Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Karl Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner T***** M*****, vertreten durch Hule Bachmayr-Heyda Nordberg Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 12a iVm § 46 Abs 2 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Mai 2009, GZ 39 R 2/09z-17, womit infolge Rekurses der Antragstellerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 27. Oktober 2008, GZ 48 Msch 9/08v-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 373,68 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 62,28 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin begehrt - soweit im Revisionsrekursverfahren noch relevant - die Feststellung, sie sei gemäß § 12a iVm § 46 Abs 2 MRG berechtigt, für das Bestandobjekt des Antragsgegners ab dem 1. 1. 2008 einen angemessenen monatlichen Nettomietzins von 6.000 EUR, in eventu einen angemessenen monatlichen Nettomietzins, mit dreiprozentiger Sprunggrenze, wertgesichert sowie zuzüglich Betriebskosten und Umsatzsteuer, zu verlangen. Zwar habe der Rechtsvorgänger und Vater des Antragsgegners gemäß § 12a Abs 8 MRG eine Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 25. 11. 2005 über die Höhe des angemessenen Mietzinses erwirkt und sein Unternehmen noch innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist dem Antragsgegner schenkungsweise übertragen, dieser Vorgang sei dem Vermieter jedoch nicht zur Kenntnis gebracht worden. Die Antragstellerin habe die Liegenschaft erst im Jahr 2007 käuflich erworben und sei an das Ergebnis des seinerzeitigen Schlichtungsverfahrens mangels rechtzeitiger Anzeige des Unternehmensübergangs nicht gebunden.
Der Antrag blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos.
Das Rekursgericht billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, wonach der Eintritt der Bindungswirkung nach § 12a Abs 8 MRG nach dem Gesetzeswortlaut lediglich die Veräußerung innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Entscheidung, aber nicht zusätzlich eine Anzeige an den Vermieter voraussetze. Eine gesonderte Verständigungspflicht sei auch nicht notwendig, weil die tatsächliche Veräußerung oder Verpachtung des Unternehmens ohnehin die Anzeigepflicht nach § 12a Abs 1 und 2 MRG auslöse. Eine Verletzung dieser Anzeigepflicht hindere jedoch (als Ordnungsvorschrift mit bloß deklarativer Bedeutung) nicht den Vertragsübergang, sondern begründe lediglich Schadenersatzansprüche. Sie könne auch nicht dazu führen, dass eine vorher ergangene Entscheidung des Gerichts oder der Gemeinde gemäß § 12a Abs 8 MRG unbeachtlich werde. Liege eine solche bindende Entscheidung vor und werde das Unternehmen innerhalb der Jahresfrist veräußert, könne der Vermieter den Hauptmietzins nur bis zu der vom Gericht bzw der Gemeinde festgesetzten Höhe anheben. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Verhältnis der Bestimmung des § 12a Abs 8 MRG zu dessen Abs 1 und 2 fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Antragsgegner beantwortete Revisionsrekurs der Antragstellerin betrifft - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) - keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG, weil sich die Rechtslage bereits anhand des klaren Gesetzeswortlauts und der bestehenden Rechtsprechung ermitteln lässt (vgl RIS-Justiz RS0118640). Die Antragstellerin zeigt in ihrem Rechtsmittel auch keine im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtseinheit aufzugreifende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen auf. Der Oberste Gerichtshof kann sich dabei gemäß § 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Veräußert der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zur Fortführung in diesen Räumen, so tritt nach § 12a Abs 1 MRG der Erwerber des Unternehmens anstelle des bisherigen Hauptmieters in das Hauptmietverhältnis ein. Sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber sind verpflichtet, die Unternehmensveräußerung dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Der Vermieter kann die Rechtsfolgen des durch die Unternehmensveräußerung herbeigeführten Eintritts des Erwerbers in das Hauptmietverhältnis ab dem der Unternehmensveräußerung folgenden Zinstermin geltend machen. Ist der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 MRG, so darf der Vermieter nach § 12a Abs 2 leg cit bis spätestens sechs Monate nach Anzeige der Unternehmensveräußerung die Anhebung des Hauptmietzinses bis zum zulässigen Betrag, jedoch unter Berücksichtigung der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit, verlangen.
Im Gegensatz zum Vertragsübergang (vgl RIS-Justiz RS0079159) im Zeitpunkt der Unternehmensveräußerung tritt die Mietzinsanhebung nicht ex lege ein, sondern setzt ein entsprechendes „Verlangen" innerhalb der Präklusivfrist von sechs Monaten ab Anzeige der Unternehmensveräußerung voraus. Die Ausübung des Gestaltungsrechts des Vermieters führt zur Vertragsanpassung und zu einem höheren vertraglich geschuldeten Mietzins. Das Recht zur Ausübung des Gestaltungsrechts kann nicht präkludieren, solange keine ordnungsgemäße Anzeige erfolgt ist, der Vermieter kann den Mietzins auch rückwirkend auf den dem Zeitpunkt des Eintritts der Änderung folgenden Zinstermin geltend machen (§ 12a Abs 2 MRG; 4 Ob 220/08v; Friedl, Zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers wegen unterlassener Anzeige nach § 12a Abs 3 MRG bei Vermieterwechsel, ecolex 2009, 656 ff).
Wegen der praktischen Schwierigkeiten, den sich nach § 16 Abs 1 iVm § 12a Abs 2 und 7 ergebenden Mietzins abzuschätzen, ermöglicht § 12a Abs 8 MRG dem Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit, der beabsichtigt, das im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zu veräußern oder zu verpachten, im voraus eine Entscheidung des Gerichts oder der Gemeinde die Höhe des nach § 16 Abs 1 und § 12a Abs 2 und 5 zulässigen Hauptmietzinses zu erwirken (Würth in Rummel ABGB³ II/5, § 12a MRG Rz 27). Diese Bestimmung dient der Rechtssicherheit und bindet nicht nur Altmieter und Vermieter, sondern auch den - im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht vorhandenen (unter Umständen überhaupt noch ungewissen) - Unternehmenserwerber bzw Pächter. Die Entscheidung ist gegenüber dem Vermieter rechtswirksam, wenn das Unternehmen innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung veräußert oder verpachtet wird.
Die Vorinstanzen haben aufgrund der ständigen Rechtsprechung zur bloß deklarativen Bedeutung der Anzeige nach § 12a Abs 1 MRG (vgl 5 Ob 93/09a mwN) und des klaren Gesetzeswortlauts die von der Antragstellerin vertretene Rechtsansicht, eine wegen Unternehmensveräußerung innerhalb eines Jahres ex lege eingetretene Bindungswirkung der Entscheidung nach § 12a Abs 8 MRG könne wieder verloren gehen, wenn die Anzeige gemäß Abs 1 leg cit nicht bzw verspätet erstattet wird, zutreffend verworfen. Die Anzeigepflicht nach § 12a Abs 1 MRG stellt nach ständiger Rechtsprechung eine bloße Ordnungsvorschrift dar, deren Verletzung Schadenersatzansprüche auslösen kann, aber nichts an der Wirksamkeit des Vertragsübergangs (vgl wobl 1988/34 = MietSlg 40.286; RIS-Justiz RS0079159; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 12a MRG Rz 33; Würth aaO Rz 16; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 § 12a MRG Rz 15) und damit auch nichts an dessen weiteren Rechtsfolgen ändert.
Veräußert der Vermieter die Liegenschaft, bewirkt dies nach § 1120 ABGB iVm § 2 Abs 1 MRG eine gesetzliche Vertragsübernahme auf Vermieterseite (Würth in Rummel, ABGB3 § 1120 Rz 1); der Inhalt des Schuldverhältnisses wird dadurch nicht geändert. Der Erwerber einer Liegenschaft hat die gleichen Rechte und Pflichten gegenüber dem Bestandnehmer wie sein Rechtsvorgänger (RIS-Justiz RS0021130 [T1]; RS0021158 [T2]). Durch die Bestimmung des § 2 Abs 1 MRG soll insbesondere verhindert werden, dass ein Hauptmieter durch bloße Rechtsnachfolge auf Vermieterseite um seine Rechte gebracht wird (vgl RIS-Justiz RS0109564). Der Erwerber ist nicht nur an vertragliche, sondern auch an die sich aus einer gerichtlichen Entscheidung erworbenen Rechtspositionen gebunden (vgl RIS-Justiz RS0021160) - sohin auch an die rechtskräftige Entscheidung der Schlichtungsstelle gemäß § 12a Abs 8 MRG, welche die Rechtsmittelwerberin unter Negierung dieser rechtlichen Gegebenheiten auch (in casu) bloß mit dem (freilich verfehlten) Argument bekämpft, hiezu hätte es in der genannten Gesetzesstelle neben dem „Vermieter" auch der Nennung dessen „(Einzel-)Rechtsnachfolgers" bedurft, was sich auch aus einem „Gegenschluss" daraus ergäbe, dass hierin wohl die Bindungswirkung auf Einzelrechtsnachfolger des Mieters, nicht aber auf solche des Vermieters „expliziert normiert" sei.
Eine Entscheidung nach § 12a Abs 8 MRG hat zwar feststellenden und (noch) nicht rechtsgestaltenden Charakter (vgl Hausmann/Vonkilch aaO § 12a MRG Rz 89; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 12a MRG Rz 30 ua); für eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Differenzierung bietet der vorliegende Fall aber keinen Anlass, weil hier der Rechtsübergang auf Vermieterseite ohnedies nicht nur nach Rechtskraft des Sachbeschlusses, sondern auch erst nach der die Bindungswirkung herbeiführenden Unternehmensveräußerung eingetreten ist.
Es bedarf auch keiner weiteren Begründung, dass eine die Höhe des zulässigen Mietzinses (und damit einer vertraglichen Hauptleistung) bestimmende behördliche Entscheidung selbst bei extensiver Interpretation nicht dem Begriff der vertraglichen Nebenabrede iSd § 2 Abs 1 MRG unterstellt werden kann. Das Streben des Revisionsrekurses, zumindest eine Gleichstellung der Entscheidung nach § 12a Abs 8 MRG mit einer (noch dazu ungewöhnlichen) Nebenabrede im Weg der Analogie herzustellen, muss schon daran scheitern, dass er keinen Anhaltspunkt für eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Regelungslücke aufzuzeigen vermag.
Der ordentliche Revisionsrekurs war somit mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG; der Antragsgegner hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
Textnummer
E93268European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00202.09F.0211.000Im RIS seit
27.04.2010Zuletzt aktualisiert am
02.05.2012