Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dejan S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Dejan S***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. Oktober 2009, GZ 123 Hv 48/09v-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dejan S***** wird zurückgewiesen.
Gemäß § 285d Abs 2 StPO behält sich der Oberste Gerichtshof die Ausübung der ihm gemäß § 290 Abs 1 StPO zustehenden Befugnis in Ansehung des Angeklagten Anton V***** für den öffentlichen Gerichtstag vor.
Zur Entscheidung über die Berufung des Dejan S***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Dejan S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Schuldspruch hinsichtlich Anton V***** enthält, wurde Dejan S***** des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs 1 Z 1 (ergänze: Abs 2) StGB schuldig erkannt.
Danach hat er zumindest seit Ende 2006 bis 18. Juli 2007 in Wien als Bauleiter der A***** Bau GesmbH bzw seit 12. Februar 2007 als gesamtvertretungsbefugter Geschäftsführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Anton V***** als Mittäter (§ 12 StGB) gewerbsmäßig Personen zur unselbstständigen Erwerbstätigkeit ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung oder ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung angeworben, indem sie Personen vom „Arbeiterstrich“ holten und für Tätigkeiten im Unternehmen einsetzten.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
In der Verfahrensrüge beanstandet der Beschwerdeführer (Z 4) die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 6. Oktober 2009 (ON 44 S 101) gestellten Antrags auf „Beischaffung des Akts des Magistrats“.
Einem deutlich und bestimmt zu formulierenden (RIS-Justiz RS0118060; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 311) Antrag muss stets neben Beweismittel und -thema zu entnehmen sein, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für Schuld- und Subsumtionsfrage oder - im Fall analoger Anwendung der Z 4 im Rahmen einer Sanktionsrüge - für die Sanktionsfrage von Bedeutung ist, soweit dies nicht offensichtlich ist (§ 55 Abs 1 und Abs 2 StPO). Die Begründung muss dabei umso eingehender sein, je fraglicher die Brauchbarkeit des geforderten Verfahrensschritts im Licht der übrigen Beweisergebnisse ist (RIS-Justiz RS0099453, RS0107040; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327, 330 ff, 342 ff).
Der oben wiedergegebene - vom Obersten Gerichtshof bezogen auf den Zeitpunkt seiner Erhebung zu prüfende - Antrag wird nicht nur keinem dieser Kriterien gerecht sondern verfiel auch deswegen zu Recht der Abweisung, weil das Erstgericht ohnedies als erwiesen annahm (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO), dass über den Angeklagten wegen eines einzelnen Vorfalls Anfang 2007 in einem Verwaltungsstrafverfahren rechtskräftig eine Geldstrafe ausgesprochen worden war (US 11, 13).
Die in der Beschwerde nachgetragenen Versuche einer Fundierung der Antragstellung verstoßen gegen das für die Prüfung eines Zwischenerkenntnisses geltende Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).
Das weitere Vorbringen des Angeklagten (insgesamt missverständlich, aber nominell § 281 Abs 1 Z 11, inhaltlich Z 10a StPO) richtet sich gegen die unterlassene Anwendung der Bestimmungen der §§ 198 ff StPO, macht aber keinen konkreten Feststellungsmangel in Bezug auf in der Hauptverhandlung hervorgekommene Umstände geltend, welche für eine positive Beurteilung der diversionellen Voraussetzungen den Ausschlag geben könnten, sondern releviert die (von den Tatrichtern durchaus gewürdigte) strafgerichtliche Unbescholtenheit des Angeklagten (US 3, 15). Mit einer bloß eigenen Annahme geringer Schuld und der - seiner gerichtlichen Einlassung (vgl US 13; ON 44 S 51 ff) zuwiderlaufenden - Behauptung, Verantwortung für das ihm angelastete deliktische Verhalten zu übernehmen, zeigt der Beschwerdeführer angesichts der formal mängelfreien und unbeanstandet gebliebenen Konstatierungen, wonach er über einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum hinweg in einer Vielzahl von Einzelfällen Schwarzarbeiter teils am „Arbeiterstrich“ teils über Vermittlung bereits beschäftigter Arbeiter zu dem Zweck anwarb, durch sie Arbeiten kostengünstiger verrichten zu lassen und damit die Finanzierung seiner Lebensbedürfnisse zu erzielen (US 10, 11 und 18), keinen Nichtigkeit begründenden Verstoß gegen die Bestimmungen des elften Hauptstücks der Strafprozessordnung auf.
Soweit letztlich die „rechtswidrige Doppelbestrafung“ im Hinblick auf eine bereits verhängte Verwaltungsstrafe thematisiert wird (der Sache nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO), legt die Beschwerde nicht dar, weshalb das aufgrund einer Beschäftigung von mehreren Schwarzarbeitern Anfang 2007 geahndete Verwaltungsdelikt (US 11, 13) den Unrechtsgehalt des hier in Frage gestellten Schuldspruchs wegen des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit nach der Bestimmung des § 153e Abs 1 Z 1 StGB für den Deliktszeitraum von Ende 2006 bis 18. Juli 2007 in jeder Beziehung mitumfassen und damit die Verurteilung Art 4 Abs 1 des 7. ZPMRK zuwiderlaufen sollte (vgl 12 Os 26/04).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Aus deren Anlass behält sich der Oberste Gerichtshof die Ausübung der ihm nach § 290 Abs 1 StPO zustehenden Befugnis in Betreff des Angeklagten Anton V***** (vgl RIS-Justiz RS0114232, RS0114318) dem öffentlichen Gerichtstag vor.
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Dejan S***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E96827European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2010:0110OS00196.09X.0302.001Im RIS seit
14.04.2011Zuletzt aktualisiert am
20.06.2011