwendungen aber nach dem Aufteilungsschlüssel, der für das vor Wohnungseigentumsbegründung eingegangene Hauptmiet- oder Nutzungsverhältnis maßgeblich ist (§ 17 MRG).

Mit diesen Bestimmungen wollte der Gesetzgeber an der „Nahtstelle“ von MRG und WEG eine den Interessen der Beteiligten angemessen Rechnung tragende Regelung schaffen (vgl T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch aaO Rz 1 zu § 4 WEG).

Angesichts dieser Rechtslage kann sich die Erstantragsgegnerin also nicht auf die rechtliche Unmöglichkeit einer zeitgerechten Rechnungslegung iSd § 21 Abs 3 MRG berufen. § 21 Abs 3 MRG normiert dementsprechend auch keine Ausnahme für den vermietenden Wohnungseigentümer.

Richtig ist, dass der Eigentümergemeinschaft iSd § 4 Abs 1 WEG auch im Altmietverhältnis keine Vermieterposition zukommt und dass Vertragspartner, etwa hier des Hausbesorgers, die Eigentümergemeinschaft, nicht aber der einzelne Wohnungseigentümer ist. „Vom Vermieter aufgewendete Kosten“ iSd § 21 Abs 1 MRG sind notwendigerweise die von der Eigentümergemeinschaft als Wohnungseigentümergesamtheit aufgewendete Kosten für den Betrieb des Hauses insoweit und in jenem Ausmaß, als sie auf den Mieter des einzelnen Wohnungseigentümers nach den allein maßgeblichen Bestimmungen des MRG überwälzt werden dürfen. Auch der einzelne Wohnungseigentümer ist Teil der Eigentümergemeinschaft und wird von dieser in Verwaltungsangelegenheiten repräsentiert. Daher ist die von den Revisionsrekurswerbern vertretene Ansicht, die Betriebskosten müssten erst von der Eigentümergemeinschaft auf die einzelnen Wohnungseigentümer überbunden werden, damit sie jenen als „aufgewendet“ iSd § 21 Abs 1 MRG zuzurechnen wären, verfehlt. Ein neuer Fristenlauf für die Präklusion nach § 21 Abs 3 4. Satz MRG wird dadurch nicht in Gang gesetzt.

Dass für die Verpflichtung des Vermieters, Betriebskosten in die Abrechnung eines bestimmten Jahres aufzunehmen und damit für den Beginn der Präklusivfrist grundsätzlich die Fälligkeit der vom Vermieter zu erfüllenden Forderungen, nicht aber der Zeitpunkt der Zahlung maßgeblich ist, wurde unter Hinweis auf Lehre und Judikatur bereits im ersten Rechtsgang in 5 Ob 6/08f ausführlich (und bindend: § 511 Abs 1 ZPO; RIS-Justiz RS0007010) dargelegt. Auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung wäre nur abzustellen, wenn der Vermieter von der -von ihm im vorliegenden Fall auch einhaltbaren- Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, bis zum 31. 12. 2003 eine Ergänzung der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2002 vorzunehmen (5 Ob 6/08f).

Dass die Hausbesorgerentgelte zufolge § 7 Abs 1 Hausbesorgergesetz (iVm § 1154 Abs 2 ABGB) gegenüber der Eigentümergemeinschaft bereits im Jahr 2002 fällig wurden, zieht der Revisionsrekurs nicht in Zweifel.

Die Frage der Passivlegitimation der Eigentümergemeinschaft ergibt sich aus obigen Ausführungen und wurde wie auch die Frage der Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens bereits im ersten Rechtsgang zu 5 Ob 6/08f ebenfalls bindend geklärt.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.


Textnummer

E93500

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00242.09P.0211.000

Im RIS seit

05.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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