Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Strohmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Bernhard Ü***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 22. Oktober 2009, GZ 13 Hv 117/09i-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bernhard Ü***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in der Nacht zum 26. Oktober 2006 in Micheldorf in mehreren Angriffen Nadine G***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, und zwar
1./ indem er nach einem gemeinsamen Sturz auf Nadine G***** zu liegen kam, diese festhielt, in weiterer Folge an mehreren Körperstellen biss und mit der flachen Hand gegen den Oberschenkel schlug, trotz deren durch Kratzen, Wegdrücken und Wegdrängen geleisteten Widerstands am Oberkörper und Unterkörper entkleidete und gegen ihren Willen und Widerstand an ihr den Geschlechtsverkehr vollzog,
2./ indem er weiters Nadine G***** gegen ihren Willen durch Festhalten und Ziehen an ihrem Handgelenk ins Schlafzimmer verbrachte und dort an der durch die vorangehenden Tathandlungen eingeschüchterten Frau neuerlich gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr vollzog,
3./ indem er einige Zeit danach Nadine G***** neuerlich am Handgelenk erfasste und ins Schlafzimmer verbrachte und neuerlich gegen ihren Willen an der durch die vorangegangenen Gewaltanwendungen eingeschüchterten Frau den Geschlechtsverkehr vollzog.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.
Die Verfahrensrüge (Z 4) scheitert bereits daran, dass der vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellte Antrag auf „Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens über die Verantwortung des Angeklagten" (ON 32, S 26) nicht einmal ein Beweisthema enthielt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327).
Im Übrigen kann die richterliche Beweiswürdigung prinzipiell nicht Gegenstand eines Sachverständigengutachtens sein. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Angeklagten oder eines Zeugen ist vielmehr „ureigenste" Aufgabe des Gerichts und nicht des Sachverständigen (Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 9). Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit kommt die Hilfestellung durch einen psychologischen oder psychiatrischen Sachverständigen nur in jenen Ausnahmsfällen in Betracht, in denen objektive Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung, Entwicklungsstörung oder für sonstige Defekte indiziert sind (vgl RIS-Justiz RS0097364 [T6]; Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 8; Lendl, WK-StPO § 258 Rz 23; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350). Umstände hingegen, die bloß für oder gegen die Glaubwürdigkeit oder Verlässlichkeit eines Vernommenen sprechen, unterliegen ausschließlich der Beweiswürdigung durch das Gericht (RIS-Justiz RS0097364 [T2]; Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 9).
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider wird mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz kein Begründungsmangel dargetan. Einer Erörterung des Fehlens von Sekret- oder DNA-Spuren des Angeklagten bedurfte es schon in Hinblick darauf nicht, dass dieser einen Geschlechtsverkehr mit dem Tatopfer zugestand. Soweit die Beschwerde rügt, dass die Tatrichter der Verantwortung des Angeklagten zur subjektiven Tatseite keinen Glauben geschenkt haben, kritisiert sie in unzulässiger Form die Beweiswürdigung.
Mit der Behauptung, im Urteil seien zur zweiten und dritten Tat keine Gewalthandlungen festgestellt worden, vernachlässigt die Beschwerde die Konstatierungen, dass der Angeklagte das Opfer „fest" bzw „schroff" am Handgelenk packte und ins Schlafzimmer zog (US 6, 7).
Mit der Behauptung, dass der Angeklagte aufgrund des - im Ersturteil erörterten (US 3) - Kennenlernens der Nadine G***** über eine „Bilder mit erotischem Einschlag" beinhaltende Internetplattform auf deren Freiwilligkeit hinsichtlich eines Geschlechtsverkehrs mit ihm schließen habe können, bekämpft die Beschwerde erneut die Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung.
Die Feststellungen zur Kenntnis des Angeklagten, dass G***** mit ihm keinen Geschlechtsverkehr durchführen wollte, blieben nicht unbegründet, sondern wurden vom Schöffengericht mängelfrei in erster Linie auf die konstatierten Äußerungen des Opfers gestützt (US 15).
Dass G***** nach der Tat zunächst in ihre Wohnung und dann „unmittelbar darauf" zu ihrer Freundin ging (US 13), steht zu den Feststellungen über den Zeitablauf (US 8) nicht in Widerspruch, wird damit doch ersichtlich nur zum Ausdruck gebracht (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19), dass sie nach dem Verlassen ihrer Wohnung ohne Zwischenstation ihre Freundin aufsuchte.
Feststellungen darüber, „in welcher Intensität (mit jeweiliger Ejakulation?) der Verkehr vollzogen wurde, wie lange die einzelne conjunctio membrorum andauerte und welche zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Tathandlungen lagen bzw über welchen Zeitraum sich die drei Tathandlungen erstreckten", bedurfte es schon deshalb nicht, weil zur Verwirklichung des Tatbestands nach § 201 Abs 1 StGB das zumindest teilweise Eindringen des männlichen Glieds in das weibliche Geschlechtsorgan genügt und es nicht entscheidend ist, ob es dabei zu einem Samenerguss kommt (Schick in WK2 § 201 Rz 20). Mit der Behauptung, dies wäre zur Beurteilung der Verantwortung des Angeklagten, er sei nach einer Ejakulation zu einem weiteren Geschlechtsverkehr nicht fähig, nötig gewesen, bekämpft die Beschwerde wiederum nur die Beweiswürdigung.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet das Fehlen von Feststellungen zur Art der vom Angeklagten eingesetzten Gewalt, vernachlässigt dabei aber die detaillierten Konstatierungen US 5 („der 102 kg schwere Angeklagte, der ... auf ihr lag", „weil sie von Ü***** ... festgehalten wurde", „biss sie ... mehrmals bei der Brust sowie beim Oberschenkel", „schlug sie mit der flachen Hand auf den Oberschenkel", „weiter festhielt"), US 6 und 7 (siehe oben zur Mängelrüge).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung der Verteidigung - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E93253European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0150OS00003.10W.0217.000Im RIS seit
27.04.2010Zuletzt aktualisiert am
28.04.2010