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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art132;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des S in M, gegen die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend seinen Antrag vom 3. Dezember 1999 auf Aufhebung der Immunität des Leiters des Regionalbüros für Entwicklungszusammenarbeit der Botschaft G, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
In einem gemeinsamen Schriftsatz - beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am 28. September 2000 - haben der Beschwerdeführer und B (dessen Beschwerde wurde unter hg. Zl. 2000/12/0252 protokolliert und mit hg. Beschluss vom 19. Dezember 2000, Zlen. 2000/12/0252 u.a., zurückgewiesen) jeweils im eigenen Namen und gestützt auf Art. 132 B-VG und § 27 VwGG eine Säumnisbeschwerde eingebracht, in der geltend gemacht wird, die belangte Behörde habe über den mit Schreiben vom 3. Dezember 1999 ("Einschreibensendung Nr. 21780") an sie gerichteten Antrag "auf Aufhebung der Immunitaet des wegen des Verbrechens der Amtsanmaszung Angeklagten ao. Ministers GD (im Folgenden D.), Leiter der oest. Botschaft in M" bislang nicht entschieden.
In dem genannten Schreiben vom 3. Dezember 1999 hat u.a. auch der Beschwerdeführer im eigenen Namen den Antrag auf Aufhebung der Immunität des genannten Organwalters D. gestellt und auf eine gegen diesen und andere namentlich genannte Personen wegen verschiedener Verbrechen wie Amtsanmaßung, Bandebildung usw. erhobene Anklage hingewiesen, der " am 17.11.1999 vom zustaendigen Strafgericht stattgegeben" worden sei. Aufgrund des Artikels 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (WDK), BGBl. Nr. 66/1966, stehe dem Angeklagten D. laut Auskunft der belangten Behörde die Immunität zu, die jedoch nach den Artikeln 32 und 37 leg. cit. aufgehoben werden könne. In der Folge werden einige Vorwürfe näher erläutert und neuerlich der Antrag auf Aufhebung der Immunität von D. gestellt.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Beschwerden, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist nicht zur Verhandlung eignen oder denen offenbar die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.
Der vom Nationalrat genehmigte multilaterale Staatsvertrag "Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen" (im Folgenden kurz WDK), BGBl. Nr 66/1966, der für Österreich am 28. Mai 1966 in Kraft getreten ist, regelt in seinen Artikeln 31 und 32 die Immunität von Diplomaten.
Nach Art. 31 Abs. 1 WDK genießt der Diplomat Immunität von der Strafgerichtsbarkeit des Empfangsstaats. Ferner steht ihm Immunität von dessen Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit ("immunity from its civil and administrative jurisdiction") mit Ausnahme von taxativ aufgezählten Fällen zu. Nach Abs. 4 dieser Bestimmung befreit die Immunität des Diplomaten von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates ihn nicht von der Gerichtsbarkeit des Entsendestaates.
Artikel 32 WDK lautet:
"(1) Auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit, die einem Diplomaten oder nach Maßgabe des Artikels 37 einer anderen Person zusteht, kann der Entsendestaat verzichten.
(2) Der Verzicht muss stets ausdrücklich erklärt werden.
(3) Strengt ein Diplomat oder eine Person, die nach Maßgabe des Artikels 37 Immunität von der Gerichtsbarkeit genießt, ein Gerichtsverfahren an, so können sie sich in bezug auf eine Widerklage, die mit der Hauptklage in unmittelbarem Zusammenhang steht, nicht auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit berufen.
(4) Der Verzicht auf die Immunität in einem Zivil- oder Verwaltungsgerichtsverfahren gilt nicht als Verzicht auf die Immunität von der Urteilsvollstreckung; hiefür ist ein besonderer Verzicht erforderlich."
Die EBzRV zur WDK, 738 Blg Sten prot NR X. GP führen auf Seite 45 zu Art. 32 Folgendes (Hervorhebungen im Original) aus (Auszug):
"Artikel 32 sieht vor, dass der Entsendestaat auf die Immunität eines Diplomaten von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates verzichten kann. Entgegen der bisherigen Übung der Staaten kann aber der Verzicht nicht stillschweigend erfolgen, sondern muss stets ausdrücklich erklärt werden. Klagt der Diplomat selbst im Empfangsstaat, kann er sich nicht hinsichtlich einer Widerklage seines Prozessgegners auf seine Immunität berufen. Wird auf die Immunität in einem Zivil- oder Verwaltungsverfahren verzichtet, gilt der Verzicht nicht auch als Verzicht auf die Immunität von der Urteilsvollstreckung, vielmehr ist hiefür ein besonderer Verzicht erforderlich. ...."
Nach herrschender Auffassung ist die Immunität ein Recht, das nicht dem Begünstigten, sondern dem Entsendestaat zusteht, sodass auch nur dieser und nicht der Begünstigte darauf verzichten kann (vgl. dazu zB Neuhold/Hummer/Schreuer - Hrsg, Handbuch des Völkerrechts, Band 13 Textteil, Rz 1649). Der Verwaltungsgerichthof geht ferner davon aus, dass die WDK als multilateraler Staatsvertrag grundsätzlich nur Rechte und Pflichten zwischen den Völkerrechtssubjekten untereinander (hier:
der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Völkerrechtssubjekten) regelt. Art. 32 enthält nicht den geringsten Hinweis dafür, dass darüber hinaus die Rechtsbeziehungen zu sonstigen Rechtssubjekten geregelt werden; insbesondere wird (sonstigen) Dritten durch die WDK kein Anspruch auf Aufhebung der Immunität eines Diplomaten eingeräumt. Völkerrechtliche Verpflichtungen der Republik Österreich, die sich allenfalls aus Art. 32 WDK ergeben könnten - ob dies überhaupt der Fall sein kann, kann hier dahingestellt bleiben - begründen aber keinen Anspruch des Beschwerdeführers auf Geltendmachung der (behaupteten) Entscheidungspflicht (siehe dazu den insoweit zu einer vergleichbaren Frage, ob nämlich die Begründung einer völkerrechtlichen Verpflichtung (nach Art. 53 EMRK) einen Anspruch auf Entscheidungspflicht im Sinn des Art 132 B-VG und § 27 VwGG verschafft, ergangenen hg. Beschluss vom 14. September 1994, 94/12/0191, in dem dies gleichfalls verneint wurde).
Aus diesem Grund war daher die Säumnisbeschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 22. Dezember 2000
Schlagworte
Anspruch auf Sachentscheidung Besondere Rechtsgebiete Offenbare Unzuständigkeit des VwGH DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000120305.X00Im RIS seit
14.03.2001