Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Andreas Wolfgang S*****, geboren am 8. Juli 2004, und der mj Herta Vanessa S*****, geboren am 4. April 2007, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 2 JN, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 9. 9. 2009, AZ 42 PS 56/09a, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Mödling wird genehmigt.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Zuständigkeit in der früher beim Bezirksgericht Steyr und beim Bezirksgericht Mattighofen anhängig gewesenen Pflegschaftssache wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 26. 1. 2009 übernommen, weil sich die beiden Minderjährigen mit ihrer Mutter im Frauenhaus Salzburg aufhielten. Der Vater stellte daraufhin am 18. 2. 2009 beim Bezirksgericht Salzburg den Antrag, ihm die (einstweilige) Obsorge über die beiden Minderjährigen zu übertragen. Die Mutter sprach sich in ihrer Stellungnahme gegen diesen Antrag aus und beantragte ihrerseits, dass ihr die alleinige Obsorge für die beiden Minderjährigen übertragen werde. Die vom Erstgericht angeforderte schriftliche Stellungnahme des Jugendwohlfahrtsträgers zu den Anträgen der Eltern liegt noch nicht vor. Die Mutter ist mit den beiden Kindern in der Folge in den Sprengel des Bezirksgerichts Mödling verzogen.
Mit Beschluss vom 9. 9. 2009 übertrug das Bezirksgericht Salzburg die Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache gemäß § 111 JN dem Bezirksgericht Mödling, weil die beiden Minderjährigen ihren Aufenthalt nunmehr im Sprengel dieses Gerichts hätten. Auch die Mutter beantragte die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Mödling, weil sie mit den Kindern nunmehr ihren Wohnsitz im Sprengel dieses Gerichts habe und sie dort auch vom Jugendwohlfahrtsträger betreut werde. Das Bezirksgericht Mödling lehnte die Übernahme der Pflegschaftssache unter Hinweis auf die noch offenen Obsorgeanträge der Eltern ab. Der Übertragungsbeschluss war den Parteien zunächst noch nicht zugestellt worden. Über Aufforderung des Obersten Gerichtshofs (10 Nc 19/09i) wurde die Zustellung nachgeholt. Die Parteien erhoben gegen den Übertragungsbeschluss kein Rechtsmittel, sodass nunmehr die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 111 JN vorliegen.
Die Übertragung der Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Mödling ist gerechtfertigt.
Gemäß § 111 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Pflegschaftssache an jenes Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt. Auch offene Anträge sind nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich kein Übertragungshindernis. Entscheidend ist immer das Wohl des Pflegebefohlenen, das nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu beurteilen ist (vgl Mayr in Rechberger, ZPO3 § 111 JN Rz 1 f mwN). Eine Entscheidung über den Obsorgeantrag durch das bisher zuständige Gericht ist aber nur dann sinnvoll, wenn das Gericht bereits über entsprechende Sachkenntnisse verfügt oder jedenfalls in der Lage ist, sich diese Kenntnisse leichter zu verschaffen als das andere Gericht. Nur dann ist es für den Pflegebefohlenen von Vorteil, dass das bisher zuständige Gericht über den Obsorgeantrag entscheidet. Im vorliegenden Fall sind die für die Entscheidung über den Antrag auf Übertragung der (einstweiligen) Obsorge notwendigen Erhebungen erst durchzuführen. Es ist daher weder ein besonderer Vorteil aus der weiteren Sachbearbeitung durch das bisherige Pflegschaftsgericht zu erwarten, noch sprechen Gründe des Kindeswohls dafür, dass die Pflegschaftssache weiterhin von diesem Gericht geführt werden soll. Den Interessen des pflegebefohlenen Kindes wird es vielmehr in der Regel entsprechen, wenn als Pflegschaftsgericht jenes Gericht tätig wird, in dessen Sprengel sein gewöhnlicher Aufenthalt und der Mittelpunkt seiner Lebensführung liegt (vgl RIS-Justiz RS0047300 [T1]).
Die Übertragung war daher zu genehmigen.
Anmerkung
E9312810Nc2.10sEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0100NC00002.10S.0212.000Zuletzt aktualisiert am
19.03.2010