Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20-22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.827,06 EUR sA (Streitwert gemäß § 10 Z 6b RATG: 4.500 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 16. April 2009, GZ 21 R 127/09p-33, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Schwechat vom 16. Jänner 2009, GZ 2 C 677/07p-27, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 373,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Gerhard S***** nahm bei der Beklagten am 26. 6. 1992 einen Kredit in Höhe von 200.000 ATS auf, dessen Rückzahlung in Raten beginnend ab 20. 9. 1992 erfolgen sollte. Zinsen wurden mit 10,5 % p.a. kontokorrentmäßig vereinbart. Im Kreditvertrag ist folgende Zinsanpassungsklausel vereinbart:
„Der Kreditgeber ist berechtigt, die vereinbarten Konditionen entsprechend den jeweiligen Geld-, Kredit- und Kapitalmarktverhältnissen zu ändern. Eine solche Änderung kann eintreten, zB durch Erhöhung der Einlagenzinssätze, der Bankrate oder der Kapitalmarktrendite oder durch kredit- und währungspolitische Maßnahmen hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft, des Kreditvolumens, der Mindestreserven oder durch Änderungen der Bestimmungen über die Verzinsung von geförderten Krediten."
Der Kreditnehmer leistete die monatlichen Ratenzahlungen in der vereinbarten Höhe und tilgte die Kreditverbindlichkeit zur Gänze am 4. 10. 2000. Er sah am 12. 2. 2004 im ORF die Sendung „Gut beraten Österreich - Konsumentenmagazin", in der darüber berichtet wurde, dass mehrere Banken Kreditzinsen nicht korrekt abrechnen würden. Der Kreditnehmer besuchte kurz danach aufgrund eines Hinweises in dieser Sendung die Homepage des Vereins für Konsumenteninformation und erhielt dadurch weitere Informationen zum Thema. Aufgrund dessen erteilte er der Klägerin den entgeltlichen Auftrag, die Kreditzinsen seines Vertrags nachzurechnen. Mit Schreiben vom 7. 6. 2004 teilte ihm die Klägerin als Ergebnis ihrer Überprüfung mit, dass die Beklagte keine korrekte Zinsanpassung durchgeführt habe. Er habe 2.827,06 EUR an Kreditzinsen zu viel bezahlt.
Mit der am 16. 4. 2007 bei Gericht eingelangten Klage begehrt die in § 29 KSchG genannte Klägerin die Zahlung von 2.827,06 EUR sA. Dieser Anspruch sei ihr vom Kreditnehmer am 26. 3. 2007 zur Geltendmachung gegenüber der Beklagten abgetreten worden. Die vorliegende Zinsanpassungsklausel verstoße insbesondere gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG aF. Die Rückforderung zu viel bezahlter Zinsen werde sowohl aus dem Titel der Bereicherung als auch aus jenem des Schadenersatzes geltend gemacht. Der Kreditnehmer habe erst durch die Vergleichsberechnung der Klägerin vom 7. 6. 2004 mit dem an ihn gesandten Informationsschreiben vom selben Tag Kenntnis vom ihm entstandenen Schaden erlangt, sodass die Verjährung des Anspruchs erst mit dem Zeitpunkt des Zugangs dieses Schreibens an ihn zu laufen begonnen habe.
Die Beklagte wandte, soweit im Rekursverfahren wesentlich, zusammengefasst gegen das Klagebegehren ein, dass sie kein Verschulden treffe, weil sie darauf vertrauen habe dürfen, dass die vereinbarte Zinsanpassungsklausel gesetzeskonform sei. Im Übrigen seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte rechtlich aus, dass dem Kreditnehmer die Problematik unrichtig berechneter Kreditzinsen seit Februar 2004 bekannt sei, sodass die geltend gemachten Ansprüche im Zeitpunkt der Einbringung der Klage bereits verjährt gewesen seien.
Das Berufungsgericht hob über Berufung der Klägerin dieses Urteil auf. Rechtlich führte es aus, dass der von der Klägerin geltend gemachte bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch verjährt sei. Dies gelte jedoch nicht für den auf Schadenersatz gestützten Rückforderungsanspruch. Die Verjährungsfrist für schadenersatzrechtliche Ansprüche habe nicht bereits mit dem 12. 2. 2004 begonnen, als der Kreditnehmer die Fernsehsendung über nicht korrekt abgerechnete Zinsen gesehen habe. Der Kreditnehmer habe den Kredit bereits im Jahr 2000 zurückbezahlt, sodass ihm die Problematik einer allenfalls unrichtigen Zinsenabrechnung zunächst nicht so bedeutend erschienen sei. Er sei aber seinen Erkundigungspflichten nachgekommen, weil er sich unmittelbar im Anschluss an diese Fernsehsendung Informationen beschafft und der Klägerin in der Folge den entgeltlichen Auftrag erteilt habe, seine Kreditabrechnung zu überprüfen. Diesem Auftrag sei die Klägerin in angemessener Frist nachgekommen, sodass es auch auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung durch den Kreditnehmer an sie nicht ankomme. Die Verjährungsfrist sei daher mit dem Schreiben der Klägerin am 7. 6. 2004 in Gang gesetzt worden, sodass eine Verjährung schadenersatzrechtlicher Ansprüche noch nicht eingetreten sei. Ausgehend davon werde das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren Grund und Höhe des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs zu prüfen haben.
Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil die Frage des Beginns der Verjährungsfrist bei Zinsenschäden aus unkorrekt abgerechneten Krediten aus Gründen der Rechtssicherheit einer abschließenden Klärung bedürfe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Klägerin beantragt, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig (§ 526 Z 2 ZPO). Die Rechtsmittelwerberin vermag eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO, deren Vorliegen gemäß § 519 Abs 2 ZPO gefordert wird, nicht aufzuzeigen.
I. Jede Entschädigungsklage ist gemäß § 1489 Satz 1 ABGB in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Schädigers dem Geschädigten bekannt sind. Die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt erst mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen soweit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RIS-Justiz RS0034524; RS0034374). Für den Beginn der Verjährungsfrist ist der Beklagte beweispflichtig (RIS-Justiz RS0034456).
Die Beantwortung der Rechtsfrage, wann der für eine erfolgversprechende Klagsführung ausreichende Kenntnisstand erreicht ist, sodass die Verjährungsfrist zu laufen beginnen kann, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (10 Ob 23/04m; RIS-Justiz RS0044464). Dies gilt auch für die Beurteilung der Erkundigungspflicht des Geschädigten (RIS-Justiz RS0034327, zu Schadenersatzansprüchen wegen zu Unrecht verrechneter Kreditzinsen vgl 10 Ob 23/04m, 7 Ob 204/05h, 6 Ob 172/05w, 9 Ob 23/07h). Eine „abschließende Klärung" der Frage des Beginns der Verjährungsfrist bei Schadenersatzansprüchen wegen zu Unrecht verrechneter Zinsen ist aus diesen Gründen nicht möglich. Von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen, verwirklicht daher die Frage, wann für einen konkreten Schadenersatzanspruch die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat, keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage.
II. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Kreditnehmer sei seiner Erkundigungspflicht in angemessener Frist nachgekommen, sodass die Verjährungsfrist erst im Juni 2004 begonnen habe, ist unter den gegebenen Umständen vertretbar: Ein Vorbringen, aus welcher konkreten („verdichteten") Medienberichterstattung der Kreditnehmer schon vor dem 12. 2. 2004 „ohne nennenswerte Mühe" Umstände entnehmen hätte können, aus denen sich die unrichtige Berechnung von Zinsen in seinem Fall bzw wenigstens durch seine Bank (also die Beklagte) ergeben hätte (vgl 1 Ob 68/05i; 6 Ob 172/05w), hat die Beklagte nicht erstattet. Die Beklagte beruft sich im Gegenteil ausdrücklich darauf, nicht schuldhaft gehandelt und ihre Vertragsmuster nach bestem Gewissen gewählt zu haben. Der Kreditnehmer kann der Bank grundsätzlich vertrauen, dass keine nach der Rechtslage unzweifelhaft nichtige Vertragsklausel vereinbart wird (9 Ob 23/07h). Er hat nach den Feststellungen hier unverzüglich nach der Sendung vom 12. 2. 2004 begonnen, Erkundigungen anzustellen. Konkrete Verdachtsmomente, die eine Erkundigungsobliegenheit des Kreditnehmers zu einem Zeitpunkt vor dem 12. 2. 2004 ausgelöst hätten, wurden von der Beklagten nicht vorgebracht; der in keiner Weise konkretisierte Hinweis auf eine seit längerem „verdichtete Medienberichterstattung" genügt dazu nicht.
III. Auf die Entscheidung 9 Ob 23/07h, mit der dem Kreditnehmer das Wissen der die Überprüfung des Kredits durchführenden Arbeiterkammer Niederösterreich zugerechnet wurde, kann sich die Revisionswerberin nicht mit Erfolg berufen. In dieser Entscheidung wurde nämlich die Qualifizierung der Arbeiterkammer Niederösterreich als Wissensvertreterin des Kreditnehmers mit dem Umstand begründet, dass sie vom Kreditnehmer nicht nur mit der Überprüfung des Kredits, sondern auch mit der Geltendmachung allfälliger sich daraus ergebender Ansprüche beauftragt worden war. Dass der Kreditnehmer auch der Klägerin schon damals einen Auftrag erteilt habe, allfällige Ansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen, steht aber hier nicht fest und wurde von der Beklagten auch gar nicht behauptet. Zudem wurde weder vorgebracht noch festgestellt, dass der Klägerin die Kontrolle der Kreditabrechnung vor dem 7. 6. 2004 möglich oder dass ihr deren Ergebnis vor diesem Zeitpunkt bekannt gewesen wäre.
Da somit die Beklagte weder eine erhebliche Rechtsfrage noch eine unvertretbare Fehlbeurteilung des vorliegenden Falls aufzeigt, ist ihr Rekurs als unzulässig zurückzuweisen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.
Textnummer
E93297European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0080OB00098.09H.0218.000Im RIS seit
28.04.2010Zuletzt aktualisiert am
28.02.2011