Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Strohmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Danijela O***** wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. August 2009, GZ 122 Hv 50/09f-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Seidl, und des Verteidigers Dr. Toms zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem freisprechenden Teil und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Danijela O***** des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie (zu ergänzen: in Wien) die ihr in ihrer Eigenschaft als Buchhalterin der Firma Peter M*****, mithin durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht und dem genannten Unternehmen einen 3.000 Euro übersteigenden Schaden zugefügt, dass sie „Überweisungen vom Firmenkonto des Peter M***** auf ihre Privatkonten tätigte und doppelt bezahlte Rechnungen der Firmen D***** und G***** auf ihr Privatkonto rücküberwies", und zwar
1./ von 17. Oktober 2007 bis 8. Mai 2008 auf das Konto ***** der E***** insgesamt 20.561,84 Euro;
2./ von 12. Dezember 2007 bis 8. Mai 2008 auf das Konto ***** der B***** insgesamt 7.489,01 Euro;
3./ von 23. November 2007 bis 14. Dezember 2007 auf das Konto ***** der B***** insgesamt 900,10 Euro.
Von der weiteren Anklage, sie habe mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Kunden der Firma Peter M***** durch die Übermittlung von Rechnungen und Geschäftsbriefen dieses Unternehmens, in denen unter den Kontodaten ihre privaten Kontonummern angeführt waren bzw dadurch, dass sie den Kunden per Fax oder auch telefonisch ihre privaten Kontonummern als neues Firmenkonto mitteilte, mithin durch Täuschung über Tatsachen, teilweise unter Verwendung eines falschen Beweismittels, zur Überweisung nachgenannter Rechnungsbeträge der Firma Peter M***** auf ihre Privatkonten, mithin zu Handlungen verleitet, wodurch Verfügungsberechtigte der Firma Peter M***** in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen geschädigt worden seien bzw geschädigt hätten werden sollen, und zwar
I./ von 23. Oktober 2007 bis 5. Juni 2008 auf das Konto ***** bei der E***** insgesamt 18.215,98 Euro;
II./ von 24. Oktober 2007 bis 29. Mai 2008 auf das Konto ***** der B***** insgesamt 37.226,43 Euro;
III./ von 24. Jänner 2008 bis 12. Juni 2008 auf das Konto ***** der B***** insgesamt 7.761,46 Euro und
IV./ am 12. Juni 2008 auf das Konto ***** der B***** Überweisungen in der Höhe von 3.096,97 Euro, wobei diese von der Bank rücküberwiesen wurden und es daher beim Versuch blieb,
wurde Danijela O***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Während der Schuldspruch unangefochten in Rechtskraft erwuchs, bekämpft die Staatsanwaltschaft Wien den Freispruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und Z 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; diese ist im Recht.
Nach den hier wesentlichen Urteilskonstatierungen war die Angeklagte von März 2007 bis Juni 2008 in Wien bei der Firma Peter M***** beschäftigt. Sie führte ua allein und selbständig die Buchhaltung im Unternehmen und war für Überweisungen alleine zuständig, dh ihr war seitens des Firmeninhabers die Befugnis erteilt worden, über das Firmenkonto zu verfügen, wobei sie diese Befugnis lediglich zu Firmenzwecken, insbesondere zu ihr vom Firmeninhaber aufgetragenen Überweisungen, ausüben durfte. Im Zeitraum von Oktober 2007 bis Mai 2008 nahm die Angeklagte die im Schuldspruch näher bezeichneten (Rück-)Überweisungen vom Firmenkonto auf ihre eigenen Privatkonten vor und nicht - wie vom Firmeninhaber zum Teil ausdrücklich angeordnet - auf die jeweiligen Geschäftskonten der Firmen D***** und G*****. Aus diesen Überweisungen ergab sich für die Firma M***** ein Gesamtschaden von 28.950,95 Euro.
Darüber hinaus setzte die Angeklagte weitere - vom Erstgericht als Betrug gewertete - Schädigungshandlungen zum Nachteil der Firma M*****. Sie fügte auf vom Unternehmen ausgestellten Rechnungen ihre privaten Kontonummern anstelle der Firmenkontonummer ein, wobei die Gestaltung so war, dass das Privatkonto einem Dritten als Firmenkonto erscheinen musste. Zum Teil teilte die Angeklagte auch den Geschäftspartnern ihre private Kontonummer mit. Tatsächlich wurden von den Drittfirmen Überweisungen auf die Privatkonten der Angeklagten vorgenommen. Dadurch wurde das Einzelunternehmen M***** in der Höhe der überwiesenen Beträge (insgesamt 63.203,87 Euro) geschädigt. Bei den letzten beiden Überweisungen in der Höhe von insgesamt 3.096,67 Euro blieb es beim Versuch, weil diese von der kontoführenden Bank wieder rücküberwiesen wurden.
Insgesamt erwuchs der Firma M***** ein Schaden von 92.154,82 Euro.
Die Angeklagte handelte jeweils bewusst und gewollt, wobei der Vorsatz auch den eingetretenen Schaden umfasste. Sie war sich bewusst, dass sie sich durch die von den Drittfirmen durchgeführten Überweisungen unrechtmäßig bereicherte und wollte dies auch. Sie handelte, um sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Nach Aufdeckung der beschriebenen Malversationen zahlte die Angeklagte sodann noch vor Anzeigeerstattung insgesamt 88.870,53 Euro an Peter M***** zurück. Lediglich ein Betrag von 3.284,29 Euro blieb, obwohl von M***** gefordert, unberichtigt, weil die Angeklagte irrtümlich davon ausging, bereits alle rechtswidrig erlangten Beträge rücküberwiesen zu haben.
Am 17. Juni 2008 erstattete Peter M***** Anzeige gegen die Angeklagte, wodurch die Strafverfolgungsbehörde erstmals vom strafbaren Verhalten der Angeklagten erfuhr.
Unter Heranziehung des § 1416 ABGB rechnete das Erstgericht die geleistete Schadensgutmachung auf den Betrugsschaden an und billigte der Angeklagten diesbezüglich tätige Reue gemäß § 167 StGB zu.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit b - richtig: lit a [Ratz, WK-StPO § 281 Rz 562]) der Staatsanwaltschaft auf, dass dem Urteil Feststellungsmängel anhaften, die die abschließende rechtliche Beurteilung der Frage, ob der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue vorliegt, hindern.
Denn trotz in der Hauptverhandlung vorgekommener Indizien fehlt es an Konstatierungen darüber, ob die der Angeklagten vorgeworfenen Taten auf einen einheitlichen Willensentschluss der Täterin zurückzuführen sind. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich - worauf die Anklagebehörde zu Recht hinweist - schon aus der zeitlichen Nähe und dem sachlichen und persönlichen Bezug der Angriffshandlungen sowie aus der Verantwortung der Angeklagten selbst, die zwischen Betrugs- und Untreuehandlungen nicht unterschied (siehe insbesondere die in der Hauptverhandlung vorgetragene Niederschrift ON 2/S 27 ff), wobei sich die vom Erstgericht getroffene Wertung der Freispruchfakten als Betrug überdies als rechtlich verfehlt erweist (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 146 StGB Rz 155).
Die vermisste Feststellung ist von entscheidender Bedeutung, weil bei mehreren in bestimmter Weise zusammenhängenden Handlungen eines Täters die Gutmachung des gesamten Schadens erforderlich ist. Der Begriff „Tat" bezeichnet in § 167 StGB nämlich nicht (wie in § 1 StGB) die Voraussetzung strafbaren Verhaltens und der Sanktionierung, sondern im Zusammenhang mit einer (mannigfachen Interessen nachkommenden) Strafaufhebungsnorm die Schadensursache. Bei Vorliegen einer Faktenmehrheit, die auf einen einheitlichen Willensentschluss des Täters zurückgeht, kommt daher tätige Reue nur dann in Betracht, wenn der gesamte Schaden gutgemacht wurde (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 167 Rz 66, 68 und 69 mwN; SSt 50/18). Dabei spielt die Frage, ob die einzelnen Handlungen rechtlich unterschiedlich zu beurteilen sind, keine Rolle. Maßgeblich ist ausschließlich, ob die Angeklagte alle ihr vorgeworfenen Handlungen, durch die sie sich rechtswidrig Geldbeträge ihres Dienstgebers aneignete, aus einem - auf vorausgegangener konkreter Planung des Verhaltens beruhendem (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 167 Rz 70) - einheitlichen Willensentschluss verübte (RIS-Justiz RS0090642, RS0117252; SSt 50/18; 12 Os 10/09a; Rainer SbgK § 167 Rz 19).
Explizite Feststellungen zum allfälligen Vorliegen eines einheitlichen Willensentschlusses haben die Tatrichter - wenngleich sie die Möglichkeit des Vorliegens eines solchen eingeräumt haben (US 13) - nicht getroffen, weil sie die irrige Ansicht vertraten, dass bei Taten, die verschiedenen rechtlichen Kategorien zuzuordnen sind und die nicht im Verhältnis des § 29 StGB zueinander stehen, die Voraussetzungen der tätigen Reue getrennt zu prüfen seien (US 13).
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem freisprechenden Teil und demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.
Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Textnummer
E93246European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0150OS00174.09S.0217.000Im RIS seit
26.04.2010Zuletzt aktualisiert am
20.10.2011