Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Theresia H*****, 2.) Ulrike H*****, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Danica P*****, vertreten durch Dr. Christine Wolf, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. Juli 2009, GZ 40 R 52/09g-35, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 23. Februar 2009, GZ 30 C 182/08i-29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung allenfalls nach Verfahrensergänzung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Ehegatte der Beklagten war seit 1973 bis zu seinem Tod im Jahr 2007 Mieter einer Wohnung in einem Haus der beiden Klägerinnen. Nach seinem Tod trat die Beklagte in seine Mietrechte ein. Ihr Ehegatte hatte im Jahre 1977 ohne Genehmigung der Hausverwaltung eine Dusche in die Wohnung eingebaut, die mangels Horizontalisolierung und eines Wandhochzugs nicht sachgemäß ausgeführt war. Es kam zu Nassschäden in der Nachbarwohnung und zu einem ersten Aufkündigungsverfahren, das jedoch zu keinem Erfolg führte.
In einem weiteren Verfahren wurde der verstorbene Ehegatte der Beklagten auf Entfernung der Dusche geklagt. Während dieses Verfahrens ließ der Ehegatte im Jahr 2006 die Dusche erneuern, allerdings wieder nicht in einer dem Stand der Technik entsprechenden Weise, weil die Isolierung des Bodens mangelhaft blieb. In diesem Streitverfahren wurde ein Sachverständiger beigezogen, der in der Wohnung der Beklagten die Dusche begutachtete. Der Sachverständige stellte dabei Anfang 2007 fest, dass die erforderliche Isolierung nach wie vor fehlte. Die Beklagte, die über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt, um sich in Alltagssituationen zu verständigen, hörte den Ausführungen des Sachverständigen zu. Teilweise wurden sie ihr auch übersetzt. Es war der Beklagten im Zeitpunkt der etwa drei Monate danach zugestellten Aufkündigung bewusst, dass die Dusche mangels ausreichender Feuchtigkeitsisolierung undicht ist. Sie hatte auch Kenntnis davon, dass bereits in der Vergangenheit Wasser aus der Dusche ausgetreten war und die Nachbarwohnung beschädigt hatte. Ferner war ihr bewusst bzw hätte ihr bewusst sein müssen, dass das Austreten von Wasser aufgrund einer mangelhaften Isolierung der Dusche eine Substanzschädigung im Haus bewirken kann. Dennoch hat die Beklagte die mangelhafte Dusche nicht entfernt, obwohl sie dies mehrmals in Aussicht stellte.
Die hier maßgebliche Aufkündigung stützen die Klägerinnen auf den erheblich nachteiligen Gebrauch des Mietobjekts wegen der unsachgemäß eingebauten Dusche und der gravierenden Nassschäden bzw der Gefahr weiterer Substanzschäden. Diese Gefahr sei der Beklagten auch bewusst gewesen.
Die Beklagte bestritt und wendet im Wesentlichen ein, dass die Dusche mit Zustimmung der Hausverwaltung eingebaut und durch eine neue Dusche ersetzt worden sei. Diese sei sachgerecht installiert worden. Es seien keine Schäden zu befürchten. Sie sei auch bereit, die Dusche entfernen zu lassen.
Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung als wirksam. Es ging rechtlich davon aus, dass der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG verwirklicht sei. Durch den unsachgemäßen Einbau der Dusche bestehe die Gefahr einer Substanzschädigung. Dies sei der Beklagten auch bewusst gewesen.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil dahin ab, dass es die Aufkündigung vom 5. 6. 2008 aufhob und das Begehren auf Übergabe der Wohnung abwies. Es deutete zwar Bedenken gegen die von der Beklagten bekämpften Feststellungen des Erstgerichts an, meinte aber, aus rechtlichen Gründen nicht darauf eingehen zu müssen, zumal selbst auf der Grundlage dieser Feststellungen der Nachweis einer „Vertrauensunwürdigkeit" der Beklagten nicht erbracht worden sei. Die Beklagte sei trotz ihres Anbots zur Entfernung oder Sanierung der Dusche gar nicht dazu aufgefordert worden.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage als nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision der Klägerinnen ist zulässig und auch berechtigt.
I. Das Berufungsgericht vertritt im Ergebnis die Rechtsauffassung, dass dann, wenn im Bestandobjekt substanzschädigende Einbauten vorhanden sind und der Mieter diese Einbauten in Kenntnis der Gefahr der Substanzschädigung belässt, nur dann Vertrauensunwürdigkeit bestehe, wenn der Mieter vom Vermieter ausdrücklich aufgefordert wird, die Einbauten zu entfernen. Diese Rechtsauffassung weicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab.
II. Nach ständiger Rechtsprechung wird der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG im Sinne eines erheblichen nachteiligen Gebrauchs auch durch den unsachgemäßen, eine Substanzgefährdung bewirkenden Einbau einer Dusche ohne entsprechende Isolierung verwirklicht (RIS-Justiz RS0070359 mzwN, 8 Ob 96/04g; zuletzt 8 Ob 36/09s; allgemein zur bloßen Substanzgefährdung RIS-Justiz RS0068076). Für den Verlust der Vertrauenswürdigkeit wird in diesem Zusammenhang nicht vorausgesetzt, dass sich der Mieter schuldhaft verhalten hat, aber doch, dass ihm die Schädlichkeit seines Verhaltens bewusst war oder bewusst sein musste (RIS-Justiz RS0070433; 1 Ob 17/00y; 8 Ob 96/04g; 8 Ob 36/09s). Dabei ist das Vorliegen des Kündigungsgrundes grundsätzlich bezogen auf den Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung vorzunehmen (8 Ob 36/09s, 8 Ob 96/04g; Frauenberger in Rechberger ZPO3 § 561 Rz 3).
III. Im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung waren nach den Feststellungen sämtliche Voraussetzungen für die Kündigung vorhanden. Es war der Beklagten bewusst, dass die Dusche mangels ausreichender Feuchtigkeitsisolierung undicht ist. Sie hatte auch Kenntnis davon, dass bereits in der Vergangenheit Wasser aus der Dusche ausgetreten war und die Nachbarwohnung beschädigt hatte. Ferner war ihr bewusst bzw hätte ihr bewusst sein müssen, dass das Austreten von Wasser aufgrund einer mangelhaften Isolierung der Dusche eine Substanzschädigung im Haus bewirken kann. Dennoch hat die Beklagte die mangelhafte Dusche nicht entfernt, obwohl sie dies mehrmals in Aussicht stellte. Damit ist aber - geht man von den erstgerichtlichen Feststellungen aus - der Kündigungsgrund verwirklicht. Dass der Einbau der Dusche nicht von der Beklagten, sondern von ihrem Ehegatten veranlasst wurde, ändert daran nichts.
IV. Das Berufungsgericht hat allerdings eine Behandlung der gegen diese Feststellung gerichteten Beweisrüge der Beklagten unterlassen.
Aus diesem Grund war daher das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung, allenfalls nach Verfahrensergänzung, aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Textnummer
E93291European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0080OB00138.09S.0218.000Im RIS seit
28.04.2010Zuletzt aktualisiert am
12.12.2012