Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Strohmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Mario R***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Geschworenengericht vom 10. September 2009, GZ 15 Hv 31/09z-197, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen einen Beschluss nach § 271 Abs 7 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mario R***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 29. Jänner 2007 in K***** mit Gewalt gegen eine Person sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern, indem er den Bankangestellten Heribert K***** unter Vorweisen eines Messers an beiden Armen mit Handschellen fesselte, ihn zur Öffnung einer Kassa und zur Ausfolgung der Tresorschlüssel zwang und sodann 95.730 Euro Bargeld an sich nahm, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte.
Mit Beschwerde bekämpft der Angeklagte zunächst die Abweisung seines Antrags auf „Ergänzung des Protokolls" der Hauptverhandlung vom 10. September 2009 (ON 200) durch Beschluss des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts vom 12. November 2009 (ON 203).
Das Hauptverhandlungsprotokoll ist gemäß § 271 Abs 7 StPO zu ergänzen oder zu berichtigen, soweit erhebliche Umstände oder Vorgänge zu Unrecht nicht erwähnt oder unrichtig wiedergegeben wurden. Erheblich sind Umstände oder Vorgänge dann, wenn sie für die Beurteilung entscheidungswesentlicher Umstände von Bedeutung sein können. Eine Erheblichkeit der vom Beschwerdeführer im Protokoll vermissten - nicht die Sachverhaltserhebung betreffenden - Bemerkungen des Vorsitzenden und eines beisitzenden Richters während der Hauptverhandlung sowie einer nicht näher konkretisierten, angeblich zurückgewiesenen Frage eines Geschworenen ist nicht ersichtlich und wird von der Beschwerde auch nicht dargetan, weshalb ihr der Erfolg zu verwehren war (vgl Danek, WK-StPO § 271 Rz 44 ff).
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 8, 12 und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Sie verfehlt ihr Ziel.
Die Instruktionsrüge (Z 8) bemängelt eine unvollständige Rechtsbelehrung im Hinblick darauf, dass sich der Vorsatz des Täters auch auf die Verwendung einer Waffe erstrecken müsse.
Die den Geschworenen erteilte Rechtsbelehrung führt zu diesem Punkt aus, dass der erforderliche Vorsatz „im Augenblick des tatbildlichen Verhaltens vorhanden sein" und „sich auf alle Tatbildmerkmale beziehen" muss. „Vorsatz bedeutet Verwirklichen-Wollen eines Sachverhalts, der der Tatschilderung des Gesetzes entspricht" (ON 196/S 43; vgl auch den gegebenen Hinweis auf die Möglichkeit, das Begehungsmittel der Drohung aus der Hauptfrage zu streichen, wenn „die Verwendung des Messers dem Angeklagten nicht zuzurechnen" sei; S 45). Welche weitere Belehrung über diese - auch von der Beschwerde zugestandenen Ausführungen - erforderlich wäre, um eine Irreführung der Geschworenen zu vermeiden, vermag die Nichtigkeitsbeschwerde nicht anzugeben.
Die Rechtsrüge (Z 12) behauptet, das im Wahrspruch festgestellte Vorweisen des Messers als Element der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben sei kein „Verwenden einer Waffe" im Sinne des Gesetzes, ohne diese - herrschender Lehre und Rechtsprechung entgegenstehende (Eder-Rieder in WK² § 143 Rz 12; RIS-Justiz RS0093846; RS0093914; RS0093850) - Rechtsansicht methodisch aus dem Gesetz oder höchstgerichtlicher Judikatur zu entwickeln. Solcherart verfehlt das Vorbringen die gebotene Orientierung am Verfahrensrecht.
Die Sanktionsrüge (Z 13 erster Fall) ortet einen Verstoß gegen § 39 StGB, weil Haftstrafen als erschwerend gewertet worden wären, die nicht in den letzten fünf Jahren vor der jetzigen Tat verbüßt wurden. Der Beschwerdeführer übersieht dabei, dass das Gesetz nicht „zwei Straftaten in den letzten fünf Jahren" verlangt, sondern dass nach der klaren Anordnung des § 39 Abs 2 StGB bloß Strafen außer Betracht bleiben, bei denen seit ihrer Verbüßung bis zur folgenden Tat mehr als fünf Jahre vergangen sind (vgl Flora in WK2 § 39 Rz 32). Da dies vorliegend nicht der Fall ist (vgl die Strafregisterauskunft ON 191), hat das Erstgericht das Vorliegen der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall zutreffend angenommen.
Auf die Eingabe des Angeklagten, datiert mit 4. Februar 2010, war nicht weiter einzugehen, weil die StPO nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde kennt (§ 285 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0100172; RS0100175). Das darin erstattete Vorbringen bietet auch keinen Anlass für ein amtswegiges Vorgehen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1 StPO, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E93249European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0150OS00191.09S.0217.000Im RIS seit
26.04.2010Zuletzt aktualisiert am
28.04.2010