TE OGH 2010/2/11 5Ob209/09k

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Veröffentlicht am 11.02.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte Dr. Hurch, Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef O*****, vertreten durch Mag. Dr. Stephan Medwed, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei Christine Sch*****, vertreten durch Dr. Gerhard Strobich, Rechtsanwalt in Trofaiach, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Christian P*****, vertreten durch Dr. Herbert Gschöpf und Dr. Marwin Gschöpf, Rechtsanwälte in Velden am Wörthersee, wegen 5.658 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse 1.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 24. April 2009, GZ 1 R 280/08h-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 3. Juni 2008, GZ 6 C 116/07k-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei dessen mit 614,84 EUR (darin 102,47 EUR an 20 % USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger und der Nebenintervenient sind seit 1996 Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft, wobei der Kläger über 238/1000 und der Nebenintervenient über 762/1000 Anteile verfügt. Der Kläger bewohnt die mit seinen Anteilen verbundene Eigentumswohnung selbst, die sechs Wohnungen des Nebenintervenienten sind vermietet.

Die Beklagte ist aufgrund eines mit ihrem Rechtsvorgänger am 15. 12. 2000 abgeschlossenen und von ihr übernommenen Vertrags die bestellte Verwalterin der Liegenschaft. Bei Abschluss des Verwaltungsvertrags, der über Drängen des Klägers erfolgte, wurde zwischen dem Rechtsvorgänger der Beklagten und dem Nebenintervenienten als Mehrheitseigentümer mündlich vereinbart, dass die Hausreinigung und der Winterdienst aus Kostengründen weiterhin von den Hausbewohnern selbst durchgeführt werden sollen. Diese Regelung entsprach dem Wunsch des Nebenintervenienten, eine formelle Beschlussfassung der beiden Wohnungseigentümer fand darüber nicht statt. Der Kläger hatte dem Nebenintervenienten im Laufe des Jahres 2000 mitgeteilt, dass er den Winterdienst nicht mehr machen wolle. Er beschwerte sich im Dezember 2000 zweimal telefonisch beim damaligen Verwalter „wegen der Schneeräumung und Eisbekämpfung". Eine Änderung erfolgte jedoch nicht, an die Beklagte selbst wurden danach keinerlei Beschwerden im Zusammenhang mit der Schneeräumung mehr herangetragen. Die Hausreinigung und Schneeräumung wurde in den Folgejahren auf Grundlage eines Kehrplans und einer vom Nebenintervenienten verfassten Hausordnung von dessen Mietern, bei Bedarf auch vom Kläger erledigt.

Am 21. 1. 2006 rutschte der Kläger als Fußgänger innerhalb der Wohnhausanlage am Weg von seinem Garagenplatz zum Hauseingang auf einer vereisten Stelle aus, kam zu Sturz und zog sich Verletzungen zu.

Mit seiner Klage begehrt er Schadenersatz (Schmerzengeld, Heilbehandlung, Ersatz für beschädigte Gegenstände sowie unfallkausale Spesen), weiters die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftigen Schäden aus diesem Unfallereignis. Die Beklagte habe ihre Verwalterpflicht, für eine ordnungsgemäße Schneeräumung zu sorgen, missachtet. Mangels einer rechtswirksamen Beschlussfassung der Miteigentümer könne sie sich nicht auf die mit dem Nebenintervenienten vereinbarte Ausnahme des Winterdienstes vom Verwaltungsvertrag berufen, jedenfalls treffe sie aber ein Überwachungsverschulden.

Die Beklagte und der Nebenintervenient wandten ein, die Verwalterin sei aufgrund einer nach der anzuwendenden Rechtslage (§§ 13a und 13b Abs 4 WEG 1975) wirksamen Weisung des Mehrheitseigentümers zu keinerlei Aktivitäten in Bezug auf den Winterdienst verpflichtet gewesen. Der Kläger habe die ihm zustehende Möglichkeit einer Anfechtung der Mehrheitsentscheidung nicht in Anspruch genommen, sondern sich ihr unterworfen, indem er turnusmäßig den Winterdienst ausgeführt habe. Am Unfallstag wäre der Kläger nach dem Kehrplan selbst zur Schneeräumung eingeteilt gewesen. Er habe sich außerdem trotz Kenntnis besonderer Glatteisgefahr unachtsam verhalten.

Das Klagebegehren blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Erstgericht gelangte zu dem Ergebnis, die Räum- und Streupflicht sei überhaupt nicht Teil des Verwaltervertrags der Beklagten geworden. Der Kläger könne sich nach jahrelanger unwidersprochener Duldung der ihm bekannten Praxis nicht mehr auf eine allfällige Rechtsunwirksamkeit der Weisung des Nebenintervenienten an die Hausverwaltung berufen. Selbst wenn von einer mangels rechtsgültiger Beschlussfassung unbeachtlichen Weisung auszugehen wäre, könne die Beklagte nur eine Organisations- und Überwachungspflicht treffen, die sie mangels eines feststellbaren Anlasses für ein Einschreiten nicht verletzt habe.

Das Berufungsgericht billigte diese Rechtsausführungen des Erstgerichts und ergänzte, die Beklagte habe nach der bei Auftragserteilung im Jahr 2000 geltenden Rechtslage (WEG 1975 idF WRN 1999) von einer wirksamen, allenfalls nur mit einem für das Abstimmungsergebnis nicht kausalen Formfehler behafteten Mehrheitsentscheidung ausgehen dürfen. Dass diese Entscheidung mit einem unverhältnismäßigen Nachteil für den Kläger verbunden gewesen wäre, sei weder erkennbar noch behauptet worden. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob der Hausverwalter der Weisung eines Mehrheitseigentümers, keinen Winterdienst zu veranlassen, ohne Prüfung der zugrunde liegenden Willensbildung befolgen dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab:

Die Besorgung bzw Veranlassung des Winterdienstes gehört zur ordentlichen Verwaltung einer Liegenschaft (2 Ob 217/08p; 5 Ob 283/99z; 5 Ob 335/99x), die grundsätzlich nach § 18 Abs 1 WEG 2002 der Eigentümergemeinschaft zusteht. Ist ein Verwalter bestellt (§ 18 Abs 2 Z 1 leg cit), so ist dieser verpflichtet und befugt, alle Maßnahmen, die zur Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Guts dienen, zu besorgen, wobei Verwaltungshandlungen ebenso wie deren Unterlassung der Eigentümergemeinschaft zuzurechnen sind (5 Ob 206/07s).

Eine persönliche Haftung des Verwalters gegenüber Dritten, aber auch den einzelnen Wohnungseigentümern setzt eigenes, insbesondere Organisations- oder Auswahlverschulden voraus.

Der Kläger hat die Haftung der Beklagten in erster Linie mit einer Nichterfüllung ihrer Verwalterpflichten begründet. Die rechtliche Begründung der Vorinstanzen konzentrierte sich daher auf die Beurteilung des Umfangs der von der Beklagten übernommenen, im Innenverhältnis sowohl generell wie auch durch Weisungen beschränkbaren (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 20 WEG Rz 5 mwN; RIS-Justiz RS0083550) Verwaltungsaufgaben. Erkennbar (und unbekämpft) sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass sich der Unfall auf einem Teil der allgemeinen Flächen der Liegenschaft (Vorplatz zwischen Garage und Hauseingangstür) ereignete, für den wegen seiner gewöhnlichen Benützung als Gehweg grundsätzlich eine Räum- und Streupflicht bestand.

Dem vorliegenden Sachverhalt kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht entnommen werden, dass die Beklagte „keinen Winterdienst veranlasst" hätte. Das Thema Winterdienst wurde im Zuge der Verwalterbestellung nämlich ausdrücklich erörtert und dahin im Sinn einer faktischen Verwaltungshandlung gelöst, dass der Nebenintervenient erklärt hat, diese Arbeiten durch eigene Leute (nämlich seine einzelvertraglich zulässigerweise - vgl RIS-Justiz RS0070514 - dazu verpflichteten Mieter) gemeinsam mit dem zweiten Wohnungseigentümer zu übernehmen. Welche Gründe aus Sicht eines pflichtgemäß handelnden Verwalters gegen diese kostengünstige Lösung sprechen hätten sollen, ist nicht hervorgekommen, entsprach sie doch bereits einer jahrelangen Übung. Der festgestellte Sachverhalt unterscheidet sich damit aber wesentlich von der dem Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts zu Grunde liegenden Prämisse einer generellen vertraglichen Beschränkung des Aufgabenbereichs des Verwalters. Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung darf und muss der Verwalter auch ohne eine Beschlussfassung der Miteigentümer setzen (vgl Würth in Rummel ABGB³ § 24 WEG Rz 12; Kletecka, Die Beschlussfassung nach dem WEG 2002, wobl 2002, 143 [147]; ggt RV 989 BlgNR 21. GP, 3 sowie ohne nähere Begründung Prader, WEG 2.12 § 24 Rz 16 [www.rdb.at]).

Die getroffene Regelung des Reinigungs- und Winterdienstes durch Hausbewohner entband die Beklagte nicht von ihrer Verwalterpflicht, die tatsächliche ordnungsgemäße Durchführung ebenso in angemessener Weise zu überwachen, wie wenn sie ein Fremdunternehmen damit betraut hätte. Die - das Revisionsgericht bindenden - Feststellungen der Vorinstanzen lassen allerdings auch kein konkretes Versäumnis der Beklagten bei der Beachtung dieser Obliegenheit erkennen. Sie hat die Hausbewohner jedes Jahr eigens auf die Notwendigkeit, wieder einen bedarfsgerechten Winterdienstplan zu erstellen, hingewiesen. Da über sechs Jahre hinweg weder Änderungswünsche noch Beschwerden über eine unzulängliche Verrichtung des Winterdienstes gegenüber der Beklagten geäußert wurden - die darauf abzielenden Klagsbehauptungen fanden durch das Beweisverfahren keine Bestätigung -, gab es keinen Anlass für eine Änderung(-snotwendigkeit) der dem Anschein nach funktionierenden Organisation.

Der Lösung der vom Revisionswerber aufgeworfenen Rechtsfragen, die sich mit Fragen der wirksamen Willensbildung innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft und der Verbindlichkeit von Weisungen an den Verwalter befassen, kommt vor diesem Hintergrund nur theoretische, aber nicht die in § 502 Abs 1 ZPO für die Revisionszulässigkeit erforderliche entscheidungserhebliche Bedeutung zu (vgl RIS-Justiz RS0111271).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Nur die Nebenintervenientin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage und damit auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Die bloße Erwähnung versteckt mitten im Text der Revisionsbeantwortung ohne entsprechenden Zurückweisungsantrag ist hiefür nicht ausreichend (vgl 1 Ob 130/00z, 7 Ob 38/00i, 7 Ob 159/01k uam).

Textnummer

E93418

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00209.09K.0211.000

Im RIS seit

04.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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